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Alles Kultur Ausstellung

Fasten mit den Augen

Eine kleine, sehr feine Ausstellung im Diözesanmuseum Graz wirft einen KunstBlick auf die Fastenzeit, Ostern und Pfingsten. Gestaltet und konzipiert vom Direktor des Museums, Heimo Kaindl, erhellen sich anhand von Kunst- und Brauchtumsgegenständen 40 Tage Fastenzeit. Von Katharina Kocher-Lichem

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asten ist in aller Munde, es gibt wieder eine stärkere Besinnung auf die heiligen Zeiten. »Ich stelle fest, dass die alten Bräuche auch im städtischen Raum wieder verstärkt gelebt werden«, hält Heimo Kaindl, der Direktor des Diözesanmuseum Graz, fest, während er vor einem alten Fastentuch stehen bleibt, das er als Lumpen vor vielen Jahren bei einer Entrümpelung eines Grazer Pfarrhofes gefunden hat. Fastentücher verhüllen das Hochaltarbild – man fastet mit den Augen. In der Steiermark gibt es nur wenige historische Fastentücher, hier sind sie eher violett, der liturgischen Farbe dieser Zeit. Heimo Kaindl erklärt in seiner Ausstellung anhand von Kunstwerken, Brauchtums- oder edlen liturgischen Gegenständen die Bedeutung der Fest- und Feiertage. Schön und ungewöhnlich ist die sehr detailreiche Fastenkrippe. Wie die Weihnachtskrippe sollte auch die Fastenkrippe den Leseunkundigen das Leiden Jesu vor Augen führen. Man erfährt in der Ausstellung, dass es einen franziskanischen Kreuzweg gibt, der 14 Stationen hat, dass sich in der Steiermark aber die josephinischen Reformen stärker erhalten haben, nach denen man sich streng an die Bibel zu halten hatte, und deshalb nur 12 Stationen übrig geblieben sind – demnach fällt Jesus nämlich nur einmal und nicht dreimal unter dem Kreuz. Eines der originellsten Objekte, die zur Gänze aus Beständen des Museums bestritten wird, ist wohl das Passionskreuz mit den Arma Christi, den Leidenswerkzeugen Christus. Dieses beeindruckende Holzkreuz aus der 1. Hälfte des 19. Jahr-

hunderts wurde von den Betenden am Karfreitag zu den Kreuzwegandachten mitgetragen. In den drei großen Zinngefäßen werden die geweihten Öle aufbewahrt. Diese Öle werden jedes Jahr in einer feierlichen Messe am Mittwoch in der Karwoche, zu der über 140 Priester der Steiermark in den Grazer Dom kommen, vom Bischof geweiht. »Geweiht wird nur einmal im Jahr, das Öl wird dann in den Pfarren für Taufen und Krankensalbungen eingesetzt«, hält Kaindl fest. Vor einem »Grabchristus« aus dem 16. Jahrhundert stehend, erzählt er, dass er am Karsamstag gerne die »heiligen Grä-

ber« der Grazer Kirchen besucht. Mit viel Liebe würden da in wieder auflebender Tradition richtig große »Grabbilder« inszeniert. Und am Ende der Ausstellung verweist er noch auf eine Caravaggio-Kopie des »Ungläubigen Thomas«, von der es 40 auf der Welt und eben eine in seinem Museum gäbe. Nach diesem abwechslungsreichen KunstBlick auf die Fastenzeit weiß man auch, warum es den Oster- und einen Pfingstmontag gibt, warum in der Osternacht die Bienen gelobt werden und dass in einem Fleischweihkorb auf keinen Fall ein Kräutersträußerl fehlen darf! n

Passionskreuz mit Arma Christi und die Caravaggio-Kopie »Ungläubiger Thomas«

Die drei Zinngefäße für die heiligen Öle

Fazit April 2015 /// 81


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