ABA_15_2011

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Sport

Dienstag, 22. Februar 2011

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Vor drei Wochen der Abschied als Fernseh-Sportreporter – jetzt für immer Zum überraschenden Hinschied von Hans Jucker, der auf vielen Ebenen tätig war ................................................... von werner schneiter

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assungslos, traurig. Mit diesen beiden Worten ist die Reaktion nach dem Tod von Hans Jucker in seinem grossen Bekanntenkreis auf den Punkt gebracht. Unglaublich: Da wird beim Mercedes-CSI im Hallenstadion Ende Januar 2011 sein Abschied vom TV-Mikrofon gewürdigt; man sitzt dort nach seinem letzten Einsatz zusammen in fröhlicher Runde, hört von seinen Plänen nach fast 46 Jahren Einsatz fürs Schweizer Fernsehen, macht Witze, prostet sich zu – und dann ist Schluss. Nullkommaplötzlich. Ohne jegliche Vorankündigung hört das Herz auf zu schlagen. Unbegreiflich. Hans Jucker, die Reporterlegende. Der letzte Generalist vom Leutschenbach. Der Rotschopf mit der sonoren Stimme, Witz, unerreichter Improvisierfähigkeit, Schlagfertigkeit und Flexibiliät. Einen guten Monat nachdem ihn das Fernsehen mit 65 offiziell in den Ruhestand verabschiedet hat, hat er sich nun ebenfalls verabschiedet. Für immer. Die Sportschweiz hat einen Reporter verloren, den es in dieser Form nicht mehr geben wird – einer, der auch ohne tiefgreifendes Fachwissen in einer Randsportart eine gute Reportage in die Stube liefern konnte. Aber auch immer wieder für Lacher sorgte – und auf Youtube immer noch sorgt, wenn er vor vermeintlich geschlossenem Mikrofon nicht gerade MikrofonTaugliches frei Haus lieferte. Humor, gepaart mit dem nötigen Flair fürs Wesentliche, war Hans Juckers ständiger Begleiter – egal, ob er von olympischen Spielen, von einer Ski- oder Rad-WM oder von einer Schweizer Seilziehmeisterschaft berichtete. Als Reporter hat Hans Jucker die Welt gesehen; er war bei epochalen Sportanlässen und historischen Schweizer Triumphen zugegen, er hat Emotionen beschrieben und damit den Bogen zum Zuschauer und Zuhörer geschlagen. Er hat jenseits des Atlantiks über Mohammed Alis legendäre WM-Kämpfe berichtet, über Fabian Cancellaras Siege, über Erfolge der Springreiter und der Skifahrerinnen. Nach und nach konzentrierte sich Hans Jucker auf die Sportarten Radsport und Reiten. Rund 10 000 Stunden sass er in seiner langen Karriere vor offenem Mikrofon – keiner seiner Nachfolger wird das je erreichen. Eine unglaubliche Karriere, die im März 1965 beim Björnstad-Gedenklauf begann und am 30. Januar 2011 beim Mercedes-CSI in Zürich zu Ende ging. Die Wertschätzung des Reporters Hans Jucker widerspiegelte sich auch in den unzähligen Porträts und Interviews, die er den elektronischen Medien und Printmedien gegeben hat: die wohl längste Abschiedstour eines Fernseh-Sportreporters. Letztmals kurz vor seinem Tod in Patty Bosers Sendung «Lifestyle» auf TeleZüri.

Der junge Reporter Hans Jucker...

...und nach seiner letzten Reportage vom Mercedes-CSI in Zürich am 30. Januar 2011. (Archivbilder «Anzeiger») Organisator und Standortförderer

Tour-de-Suisse-OK-Präsident 1987: Hans Jucker zeigt Radprofi Erich Mächler den Rundkurs durch Affoltern.

Sportjournalisten unter sich: Hans Jucker beim Minigolf mit dem legendären Radioreporter Werner Job.

Der Politiker

OK-Präsident Hans Jucker bei der Eröffnung der Bezirksgewerbeschau 1989 mit Regierungsrat Hans Künzi.

Kuchen mit Kerzen zum Geburtstag: Hans Jucker feierte am 11. Januar 2011 im Arche-Pub seinen 65.

Während ihn die Schweiz fast ausschliesslich als Fernseh-Sportreporter und Platzspeaker an Anlässen wahrgenommen hat, kannte man zwischen Albis und Reuss auch den anderen Hans Jucker. Er hat sich auf verschiedenen Ebenen engagiert: in der Politik, als Behördenmitglied während 16 Jahren im Gemeinderat von Affoltern, als Organisator von Anlässen, als Präsident des «Vereins Ja zur N4», als Gewerbevereinspräsident im Bezirkshauptort. Bei ihm wusste man immer,

wo er politisch stand: Mit seiner Meinung hielt Hans Jucker nie zurück. Ärgerte er sich über einen Vorgang, tippte er auf seiner Hermes 3000 innert Minuten den Frust in Form eines Leserbriefes von der Seele. Die klare Haltung kam nicht bei allen an, seine «fadegraden» Worte brachten den politischen Gegner oft «auf die Palme». Etwas Polemik gehört aber zum politischen Geschäft. Schon in jungen Jahren stieg Hans Jucker in die Politik ein. Er war Mitbe-

gründer des (längst verschwundenen) Landesrings der Unabhängigen (LdU) im Säuliamt. «Die haben mich dann links überholt, also bin ich ausgetreten», sagte er später und trat der FDP bei, der er vor etwa drei Jahren ebenfalls den Rücken zudrehte. Hans Jucker: ein Konservativer mit liberalen Zügen, der in seinem Bekanntenkreis leidenschaftliche Diskussionen führte und auch die Politik der SVP kritisieren konnte, wenngleich er am Ende dieser Partei wohl am nächsten stand.

Als Gemeinderat von 1982 bis 1998 stand Hans Jucker dem Ressort Polizei vor. In dieser Funktion kümmerte er sich auch um Landwirtschaft und Natur. Und bei letzterem offenbarte sich der unbekannte Hans Jucker, zum Beipiel, als er an der Jonentalstasse in Affoltern ziemlich kostspielige Froschunterführungen bauen liess. Er war also Naturschützer und zugleich glühender Autobahnbefürworter. Er sah das nicht als Widerspruch, sondern als Beleg vielfältigen Tuns.

Zu diesem Engagement gesellte sich auch sein Organisationstalent. Hans Jucker holte die Tour de Suisse mehrmals nach Affoltern, er organisierte 1975 erstmals eine Schlussetappe im Bezirkshauptort. Als ein mit gutem Beziehungsnetz ausgestatteter OK-Präsident zog der Verstorbene jeweils namhafte Sponsoren an Bord und nahm dabei auch «Widerwärtiges» in Kauf, zum Beispiel, als er morgens um 6.30 Uhr bei einem Firmenpatron und potenziellen Geldgeber antraben musste und ihm dieser bereits zu diesem Zeitpunkt Whisky offerierte... Nach x-facher Neuauflage des Einschenkens verdoppelte der Firmenpatron seinen Zustupf ans Tour-de-Suisse-OK! Hans Jucker, Ämtler Standortförderer der ersten Stunde. Sein Organisationstalent stellte Hans Jucker auch dem Fussballclub Affoltern zur Verfügung, dem er dreimal (!) als Präsident vorstand, und dem Gewerbe – als Präsident des Gewerbevereins Affoltern und als OK-Präsident der Bezirksgewerbeschauen. Er hielt die Fäden in der Hand, liess aber seine Ressortchefs – allesamt in ihren Bereichen Fachleute – immer gewähren. Nägel einschlagen, ein Zelt aufstellen oder in der Festwirtschaft mithelfen – das war nicht Hans Jucker Sache, Sponsoren verpflichten und diese adäquat betreuen hingegen schon. Und das wiederum erinnert erneut an die gesellige Seite des Verstorbenen, die sich auch in seinem ArchePub und an Stammtischen im Bezirkshauptort offenbarte oder bei den «Snuuphasen», einer Vereinigung, die Hans Jucker humovorvoll als «Schattenkabinett von Affoltern» bezeichnete. Weltlichen Genüssen zugetan, unterhielt er seine Kollegen beim Glas Weissen auf unnachahmliche Art; er sorgte für Stimmung, garnierte seine Aussagen mit Witzen, lieferte sich Rededuelle und unterbrach mit den Worten «jetzt nämed mer na en Halbe». Viele sind Hans Jucker zu grossem Dank verpflichtet, auch der «Anzeiger», für den er während rund 35 Jahren in der «Sportarena» regionales und überregionales Sportgeschehen kommentiert und Vorgänge pointiert dargestellt hat. Diese Rubrik geht nun mit ihm und wird gelegentlich in anderer Form aufleben. Viele werden ihn vermissen: seine fröhliche Art, seine pointierten Meinungen, die geselligen Runden. Hans Jucker hat sich auf den Ruhestand gefreut, auf die freien Wochenenden, auf das SBB-Generalabo und auf die Reisen. Leider hat er nun seine letzte Reise antreten müssen. Danke, Hans!


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