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Informatik Austria

Computer hören Musik Logik und Artificial Intelligence bestimmen unseren Alltag, ob wir es mitbekommen oder nicht Sonja Dries

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in Computer hört Musik, erkennt Rhythmus, Harmonien, Instrumente, Stimmen, Melodien. Er ordnet die Musik automatisch je nach Stilrichtung ein und fasst die gehörten Stücke in GenreGruppen zusammen. Diese Technologie wird zum Beispiel beim FM4 Soundpark angewendet, der Hörern, basierend auf dem, was sie gerade gehört haben, ähnliche Songs und Künstler vorschlägt. Theoretisch baut das System auf Logik und Artificial Intelligence (AI). „Logik ist dabei die mathematische Formalisierung dessen, was wir unter gültigen Argumentationsmustern und Schlussfolgerungen verstehen“, erklärt Gerhard Friedrich. Der Dekan der Fakultät für Technische Wissenschaften an der Uni Klagenfurt verbildlicht seine Gedanken gerne mittels Sudoku. Für dieses Rätsel gibt es Regeln und Vorgaben, die dem Spieler sagen, was er tun darf und was nicht. Obwohl der genaue Lösungsweg nicht vorgegeben ist, ist der Mensch schlau genug, ihn eigenständig zu finden. Genau das sollen auch Computer tun. Das Institut für Angewandte Informatik der Uni Klagenfurt arbeitet gemeinsam mit der TU Wien, der Oxford University

„Ein intelligentes System muss Zusammenhänge logisch analysieren und daraus Vorhersagen über die Zukunft ableiten können“ Gerhard W i dm e r

und den Partnern aus der österreichischen Industrie Siemens und Infineon am Projekt „HINT – Heuristic Intelligence“. Ziel ist, dass Computer Verfahren zur Lösungsfindung, basierend auf Erfahrung, automatisch für neue Probleme generieren. Das war in der Vergangenheit nur mit menschlicher Hilfe möglich. In der Praxis kann das dann bei der Optimierung von Produktionsabläufen oder der Steuerung komplexer Systeme wie dem Zugverkehr eingesetzt werden. „Ein intelligentes System, ob Lebewesen oder Maschine, muss Zusammenhänge logisch analysieren und daraus Schlussfolgerungen oder Vorhersagen über die Zukunft ableiten können, um in einer komplexen Umwelt zu bestehen“, meint Gerhard Widmer, Vorstand des Instituts für Computational Perception an der Uni Linz. Maschinelles Lernen ist laut Widmer inzwischen eine zentrale Säule der AI geworden. Für seine Grundlagenforschung im Bereich AI und Musik erhielt er 2009 den Wittgenstein-Preis. Es ging dabei unter anderem darum, Computerprogramme zu entwickeln, die die Feinheiten der ausdrucksvollen Interpretation in der klassischen Musik analysieren. Für sein neues

Forschungsprojekt wurde Widmer vom European Research Council (ERC) kürzlich mit dem auf knapp 2,5 Millionen Euro dotierten ERC Advanced Grant ausgezeichnet. Widmer und sein Team wollen Computern beibringen, den musikalischen Ausdruck von Musik zu erkennen und selbstständig anzuwenden.

Computerprogramme ­entwickeln, die die ­Feinheiten der ausdrucksvollen Inter­ pretation in der klassischen Musik analysieren Logik und Artificial Intelligence haben längst Einzug in unseren Alltag gehalten. Sie sind keine realitätsferne Wissenschaft. Egal, ob es um das automatisierte Zusammenbauen von Autos, das Management nach einer Umweltkatastrophe, Suchmaschinen im Netz oder Handys geht, Computer übernehmen immer mehr Aufgaben – und die Forschung in diesem Bereich hat wohl gerade erst begonnen.

Demokratie oder Großkonzerne? Die Forschung in den Bereichen Safety, Security & Verification bestimmt auch, wer künftig die Macht haben wird Uschi Sorz

üchenmaschine, Handy, HerzschrittK macher, Flugzeug – wir erwarten, dass sie funktionieren. Ist das alles so einfach?

„Nein“, sagt Thomas Henzinger, Präsident des IST Austria (Institute of Science and Technology). „Computersoftware ist enorm komplex, und dafür, dass wie etwa beim Fliegen oder in der Medizin so viel davon abhängt, gibt es noch zu viele Fehler.“ Bei einem Auto oder Flugzeug sei Trial and Error eine schlechte Idee. „Aber beim Entwickeln von Software fehlen uns noch die mathematischen Grundlagen, um wirklich vorhersagen zu können, ob sie funktioniert.“ An diesen mathematischen Grundlagen arbeitet Henzingers Forschungsgruppe. „Wir brauchen sie, um Softwarefehler zu verringern.“ Und er wünsche sich mehr Studierende für dieses Zukunftsgebiet. Für TTTech, Spin-off der TU Wien und Österreichs erfolgreichtes Start-up, spielt Forschung eine zentrale Rolle. „Wir sind Partner in einer Reihe internationaler Forschungsprojekte“, sagt Stefan Poledna, Mitbegründer und Vorstand des Unternehmens. Es sei essenziell, Nutzen für den Menschen und Sicherheit unter einen Hut

zu ­bekommen. Kernkompetenz ist robuste und sichere Elektronik; die Vernetzungslösungen und Elektroniksteuerungen von TTTech finden sich im NASA Orion Shuttle, im Airbus A380, in der Boeing 787 und vielen Fahrzeugen der Volkswagen-­Gruppe.

„Computersoftware ist komplex, und dafür, dass wie beim Fliegen oder in der Medizin so viel davon abhängt, gibt es noch zu viele Fehler. “ Thomas Henzinger

Steuerungen von TTTech sind im NASA Orion Shuttle, im ­Airbus A380, in der Boeing 787 und in VW-Group-Fahrzeugen „Wir arbeiten daran, Computersysteme so zu bauen, dass sie auch dann weiter funktionieren, wenn ein Teil ausfällt“, so ­Poledna. „Dazu bedarf es eines hochzuverlässigen Netzwerks, über das mehrere Komponenten zusammenarbeiten, um Fehler im Betrieb tolerieren zu können.“ „Bei Safety und Verification ist Korrektheit zentral“, sagt Reinhard Posch, Leiter des IAIK (Institute of Applied Information Processing and Communications) der TU Graz. „Diese ist durch die steigende

­ omplexität der Dinge und die immer K autonomeren Algorithmen ganz wesentlich.“ Sie müsse nicht nur in der Praxis, sondern formal beweisbar werden. Gemeinsam mit der TU Wien, dem IST Austria, der Uni Linz und der Uni Salzburg gehört die TU Graz zum Nationalen Forschungsnetzwerk des FWF zu Verification. Als auf Sicherheit spezialisierte Forschungsgruppe ist das IAIK in viele hochkarätige EU-Projekte eingebunden. Neben der formalen Verification sind die Identität von Personen bzw. Objekten und Governance wesentlich. „Manipulation und Terrorismus können eine große Bedrohung darstellen. Hier ist Verification von kritischen Systemen massiv gefordert“, sagt Posch. Mittelfristig seien Sicherheit, ­Identity und Governance entscheidend dafür, ob Technologie und Wirtschaft von demokratischen Strukturen oder Großkonzernen bestimmt werden, so der CIO der Bundesregierung. „Darum halte ich eine nachhaltige Forschungs-, Förderungs- und damit Standortpolitik sowie ein stärkeres Engagement für Governance und digitale Souveränität für unabdingbar.“


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