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Bi ervielfalt statt Biereinfalt

Biervielfalt statt Biereinfalt

Die Zahl der Privaten und der Betriebe, die aus Malz, Hopfen und Hefe etwas Neues herausholen, steigt. Das Gros des Bierausstosses in der Schweiz wird aber immer noch von den fünf Grossbrauereien produziert, zu denen die Schaffhauser Falken als kleinste gehört.

TEXT | BILDER JEANNETTE VOGEL

Oskar Dommen war drei Jahrzehnte lang Braumeister bei Falken, seit 2013 ist er pensioniert.

Der Schlittschuhläufer mit den dunklen Fäustlingen setzt gerade zu einer Pirouette an. Unbeeindruckt davon drehen andere Läufer ihre Runden auf dem holprigen Eis. Im Hintergrund stösst ein Kamin der Brauerei Falken weisse Wölkchen in den Himmel. Bis in die Sechzigerjahre wurde die Fulach gestaut und in kalten Wintern als Eisbahn benutzt, wie alte Schwarz-Weiss-Fotos zeigen. Heute donnert der Verkehr über das Areal.

Früher wurden alle Brauereien in «Schattenlöchern» gebaut. Die nötige Kälte, um das Bier kühl zu halten, lieferte natürliches Eis. «Mit Eis stopf' deine Keller voll, wenn dir das Bier gelingen soll!», reimten die Brauer damals.

«ICH BIN EINE GELERNTE PUTZFRAU» Ende des 19. Jahrhunderts gab es im Kanton Schaffhausen noch 17 Bierbrauereien. 1916 war die Brauerei Falken die einzige existierende. Hundert Jahre später gewinnt einheimisches Bier zusehends Land, und die Zahl der Mikrobrauereien nimmt zu. Sie bestimmen mit viel Experimentierfreude den Takt der Branche mit. Allein 2019 haben sich landesweit über 100 neue Brauereien registrieren lassen, damit ist die Anzahl auf über 1100 angewachsen. Im «Brauerei Kompass» sind mehr als ein Dutzend Brauereien aus der Region eingetragen, darunter «Brauage du Garage à la Plage», «Brauerei Hamlet» oder «Gässli-Bräu». Diese Brauszene knüpft dabei an die gewerbliche Tradition des 19. Jahrhunderts an, als fast in jedem Dorf gebraut wurde. Der Marktanteil der kleinen Brauereien ist hierzulande verschwindend gering, die Faszination, aus den vier Rohstoffen Wasser, Malz, Hopfen und Hefe geschmacklich vielfältige Biere herzustellen, ist aber gross: «Mikrobrauereien tun der Bierlandschaft gut», sagt Oskar Dommen. Er war drei Jahrzehnte lang Braumeister bei Falken, seit 2013 ist er pensioniert. «Dass Bier hierzulande immer beliebter wird, hat auch mit den Mikrobrauereien zu tun.» Qualitativ hochstehende Biere können nebst auserlesenen und hochwertigen Rohstoffen nur dort entstehen, wo die entsprechenden Produktionsanlagen peinlich sauber sind, erklärt der Braumeister aus Berufung, der auch das Handwerk des Mälzers, das heisst die Verarbeitung von Braugerste zu Braumalz beherrscht.

Bis in die Sechzigerjahre wur de die Fulach gestaut und im Winter als Eisbahn benutzt.

frau», sagt Donnen und lacht. Brauen sei mit der Arbeit eines Kochs vergleichbar: «Er verbringt ebenfalls die Hälfte seiner Arbeitszeit damit, die Küche zu reinigen.» Heute werden in grösseren Brauereien automatische Reinigungsanlagen eingesetzt.

GERANIEN MÖGEN BIER 1983, als Dommen zu Falken kam, stellte die Brauerei vier Sorten Bier her. 16 waren es, als er pensioniert wurde. Bevor er jedoch zur Schaffhauser Traditionsbrauerei stiess, war er insgesamt zehn Jahre als Brauer, Maitre Brasseur und Technical Manager in Afrika tätig: in Nigeria, Swasiland, Togo und Gambia. Zwischendurch absolvierte er ein Braumeisterstudium in Berlin. Die Brauerei Falken füllt täglich nebst Flaschen in verschiedenen Grössen auch Dosen für Dritte ab. Da mutet der 100-Liter-Kleinsud «Bitter Red Ale», den Dommen trotz Pensionierung zusammen mit Brauer-Lernenden im dritten Lehrjahr in einer Kleinbrauerei in Rorschach herstellt, «zwergenhaft» an. Dies für den «Tag des Schweizer Bieres» am 24. April, der diesmal ohne öffentliche Anlässe gefeiert wird. «Bier soll schmecken und bekömmlich sein », sagt Dommen. «Die optimale Trinktemperatur liegt bei rund 8 Grad. Das ist aber nicht in Stein gemeisselt.» Sei das Bier aus irgendwelchen Gründen nicht mehr

geniessbar, solle man es den Blumen geben. «Besonders Geranien mögen Bier sehr gerne. Und Biershampoo ist gut für die Haare», erklärt der Braumeister und schmunzelt. Einen «Tolggen im Reinheft» hat Bier aber: Es soll dick machen. Indes: «Bier allein macht nicht dick», sagt Dommen, «aber es steigert den Appetit auf deftiges Essen». Ihm selbst komme es nicht in den Sinn, zu Hause zu brauen. Doch würde er ein eigenes Bier kreieren, dann wäre es sein Lieblingsbier: Hefeweizen. Es würden fast 50 Jahre Erfahrung darin einfliessen, und Oskar Dommen würde es «Chronik» nennen.

VON TOMATEN UND CHILIS ZU HOPFEN UND MALZ Steuerpflichtig sind heute Bierhersteller, die einen Jahresausstoss von mehr als 400 Litern aufweisen. Falken trägt die Registernummer 30, die Kraftbiermanufaktur Hope die Nummer 1107. «Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen», ist der Wahlspruch von Besitzer Andre Loos, und er schaut richtig zufrieden aus, wenn er davon erzählt. In seinem Brauraum im Zentrum von Neuhausen fallen vier chromglänzende Biertanks auf (der grösste fasst 500 Liter), eine Etikettiermaschine, ein Flaschenabfüller und ein begehbarer Kühlschrank, der mit Kinderzeichnungen bespickt ist. Seinen Biertanks hat Loos Namen von Persönlichkeiten gegeben, einer heisst Nelson Mandela, ein anderer Steve Jobs.

Andre Loos wuchs im Schwarzwald auf. Er hat Industriemechaniker gelernt und ein Wirtschaftsingenieurstudium abgeschlossen. L oos wohnt seit sieben Jahren in der Schweiz.

englischen Wort für Hopfen (Hop) zusammen», erklärt Loos. Wer es noch genauer wissen möchte, dem erzählt der Mann, der inzwischen jeden Freitag Bier braut, dass der vierte Buchstabe von «Hope», die eulersche Zahl e darstellt. Was die Zahl Pi für den Kreis, ist e für den (natürlichen) Logarithmus naturalis.

Die Bieretiketten weisen ein geometrisches Muster auf, und tragen Namen wie Zinne, Elsa, Soleil oder Osir. 2015 begann Loos sich nach einem neuen Hobby umzusehen, nachdem er bereits im grösseren Stil Tomaten und Chilis angebaut und sich auch mit Fotografieren und mit Mountainbiken beschäftigt hatte. Er nahm die Herausforderung eines Kollegen an, ein gutes Bier zu brauen – auf einem fünf Quadratmeter grossen Balkon: «Gleich das erste schmeckte fantastisch, das hat mich sehr motiviert.» Er stellte für Freunde und Kollegen erneut 20 Liter her, die waren schnell weg, so auch die nächsten 20. Was es genau mit dem Brauen auf sich hatte, lernte er durch den Austausch mit anderen Hobbybierbrauern, dank Büchern und mittels Internet. Ob auf dem Balkon, in der Garage oder im Keller: Die Tätigkeit des Freizeitbrauers besteht zu einem grossen Teil aus Handarbeit, der Brauvorgang selbst ist die Spitze des Eisbergs. «Das gründliche Reinigen der Geräte und des Raumes nimmt viel Zeit in Anspruch», sagt Loos. Dann beginnt das grosse Warten. Nach einigen Wochen werden die einzelnen Chargen dann abgefüllt, das Bier reift weiter. Loos legt bei jedem

Bier gilt immer schon als «sozialer Schmierstoff». Der Saft aus Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe ist für viele Menschen ein Inbegriff von Genuss und Geselligkeit. Bier und Wein lieferten aber bereits vor Jahrtausenden Energie und Abwechslung: Alkohol war ein fester Bestandteil früher Hochkulturen. Die Babylonier kannten mehrere Dutzend Biersorten, in Ägypten stärkten sich die Arbeiter auf den Baustellen der grossen Pyramiden mit Bier. Im Mittelalter führten Klosterbrauereien einen geregelten Braubetrieb ein. Verdient gemacht hat sich auch das Kloster Allerheiligen, das um 1100 neun Bierschenken in der Stadt Schaffhausen unterhielt, dies bei einer Einwohnerzahl von rund 1000 Personen. Mit dem Ende der Klöster ging das Brauen zwar weiter, doch erst die Industrialisierung und die Erfindung der Kältemaschine um 1870 durch den besonders kühlen Kopf des Ingenieurs Carl Linde machte das Bier zu einem Produkt für die Bevölkerung, besonders für die arbeitenden Massen. Und bis in die Achtzigerjahre belieferten die Brauereien auch Firmen und Baustellen mit Bier, das dann in den Pausen getrunken wurde.

Schritt selbst Hand an, er verdeutlicht dies mit seinem Fingerabdruck und den Worten «Andre Made» auf jedem Etikett.

VON DER SAMMELLEIDENSCHAFT ÜBERRASCHT «2017 hatte ich die Idee, mich zu vergrössern.» Loos hatte sich ein umfangreiches Wissen über das Brauereihandwerk angeeignet, betriebswirtschaftliches Verständnis sowie eine ausreichend grosse Kapitaldecke brachte er ebenfalls mit. Der Hobbybrauer fand Räumlichkeiten in Neuhausen, richtete sie ein, stellte grössere Mengen Bier her.

Er bekam einen Motivationsschub, als er im Mai 2018 von der Swiss Homebrewing Society mit dem ersten Rang in der Kategorie untergärige Biere ausgezeichnet wurde. Untergäriges Bier wird bei einer konstanten Temperatur von rund 5 Grad Celsius von Reinzucht-Hefe vergoren, wohingegen die Fermentation von obergärigem Bier bei 15–20 Grad Celsius stattfindet.

«Ich habe nächtelang geplant und mir die nächsten Schritte überlegt. Ich habe alles, wirklich alles durchdacht.» Jedoch hatte er ein Hobby von Sammlern unterschätzt. Loos freute sich, dass bald Anfragen aus der ganzen Schweiz aber auch aus Ländern wie Deutschland oder Russland kamen. «Es war eine grosse Überraschung.» Allerdings realisierte er rasch: «Die wollen gar kein Bier, sondern meine Bierdeckel.» Die Deckel von Kleinstbrauereinen sind ein rares Gut und weltweit beliebt, auch zum Tauschen.

In die Irre geführt wird man seit Kurzem auch im Brauraum: «Barley Wine Brautag 31.1.20» steht auf einem Schild – sein neustes Experiment. Kein anderer Bierstil, so zumindest eine subjektive Einschätzung, täuscht mit seiner Bezeichnung so sehr wie «Barley Wine»: «Der Alkoholgehalt kann bei bis zu 14 Prozent liegen, unter 7 Prozent liegt er nie», erklärt Loos. Aufgrund dieses hohen Alkoholgehalts, der mehr an einen Wein erinnert, hat der «Barley Wine» seinen Namen erhalten. Das Bier nahm seinen

Die Bieretiketten von «Hope» w eisen ein geometrisches Must er auf und tragen Namen wie Zinne, Elsa, Soleil oder Osiri.

U rsprung im England des 18. Jahrhunderts. Frankreich versorgte die Inseln durch eine kriegsbedingte Importsperre nicht mehr mit Wein, also ergriffen die Bewohner eigene Massnahmen, um ein eher hochprozentiges und erschwingliches Getränk herzustellen, erzählt Loos.

Die Brauerei Hope hat, wie viele kleine Brauereien, das Ziel, die Biervielfalt in der Schweiz zu steigern, darum zieht sie diesen Sommer um. «Auf dem RhyTech-Areal hat es mehr Platz und ich habe die Möglichkeit, viele weitere Ideen auszuprobieren.» Damit nicht genug: Inspiriert von den Zeichnungen seiner zwölfjährigen Nichte Alexandra, möchte Andre Loos am neuen Standort auch Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform bieten. 

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