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Narges Mohammadi: „Für meine Überzeugung ins Gefängnis gegangen“

Die iranische Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde vom Revolutionsgericht in Teheran für ihr vehementes Engagement gegen die Todesstrafe zu zehn Jahren Haft verurteilt. Vor wenigen Wochen ist sie vorzeitig nach achteinhalb Jahren entlassen worden.

Fragen Ivana Drmić, DW-Redakteurin

Ivana Drmić: Ihr Ehemann sagte einmal, dass die Regierung in Teheran zwei Motive habe, Sie im Gefängnis festzuhalten: Um Rache für Ihre Menschenrechtsarbeit zu nehmen und andere Aktivisten zum Schweigen zu bringen. Welche Botschaft sendete Ihre Inhaftierung?

Narges Mohammadi: Indem man Leute wie mich verhaftet, will man ein Exempel statuieren. Der iranische Staat geht mit Gewalt gegen zivilgesellschaftliche Institutionen vor, da sie den Fortbestand des Systems bedrohen. Bürgerrechtsaktivisten landen in Isolationshaft. Eine der Hauptanschuldigungen gegen mich war mein zivilgesellschaftliches Engagement, ich hatte mich in elf Bürgerrechtsorganisationen engagiert und diese teilweise mitgegründet.

Drmić: Im Juli setzte die Justiz die Todesstrafe gegen drei Iraner nach internationalem Protest auf Twitter aus. Zwei Monate später wurde der iranische Ringer Navid Afkari trotz internationaler Empörung hingerichtet. Warum war die Social-Media-Kampagne in der ersten Instanz erfolgreich, aber nicht in der zweiten?

Mohammadi: Im Juni 2020 löste die Ankündigung der Hinrichtung drei junger Demonstranten Proteste in den Sozialen Medien aus, im Spätsommer sollten weitere fünf Jugendliche hingerichtet werden, anschließend traf es Navid Afkari. Die Botschaft des Staatsapparats war klar: Ihr habt es einmal geschafft, die Hinrichtung der drei jungen Menschen abzuwenden, das wird nicht noch einmal passieren. Und zweitens: Wer protestiert, der wird letztlich hingerichtet. Afkari wurde hingerichtet, um die Drohung wahrzumachen.

Drmić: PEN-Mitglieder teilten in den Sozialen Medien den Hashtag #Free Narges, um Ihre Freilassung zu erreichen. Nichtsdestotrotz wurde Ihr Auftritt nach der Freilassung in den Sozialen Medien kritisiert.

Mohammadi: Für die Religionsführer und das Patriarchat in Iran ist es unerträglich, dass Frauen Beteiligung fordern. Ich bin nach meiner Freilassung öffentlich bewusst mit Lippenstift aufgetreten, um Standhaftigkeit zu zeigen. Ich trug ein Haarband, das eine zum Tode verurteilte Mitgefangene für mich gestrickt hatte, dazu ein Armband, das eine Frau, die seit zehn Jahren im Gefängnis sitzt, mir geschenkt hatte. Mein gepflegtes Äußeres bei meinem Auftritt wurde in den Sozialen Medien von einem der Anführer der Cyberstreitkräfte der Revolutionsgarde heftig kritisiert und hat weitere Empörungen ausgelöst. In den Sozialen Medien finden sich für jede erdenkliche Position ein Publikum und Unterstützer. Viele Menschen haben sich mit dem Hashtag #FreeNarges für meine Freilassung eingesetzt. Für diese Unterstützung im In- und Ausland bin ich sehr dankbar. Das Wissen, dass man nicht allein ist, hilft mir, mich in Iran weiter für Menschenrechte, die Abschaffung der Todesstrafe und für Gleichheit einzusetzen.

Drmić: Führende Persönlichkeiten wie Ayatollah Khamenei haben SocialMedia-Accounts, obwohl die Plattformen in Iran verboten sind. Welche Vorteile erhoffen sich iranische Politiker von der Nutzung Sozialer Medien?

Mohammadi: Der Staat weiß, dass die Menschen dem Staatsfernsehen und den staatlichen Institutionen nicht mehr vertrauen. Deshalb versucht er, in den Sozialen Netzen präsent zu sein um dort die Kontrolle nicht zu verlieren. Er wirbt für seine gesellschaftspolitischen Leitlinien und verbreitet Desinformationen, um die Gesellschaft zu polarisieren und seine Macht zu stärken.

Drmić: Welche Art von Unterstützung wünschen Sie sich auf internationaler Ebene?

Mohammadi: Das Thema Menschenrechte ist in Iran stark ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Ich bin für meine Überzeugungen ins Gefängnis gegangen. Dass Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt unsere Bewegung unterstützen, hilft uns. Um Demokratie und die Menschenrechte zu verwirklichen und Frieden zu stiften, brauchen wir die Mitwirkung von Menschen aus der ganzen Welt.

Narges Mohammadi

Narges Mohammadi

Narges Mohammadi

© picture alliance/NurPhoto

ist eine iranische Menschenrechtsaktivistin, die seit 2009 wiederholt wegen ihres Engagements gegen die Todesstrafe sowie „Propaganda gegen den Staat“ vom iranischen Regime inhaftiert wurde. Sie ist mit dem Journalisten und Bürgerrechtler Taghi Rahmani verheiratet, der selbst 15 Jahre in Haft war und mit den beiden Kindern in Frankreich lebt. Nachdem sich ihr Gesundheitszustand stark verschlechtert hatte, wurde sie nach über acht Jahren Haft im Oktober 2020 aus dem Gefängnis entlassen.