175 Jahre Jubiläum AZ Medien

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175 JAHRE

Mittwoch, 9. November 2011 | az

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AZ MEDIEN

ZEHNDER WANNER PRESSE

Schulterschluss: «AT»-Chefredaktor Franz Straub, Arthur Gross, VR-Präsident des «AT», «BT»-Verleger Peter Wanner und «BT»-Chefredaktor Hans Fahrländer.

KARL-HEINZ HUG

Von der Kunst, aus zwei Zeitungen eine zu machen Fusion Der Weg von den Sondierungsgesprächen bis zum Erscheinen der ersten az-Ausgabe vor 15 Jahren VON PETER BURI*

Es ist die Zeit des Waldsterbens – der etwas anderen Art. «Zwei weitere Bäume im schweizerischen Blätterwald fallen», kommentiert die «NZZ» am 27. März 1996 den tags zuvor auf Schloss Lenzburg bekannt gegebenen Zusammenschluss von «Aargauer Tagblatt» («AT») und «Badener Tagblatt» («BT») zur neuen Aargauer Zeitung (az). «NZZ»-Redaktor Matthias Saxer mag aber nicht ins Klagelied über den sich lichtenden «Bannwald der Demokratie» einstimmen. Der (im Juli 2009 allzu früh verstorbene) profilierte Aargauer Journalist kennt von seiner eigenen jahrzehntelangen «BT»-Vergangenheit her nicht nur die Verhältnisse im Hause Wanner, sondern auch die Medien- und Politverhältnisse im «Kanton ohne Mitte» en détail. Deshalb stellt er dem neuen Sprössling im Blätterwald eine günstige Prognose. Es gebe «im Aargau gute politische und wirtschaftliche Gründe für die Fusion der beiden Tagblätter», erklärt Saxer der Restschweiz, «so braucht gerade der kon-

Bis zum Start der neuen Zeitung sind noch happige Hürden zu überwinden. turarme Aargau eine starke publizistische Stimme, die dem weitläufigen Kanton zwischen den Zentren Zürich, Bern, Luzern und Basel jenes politische Gehör auf nationaler Ebene verschafft, das seiner wirtschaftlichen Stärke entspricht.» An der Medienkonferenz im Stapferhaus vom 26. März 1996 wird die Fusion als «visionärer Schulterschluss» gefeiert. Neben hehren Botschaften enthält der von der PRAgentur Klaus J. Stöhlker formulierte Prospekt aber auch Hinweise auf die

wirklichen, entscheidenden Gründe für die Aargauer Zeitungsfusion: «Die gedämpfte wirtschaftliche Situation der Schweiz, der Zwang zur Grösse in einem von Verdrängung gekennzeichneten Zeitungsmarkt sowie die zukunftsgerichtete Strategie der beiden Unternehmen haben zu regelmässigen Kontakten geführt.» Das Parteiblatt hat ausgedient Diese Annäherung ist die Folge von Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen. Nach dem Berliner Mauerfall hat das «Geschäftsmodell Parteiblatt» für Tageszeitungen endgültig ausgedient; und auch die Liberalisierung der elektronischen Medien führt zu einem Umbruch in der Medienlandschaft: Zeitungs- und Verlagshäuser wandeln sich mehr und mehr zu Medienhäusern. Beim «BT» in Baden erkennt man diese Zeichen der Zeit schon früh, stösst das margenarme und investitionsreiche Kundendruckgeschäft ab und setzt stattdessen auf die Medienkarte, auf das Geschäft mit Zeitungen, Regionalradio und Privatfernsehen. Treibende Kraft dieser innovativen, wegweisenden Ausrichtung ist Junior-Verleger Peter Wanner, der sich hier gegen seinen charismatischen Vater Otto Wanner erfolgreich durchsetzen kann. Bei der Aargauer Tagblatt AG ist dagegen operativ eine Führungsriege am Ruder, die das Medien- in erster Linie als Druckgeschäft versteht und Zeitungen, Anzeiger und Zeitschriften als Druckmaschinen-Futter sieht. Verhängnisvolle Gross- beziehungsweise Fehlinvestitionen in den Maschinenpark bringen schliesslich – in Kombination mit einer Konjunkturschwäche – das Aarauer Druck- und Zeitungshaus in eine finanzielle Schieflage. In der andern Ecke des Kantons steht dagegen eine grosse Investition im Zeitungsdruck an, aber auch der Generationenwechsel. Diese Konstellation lässt erste Sondie-

rungsgespräche zwischen «AT»-Verwaltungsratspräsident Arthur Gross und den «BT»-Verlegern Otto und Peter Wanner zu den erwähnten «regelmässigen Kontakten» werden – und schliesslich zu einem konkreten Fusionsprojekt reifen. Denkwürdige Generalversammlung Zwischen der Medienkonferenz Ende März auf der Lenzburg und dem Start der neuen Zeitung Anfang November gibt es aber noch einige happige Hürden zu überwinden: Dazu gehört die Zweitdrittelmehrheit des breit gestreuten «AT»-Aktionariats an der Generalversammlung der Aargauer Tagblatt AG am 3. Mai 1996. Eine «Gruppe besorgter Aktionäre» kritisiert im Vorfeld der GV die Bewertungsmodalitäten und wähnt die Badener Tagblatt-Holding AG bevorzugt. Nach längerem Hin und Her offenbart der Verwaltungsrat der Aargauer Tagblatt AG schliesslich öffentlich die schwierige finanzielle Lage seines Unternehmens und unterbreitet den verkaufswilligen Minder-

Die Fusion bedeutet auch die Geburt eines grösseren Medienhauses. heitsaktionären ein verbessertes Angebot für ihre Titel. Die Fusion wird schliesslich mit 80 Prozent der Aktienstimmen genehmigt. Mit Hochdruck werden nun die Konzeptions-, Planungs- und Vorbereitungsarbeiten für den Start der neuen Zeitung in Angriff genommen. Innert kurzer Zeit müssen viele Entscheide von grosser Tragweite gefällt werden: Die Fusion bedeutet nicht nur die Geburt einer neuen Tageszeitung, sondern auch eines grösseren Medienhauses, das neben dem Zeitungsgeschäft auch in den Sparten Privat-

radio, Privatfernsehen, Wochenzeitungen, Zeitschriften, Kundendruck, Buchverlag und Buchhandel tätig ist. Konsequent paritätische Fusion Das «sinnvolle Wagnis», wie Franz Straub, erster «AZ»-Chefredaktor, in seinem Kommentar auf der Frontseite schreibt, gelingt: Am 4. November 1996 erscheint die erste Ausgabe der Aargauer Zeitung. Die wichtigsten Gründe für diesen Erfolg sind nicht etwa das erfolgreiche Projektmanagement oder das frische, mutige Layout. Es ist vielmehr der Geist des Zusammenschlusses, aber auch die wilden Turbulenzen der Startphase. Die Aargauer Zeitungsfusion wird, trotz (oder gerade wegen?) der unternehmerischen Dominanz des «BTs», konsequent paritätisch vollzogen. Und die enormen technischen Schwierigkeiten, die in den ersten Tagen das Erscheinen des neuen Blattes mehrmals ernsthaft infrage stellen, erlauben es gar nicht erst, dass «AT»- oder «BT»-Animositäten aufkommen. Das aus zwei ganz unterschiedlichen KMU zusammengefügte neue, grosse Medienunternehmen bewältigt in der Folge eine steile Lernkurve. Die Erfahrungen und Prägungen aus diesen ersten Tagen werden zum entscheidenden Erfolgsfaktor für die weitere Zukunft – bis in die Gegenwart hinein. Das junge Medienhaus kommt, befeuert vom Tatendrang und von der buchstäblichen Unternehmerlust seines Besitzers Peter Wanner, nie zur Ruhe. Lancierungen neuer Produkte, Akquisitionen, Neu-, Aus- und Umbauten, Übernahmen, Sanierungen, Investitionen folgen sich Schlag auf Schlag und führen zu einer quasi sich selbst «überrollenden» Projektplanung. Änderungen in raschem Rhythmus Die unternehmerische Fitness und Beweglichkeit verschafft den «jungen» AZ Medien einen Konkurrenzvorsprung gegenüber den traditionellen, altein- und oftmals auch festgesesse-

DAS SAGEN PROMINENTE «Wenn ich einen Tag lang Chefredaktor wäre, würde ich wohl eine ganze Ausgabe von Kindern zwischen 6 und 16 machen lassen. Denn ich glaube, Kinder sind die einzige Chance, die wir haben, die gravierenden Probleme zu lösen. Sie sind es ja auch, welche die von uns angerichtete Suppe auslöffeln müssen.» Peach Weber, Komiker, Hägglingen

nen Medienhäusern in Basel, Bern oder Zürich. Diese Agilität erlaubt es, den konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen agierend (und nicht nur reagierend) zu begegnen. Den Erfordernissen der stürmischen Zeiten entsprechend, scheut sich Verleger Wanner nicht, Konzepte, Gestaltungen oder Strukturen in raschem Rhythmus zu verändern, zurückzuverändern und wieder zu verändern. AZ Medien haben die mannigfaltigen Herausforderungen in den letzten 15 Jahren gut gemeistert. Der Spirit, den Josef Zehnder aus Birmenstorf 1836 mit der Gründung der «Aargauer Volkszeitung» bewiesen hat, scheint per Generationensprung im heutigen Verleger Peter Wanner fortzuleben. *Peter Buri ist Regierungssprecher des Kantons Aargau und war 33 Jahre lang beim «Aargauer Tagblatt» und bei der Aargauer Zeitung in verschiedenen Funktionen tätig, von 2003 bis 2009 als Chefredaktor.


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