Fazit 132

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Allgemeine Begriffe und großer Dünkel sind immer auf dem Wege, entsetzliches Unheil anzurichten.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832

»Geächtet« im Wiener Burgtheater

Reine Assimilierung nützt nichts

Wer »Geächtet« von Ayad Akhtar auf eine deutschsprachige Theaterbühne bringt, kann sich auf einen großen Erfolg verlassen. Das Stück wird derzeit auf allen wichtigen Bühnen landauf, landab gespielt. Das Burgtheater machte sich damit vergleichbar und schaffte es, mit der schnörkellosen Inszenierung von Tina Lanik zu überzeugen.

Von Andreas Pankarter

D

er New Yorker Autor Ayad Akhtar, selbst Sohn pakistanischer Einwanderer, hat mit »Geächtet« 2012 den Pulitzerpreis gewonnen. Er stellt den aufgeklärten, aber nur oberflächlich toleranten und liberalen New Yorker Bildungsbürgern den voll assimilierten Moslem gegenüber, der sie vor der Indoktrination durch den Koran warnt. Die zahlreichen herablassenden Kränkungen gegenüber seiner Kultur und Religion will dieser aber dennoch nicht auf sich sitzen lassen. In diesem Zusammenhang erscheint die Übersetzung des Originaltitels »Disgraced« mit »Geächtet« nicht vollständig, denn auch »Geschändet« oder »Entwürdigt« wären durchaus passend gewesen. Dass sich der Islam in Zeiten wie diesen nur bedingt als Smalltalkthema eig-

Geächtet von Ayad Akhtar Burgtheater, Wien Nächste Vorstellungen am 22. und 23. 5. burgtheater.at

Die Inszenierung wird vom Voestalpine-Konzern gesponsert, der seine diesbezüglichen Aktivitäten nun vom Spitzensport in Richtung Hochkultur verlagert. Konzernchef Wolfgang Eder sieht die Unterstützung des Burgtheaters als Teil der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens und als Beitrag zum aktuellen gesellschaftspolitischen Dialog. Fazit wurde zur Vorstellung eingeladen. 80 /// FAZIT MAI 2017

net, liegt auf der Hand. Der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt Amir Kapoor ist selbst Muslim mit pakistanischen Wurzeln. Er hat sich jedoch weitgehend kulturell assimiliert und sich vollständig vom Islam losgesagt, den er für eine rückständige und gewalttätige Religion hält. Amir soll Partner in einer jüdischen Anwaltsgesellschaft werden. Als ihn seine Frau, die von

Fabian Krüger besticht als Anwalt Amir Kapoor mit moslemischen Wurzeln.

islamischer Kunst inspirierte Künstlerin Emily, und sein Neffe Abe ersuchen, an der Verteidigung eines Imams, der aufgrund des »Patriot Acts« der Terrorfinanzierung angeklagt ist, mitzuwirken, lässt sich Amir breitschlagen. Und als die Times über den Prozess berichtet, muss sich Amir seinen muslimischen Wurzeln stellen. Als Amir und Emily eine Dinner Party geben, an


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