Fazit 101

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Essay von Bettina Röhl

Was ist konservativ? H

errschende Meinung in diesem Land ist, dass der Konservativismus nicht mehr existierte. Das Schema konservativ/links hätte ausgedient. Dies ist fatal falsch. Richtig ist: der Westen braucht eine Reanimation des Konservativismus.

Konservativ sein ist eine menschliche Eigenschaft, eine humanistische Haltung, die das Leben licht, warm, froh und nachhaltig werden lässt. Konservativismus ist ein Ideal. Dieses Ideal verpflichtet zu permanenter, inspirierter, empathischer, kreativer und das alles zusammen heißt, informierter Weise darüber nachzudenken, was kann man, was kann ich besser machen. Im Bessermachen (wollen) liegt bereits der Kern des Konservativismus. Das Neue muss sich nämlich messen lassen an dem was ist. Es findet also ein permanenter intellektueller Vergleich statt zwischen dem, was bis jetzt war und dem, was idealtypisch möglich ist. Daraus folgt automatisch der Satz, dass das, was war und zur Zeit nicht verbesserungsfähig ist, was sich also schon als annähernd optimal heraus stellt und bewährt hat, allerdings in einer bewussten Durchdringungsarbeit, unbedingt zu erhalten ist.

Konservativismus ist ein Ideal. Dieses Ideal verpflichtet zu permanenter, inspirierter, empathischer, kreativer und das alles zusammen heißt, informierter Weise darüber nachzudenken, was kann man, was kann ich besser machen.

Ein konservativer Mensch ist ein geordneter, in sich und in seiner Umwelt ruhender, Ordnung fördernder, systematisch denkender, auf inneren Frieden und inneres Glück sinnender, sich für sozialen Ausgleich einsetzender, kommunikativer Mensch, der sich aus intelligentem Altruismus auch um die Glückschancen seiner Mitmenschen kümmert, sprich dem das Wohl der Gesellschaft, in der er lebt, wichtig ist. Der Konservative bemüht sich wirtschaftlichen Erfolg zu generieren. Er bemüht sich wissenschaftlich-technischen Fortschritt zu erzeugen oder zu fördern und er weiß, dass eine gesunde Seele und ein gesunder Körper die Voraussetzung für ein gelungenes konservatives Leben sind.

Der demokratische und soziale Rechtstaat, wie ihn das Grundgesetz beispielhaft ausgestaltet, ist die geradezu klassische Inkarnation konservativen Denkens. Konservative sind Frauen und Männer, die wissen, dass die Errungenschaften der Freiheit, der Gleichheit aller Menschen und der Mitmenschlichkeit fragil sind und täglich neu errungen werden müssen. Konservative lehnen Ideologien nicht einfach ab, sondern setzen sich mit ihnen kritisch auseinander und führen sie aus einer überlegenen Position heraus ad absurdum. Ideologien, die nicht die Wirklichkeit erklären, sondern Fiktionen an die Stelle der Realität setzen, sind die ständige Herausforderung des Konservativen, da Ideologien im politischen Wettstreit immer wieder unter den verschiedensten, mehr oder weniger charismatischen Führern erhebliche Zuläufe erfahren haben und erfahren. Der Konservative ist, anders als viele, die sich konservativ nennen, ein höchst kommunikativer und streitbarer Intellektueller und er ist einer, der sich nicht (routiniert) weg duckt.

Last, but not least: der Konservative ist ein Mensch, der sich im besten Sinne um höchst mögliche Distanz zu sich selbst bemüht und er ist jemand, der stets versucht die Realität, wo notwendig und möglich, mit Humor erträglicher zu machen. Mit anderen Worten, der Himmel, so es einen gibt, ist konservativ und das Paradies ohnehin.

Foto: Paul Schirnhofer

Konservativismus ist also im Prinzip eine systematisch vorgehende, eine im historischen Kontext denkende Herangehensweise. Und zwar eine Herangehensweise an die Menschen, die Gesellschaft und die Welt. Konservativismus ist demnach eine wissenschaftliche Methodik mit Herz und Verstand. Vergessen Sie unbedingt den fanatischen und grenzenlos ideologischen, sich irreführend wissenschaftlich nennenden Sozialismus! Sozialismus ist Fiktion, ein Ersatz für irgendeine furchtbare, aber für edel und hehr erklärte Scheinrealität, Utopie genannt.

Bettina Röhl, geboren 1962 in Hamburg, begann 1986 beim Lifestylemagazin Tempo ihre journalistische Karriere. Sie schreibt regelmäßig für große deutsche Tageszeitungen und Magazine. Die Publizistin wurde bekannt, als sie 2001 mit Enthüllungen zur Gewaltvergangenheit des damaligen Außenminister Joschka Fischer an die Öffentlichkeit trat. In ihrem Buch »So macht Kommunismus Spaß. Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret« lieferte sie 2006 ein Standardwerk zur Geschichte der Linken in der BRD. Für Wirtschafts-Woche-Online schreibt sie die wöchentliche Kolumne »Bettina Röhl direkt«. Laut der Zeitschrift Cicero gehört Bettina Röhl zu den 500 wichtigsten Intellektuellen Deutschlands. bettinaroehl.blogs.com Fazit April 2014 /// 47


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