Fazit 109

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Ob andere Ähnliches wagen wie die Steiermark, hängt davon ab, ob die Bevölkerung die Reformen bei der Landtagswahl anerkennt. LH-Vize Hermann Schützenhöfer

Fotos: SPÖ Presse und Kommunikation, euranet_plus

Bundeskanzler Werner Faymann ist wieder voll auf Anti-TTIP-Kronenzeitung-Kurs, sein Parteikollege, der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gilt inzwischen als klarer TTIP-Befürworter. Steuern: Selbst Niedrigstverdiener zahlen 50 Prozent Abgabenlast Die Tageszeitung »Die Presse« hat die Sozialtransfers und Lohnsteuerzahlungen für verschiedene Einkommensgruppen einander gegenübergestellt und kommt dabei zu mehreren verblüffenden Ergebnissen: Einerseits verdient nur ein Viertel der Lohn- und Einkommensbezieher mehr als 30.000 Euro brutto jährlich. Dieses sogenannte »besserverdienende Viertel« zahlt über 80 Prozent der gesamten anfallenden Lohn- und Einkommensteuer. 30.000 Euro brutto im Jahr, umgelegt auf 14 Gehälter, bedeutet übrigens ein Nettoeinkommen von nicht einmal 1.500 Euro monatlich. Fazit hat sich bereits im Juli mit der exorbitant hohen Abgabenlast in Österreich beschäftigt und neben der Lohnsteuer auch die durchschnittlichen indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc.) sowie die von Arbeitnehmer und Arbeitgeber entrichteten Sozialabgaben mit einberechnet. Das erschreckende Ergebnis: Ein Arbeitnehmer (oder Selbstständiger) mit monatlich knapp 1.000 Euro netto bringt dem Staat Abgaben von fast 900 Euro. Wer 14 Mal monatlich 2.000 Euro netto verdient, kostet seinen Arbeitgeber im 16 /// Fazit JÄNNER 2015

Schnitt 4.900 Euro pro Monat. Mit den indirekten Steuern kommt dieser Arbeitnehmer auf die unglaubliche Abgabenlast von über 60 Prozent. Jetzt behauptet Österreich von sich, ein Sozialstaat zu sein, der über einen progressiven Steuertarif und Sozialtransfers umverteilt. Die Realität sieht freilich ganz anders aus: Nicht einmal die Gruppe der Niedrigstverdiener mit weniger als 15.000 Euro brutto im Jahr – das sind netto 900 Euro im Monat – erhält über Sozialtransfers mehr als 10 Prozent dessen aus dem System heraus, was sie an indirekten Steuern und Sozialabgaben in das System einzahlt. Angesichts dieser Zahlen von Steuergerechtigkeit zu reden, ist unabhängig vom Tarif und von der Einkommenshöhe eine Verhöhnung der Steuerzahler. Wenn selbst Niedrigstverdiener die Hälfte an den Staat abliefern müssen und alle anderen über 60 Prozent, darf das Ergebnis nur eine Steuerreform sein, die zu hundert Prozent über Einsparungen in nicht nachfragewirksamen Bereichen gegenfinanziert wird.

TTIP als rotschwarzer Nebenschauplatz Als Bundeskanzler Werner Faymann kürzlich im Ministerrat einen Vorstoß ge-

gen das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA wagte, war die Überraschung groß. Faymann sprach sich vor allem gegen den Investorenschutz aus, der Unternehmen gegen nachträglich geänderte Rahmenbedingungen, die ihre Investitionen gefährden, ein Klagerecht gegen Staaten einräumt. Dabei geht es nicht etwa um Investitionen, wie jene der österreichischen Wirte um Raucher und Nichtraucherbereiche räumlich zu trennen, die sich im Falle eines generellen Rauchverbots als Totalverlust herausstellen würden, sondern um Sonderklagsrechte bei großen Unternehmensübernahmen gegen nachträgliche staatliche Barrieren. Nach dem Ministerrat sagte Faymann der anwesenden Presse, dass mit der ÖVP kein Beschluss möglich gewesen wäre. Das ärgerte wiederum Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, für den der Freihandel viel zu wichtig ist, um damit politisches Kleingeld zu sammeln. Mitterlehner stellte klar, dass die EU-Kommission mit den TTIP-Verhandlungen beauftragt sei und er das Ergebnis abwarten wolle. Er beklagte zwar ebenfalls die mangelnde Transparenz, mit der TTIP vorangetrieben wird, hielt sich jedoch ansonsten an seinen deutschen Kollegen Sigmar Gabriel von der SPD, der neuerdings voll des Lobes für das Abkommen ist. Außerdem sei der verhandelnden EU-Kommission ohnehin klar, dass das Abkommen keine Chance auf Ratifizierung habe, wenn die Umweltund Konsumentenschutzstandards abgeschwächt würden. Als Vorlage für die TTIP-Verhandlungen dient übrigens CETA – das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Auch darin sind die umstrittenen Sonderklagsrechte enthalten. In einer Analyse hat das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut IFO übrigens ermittelt, dass Österreich besonders stark vom KanadaAbkommen profitieren würde. Das IFO will herausgefunden haben, dass durch CETA das reale Pro-Kopf-Einkommen in der EU langfristig um 0,22 Prozent oder 50 Euro pro Jahr steigen wird. Aufgrund des besonderen Engagements des kana-


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