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INHALT / SOMMAIRE

03– 09 SEITEN AUF DEUTSCH

03 Meditation

04 Pastoralraum

05 – 07

14 – 15 PÁGINAS EN CASTELLANO

14 Cuestión religiosa

15 Misión católica de lengua española

16 – 21 PAGES EN FRANÇAIS

16 – 18 Infos unité pastorale

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Editorial

Als Entschuldigung hat sie Spezialitäten aus ihrer Heimat gekocht. In mehreren Gefässen bringt sie die köstlichen Speisen mit und schenkt sie ihrer Lehrerin. Denn letzte Woche hat die junge Frau einen Kurs verpasst, das ist ihr gar nicht recht. Die Ausbildung soll sie befähigen, hier in der Schweiz eine gute Anstellung zu finden. Doch letzte Woche sei ihr zehnjähriger Sohn sehr aggressiv geworden, erzählt sie, das hat ihr so zugesetzt, dass sie in grosser Trauer versunken ist.

Der Sohn lebt in jenem afrikanischen Staat, aus dem die Frau in die Schweiz immigriert ist. Betreut von einer entfernten Bekannten, jedenfalls keinem Familienmitglied, da keine nahen Verwandten mehr dort leben. Auch der leibliche Vater lebt als Migrant irgendwo auf dieser Welt.

Jeden Abend telefoniert die Mutter mit ihrem Sohn. Jedes Mal wird seine Forderung dringender, dass sie ihn endlich in die Schweiz zu sich hole. Die Mutter ist besorgt, weil ihrem Sohn jegliche erzieherischen Strukturen fehlen. Er steht vor der Pubertät, wie soll er sich in seinem Leben je zurechtfinden?

Mit den Speisen, die sie der Lehrerin als Entschuldigung mitgebracht hat, könnte eine ganze Familie verköstigt werden. Grosszügigkeit gegenüber anderen Menschen gehört zu ihrer eigenen Kultur. Das nützt ihr in der Schweiz allerdings gar nichts. Hier benötigt sie mindestens eine feste Anstellung, mit der sie ihren ganzen Lebensunterhalt bestreiten kann. Dies kann noch lange dauern und vielleicht scheitert sie auch an diesem Ziel.

In der Theorie bin ich auch der Meinung, dass es klare Bedingungen geben muss, damit ein Familiennachzug in die Schweiz bewilligt wird. Und weshalb ist sie überhaupt in diese Lage gekommen? Die trägt selbst schuld. Aber in der ausführenden Praxis, wenn ich an diese Mutter denke, sind die Gesetze unmenschlich.

Niklaus Baschung

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