Fazit 126

Page 16

Wer nicht in der Lage ist, eine Wahlkarte zu beantragen, ist von der Wahl ausgeschlossen. Dieter Böhmdorfer, FPÖ-Anwalt

Fotos: Stadt Graz/Fischer, Parlamentsdirektion/Simonis

Die Grazer KPÖ unter Vizebürgermeisterin Elke Kahr wird dem Budget wohl zustimmen, solange keine Tariferhöhungen vorgesehen sind.

Präsidentschaftswahl Mit der Verschiebung der Wiederholung der aufgehobenen Stichwahl setzt sich die Pannenserie um die Bundespräsidentschaftswahl fort. Während der defekte Kleber auf den Wahlkartenkuverts weltweit für Erheiterung sorgt, nehmen es die beiden Kandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer zumindest nach außen gelassen hin. Objektiv ist es ziemlich egal, ob am 2. Oktober oder am 4. Dezember gewählt wird. Was das Parlament reitet, dass es nun die Wählerevidenz ändert, und dies, um den Verfassungsgerichtshof auszuhebeln, mithilfe eines rasch zusammengeschusterten Verfassungsgesetzes tut, steht auf einem anderen Blatt. Als Erstes hat sich die im ersten Wahlgang knapp unterlegene ehemalige OGH-Richterin Irmgard Griss zu Wort gemeldet und klargestellt, dass nun aufgrund der Änderung der Wählerevidenz die gesamte Wahl, also auch der erste Wahlgang, wiederholt werden müsse. Griss wendet aber ein, dass der Trick mit dem Verfassungsgesetz wohl funktionieren wird, da der Verfassungsgerichtshof das Gesetz nicht prüfen könne, weil es sich nicht um eine Gesamtänderung der

16 /// FAZIT OKTOBER 2016

Verfassung handle. Dennoch steht neuerlicher Unbill ins Haus. FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer sät neue Zweifel und will aus dem VfGH-Erkenntnis, mit dem die ursprüngliche Wahl aufgehoben wurde, herausgelesen haben, dass nur derjenige mittels Briefwahl wählen darf, der die Wahlkarte persönlich beantragt. Damit würden die Tausenden Pflegeheimbewohner oder stationäre Spitalspatienten, für die von den Heim- bzw. Spitalsleitungen Wahlkarten beantragt werden, einen neuerlichen Anfechtungsgrund liefern. Norbert Hofer hat die inzwischen aufgehobene Wahl ja nur wegen der zahlreichen Briefwähler, bei denen die beiden Arbeiterparteien FPÖ und SPÖ traditionell schlecht abschneiden, verloren. Am liebsten wäre den Freiheitlichen daher die generelle Abschaffung der Briefwahl und deren Ersatz durch Wahlkarten, die zur Wahl in einem anderen Wahllokal ermächtigen, durch vorgezogene Wahltage, wie sie in der Steiermark seit Jahren üblich sind, bzw. durch fliegende Wahlkommissionen für bettlägerige Wähler. Vor besonderen Herausforderungen stehen übrigens die Sprengelwahlbehörden, weil viele SPÖund ÖVP-Funktionäre nicht als Beisitzer an der neuerlichen Präsidentschaftswahl teilnehmen wollen. Die viel schlechter organisierten Freiheitlichen und Grünen waren selbst bei der letzten Stichwahl nur sporadisch in den Wahllokalen anzutreffen. Bis jetzt gehen die Politologen davon aus, dass die Demokratie keinen Schaden wegen des Theaters um die Bundespräsidentenwahl genommen hat. Was allerdings geschehen würde, wenn Norbert Hofer gewinnt, bleibt abzuwarten. Schließlich haben die Van-der-Bellen-Anhänger die Aufhebung aus formellen Gründen nur zähneknirschend zur Kenntnis genommen.

Unmut über Alpbach in »bürgerlichen« Kreisen Den wachsenden konservativen Unmut über die Öffnung des Diskussionsforums Alpbach für die Sozialdemokratie hat kürzlich des Publizist Michael Hörl im Onlineblog »Fisch und Fleisch« zum Ausdruck gebracht. Franz Fischler fische schon länger in sozialdemokratischen Gewässern und habe das früher bürgerliche »Forum Alpbach« zur SPÖ-Belangsendung umorganisiert, klagt Hörl. Denn kaum ein SPÖ-naher Verein – von den Kinderfreunden bis zur Armutskonferenz – dürfe dort nicht die Ungerechtigkeit des Systems beweinen. Das Forum sei inzwischen klinisch frei von kritischem oder gar bürgerlichem Intellekt. Ein steirischer Forumsteilnehmer beklagte, dass den dort Anwesenden als wichtigste Antwort auf die Digitalisierung nur mehr Arbeitszeitverkürzung und Wertschöpfungsabgabe einfallen würden. Das sei ein klares Zeichen, dass dort die Arbeiterkammer übernommen habe, obwohl die Wirtschaft zahle. Der Industriellenvereinigung war diese Öffnung des Forums schon früher ein Dorn im Auge. Als Präsident Fischler die AK in die Wirtschaftsgespräche eingebunden hat, haben die Industriellen das zum Anlass genommen, ihr Alpbach-Engagement auf die Technologiegespräche zu reduzieren. Die WKO kämpft um Schutzbestimmungen in der Gewerbeordnung Die Wirtschaftskammer versucht, die Mindestqualifikation bei den 80 reglementierten Gewerben zu erhalten. Eine Meisterprüfung sei ohnehin keine Voraussetzung für einen Gewerbeschein mehr. Es sei für Gründer schon heute möglich, über individuelle Befähigungsnachweise zu zeigen, dass sie entsprechende Tätigkeiten ausüben können, auch ohne Prüfungen ablegen oder einschlägige Schulausbildungen abschließen zu müssen. Andere Möglichkeiten zum Gewerbezugang seien Kombinationen aus Schulausbildung und Praxiszeiten oder nur Praxiszeiten, so die


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Fazit 126 by Fazitmagazin - Issuu