Die Sorgen, die wir heute haben, sind mir tausendmal lieber als jene, die wir zur Zeit des Eisernen Vorhangs hatten. Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich
Fotos: TeresaRothwangl, vanderbellen.at
Gesundheitslandesrat Christopher Drexler erweist sich wieder einmal als guter Stratege. Er setzt die Gesundheitsreform als Netzwerk von Verbindlichkeiten auf, in das er alle Beteiligten integriert. Die Gesundheitsreform steht Jetzt wird es ernst bei der Gesundheitsreform. Gesundheitslandesrat Christopher Drexler hat gemeinsam mit den betroffenen Interessengruppen eine umfassende Erneuerung des gesamten Gesundheitswesens vorgelegt. Die wichtigsten Eckpunkte sehen die Absicherung der derzeitigen Standards durch eine flächendeckende, medizinisch kompetente Telefonhotline, örtliche Gesundheitszentren für die Primärversorgung und mindestens sieben Leitspitäler in den sieben steirischen Regionen sowie dem LKH-Universitätsklinikum Graz für die Spitzenmedizin vor. Die steirische Spitalslandschaft ist nämlich 100 Jahre alt und stammt noch aus dem Postkutschenzeitalter. Außerdem hat die demografische Situation in den Randregionen dazu geführt, dass die Fallzahlen in den dortigen Spitälern so gering geworden sind, dass vor allem die Jungärzte Angst davor haben müssen, ihre Karrieren aufs Spiel zu setzen, wenn sie zu lange dort arbeiten. Die Gerätemedizin wird durch den medizinischen Fortschritt, der auch weiterhin zu einer unvermindert schnell wachsenden Lebenserwartung führen wird, so teuer, dass nur optimale Auslastungen die hohen Investitionen rechtfertigen können. Darüber hinaus führt das neue EU-konforme Ärztearbeitszeitgesetz dazu, dass schlecht ausgelastete Spitalsabteilungen auf Dauer nicht mehr mit Ärzten besetzt werden können. Und
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auch der niedergelassene Bereich ist vom Wandel betroffen. In den nächsten beiden Jahrzehnten gehen nämlich zwei Drittel der Allgemeinmediziner in Pension. Das Berufsbild des ständig erreichbaren Landarztes ist zudem mit den Zielen einer nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance strebenden – überwiegend weiblicher werdenden – Ärzteschaft ebenfalls nicht mehr vereinbar. Die Spitalsbetreiber, die Krankenkassen, das Pflegepersonal und die Ärzteschaft sind sich weitgehend darin einig, dass die Weiterführung unseres derzeitigen Gesundheitssystems dazu führen wird, dass die Qualität sinkt und die Kosten explodieren. Mit diesem Konsens haben die steirischen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ einen wichtigen politischen Meilenstein zu einer erfolgreichen Gesundheitsreform bewältigt. Christopher Drexler musste das Gesundheitsressort vor zwei Jahren in einer Art Feuerwehraktion übernehmen. Seine ebenso ambitionierte Vorgängerin Kristina Edlinger-Ploder ist mit ihren Plänen gescheitert, weil es ihr nicht gelingen wollte, die 17.000 Mitarbeiter der Landesspitäler für ihre im Vergleich zur jetzigen Reform bescheidenen Pläne zu gewinnen. Edlinger-Ploder wurde Opfer der Kommunikationsverweigerung einiger potenzieller Reformgeschädigter. Die ÖVP – ihr wird der Großteil der Spitalsbediensteten politisch zugeordnet – sah sich
daher dazu gezwungen, Edlinger-Ploder zu ersetzen und die Gesundheitsreform mit dem im ÖAAB, der ÖVP-Arbeitnehmerschaft, beheimateten Christopher Drexler neu aufzusetzen. Ihr Beharren auf die Reform wurde Edlinger-Ploder als politische Sturheit ausgelegt. Das war zwar ungerecht, aber wer das Gesundheitssystem reformieren will, muss nicht nur einen gordischen Knoten durchschlagen, sondern danach in der Lage sein, die losen Fäden wieder zusammenzuknüpfen. Denn eine Reform hat nur dann Chancen, wenn sie von allen Beteiligten – von der Ärztekammer bis zu den Bürgermeistern der Spitalsstandorte – mitgetragen wird. Im nun vorgestellten »Steirischen Gesundheitsplan 2035« geben tatsächlich die meisten Beteiligten verbindliche Zusagen. Verantwortlich für die Reform ist nicht der Gesundheitslandesrat, sondern die gemeinsame Plattform von Land, Spitälern, Krankenkassen und Sozialpartnern, der steirische Gesundheitsfonds. Die Betroffenen haben so laufend die Möglichkeit, ihre Standpunkte zu konkretisieren. Die Strategie Drexlers beruht darauf, alle »Stakeholder« immer tiefer in die Reform zu integrieren, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, vom gemeinsamen Weg auszuscheren. Die Gebietskrankenkasse, die WKO und die AK bilden klar berechenbare Faktoren – nicht jedoch die Ärzteschaft. Im nächsten Jahr finden nämlich Ärztekammerwahlen statt. Dort wechseln die Mehrheiten regelmäßig. Und mit der Gesundheitsreform steht das wichtigste Thema in der wahrscheinlich wieder mit großer Leidenschaft geführten Wahlauseinandersetzung schon heute fest. Nach der Ärztekammerwahl wird es für die Gesundheitsreform erst wieder ernst, wenn bekannt gegeben wird, wo die Leitkrankenhäuser angesiedelt werden und was dann mit den vielen überflüssig gewordenen Spitälern geschehen wird. Nicht eingebunden in die Reform sind nämlich jene Bürgermeister, die ihr Spital verlieren werden. Gesundheitslandesrat Christopher Drexler gilt als Meisterstratege. Daher werden die Standortentschei-