Essay von Klaus Poier
Demokratie stärken. Aber wie? m 18. Dezember wird im österreichischen Parlament mit der Enquete-Kommission »betreffend Stärkung der Demokratie in Österreich« ein neuer Anlauf zur Demokratiereform starten. Alle sechs Parteien im Nationalrat haben sich gemeinsam auf diese Kommission geeinigt. 18 Abgeordnete – je fünf von SPÖ und ÖVP, vier von der FPÖ, zwei von den Grünen und je einer vom Team Stronach und den Neos – sollen sich gemeinsam mit Experten unter dem Vorsitz von Nationalratspräsidentin Doris Bures in der Enquetekommission bis zum Sommer 2015 primär mit der Aufwertung direktdemokratischer Instrumente beschäftigen. Weiters sollen auch Möglichkeiten zur Aufwertung der parlamentarischen Abläufe und Rahmenbedingungen diskutiert werden. Das Arbeitsprogramm der Enquetekommission wurde bereits im Detail festgelegt. Auf der Tagesordnung der ersten Sitzung am 18. Dezember steht der Status quo der Instrumente der direkten Demokratie auf der Bundesebene in Österreich. Wesentlicher Diskussionspunkt wird dabei der von SPÖ, ÖVP und Grünen im Juni 2013 vorgelegte Vorschlag sein, die Wirksamkeit von Volksbegehren zu erhöhen. Volksbegehren mit großer Zustimmung – von zumindest 10 Prozent der Wahlberechtigten bei einfachen Gesetzen, von zumindest 15 Prozent im Falle von Verfassungsgesetzen – sollen nach diesem Vorschlag nicht wie bisher einfach in der Schublade verschwinden können. Wenn solche »qualifizierten« Volksbegehren vom Nationalrat nicht umgesetzt werden, sollen sie nach diesem Vorschlag einer Volksbefragung aller Bürgerinnen und Bürger unterzogen werden. Diese Volksbefragung wäre freilich nicht bindend – also keine Volksabstimmung –, aber faktisch würde es für die Politik wohl schwer sein, eine solche Meinungsfeststellung durch die Bevölkerung zu übergehen. Die Bürger würden somit gestärkt, die Eliten geschwächt. Freilich, sofern dieser Vorschlag tatsächlich Realität wird. Einiges deutet darauf hin, dass dies mehr als ungewiss ist. Noch vor der Nationalratswahl 2013 wurde der Vorschlag zum Ausbau der direkten Demokratie in Begutachtung geschickt. Und im Begutachtungsverfahren sowie in der medialen öffentlichen Diskussion wurde eine Reihe negativer Stellungnahmen laut, insbesondere vom Bundespräsidenten Heinz Fischer oder etwa auch vom früheren Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Clemens Jabloner. Aber nicht nur aus dem Umkreis der Sozialdemokratie, die in Österreich der direkten Demokratie traditionell kritisch gegenübersteht, wurde Ablehnung laut. Auch der frühere Nationalratspräsident Andreas Khol spricht sich vehement gegen einen Ausbau der direkten Demokratie aus und nimmt dabei innerhalb der ÖVP quasi die Antipodenfunktion zu Außenminister Sebastian Kurz ein, der ja 2012 ein Demokratiepaket mit weitreichenden Vorschlägen präsentiert hat, das die aktuelle Diskussion über mehr direkte Demokratie in Österreich letztlich erst ausgelöst hat. Direkte Demokratie in vielen Ländern in Mode Österreich ist freilich nicht das einzige Land, in dem derzeit direkte Demokratie diskutiert bzw. in Mode gekommen ist. Woche für Woche sind in den Medien Meldungen über Abstimmungen und Befragungen zu lesen. So vor wenigen Wochen das – allerdings gescheiterte – Referendum in Schottland über die Loslösung von Großbritannien. Oder jüngst die Befragung in Katalonien, bei der die Katalanen mit großer Mehrheit für eine Unabhängigkeit von Spanien votiert haben, wobei diese Befragung zu guter Letzt nur als »private« Umfrage durchgeführt werden konnte, da die spanische Regierung und das spanische Verfassungsgericht alle Strippen zogen, um eine offizielle Befragung zu verhindern. In einigen Ländern Europas hat auch die »EU-Dynamik« zu einer Zunahme von Referenden geführt. So kam es zuletzt in fast allen Beitrittsländern zu Abstimmungen über den geplanten Beitritt zur Europäischen Union – wie im Jahr 1994 ja auch in Öster-
Was gegen die zunehmende Kluft zwischen politischer Elite und Bürgern getan werden kann.
Foto: Teresa Rothwangl
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Dr. Klaus Poier, geboren 1969, ist Politikwissenschafter und Verfassungsrechtler. Er ist Assistenzprofessor am Institut für öffentliches Recht an der Karl-FranzensUniversität Graz und Generalsekretär des »Club Alpbach Steiermark«. Er war Mitglied im Österreich-Konvent (2003– 2005) zur Reform der österreichischen Verfassung und wird als Experte an der parlamentarischen Enquetekommission betreffend Stärkung der Demokratie in Österreich ab Dezember 2014 mitwirken. Fazit Dezember 2014 /// 49