Fazit 134

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Das ist eine klassische journalistische Behauptung. Sie ist zwar richtig, aber sie ist nicht die Wahrheit. Helmut Kohl, Kanzler der deutschen Einheit, 1930–2017

Theater in den Kasematten am Grazer Schloßberg

Die Leichtigkeit des Cyrano Von Andreas Pankarter

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in Besuch im Sommertheater kann eine durchwachsene Angelegenheit sein. Die Erwartungen sind niedrig, doch als Zuschauer hofft man zumindest auf eine lustvolle, hoffentlich kurzweilige Inszenierung. Wenn jedoch die meisten Besucher, wie bei Rostands »Cyrano«, von einer legendären Filmversion mit dem großartigeren Gérard Depardieu in der Hauptrolle verwöhnt sind, darf man vorab durchaus vermuten, dass es für das Ensemble des Grazer Schauspielhauses diesmal nicht viel zu holen geben wird. Aber die Intendanz hat gleichzeitig etwas riskiert und doch auf Bewährtes gesetzt. Im Bewusstsein, dass sie für das Sommertheater »etwas sehr Bekanntes« bringen muss, weil nur das den Zuschauerraum füllt, hat Iris Laufenberg Regisseur Markus Bothe damit beauftragt, seine 2015 in Bern aufgeführte Inszenierung des »Cyrano de Bergerac« für Graz zu adaptieren. Das ist auf eine Art und Weise geglückt, welche die Zuseher zu Begeisterungsstürmen und stehenden Ovationen veranlasst. Die Bühne von Kathrin Frosch ist extrem reduziert und besteht lediglich aus einem gut eineinhalb Meter hohen und ebenso breiten Laufsteg, der die gesamte Länge der Kasematten durchmisst. Das garantiert dem Publikum eine Nähe und Intimität zum Stück, die zu den anhaltenden Begeisterungsstürmen am Ende des Thea-

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terabends ebenso beitragen wie die Inszenierung und die schauspielerischen, aber auch akrobatischen Leistungen der Darsteller. Andri Schenardi führt als Cyrano nicht nur eine feine Wortklinge, sondern überzeugt auch in allen anderen Talenten des Titelhelden – als begnadeter Fechter, als Bewegungsakrobat und natürlich als Egomane. Mit Henriette Blumenau als Roxane, Pascal Goffin als Graf Guiche und Benedikt Greiner als Christian de Neuvillette überzeugt auch der Rest der Schweizer Truppe, die Laufenberg aus Bern mit nach Graz genommen hat. Die Inszenierung ist witzig und geistreich zugleich. Die Alexandriner sind alles andere als altmodisch und die Inszenierung ist mit ironischen Elementen durchsetzt. So stimmt der tollpatschige, aber über beide Ohren verliebte Christian de Neuvillette etwa den Popsong »Roxanne« von »The Police« an, bevor er seine Gefühle für die weibliche Hauptfigur Roxane zu formulieren versucht. Der zierliche und schlank gebaute Andri Schenardi ist weder hässlich noch ein vierschrötiger Riese. Er verleiht dem Cyrano eine Leichtigkeit und Attraktivität, an der nur dieser selbst zweifelt und später verzweifelt, weil er wegen seiner bekannt großen Nase an Komplexen leidet. Der Grazer Cyrano ist kein bombastisches Historiendrama, sondern ein intimes, reduziertes Stück, das von Inszenierung und großartigen Schauspielern getragen wird; ein »Must-see« dieses Sommers. n

Fotos: Bundesarchiv, Lupi Spuma

Markus Bothe interpretiert Rostands romantisches Versdrama »Cyrano de Bergerac« auf den Schloßberg-Kasematten als leichtfüßiges Mantel-und-Degen-Spektakel witzig und mit großen Gefühlen zugleich.

26.06.17 12:56


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