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Gut aufgestellt in bewegten Zeiten

Bewegte Zeiten

Wie die Klosterbrauerei mit extremen Verwerfungen auf dem Biermarkt umgeht

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„Wir konnten die Effizienz der Klosterbrauerei insgesamt so steigern, dass der Gesamt-Energiebedarf sehr deutlich unter dem Niveau von 2012 liegt – trotz vieler energieintensiver Investitionen.“

Stark gestiegene Preise nicht nur für Gas und Strom, Diesel und Logistik sondern auch für Malze, Flaschen, Gläser und Bierkisten stellen die Klosterbrauerei vor besondere Herausforderungen. Damit aber nicht genug: Lieferketten sind nicht mehr so stabil wie über Jahre gewohnt; die Inflation ist spürbar und Niedrigpreis-Angebote von Großbrauereien prägen die Getränkemärkte. Im Gespräch sieht Alexander Reiss, Betriebs- und Vertriebsleiter, die Klosterbrauerei am Fuß des Heiligen Berges dennoch gut aufgestellt für bewegte Zeiten.

Wie ist die Situation in der Klosterbrauerei?

Alexander Reiss: „Wir sind mit der Klosterbrauerei verhältnismäßig gut durch die Beschränkungen der Pandemie 2020/21 gekommen. Einen großen Teil der Verluste im Fassbier-Bereich konnten wir durch einen verstärkten Absatz im Flaschenbier auffangen. Das Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein gutes und konstruktives Miteinander haben hier wirklich viel bewegt. Bei allen Einschränkungen haben wir erlebt, was möglich ist und gelingen kann, wenn wir – die Klosterbrauerei Andechs – zusammenstehen und uns unterhaken.“

Nun ist aber die Lage 2022 noch einmal eine ganz andere geworden…

A.R.: „Das stimmt sicherlich. So eine Krise habe ich in den 32 Jahren, in denen ich in der Braubranche arbeite, noch nicht erlebt. Wir dachten, Corona sei schon das schlimmste aller möglichen Szenarien, aber das stimmt nicht. Nicht nur die Preise für Gas, Strom, Diesel, Flaschen, Gläser, Bierkisten und Logistik sind im Jahresvergleich deutlich gestiegen, sondern auch für unsere Rohstoffe, besonders für Malze. Aber es geht hier nicht nur um Preise, sondern auch generell darum, die Rohstoffe überhaupt zu bekommen. Die Lieferketten sind aufgrund vieler Faktoren einfach nicht mehr so stabil, wie wir das fast über Jahrzehnte gewohnt waren. Auch hier zahlt es sich für uns aus, dass wir mit Lieferanten wichtiger Rohstoffe wie zum Beispiel Malz und Hopfen zum Teil seit vielen Jahren eng zusammenarbeiten. Langfristig geschlossene Vereinbarungen helfen uns sehr, die Verfügbarkeit unserer Rohstoffe zu sichern. Und zudem können wir so die Kosten zumindest zu einem Teil kompensieren. Fakt ist also: Wir können uns bisher in einem unvorhersehbaren und extrem schwierigen Marktumfeld gut behaupten. Wir haben im Laufe der letzten Jahre einige Voraussetzungen geschaffen, um solchen Krisen begegnen zu können.“

Dank der schon 2014 errichteten CO₂Rückgewinnungsanlage ist die Klosterbrauerei voll lieferfähig – mit allen Sorten unserer Klosterbiere und unserer alkoholfreien Getränke. Die Anlage fängt CO₂ aus dem Gärungsprozess auf, bereitet es bis zu einer Reinheit von über 99% auf, so dass es wiederverwendet werden kann.

Welche Voraussetzungen sind das?

A.R.: „Gerade unter den jetzt sehr harten äußeren Bedingungen zahlen sich einfach viele Investitionen der vergangenen Jahre aus. Besonders gut dokumentiert das unser EMAS-Umweltmanagement-System. Mit diesem System, einem der schärfsten Umweltmanagement-Systeme in ganz Europa, konnten wir allein in den letzten zehn Jahren unseren Verbrauch v. a. an Gas, Strom und Wasser um 20 Prozent senken. Das zahlt sich doppelt aus. Zum einen war die Brauerei vor zehn Jahren noch auf einem ganz anderen technischen Stand. Viele Investitionen, neue Biersorten wie das alkoholfreie Weißbier und Erweiterungen wie zum Beispiel die CO2-Rückgewinnungsanlage 2014, die Entalkoholisierungsanlage 2016, sind sogar hinzugekommen, die zum Teil zusätzlich Energie brauchen. Allerdings konnten wir die Effizienz der Brauerei insgesamt soweit steigern, dass nun der Gesamt-Energiebedarf sogar deutlich niedriger ist als vor zehn Jahren. Wir gehen also konsequent den Weg weiter, um die Abhängigkeit der Brauerei von fossilen Energieträgern zu verringern.“

Stichwort: fossile Energieträger. Was ist, wenn das Gas wirklich knapp werden sollte?

A.R.: „Derzeit decken wir tatsächlich unseren ganzen Energiebedarf beim Brauprozess durch Gas. Bierbrauen braucht Energie. Wir müssen Kochen, Kühlen, Flaschen reinigen. Damit all dies mit „sauberer Energie“ geht, sind wir schon

Dank auch der Flaschenfüllerei konnte der Gesamtwasserverbrauch weiter reduziert werden, da die 2019 in Betrieb genommene Flaschenwaschmaschine mit fast 50 % weniger Wasser auskommt.

vor einiger Zeit auf Erdgas umgestiegen. Wir haben aber 2020 auch durch den Einbau eines Zwei-Komponenten-Brenners in unserem zentralen Heizwerk dafür gesorgt, dass wir die nötige Energie für den Brauprozess auch durch die Verbrennung von Erdöl erzeugen können. Mittelfristig planen wir aber, die Brauerei noch weiter von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen.“

Das macht neugierig. Was meinen Sie damit?

A.R.: „Es geht zum Beispiel beim Thema Gas ganz grundsätzlich darum, sich alternative Wege zu erschließen, damit wir weiter Klosterbiere nach unseren hohen Qualitätsstandards im Mehrfach-Maischverfahren und im Zwei-Tank-Verfahren brauen können.

Das ist im einen Fall zunächst einmal ganz konventionell das Erdöl. Aber wir schauen auch auf andere alternative Formen der Energieerzeugung. So schwierig die Zeiten sind: es sind auch genau die Zeiten, in denen technologisch enorm viel passiert und sich Entwicklungen aufgrund des äußeren Drucks beschleunigen und zu Ergebnissen führen, die vor Jahren noch undenkbar waren. Hier werden wir an der Spitze der Branchenentwicklung dabei sein. Dass dieses Rezept erfolgreich sein kann, haben wir zum Beispiel schon 2016 gezeigt, als wir als eine der ersten mittelständischen Brauereien in Deutschland eine Pilotanlage zur Entalkoholisierung gebaut haben. Gerade im Jahr 2022 haben wir aber auch die gute Erfahrung gemacht, in einigen Fällen wirklich unabhängiger von äußeren Einflüssen zu sein.“

Nennen Sie uns ein Beispiel?

A.R.: Im Spätsommer 2022 war eine zunehmende Knappheit von CO2 in der Braubranche ein großes Thema. Wir sind davon nicht betroffen gewesen und waren und sind voll lieferfähig – über alle Sorten unserer Klosterbiere und unserer alkoholfreien Getränke. Grund ist unsere schon 2014 errichtete CO2-Rückgewinnungsanlage, die uns an diesem Punkt völlig autark macht. Wir gehören zu den wenigen Brauereien in Bayern, die CO2 aus dem Gärungsprozess durch eine Rückgewinnungs-Anlage auffangen, mit einer hochmodernen Anlage bis zu einer Reinheit von über 99 Prozent aufbereiten und dann wiederverwenden.

Warum ist C0₂ beim Brauen so wichtig?

A.R.: CO2 wird im gesamten Brauprozess benötigt. Grundsätzlich darf das Bier nach der Gärung nicht mit Sauerstoff in Berührung kommen. Daher wird CO2 verwendet, um z. B. Tanks und Leitungen im Gär- und Lagerkeller „leerzudrücken“. Tanks, Flaschen und Fässer werden vor ihrer Befüllung mit Bier mit CO2 gespült, um den Sauerstoff zu verdrängen. Anschließend werden Fässer und Flaschen auch mit CO2 „vorgespannt“, damit das Bier beim Befüllen nicht überschäumt. CO2 wirkt dabei wie eine „Schutzatmosphäre“ für das Bier. Darüber hinaus liefert uns die Rückgewinnungsanlage CO2 in einem Reinheitsgrad, mit dem wir unsere alkoholfreien Getränke wie Tafelwasser, Zitronenlimo und Colamix selbst karbonisieren können, ohne CO2 zukaufen zu müssen.

Wenn man auf die Kostensteigerungen in allen Bereich schaut, sind steigende BierPreise sicher auch ein Thema, oder?

A.R.: „Sicher. Um auch in Zukunft kostendeckend arbeiten zu können, müssen wir die Preise auf dem Bier-, Rohstoff- und Energiemarkt ganz genau beobachten und unsere Preise in Zukunft anpassen. Fakt ist aber auch, dass wir alle unsere Kostensteigerungen gar nicht an unsere Kunden weitergeben können. Das würde jeden Kasten Bier um bis zu zwei Euro teurer machen. Auch das können wir uns nicht leisten.“

„Seit 32 Jahren arbeite ich in der Braubranche. Eine solche Krise habe ich zwar noch nicht erlebt, aber ich bin überzeugt, dass wir sie als Klosterbrauerei Andechs meistern und gestärkt daraus hervorgehen werden.“ – Alexander Reiss, Betriebs- und Vertriebsleiter.

Was dann tun? Viele Brauereien verstehen sich sozusagen als „Preis-Sprinter“ und versuchen über ganz verschiedene PreisAktionen mehr Bier zu verkaufen.

A.R.: „Das kommt für uns definitiv nicht in Frage. Die Klosterbrauerei Andechs ist – um im Bild zu bleiben – kein Sprinter, sondern ein Langstreckenläufer. Kurzfristige Preis-Aktionen mit langfristig sicher negativer Auswirkung auf unsere Erträge können wir uns als mittelständische Klosterbrauerei zum einen schlicht nicht leisten. Es ist zum anderen aber auch überhaupt nicht die klösterlich-unternehmerische Philosophie unserer Eigentümer.

Als authentische Klosterbrauerei im 100 %igen Eigentum einer bestehenden Ordensgemeinschaft denken wir im Blick auf die Erträge weniger in Quartalen, sondern eher in Jahrzehnten. Unser Ziel ist und bleibt es, mit stabilen Absätzen, an denen wir etwas verdienen, unsere Brauerei und unsere Bierspezialitäten organisch, langfristig und nachhaltig zu entwickeln. Das heißt konkret, dass wir Wege finden werden, kreativ mit dem steigenden Kostendruck umzugehen. Dass das möglich ist, haben wir in der Vergangenheit bewiesen und das wird uns auch diesmal gelingen.“