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Wir möchten alle erreichen

Die Gleichstellung von Frau und Mann und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben bei der DW einen hohen Stellenwert. Im Interview spricht Verwaltungsdirektorin Barbara Massing auch über Inklusion und Diversity – und warum ihr an diesen Themen so gelegen ist.

Fragen Ivana Drmić, DW-Redakteurin

Ivana Drmić: Als Verwaltungsdirektorin sind Sie auch für die Personalpolitik zuständig. Wie sieht es bei der DW mit der Gleichstellung von Frauen und Männern aus?

Barbara Massing: Spontan würde ich antworten: Es hat sich viel getan. Für die DW hat die Förderung der Chancengleichheit besondere Bedeutung, und wir arbeiten kontinuierlich an neuen Ideen und Instrumenten, um sie für alle Mitarbeitenden überall in der DW zu realisieren. Es braucht starke Vorbilder, damit Frauen wie Männer gleichermaßen als Führungskräfte und als Expertinnen gesehen werden – und starke Frauen nachziehen. Für mich ist es selbstverständlich, dass Frauen wie Männer Karriere und Privatleben gut unter einen Hut bekommen sollen. Wir als DW müssen die Rahmenbedingungen schaffen. Da hilft auch gendersensible Sprache, wie wir sie kürzlich für die DW verabschiedet haben, um die Bilder im Kopf zu verändern. Ohne die vielfältigen Kompetenzen, den beeindruckenden Einsatz und den Gestaltungswillen unserer Mitarbeiterinnen wäre die DW heute nicht so erfolgreich, wie sie ist. Für mich als Führungskraft in der Deutschen Welle ist das Öffnen von Türen für viele unterschiedliche Menschen eine zentrale Aufgabe.

Drmić: Wie hoch ist der Frauenteil in Führungspositionen der DW?

Massing: Mit 51,9 Prozent weiblichen Führungskräften in programmverantwortlichen Positionen und gewichtet nach Führungsebenen gehören die DW und der RBB laut einer Studie von „ProQuote Medien“ aus dem Jahr 2018 zu den fortschrittlichsten Rundfunkanstalten. Darauf bin ich wirklich stolz! Bei der DW sind aktuell 40 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Auch die Führungsebene im Programm ist in den letzten Jahren weiblicher geworden: Hauptabteilungen und Redaktionen für Asia, Latin America, Middle East, Sport und andere werden von Frauen geführt.

Es braucht starke Vorbilder, damit Frauen wie Männer gleichermaßen als Führungskräfte und als Expertinnen gesehen werden – und starke Frauen nachziehen.

Drmić: Welche Maßnahmen ergreift die DW, um die Gleichstellung zu erreichen?

Massing: Neben dem Fokus auf mehr Frauen in Führung haben wir gezielte Mentoring-Programme von erfahrenen Führungskräften für neue weibliche Führungskräfte aufgesetzt und fördern so die Vernetzung unserer Female Leaders. Wir haben dank der tariflich gebundenen Vergütungsstruktur eine gute Grundlage, um den Gender Pay Gap zu verhindern. Wir unterstützen Frauen wie Männer gezielt mit Weiterqualifizierungsmaßnahmen wie berufsbegleitenden Studien, um die Voraussetzungen für höherwertige Tätigkeiten und damit höhere Vergütung zu schaffen.

In manchen Bereichen haben wir einen Förderungsbedarf, wie in den technischen und IT-Berufen. Hier optimieren wir Rekrutierungswege, stärken das Angebot von Trainee-Programmen und setzen uns konkrete Ziele zur Steigerung des Frauenanteils in den Bereichen.

Für das Programm sind Programmdirektorin, Chefredakteurin und unsere Diversity-Managerin dem BBC-Projekt „50:50“ beigetreten, das einen ausgeglichenen Anteil von Akteurinnen und Akteuren vor und hinter der Kamera bringen soll. Die Initiative will Medienhäuser dabei unterstützen, in der Programmgestaltung auf Diversität zu achten.

Drmić: Wie wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei den Mitarbeitenden gefördert?

Massing: Erst wenn Frauen wie Männer sich gleichermaßen um die Familie „neben“ dem Beruf kümmern, werden wir mit der Gleichstellung einen bedeutenden Schritt weiter sein – und die Schere im Kopf wird hoffentlich verschwinden. Daher freue ich mich über jeden Vater, der Elternzeit nimmt. Zur Unterstützung der Gleichberechtigung auch in der Care-Arbeit haben wir freie Partner-Tage nach der Geburt eines Kindes eingeführt.

Wir als DW müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um die Bilder im Kopf zu verändern.

Wir bieten flexible Arbeitszeitmodelle, damit verantwortungsvolle Arbeit auch in Vollzeit mit Familie vereinbar ist. Dieser Punkt ist nicht zu vernachlässigen, gerade mit Blick auf die Höhe späterer Altersversorgungsansprüche. Neu haben wir das Modell des Top Sharing unter bestimmten Bedingungen eingeführt, so dass auch Führung in Teilzeit leichter möglich ist. Besonders stolz bin ich auf unsere Möglichkeit, Ausbildung in Teilzeit anzubieten, die sich vor allem an junge Mütter und Väter richtet. Somit besteht für viele die Möglichkeit, trotz privater Herausforderungen eine Ausbildung zu absolvieren und sich von dort aus später weiter zu entwickeln.

Bereits vor der Pandemie haben wir das Thema Flexibilisierung von Arbeit ganzheitlich verstanden. Es geht nicht nur um Teilzeitmodelle, sondern beispielsweise auch um die Frage nach dem Arbeitsort. Wo dies mit den Aufgaben vereinbar ist, ist seit einigen Jahren das Arbeiten von zu Hause oder anderen Orten aus möglich. Auch haben wir – gemeinsam mit den Personalräten – die Möglichkeit eines Sabbaticals geschaffen.

Drmić: Welche besonderen Maßnahmen haben Sie seit Beginn der Pandemie ergriffen?

Massing: Neben den großen Anstrengungen unserer Technikbereiche, die – unterstützt durch die Flexibilität unseres Personalrats – die schnelle Einführung des Tools MS Teams und damit die weitgehende Ausweitung des mobilen Arbeitens möglich gemacht haben, wurde auch die technische Ausstattung (Laptops, VPN-Zugänge) durch umfangreiche Beschaffungen neuer mobiler Geräte deutlich verbessert. Wir haben zu Beginn der Pandemie Sonderzuschüsse zur Kinderbetreuung gezahlt. Und den Führungskräften nahegelegt, in Absprache mit ihren Mitarbeitenden größtmögliche Flexibilität rund um Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen zu gewährleisten.

Drmić: Stichwort Diversität: Was unternimmt die DW, um sicherzustellen, dass der Anteil der Frauen vielfältig ist?

Beim Recruiting setzt die DW explizit auf ihre Diversität, so etwa durch die Teilnahme an der Sticks and Stones, Europas größter LGBTQ+ Job- und Karrieremesse.

Beim Recruiting setzt die DW explizit auf ihre Diversität, so etwa durch die Teilnahme an der Sticks and Stones, Europas größter LGBTQ+ Job- und Karrieremesse.

© DW

Massing: Das Merkmal Geschlecht ist eine der Dimensionen, es gibt aber noch andere wie Alter, sexuelle Orientierung oder ethnische Herkunft. Vor zwei Jahren haben wir ein Diversity-Management eingerichtet, um unsere Vielfalt als Stärke zu nutzen. Die direktionsübergreifende Diversity-AG erarbeitet im Kernteam Handlungsempfehlungen für die Diversity-Strategie. Zusätzlich werden als Soundingboard die Interessensvertretungen unter anderem Gleichstellungsbeauftragte, Beauftragte für Menschen mit Behinderung, Vertretungen der Personalräte und der Freien Mitarbeitenden hinzugezogen. Wir haben uns außerdem an der Kampagne #inclusionmatters beteiligt und setzen beim Recruiting explizit auf unsere Diversität, um neue Mitarbeitende zu gewinnen, so etwa bei der Messe „Sticks and Stones“ mit LGBTQ+-Schwerpunkt. Zusätzlich planen wir eine Kooperation mit der digitalen ReDi-School of Integration, bei der Mitarbeitende der DW als freiwillige „Lehrkräfte“ für Geflüchtete eingesetzt werden.

Das sind nur einige Beispiele, die zeigen: Wir bauen auf unsere Stärke und stellen uns für die Zukunft auf – und die gehört starken Mitarbeitenden, die im Dialog untereinander und mit den Nutzenden diese komplexe Welt verstehbar machen.

Barbara Massing

Barbara Massing

Barbara Massing

© DW/P. Böll

ist seit 2014 Verwaltungsdirektorin der DW. Zur Deutschen Welle kam sie vom deutsch-französischen Sender Arte 2006 als Referentin des Direktors Distribution, ab 2008 baute sie die Abteilung Strategische Planung auf und war deren Leiterin. Zwei Jahre lang war sie für die DW Mitglied der internationalen Beratergruppe „Wissenschaft und Gesellschaft“ für die EU-Kommission. Die Volljuristin ist Mitglied im Aufsichtsrat der Universitätsklinik Bonn. Weitere Themenschwerpunkte ihrer Arbeit sind Digital Leadership, New Work, Nachhaltigkeit und Förderung von Diversity.

Diversität: DW tritt BBC-Projekt bei

Mehr Vielfalt und Diversität in der Berichterstattung berücksichtigen: Das ist das Ziel einer Initiative, die ihren Ursprung vor wenigen Jahren im Londoner Newsroom der BBC hatte. Im Februar schloss sich die DW der britischen Initiative an.

© BBC

„Die DW mit ihren Sprachangeboten und Mitarbeitenden aus vielen Kulturen passt perfekt zum 50:50-Projekt der BBC,“ sagte Programmdirektorin Gerda Meuer bei der Unterzeichnung der Vereinbarung. An einem ersten Austausch zwischen BBC- und DW-Beteiligten waren zahlreiche Redaktionen und Abteilungen aus Bonn und Berlin beteiligt.

Die BBC-Projektkoordinatorin Angela Henshall verwies darauf, dass die BBC seit dem Start vor vier Jahren über 80 Partner aus 24 Ländern weltweit für das Projekt gewinnen konnte. DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge zur Bedeutung von Vielfalt in der Berichterstattung: „Vielfalt ist schon jetzt unsere Stärke. Dazu gehört, dass wir auch die Perspektiven anderer Medienhäuser wahrnehmen. Wir werden zudem Journalistinnen und Journalisten helfen können – mit Ideen und unserer Erfahrung.“

bbc.co.uk/5050