Fazit 126

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Wer nicht in der Lage ist, eine Wahlkarte zu beantragen, ist von der Wahl ausgeschlossen. Dieter Böhmdorfer, FPÖ-Anwalt

Fotos: Stadt Graz/Fischer, Parlamentsdirektion/Simonis

Die Grazer KPÖ unter VizebĂŒrgermeisterin Elke Kahr wird dem Budget wohl zustimmen, solange keine Tariferhöhungen vorgesehen sind.

PrĂ€sidentschaftswahl Mit der Verschiebung der Wiederholung der aufgehobenen Stichwahl setzt sich die Pannenserie um die BundesprĂ€sidentschaftswahl fort. WĂ€hrend der defekte Kleber auf den Wahlkartenkuverts weltweit fĂŒr Erheiterung sorgt, nehmen es die beiden Kandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer zumindest nach außen gelassen hin. Objektiv ist es ziemlich egal, ob am 2. Oktober oder am 4. Dezember gewĂ€hlt wird. Was das Parlament reitet, dass es nun die WĂ€hlerevidenz Ă€ndert, und dies, um den Verfassungsgerichtshof auszuhebeln, mithilfe eines rasch zusammengeschusterten Verfassungsgesetzes tut, steht auf einem anderen Blatt. Als Erstes hat sich die im ersten Wahlgang knapp unterlegene ehemalige OGH-Richterin Irmgard Griss zu Wort gemeldet und klargestellt, dass nun aufgrund der Änderung der WĂ€hlerevidenz die gesamte Wahl, also auch der erste Wahlgang, wiederholt werden mĂŒsse. Griss wendet aber ein, dass der Trick mit dem Verfassungsgesetz wohl funktionieren wird, da der Verfassungsgerichtshof das Gesetz nicht prĂŒfen könne, weil es sich nicht um eine GesamtĂ€nderung der

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Verfassung handle. Dennoch steht neuerlicher Unbill ins Haus. FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer sĂ€t neue Zweifel und will aus dem VfGH-Erkenntnis, mit dem die ursprĂŒngliche Wahl aufgehoben wurde, herausgelesen haben, dass nur derjenige mittels Briefwahl wĂ€hlen darf, der die Wahlkarte persönlich beantragt. Damit wĂŒrden die Tausenden Pflegeheimbewohner oder stationĂ€re Spitalspatienten, fĂŒr die von den Heim- bzw. Spitalsleitungen Wahlkarten beantragt werden, einen neuerlichen Anfechtungsgrund liefern. Norbert Hofer hat die inzwischen aufgehobene Wahl ja nur wegen der zahlreichen BriefwĂ€hler, bei denen die beiden Arbeiterparteien FPÖ und SPÖ traditionell schlecht abschneiden, verloren. Am liebsten wĂ€re den Freiheitlichen daher die generelle Abschaffung der Briefwahl und deren Ersatz durch Wahlkarten, die zur Wahl in einem anderen Wahllokal ermĂ€chtigen, durch vorgezogene Wahltage, wie sie in der Steiermark seit Jahren ĂŒblich sind, bzw. durch fliegende Wahlkommissionen fĂŒr bettlĂ€gerige WĂ€hler. Vor besonderen Herausforderungen stehen ĂŒbrigens die Sprengelwahlbehörden, weil viele SPÖund ÖVP-FunktionĂ€re nicht als Beisitzer an der neuerlichen PrĂ€sidentschaftswahl teilnehmen wollen. Die viel schlechter organisierten Freiheitlichen und GrĂŒnen waren selbst bei der letzten Stichwahl nur sporadisch in den Wahllokalen anzutreffen. Bis jetzt gehen die Politologen davon aus, dass die Demokratie keinen Schaden wegen des Theaters um die BundesprĂ€sidentenwahl genommen hat. Was allerdings geschehen wĂŒrde, wenn Norbert Hofer gewinnt, bleibt abzuwarten. Schließlich haben die Van-der-Bellen-AnhĂ€nger die Aufhebung aus formellen GrĂŒnden nur zĂ€hneknirschend zur Kenntnis genommen.

Unmut ĂŒber Alpbach in »bĂŒrgerlichen« Kreisen Den wachsenden konservativen Unmut ĂŒber die Öffnung des Diskussionsforums Alpbach fĂŒr die Sozialdemokratie hat kĂŒrzlich des Publizist Michael Hörl im Onlineblog »Fisch und Fleisch« zum Ausdruck gebracht. Franz Fischler fische schon lĂ€nger in sozialdemokratischen GewĂ€ssern und habe das frĂŒher bĂŒrgerliche »Forum Alpbach« zur SPÖ-Belangsendung umorganisiert, klagt Hörl. Denn kaum ein SPÖ-naher Verein – von den Kinderfreunden bis zur Armutskonferenz – dĂŒrfe dort nicht die Ungerechtigkeit des Systems beweinen. Das Forum sei inzwischen klinisch frei von kritischem oder gar bĂŒrgerlichem Intellekt. Ein steirischer Forumsteilnehmer beklagte, dass den dort Anwesenden als wichtigste Antwort auf die Digitalisierung nur mehr ArbeitszeitverkĂŒrzung und Wertschöpfungsabgabe einfallen wĂŒrden. Das sei ein klares Zeichen, dass dort die Arbeiterkammer ĂŒbernommen habe, obwohl die Wirtschaft zahle. Der Industriellenvereinigung war diese Öffnung des Forums schon frĂŒher ein Dorn im Auge. Als PrĂ€sident Fischler die AK in die WirtschaftsgesprĂ€che eingebunden hat, haben die Industriellen das zum Anlass genommen, ihr Alpbach-Engagement auf die TechnologiegesprĂ€che zu reduzieren. Die WKO kĂ€mpft um Schutzbestimmungen in der Gewerbeordnung Die Wirtschaftskammer versucht, die Mindestqualifikation bei den 80 reglementierten Gewerben zu erhalten. Eine MeisterprĂŒfung sei ohnehin keine Voraussetzung fĂŒr einen Gewerbeschein mehr. Es sei fĂŒr GrĂŒnder schon heute möglich, ĂŒber individuelle BefĂ€higungsnachweise zu zeigen, dass sie entsprechende TĂ€tigkeiten ausĂŒben können, auch ohne PrĂŒfungen ablegen oder einschlĂ€gige Schulausbildungen abschließen zu mĂŒssen. Andere Möglichkeiten zum Gewerbezugang seien Kombinationen aus Schulausbildung und Praxiszeiten oder nur Praxiszeiten, so die


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