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Steffi Löns

Maria Popova

Findungen

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Aus dem Amerikanischen von Heike Reissig, Tobias Rothenbücher und Stefanie Schäfer Diogenes Verlag, 28,– Euro

Maria Popova liebt es, sich Wissen aus Büchern und Geschichten anzueignen und dies mit ihren Mitmenschen zu teilen. In ihrem Buch »Findungen« stellt sie Menschen vor, die ihrer Zeit weit voraus waren, brillante Naturwissenschaftler und Denkerinnen, die unser Weltbild prägen. Sie zeigt sie als hingebungsvolle Streiter und Kämpferinnen, lässt aber auch deren persönliche, empfindsame Seite nie außer Acht, im Gegenteil, die enge Verknüpfung von Wissenschaft und Poesie steht im Vordergrund. Geniale Köpfe wie Johannes Kepler oder Rachel Carson treten so sehr menschlich hervor in ihren Leidenschaften und Nöten, vor allem dank der bildhaft philosophischen Sprache von Maria Popova. Das Streben nach einem sinn- und liebevoll gelebten Dasein scheint das einzig Erstrebenswerte nach der Lektüre. Ein ganz besonderes Buch, das zum Weiterlesen und -denken anregt. Mein Exemplar ist gespickt mit Post-its, auf der Seite brainpickings.org wird der Geist weiter gespeist. Paolo Maurensig

Der Teufel in der Schublade

Aus dem Italienischen von Rita Seuß Nagel & Kimche, 18,– Euro

Auf einer seiner zahlreichen Reisen hat Goethe in einem kleinen Schweizer Dorf übernachtet und seitdem wetteifern sämtliche Dorfbewohner um die Anerkennung ihres literarischen Schaffens, da jeder glaubt, durch diese kurze Nähe zum Dichterfürsten sei ein Funke seiner Schaffenskraft auf ihn übergegangen. Dies fällt dem neuen Hilfspfarrer Pater Cornelius auf, der Ende des 20. Jahrhunderts in das Dorf versetzt wird. Er registriert das rege Treiben auf dem Postamt. Täglich schleppen Bäcker, Metzger sowie Bürgermeister ellenlange Manuskripte dorthin, um sie an große deutsche Verlage zu schicken, und sie dort, abgelehnt, wieder in Empfang zu nehmen. Als sich eines Tages der wortgewandte Verleger Dr. Bernhard Fuchs im Dorf vorstellt, um dort eine Dependance seines Verlages anzukündigen, erkennt der Geistliche sofort, dass hier der Teufel unterwegs ist, um die Menschen bei ihrer Eitelkeit packen und sein Unwesen treiben zu können. Und das funktioniert. Aber tatsächlich erlaubt sich der behaarte Manipulator einige Schnitzer, bis herauskommt, dass er das Dorf und seine Bewohner für diabolische Zwecke nutzt. Oder hat sich Pater Cornelius das alles nur eingebildet? Die Geschichte in mehreren Erzählebenen liest sich herrlich altmodisch und doch zeitlos.

Iris Wolff

Die Unschärfe der Welt

Klett-Cotta, 20,– Euro

Ein Ehepaar im Banat, einer Region, die teils in Ungarn, teils in Rumänien und teils in Serbien liegt, beherbergt in den 1970ern zwei Studenten aus der DDR. Aus diesem zufälligen Aufeinandertreffen entsteht eine Freundschaft, die viele Jahrzehnte und Grenzen sowie den Zusammenbruch des Ostblocks überdauern wird. Das Leben der zentralen Figur Samuel, der damals zweieinhalb ist, wird über vierzig Jahre jeweils aus der Perspektive derjenigen erzählt, die ihn auf seinem Weg begleiten. So entsteht das vielfältige Bild eines Menschen, der jedem etwas anderes bedeutet, der in unterschiedlichen Beziehungen und Lebensabschnitten anders wahrgenommen wird. Diese Unschärfe, die auch als Möglichkeit, als Unbestimmtheit gesehen werden kann, zeigt, was Sprache kann, was Erinnerungen vermögen. Iris Wolff, die mit diesem Roman für den Deutschen Buchpreis nominiert war, erzählt in schlichter und zugleich poetischer Sprache von Liebe und Heimat, von Diktatur und Denunziation, von Flucht und von Freiheit. Volker Jarck

Sieben Richtige

S. Fischer Verlag, 22,– Euro

Der Roman beginnt im Supersommer 2018, am 11. Juli, abends gegen halb acht in Bochum und das kurze und äußerst spannende erste Kapitel verspricht genau das, was der Roman bis zum Ende durchhält, nämlich beste Unterhaltung. Volker Jarck ist, obwohl dies sein Romandebüt ist, anscheinend ein erprobter Geschichtenerzähler, denn er führt in aufregend schnellen Wechseln die in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten verschiedenen Handelnden am Ende zu einem großen Ganzen zusammen. Recht hilfreich ist dabei das, wohl eher mit einem Augenzwinkern gemeinte, Personenverzeichnis am Anfang des Buches, wobei die, zum Teil im Vorgriff auf die Zukunft, erzählten zwischenmenschlichen Verbindungen ganz schön verblüffen können. Das Mammut vom Titelbild wird zwar dort nicht aufgeführt, spielt aber eine sehr wichtige Rolle. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Christoph Maria Herbst das Hörbuch eingesprochen hat, was mit Sicherheit ein riesiges Vergnügen ist.

YORN

Gast im Glück

Mit Zeichnungen von Sempé Diogenes Verlag, 22,– Euro

Als Jürgen Michaelsen 1956 mit 21 Jahren nach Paris kommt, kann er sein Glück kaum fassen: Christian Dior stellt ihn als seinen Assistenten ein und verpasst ihm den Namen Yorn. Ein paar Jahre später ist es ihm vergönnt, ein eigenes Modehaus in Paris zu gründen. Nachdem dies zwar erfolgreich, aber nicht lukrativ verläuft, werden 1963 erste Kontakte zu Herrn Dahlbender, Abteilung Damenoberbekleidung beim Essener Kaufhausriesen Karstadt, geknüpft. Der Designer erhält die Chance, speziell für das deutsche Kaufhaus geschaffene Modelle in jeder Filiale anzubieten. Zum Saisonbeginn im Frühjahr 1964 geht es los, Presse und Kunden sind begeistert. Finanziell abgesichert, lässt der internationale Erfolg nicht lange auf sich warten. All dies erinnert Yorn viele Jahre später dankbar auf seinem Landsitz in der Provence und erzählt seinem Freund Sempé von der Idee, ein Buch zu schreiben. Eine chronologische Aufzählung der Glücksmomente in seinem Leben soll es werden, und da er sich stets gut an die Speisen und Getränke erinnert, die es zu den Gelegenheiten gab, sollen auch Rezepte darin vorkommen. Sempé ist von dieser Idee so angetan, dass er anbietet, das Buch zu illustrieren. Herausgekommen ist dieses so schön gestaltete Buch, das einfach glücklich macht beim Lesen.