5
F A L T E R 5 1 / 0 9
heureka!
heureka
F A L T E R 4 5 /1 3
5
Aus Wissenschaft und Forschung Mathematik
Medizin
Soziobiologie
Im Innersten des Universums: Mit Computeralgebra den Elementarteilchen auf der Spur
Speiseröhrenkrebs: „Stummer Reflux“ ist gefährlich, belegt eine neue Studie aus dem Wiener AKH
Das wilde Sexleben der weiblichen Hausmäuse Weibliche Mäuse tun es mit vielen Männchen nur für die Kinder – damit sie der Vater nicht frisst
Uschi Sorz
dieter hönig
Sabine Edith Braun
ahe an der Entwicklung von Moei zwanzig bis dreißig Prozent N dellen, die das Innerste des Uni- B der Menschen mit chronischem versums zu erklären versuchen, ar- Sodbrennen entstehen Schleimhautbeitet der Mathematiker Carsten Schneider. Er ist Leiter der Projektgruppe „Computer Algebra for the Quantum Field Theory“ am RISC (Institut für Symbolisches Rechnen) der Uni Linz. Seine Forschungsarbeiten zu Summationstheorien spielen eine Rolle bei der Aufklärung der genauen Natur des Higgs-Teilchens. Weil Teilchenbeschleuniger wie der am CERN riesige Datenmengen produzieren, bedarf es zu ihrer Interpretation präziser Berechnungen. „Wir beschreiben das Verhalten von Elementarteilchen mit Feynmandiagrammen, die Vorgänge in der Teilchenphysik bildhaft darstellen, und
F o tos: pr i vat, R e f lu x M e di c a l , k e r s t in t hon h au se r , Sa b in e e di t h b r aun
„Wir beschreiben das Verhalten von Elementarteilchen, um ihre Reaktionen zu verstehen.“ Carsten Schneider
Feynmanintegralen, um ihre komplexen Reaktionen zu verstehen“, erklärt der 42-jährige gebürtige Bayer. Im Rahmen einer Kooperation des RISC mit dem Deutschen ElektronenSynchroton (DESY) ist es gelungen, einen neuen Ansatz zu entwickeln. „Unsere Kollegen vom DESY wandeln die Integrale in Ausdrücke von Mehrfachsummen um. Wir wandeln diese ,Monsterausdrücke‘ dann mit Methoden der Computeralgebra zu kompakten Ausdrücken um.“ An seinem Forschungsschwerpunkt, der Computeralgebra, reizt Schneider vor allem das algorithmische Umsetzen mathematischer Ideen. „Die Anwendung der oftmals hoch nichttrivialen Algorithmen finde ich extrem spannend.“ Anspruchsvolle Berechnungen in der Quantenfeldtheorie werden Schneider in der Partnerschaft mit DESY ebenso beschäftigen wie die Weiterentwicklung von Summationsalgorithmen und die Bereitstellung effizienter Computeralgebraverfahren, die in phänomenologischen Untersuchungen und Datenanalysen Verwendung finden können.
veränderungen im Ausgang der Speiseröhre. Sie sind die Vorstufe einer besonders aggressiven Form von Speiseröhrenkrebs. „Ich empfehle eine Vorsorgeuntersuchung der Speiseröhre ab einem Alter von vierzig Jahren.“ Martin Riegler, AKH Wien
Diese krankhaften Veränderungen können auch ohne merkbare Symptome entstehen. Wie eine kürzlich am Wiener AKH durchgeführte Studie ergab, haben Menschen mit sogenanntem „stummem“ Reflux ein besonders hohes Risiko. „In über neunzig Prozent aller Reflux bedingten Krebserkrankungen der Speiseröhre haben Patienten zuvor weder merkbares Sodbrennen noch saures Aufstoßen. Der Tumor wird dann oft erst im fortgeschrittenen Stadium durch Schluckstörungen entdeckt“, erklärt Martin Riegler, Leiter der Abteilung für chirurgische Funktionsdiagnostik am AKH Wien und Leiter des Reflux Medical-Diagnose- und Therapiezentrums in Wien. Riegler empfiehlt daher eine gründliche Vorsorgeuntersuchung der Speiseröhre ab einem Alter von vierzig Jahren. In spezialisierten Zentren erfolgt die enorm wichtige Spiegelung der Speiseröhre. Bei verdächtigen Veränderungen können sofort Gewebeproben entnommen und beurteilt werden. So kann rechtzeitig eine Krebsvorstufe entdeckt und Gewebe vorsorglich entfernt werden. „Eine von zehn Personen mit dieser Schleimhautveränderung kann in zwanzig Jahren einen Speiseröhrenkrebs bekommen“, warnt Riegler. Diese Tumore wachsen besonders rasch, die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt nicht einmal zwanzig Prozent. „Treten einmal Schluckstörungen auf, ist es meist zu spät, da der Tumor schon zu groß ist. Das bedeutet letztlich Chemotherapie und ihre entsprechenden Folgen.“ Infos: www.refluxmedical.com
Infos: www.refluxmedical.com
W
eibchen der Wilden Hausmaus (Mus musculus) bevorzugen mehrere Geschlechtspartner – die Jungen eines Wurfes haben oft verschiedene Väter. Sie tun das aber nicht zum eigenen Vergnügen, sondern zum Schutz ihrer Nachkommenschaft. Das fand Kerstin Thonhauser von der VetmedUni im Rahmen ihrer PhD-Studien heraus. „Der reproduktive Erfolg einer männlichen Maus steigt mit der Zahl der Weibchen, die sie befruchten kann“, erklärt die Verhaltensforscherin: Je größer die Mäuseschar, desto größer das Ansehen in der Mäusecommunity. Deshalb gehen Männchen selbst das Risiko ein, bei der Verpaarung von Feinden gefressen zu werden. Weibchen sind durch die Anzahl ihrer Eizellen in ihrem Reproduktionserfolg limitiert, nicht durch die Anzahl an Geschlechtspartnern. Da die Spermien eines Männchens für die Befruchtung aller Eizellen ausreichen würden, stellt sich die Frage, warum sie trotzdem das Risiko der zusätzlichen Verpaarung eingehen. „Ich wollte wissen, wie Mäuseweibchen reagieren, wenn sie zwischen mehreren Geschlechtspartnern wählen können und nicht genötigt werden“, sagt Thonhauser. Auf Bauernhöfen und in Pferdeställen fing
die Zoologin die Elternpaare jener 96 Versuchsmäuse, die im Labor das Licht der Welt erblickten. In einem Mausversuchsraum der Vetmed Wien, einer alten Flughalle, wurden die 96 Mäuse (32 Weibchen, 64 Männchen) mehrere Wochen lang wiederholt beobachtet. „Wir fanden heraus, dass sich Weibchen besonders promiskuitiv verhalten, wenn sie mit sexuell unerfahre„Weibchen verhalten sich besonders promiskuitiv bei sexuell unerfahrenen Männchen.“ Kerstin Thonhauser, Vetmed Wien
nen Männchen konfrontiert sind.“ Die nämlich haben eine besondere Neigung zum Infantizid: Sie töten Jungtiere der eigenen Art, um ihren Reproduktionserfolg zu erhöhen. Je promiskuitiver die Weibchen sind, desto eher steigt die Wahrscheinlichkeit der Männchen, die eigenen Nachkommen zu töten – und daher unterlassen sie dieses Töten. „Der Grund für das promiskuitive Verhalten ist somit die Verhinderung des Infantizids“, erklärt Thonhauser, deren Studie auch in Behavioral Ecology und in Sociobiology erschien.
Paaren, was das Zeug hält, um einen Infantizid zu vermeiden