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Das Gehen – eine in der deutschen Schweiz ausgestorbene leichtathletische Disziplin?

Berichte

«marche athlétique» oder «race walk» heisst die von den Leichtathletikoberen stiefmütterlich behandelte Disziplin auf französisch resp. englisch. Der deutsche Ausdruck «Gehen» ist wenig aussagekräftig; mit diesem assoziiert der Laie tendenziell eher gemächliches Wandern (neudeutsch «walken»), was ihr aber in keiner Weise gerecht wird.

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An dieser Stelle möchte ich – als ehemaliger Mittel- und Langstreckenläufer bei OB Basel, BTV Basel und LAR Binningen – eine Lanze für den Gehsport brechen.

Eindrückliche Impressionen der Schweizer Meisterschaften im Gehen vom 25. September 2021 in Monthey

Auch ich habe das Gehen belächelt, in meinen damaligen Augen eine künstliche Fort- bewegungsart mit dieser typischen «Entengangbewegung». Ich möchte die Leser nicht langweilen mit Ausführungen, weshalb das so ist. An dieser Stelle nur soviel: Der Gehsportler setzt den jeweiligen Fuss – bei gestrecktem Knie – immer mit der Ferse auf und behält zu jeder Zeit mit einem Fuss Bodenkontakt (keine «Flugphasen» wie beim Rennen). Details könnt Ihr problemlos dem Internet entnehmen.

Vor nunmehr rund zweieinhalb Jahren, mit 62 Jahren, spürte ich meine beginnende Arthrose am Rücken immer mehr und kam zum Schluss, dass ein regelmässiges Lauftraining gar nicht oder nurmehr unter gewissen Schmerzen möglich war: Die Schläge beim Aufprall der Füsse auf den Boden erwiesen sich als zu heftig, es machte so keinen Spass mehr. Ich suchte nach einer Alternative, um meinen Kreislauf dennoch weiter belasten zu können und kam auf das Gehen. Hierbei setzen die Füsse bloss einige Zentimeter vom Boden ab, die Schläge verringern sich massiv. Generell ist zu sagen, dass Gehen eine ausgezeichnete Disziplin für Senioren resp. Veteranen darstellt, was man namentlich vom Sprint schwerlich behaupten kann. Wer an den nun – nach den Corona-Lockdowns – hoffentlich wieder zahlreicher anzusetzenden Wettkämpfen teilnimmt, sieht durchaus auch Läufer und Läuferinnen, die vor dem Eintritt ins 9. Lebensjahrzehnt stehen oder gar noch älter sind! Nicht verschweigen will ich jedoch auch, dass ein- bis zweijähriges regelmässiges Training angezeigt ist, damit es richtig anfängt, Spass zu machen – wie es bei mir nun der Fall ist.

Ich habe auch schon an Wettkämpfen im Tessin und in der Romandie teilgenommen. In der deutschen Schweiz finden derlei Meetings leider seit längerer Zeit nicht mehr statt, mal abgesehen von der Geher-WM in Zürich im Jahre 2014. Es wäre wünschenswert, wenn sich dies in absehbarer Zeit wieder ändern würde. Leicht geht vergessen, dass (Deutsch-) Schweizer Geher europa- und weltweit Erfolge feiern durften, bis hin zu Olympiamedaillen. Um dies zu verifizieren, muss allerdings in den Annalen weit ins letzte Jahrhundert zurückgeblättert werden. Schliesslich: Das Gehen bildet eine ausgezeichnete Grundlage für das Seniorenwandern. Sollte der Gehsport im Veteranenalter definitiv nicht mehr ausgeübt werden können, bleibt dem alternden Sportsfreund mit «Geherausbildung» allenfalls noch genug Restfitness für das gemächlichere Walken mit oder ohne Stöcke.

Also: Wenn Ihr in Zukunft am Dienstagabend jemanden mit ungewohnten Hüftschwüngen über den Asphalt huschen sehen solltet, dann müsst Ihr Euch nicht wundern, sondern es sollte Euch sogleich ein «Aha-Erlebnis» ereilen…

Ich bin in der Regel jeden Dienstagabend in der Clubbeiz auf der Schützenmatte anzutreffen. Es würde mich freuen, wenn es Interessenten gäbe, welche einzusteigen gedenken. René W. Meier

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