Fazit 132

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Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Recep Tayyip Erdoğan im Jahr 1998

Fotos: Ulrike Rauch, ÖVP

Türkenreferendum – Die heimische Politik sucht Antworten In Österreich ist man sich einig, dass bei der Integration einiges schiefgegangen sein muss, wenn Auslandstürken, die teilweise seit Jahrzehnten bei uns leben, für den Machtausbau von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğans stimmen. Doch, was zum Führerkult der Türken geführt hat, ist unklar. Auch auf die Idee, dass die Türken bloß einen Denkzettel für die von ihnen empfundene Benachteiligung austeilen wollten, der eher an die Österreicher adressiert ist als an die türkische Regierung, ist noch niemand gekommen. Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz sieht eine andere Mitschuld der Bundesregierung am klaren Ja des türkischen Verfassungsreferendums in Österreich. Der Staat habe stasiartige Institutionen des türkischen Geheimdienstes und türkischer Auslandsorganisationen in Österreich zugelassen, so Pilz. Er sieht einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen unter den Auslandstürken und der Stärke der türkischen Pro-Erdoğan-Netzwerke in den jeweiligen Ländern. Österreich, Belgien oder die Niederlande seien deswegen »Heimspielländer« für Präsident Erdoğan. Dort wo die Netzwerke am dichtesten sind, habe es die meisten Ja-Stimmen gegeben. Der Integrationsminister Außenminister Sebastian Kurz sieht sich hingegen bestätigt. Es gehe in Zukunft darum, die Zuwanderung aus kulturfernen Regionen stark einzuschränken. Die 73 Prozent an Türken, die in Österreich für den Machtausbau Erdoğans gestimmt haben, führt Kurz auf die falsche Zuwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte zurück. Da habe eine absolut völlig falsche Laissez-faire-Stimmung geherrscht.

Buchmann tritt nach massiver Medienkampagne doch zurück Natürlich hat die Aberkennung des Doktorgrades von Christian Buchmann dessen Glaubwürdigkeit als Politiker erschüttert. Ob der Rücktritt wegen der Verfehlungen bei seiner vor 17 Jahren 16 /// FAZIT MAI 2017

Mit Christian Buchmann verliert die Steiermark einen erfolgreichen Wirtschaftspolitiker, dessen Kompetenz auch nach dem durch die Plagiatsaffäre erzwungenen Rücktritt unumstritten bleibt. eingereichten Dissertation tatsächlich angebracht war, soll dennoch jeder für sich selbst beurteilen. In der Frage, ob Buchmann bleiben soll oder nicht, hat sich besonders die Kleine Zeitung hervorgetan. Das Blatt ließ die Rufe nach einem Rücktritt immer lauter werden. Die mit Abstand größte steirische Tageszeitung erreicht zwischendurch eine Qualität, die in Österreich keinen Vergleich scheuen muss. Das hält die Redaktion jedoch offenbar nicht davon ab, manchmal in einen Kampagnenjournalismus abzugleiten, den man sonst nur aus Großbritannien kennt. Nachdem Buchmann sich für seine Verfehlungen entschuldigt hatte, stellte sich die ÖVP geschlossen hinter ihn. Die Affäre schien bereits überwunden, doch Buchmann spürte den wachsenden Widerstand auch in seiner Partei und kündigte daraufhin den Rücktritt an.

Bürgermeister Siegfried Nagl spricht von »bezahlten Kopfgeldjägern« Buchmanns Dissertation war ins Gerede gekommen, nachdem »anonyme Zahler« bei einem selbst ernannten Plagiatsjäger ein Gutachten bestellten, in dem dieser – wohl ganz im Sinne seiner Auftraggeber – festgestellt hatte, das Buchmanns in weiten Teilen seiner Dissertation gar nicht zitiert, also abgeschrieben bzw. in anderen Bereichen nur sehr »unsauber« zitiert hat. Besonders der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl hat sich massiv über das Vorgehen der im Hintergrund agierenden Buchmann-Jäger aufgeregt. Er forderte wörtlich: »Bezahlte Kopfgeldjäger dürfen nicht die Politik bestimmen!« Bei der Jagd nach Buchmann gehe es eindeutig nicht um lautere Interessen. Man müsse sich zur Wehr setzen, bevor Bespitzelung und Vernaderung zum politischen Alltag werden. Sonst werde sich bald kaum noch jemand finden, der vor diesem Hintergrund bereit sei, politische Verantwortung zu tragen. Tatsächlich hätten die Fehler der Dissertation eigentlich der Universität Graz schon bei der Einreichung der Arbeit auffallen müssen. Solchermaßen angepatzt, entschloss sich die Uni dazu, in einem langwierigen Prozess nach mehreren Gutachten Buchmanns Doktor einzukassieren. Buchmanns Rücktritt löst ein Personalkarussell aus Durch den Rücktritt ihres Wirtschaftslandesrates und Wirtschaftsbundobmannes wurde innerhalb der steirischen ÖVP ein Personalkarussell ausgelöst. Buchmanns Nachfolgerin in der Landesregierung wird Barbara Eibinger-Miedl. Dieser folgt der obersteirische Landtagsabgeordnete Karl Lackner als ÖVP-Klubobmann nach. Lackner hatte die Klubführung schon während Eibinger-Miedls Babypause inne. Mit dem Wechsel ändern sich auch die Zuständigkeiten in der Landesregierung. Christopher Drexler übernimmt neben der Gesundheit und dem Personal nun auch die Kultur. Dafür erhält Eibin-


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