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70 Jahre Wiedereröffnung des Bräustüberls

70 Jahre Bräustüberl-

Ungewöhnliche Foto-Aktion mit großer Resonanz Wiedereröffnung

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Nirgendwo ist man der Andechser Brautradition näher als im Bräustüberl. Im Laufe der letzten 120 Jahre ist das Bräustüberl förmlich in die alte Brauerei „hineingewachsen“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es 1952 – vor 70 Jahren – wiedereröffnet. Zeit für einen Rückblick zusammen mit den Leserinnen und Lesern des Starnberger Merkur.

Die Hoheiten soll‘n sie halt aufs Gras hi ‘haun wia di andern a. A Prinz und a Prinzessin is a nix andres wiara andrer Mensch.“ So überliefert unsere Chronik eine Begebenheit, als

Prinz Ludwig, der spätere König Ludwig III. (1845-1921), mit seiner Gattin Therese im

Bräustüberl des Klosters partout keinen

Sitzplatz fand und deswegen nach dem

Braumeister, Frater Jakob Neubauer, schicken ließ. Der reagierte wie geschildert – und hat damit beschrieben, was das

Bräustüberl bis heute ausmacht: Auf dem

Heiligen Berg sind alle gleich, Standesdünkel haben im Wirtshaus keinen Platz.

Aufruf an Leserinnen und Leser des Starnberger Merkur Der Josefitag, der 19. März 2022, war nun für Wirt Josef Eckl und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein besonderes Datum. Zusammen mit dem Starnberger Merkur hat das Kloster dieses Jubiläum zum Anlass genommen für einen Aufruf an die Leserinnen und Leser des Starnberger Merkur zu einer nicht ganz alltäglichen Foto-Aktion. Eine ganze Fülle von alten Aufnahmen, besonderen Impressionen und stimmungsvollen Fotografien aus dem Andechser Bräustüberl wurden der Redaktion zugesandt. Die historischen Aufnahmen zeigen das Bräustüberl in seiner ganzen Bandbreite, ob Stammtisch, gemütlicher Ausklang einer Wallfahrt, Familienfeier oder Betriebsfeste.

Die drei Gewinner stehen fest. Peter Schiebel, Redaktionsleiter des Starnberger Merkur, und Bräustüberl-Wirt Josef Eckl haben die glücklichen Gewinner quasi „in der Hand“: Die Brotzeit-Gutscheine im Wert von 200, 150 und 100 Euro fürs Bräustüberl erhielten Maria Gabriele Buchwald aus Seefeld, Franz Kleber aus Fürstenfeldbruck und Elisabeth und Josef Plabst aus Steinebach.

Das Klosterdorf Erling und das Bräustüberl auf dem Heiligen Berg sind für Heinz Pelz untrennbar miteinander verbunden. Der Westfale war 1953 das erste Mal in Andechs, als er mit einem Freund dessen Schwestern besuchte, die damals nach dem Krieg zur Erholung nach Erling „verschickt“ worden waren. In Erling lernte Pelz seine Frau kennen, seit 1964 lebt der heute 92-Jährige am Fuße des Heiligen Bergs. Dort, wo sein Schwiegervater Ambros Öttl Schankkellner und Kassierer oben im Bräustüberl war. Alte Fotos erinnern an diese Zeit – an Öttl (rechts auf dem Bild, er war erst 1954 aus dem Krieg zurückgekehrt), an den Braumeister Bruder Oswald Eser (links im Bild). Denn es sind Bilder wie diese, die Erinnerungen wach rufen. Heinz Pelz zum Beispiel wurde selbst zum regelmäßigen Stammtischbesucher oben im Bräustüberl. „Am Öttl-Stammtisch“, sagt er stolz, benannt nach seinem Schwager Gerhard Öttl, einst Schreiner in Herrsching. Bis heute ist dieser Tisch als solcher ausgewiesen. Auch wenn die Besuche weit weniger wurden, „Corona hat uns viel weggenommen“, sagt Heinz Pelz und nimmt den steilen Weg hinauf hin und wieder in Angriff. Dann trifft er sich dort mit den alten Stammtischfreunden, zu denen zum Beispiel auch Steinmetz Rudolf Schreiber gehört. „Wir waren schon ein lustiger, bunt zusammengewürfelter Haufen“, sagt Pelz.

Für viele junge Leute aus Herrsching gehörte ein Besuch im Bräustüberl zum Fasching Anfang der 1960er Jahre dazu. Peter Stumbaum (78) kann sich noch gut daran erinnern. Am Faschingsdienstag zog es sie auf den Heiligen Berg: Peter Stumbaum (3.v.r.) mit Regina Welte (hinten 2.v.l.), Helmut (Sam) Kellner, Nikolaus Welte (2.v.r) und Leonhard Sigl (vorn im Bild ohne Hut). Aus dem Faschingsvergnügen hat sich im Laufe der Jahre ein Stammtischtreffen entwickelt – immer mittwochs. „Früher hatte noch nicht jeder ein Auto. Wir sind immer zu Fuß durchs Kiental hinauf“, erzählt Stumbaum. Als die Ersten ein Auto hatten, habe man noch dort parken können, wo heute die Skulpturen stehen. Und die Mass Bier habe 1,20 Mark gekostet. Das Eckerl, das die Herrschinger sich damals ausgesucht hatten, das gibt es nicht mehr. Genau dort, so Stumbaum, gehen heute die Stufen zur Brotzeittheke hoch. „Früher fand der Verkauf außerhalb in einem Anbau statt.“

Zu diesem Anlass ließ sich Elisabeth Plabst gerne entführen oder besser „verziehen“. Das in Bayern übliche Brautverziehen endete für sie nämlich zur Hochzeit im Oktober 1999 im Bräustüberl in Andechs. Damals wurde ihr gesagt, dass es so etwas im Gewölbe noch nicht gegeben hatte. Weil’s ein Montag war, sei es auch kein Problem gewesen. Immerhin hatten die Plabsts 150 Gäste. Auf dem Bild ist die Steinebacherin mit ihrem frisch angetrauten Josef zu sehen und mit Anton Speer (r.) als Hochzeitslader. Dieser ist im Landkreis Garmisch-Partenkirchen heute besser bekannt als amtierender Landrat. Deshalb hat auch dieses Foto einen Seltenheitswert und lässt besondere Erinnerungen wach werden.

Elsa Plötz aus Erling hat viele Erinnerungen an das Bräustüberl, ihr Schwiegervater Felix (im Bild oben, links) hatte dort in den 1960er, 1970er Jahren als Schankkellner gearbeitet. Ein Kenner, der auch noch im Ruhestand hinter die Kulissen blicken konnte. So ließ sich der Erlinger von seinem Sohn Detlef zweimal die Woche auf den Heiligen Berg hinauf bis vors Bräustüberl chauffieren – Abt Odilo hatte es erlaubt. Im Bräustüberl durfte er am Mitarbeitertisch Platz nehmen und blieb so auch weiter auf dem Laufenden. Abends holten ihn Sohn oder Schwiegertochter wieder ab. Das Bild links stammt von Felix Plötz, der auch als Rentner gern den alten Kollegen wie dem „Stops“ zuschaute. 1982 wurde das Bier noch aus dem Holzfass gezapft.

Ein Prosit auf den Bräustüberl-Wirt Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre hieß der BräustüberlWirt Karl Schott (vorne Mitte). Wie schon 1970 auf den 50., stießen auch auf Schotts 60. Geburtstag im Februar 1980 nicht nur alle Mitarbeiter im Bräustüberl an, sondern auch P. Daniel Gerritzen, der die Wirtschaftsbetriebe des Klosters auf Kurs gebracht hat. Hermann Grötsch (73), 40 Jahre Brauer in Andechs, erinnert sich noch an die Namen (v.l.): Sepp Wittmann, Jakob Brehm, Walter Springfeld, Gerd Schweiger, Franz Kellermair, Ante Stanic, Ivan Schatruc, Franz Schermer, Hans Ketterl und Josef Brunner. Das Fenster zum Kiosk Die Brotzeitausgabe ist vielen noch heute als „Kiosk“ ein Begriff, denn so hieß die Ausgabe zu Beginn – damals noch gegenüber der Schenke in einem Anbau. Das ließ sich auch Steffi Leibold erzählen, deren Oma Franziska (auf dem Bild mit Anton Konoday) ab März 1955 dort arbeitete und hier ihren Mann, den Bierfahrer Michael Albrecht, kennenlernte. Die Oma starb 1992, Michael Albrecht wird sich über dieses Erinnerungsfoto noch freuen; er ist heute 92 Jahre alt. Das große Holzfenster erinnert bis heute an den alten Kiosk.

In den 1950er Jahren hatte die Arbeitswoche noch 48 Stunden. Umso mehr freuten sich Burschen wie der damals knapp 20 Jahre alte Rudolf Pfänder auf die Sonntage. Dann ging es nach Andechs ins Bräustüberl. „Entweder sind wir marschiert oder wir sind mit dem Motorrad gefahren“, erinnert sich der heute 86-Jährige. Damals habe man sich noch rausgeputzt mit Hemd und Krawatte. Sein Sohn Michael habe ihn jetzt an Fotos aus dieser Zeit erinnert. Und als Pfänder danach suchte, fiel ihm just eines in die Hand, das vor 67 Jahren, am 13. März 1955, aufgenommen wurde. Bis heute hängt an der Wand, wo sich Pfänder mit seinen Freunden am Stammtisch traf, ein Schild mit der Aufschrift „Singen und Lärmen nicht erlaubt!“ „Wir haben es nicht beachtet“, sagt der Machtlfinger lachend. Von den neun Burschen auf dem Bild seien fünf schon tot, erzählt Pfänder. Und ins Bräustüberl gehen die anderen schon lange nicht mehr, „man trifft sich im Dorf“. Am Sonntag, den 13. März 2022 haben sie eine Ausnahme gemacht, denn 67 Jahre nach dieser Aufnahme wollen sich die Burschen von einst oben auf dem Heiligen Berg treffen und Erinnerungen wach werden lassen.

Das Bräustüberl-Team und seine Chefs Karl Schott (oben 4.v.l.) war es, der das Bräustüberl seit der Wiedereröffnung nach dem Krieg führte, seit dem 19. März 1952. Mehr als 30 Jahre war er Wirt auf dem Heiligen Berg und feierte dort mit den Mitarbeitern seine runden Geburtstage – auf diesem Bild vom Februar 1970 seinen 50. Immer dabei P. Daniel Gerritzen (Cellerar 1968-1986; Prior 1976-1982) und auch die Damen vom „Kiosk“. Mechthild Schermer stellte uns dieses Foto zur Verfügung. Schankkellner in Reih und Glied Brigitte Nitsche hat gesucht und ein schönes Erinnerungsfoto von ihrem Mann und anderen Schankkellnern gefunden, die Anfang bis Mitte der 1990er Jahre hinter der Theke im Bräustüberl standen (v.l.): Sale Özoy, Hans Nitsche, Ante Stanic, Franz Schermer, Luca Gaura und Franz Kellermair. Brigitte Nitsche selbst arbeitete damals am „Kiosk“.

Andechser Gefühl in die Wiege gelegt – Karl Strauß ist Erlinger durch und durch. Dem 69-Jährigen wurde das Andechser Gefühl –kaum ein halbes Jahr alt – im August 1953 von seinen Eltern auf der Bräustüberl-Terrasse quasi schon mit der Muttermilch verabreicht. Als Vorsitzender des Heimatvereins Erling-Andechs ist Strauß zudem mit der Geschichte des Heiligen Berges sehr gut vertraut.

Das erste Mal war Maria Gabriele Buchwald, die ihre Freunde Elli nennen, vor 70 Jahren im Bräustüberl vom Kloster Andechs. In Meringen geboren, pilgerte sie zu Fuß 47 Kilometer und hinauf auf den Heiligen Berg. „Mit den Älteren durften wir dann auch ins Bräustüberl. Das war ganz was Besonderes. Jedes Jahr war ich einmal auf dem Heiligen Berg“, erzählt Elli Buchwald. Längst ist ihr Seefeld zur Heimat geworden, und der Weg von Oberalting ist auch nicht mehr so weit. Wie es Brauch war, kehrte man damals nach der Kirche im Bräustüberl ein, Freundschaften entwickelten sich. Frauen durften mittlerweile auch mal alleine ausgehen – so fanden sich die Freundinnen Inge, Renate, Gerti, Zenta, Loni und Elli zum Hausfrauenstammtisch in Andechs zusammen, fast jeden Dienstag um 17 Uhr. Bald waren sie bekannt: „Aha, der Weiberstammtisch.“ Sie brachten die erste selbst genähte Rautentischdecke mit. „Die wollte uns ein Amerikaner unbedingt zu einem hohen DM-Preis abkaufen“, erinnert sich Elli Buchwald und lacht. Die Decke hat sie noch und dazu passend einen weiß-blauen Rautenpullover. Geburtstage haben die Freundinnen auch im Bräustüberl gefeiert. „Jede von uns. Die ganzen Jahre. Da ging es hoch her ... bis Corona kam. Das waren immer so schöne Stunden, man vergaß manchen Kummer. Wir müssen so dankbar sein, Andechs und das Bräustüberl vor der Haustüre zu haben (...).“