PEN – Writers in Exile 1999-2014

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CHECHNYA

NORTHERN SUDAN

SOUTHERN SUDAN

Writers in Exile Die Stipendiatinnen und Stipendiaten 1999-2014



Inhaltsverzeichnis

4 Vorwort von Franziska Sperr

11 Algerien 12 Abderrahmane Bouguermouh 14 Hamid Skif 16 Aserbaidschan Shahla Sultanova 18 Bahrain Qassim Haddad 20 Bangladesch Humayun Azad

22 China 24 Liu Dejun 26 Guobiao Jiao 28 Zhou Qing

30 Georgien 32 Zaza Burchuladze

34 Iran 36 Roshanak Daryoush 38 Masoud Ali-Reza Espabod 40 Khalil Rostamkhani 42 Faraj Sarkohi 44 Mansoureh Shojaee

46 Kolumbien 48 Erik Arellana Bautista 50 Eva Durán 52 Kuba 54 Jorge Luis Arzola 56 Amir Valle 58 Mexiko Ana Lilia Pérez 60 Russland 62 Sergej Zolovkin 64 Serbien Jovan Nikolić

66 Sierra Leone Claudia Anthony 68 Simbabwe 70 Itai Mushekwe 72 Maxwell Sibanda

74 Sri Lanka 76 Rohitha Bashana Abeywardane 78 Sanath Balasooriya

80 Syrien Amer Matar 82 Togo Cosmos Akoete Eglo 84 Tschetschenien 86 Adam Guzuev 88 Maynat Kurbanova 90 Tunesien 92 Najet Adouani 94 Sihem Bensedrine 96 Türkei 98 Fethiye Çetin 100 Mehmet Selim Çürükkaya 102 Ahmet Kahraman 104 Pinar Selek 106 Vietnam Bui Thanh Hieu 109 Weißrussland 110 Swetlana Alexijewitsch 112 Alhierd Bacharevič 114 PEN-Zentrum Deutschland 115 Der PEN-Förder- und Freundeskreis 116 Impressum 117 Fördermitglied werden

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In der Emigration, so berichtete Thomas Mann von seinen Schicksalsgenossen, sei einer nach dem anderen an „überanstrengtem Herzen“ gestorben. Wie auch er selbst waren viele deutsche Schriftsteller, Wissenschaftler und Intellektuelle während der Naziherrschaft zur Flucht aus Deutschland gezwungen. Exil – das ist ein Stück Lebenszeit, unfreiwillig verbracht in einem Land, das nicht die Heimat ist, mit Leuten die eine fremde Sprache sprechen, deren Zeichen und Gesten, deren Mimik oft gar nicht zu verstehen sind. Mit unserem Stipendiatenprogramm Writers in Exile wollen wir dafür sorgen, dass jenen Schriftstellern, Verlegern, Journalisten und Bloggern, die mit „überanstrengtem Herzen“ hier bei uns in Deutschland ankommen, die in ihrem Land Schreibverbot, Verfolgung und Bedrohung erleiden mussten, den Schutz und die Ruhe zu bieten, die sie brauchen, um wieder halbwegs auf die Beine zu kommen und Kraft zu schöpfen. Wir sind es ihnen schuldig. Wir sind es jenen in der Welt schuldig, die vor über siebzig Jahren den Flüchtlingen aus Nazideutschland Schutz geboten haben. Das mag auch der Grund sein, warum die Bundesregierungen seit 1999 unser Programm fast vollständig finanzierten: die niemals verjährende Erinnerung an das, was Deutschland während des „Dritten Reichs“ in der Welt angerichtet hat. In unserer Arbeit machen wir die Erfahrung, dass jedes Exilschicksal ein ganz besonderes ist. Jeder Mensch, der auf der Flucht ist, bringt mit, was er erlebt hat, und das, worunter er leidet. Und wir, die wir versuchen ihnen das Leben in Deutschland einigermaßen erträglich zu machen, erfahren, dass jeder Einzelne auf seine Weise mit dem Alltag, der neuen Sprache, der Umgebung, den Gepflogenheiten in der „fremden“ Heimat fertig werden muss. Wir wollen ihnen die Zeit geben, die sie brauchen, um in unserem Land, am sicheren Ort leben und arbeiten zu können. Zurzeit können wir acht Stipendiaten in fünf Städten für maximal drei Jahre eine Wohnung und ein ausreichendes Stipendium zum Lebensunterhalt bieten. Krankenversicherung, Deutschkurse und Auftritts- und Veröffentlichungsmöglichkeiten kommen hinzu.

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Foto: Brigitte Corell

Writers in Exile


Mit vielen Helfern, mit viel ehrenamtlichem Engagement versuchen wir ihnen hier das Leben wieder lebenswert zu machen und sie mit Wärme und Herzlichkeit in Empfang und in unsere Mitte zu nehmen. „An überanstrengtem Herzen“ soll bei uns keiner zugrunde gehen. Dafür setzen wir uns ein. Was wir dabei erfahren ist ein großes Glück, die Stipendiaten, nein, die Kollegen wachsen uns ans Herz, werden Freunde. Die Begegnungen, die wunderbaren Gespräche, die Weltsicht aus anderen Blickwinkeln, die Traurigkeit und der Humor – und die Chance, etwas für andere tun und sie in ihrem Leben unterstützen zu können, das ist für uns ein großes Privileg! Ganz besonders danken wir Dr. Karin Clark, die uns nicht nur bei dieser Broschüre unterstützt und für den nötigen Feinschliff bei der englischen Übersetzung der biographischen Texte gesorgt hat. Nach wie vor ist sie mit ganzem Herzen und zuverlässigem Engagement unserer Exilarbeit verbunden.

Franziska Sperr Vizepräsidentin und Writers-in-Exile-Beauftragte PEN-Zentrum Deutschland

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Those who have emigrated, as Thomas Mann speaks of the people who share his fate, die one after another of an “overstrained heart.” Like himself, many German writers, scientists, intellectuals were forced to flee Germany during the Nazi regime. Exile—is a slice of a lifetime involuntarily spent in a country that is not one’s home, with people who speak a foreign language, whose signs, gestures and facial expressions are often incomprehensible. With our scholarship program Writers in Exile we hope to provide writers, publishers, journalists and bloggers—who come here to Germany with “overstrained hearts” having suffered writing bans, persecution and threats in their own country—a safe place to rest so they can, to a certain degree, get back on their feet and regain their strength. We owe it to them. We owe it to those across the world who offered protection to refugees from Nazi Germany seventy years ago. This is probably the reason the German government has nearly fully financed our program since 1999: the never lapsing memory of what Germany did to the world during “The Third Reich”. In our work, we have come to see that the fate of each person in exile is a different one. Those fleeing their countries bring with them their personal experiences, and their individual pain. And we, the ones who are trying to make their lives in Germany somewhat bearable, have discovered that each individual has to come to terms, in his/her own way with the daily life, the new language, the surroundings, the customs of the “foreign” new land. We want to give them the time they need to adjust to our country so they can live and work in a safe environment. At the moment we can offer eight stipend holders in five cities an apartment and an adequate grant for living expenses for a maximum of three years. Medical coverage, German lessons, and venues to present and publish their work, are also included. With many volunteers and much enthusiasm, we try to make their lives in Germany worth living and embrace them warmly among us. No one need perish here of an “overstrained heart.” We will see to that. We are fortunate that the grant recipients, our fellows in more sense than one, have captured our hearts, have

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Foto: Brigitte Corell

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become our friends. It is a great privilege for us to have these encounters, these wonderful conversations, to glimpse the world from a different perspective—experiencing the sadness and the humor. We are grateful for the opportunity to do something for others and support them in their lives! I would like to thank particularly Dr. Karin Clark, who not only supported this booklet and gave the necessary fine-tuning to the English translation of the biographical texts. Karin still is wholeheartedly engaged in the writers in exile-activities of PEN.

Franziska Sperr Vice president and Writers in Exile comissioner PEN centre Germany

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Foto: Kaveh Rostamkhani

Was bedeutet „Heimat“ für mich? „Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Der englische Begriff „Home“ hat eine ähnliche Bedeutung wie der deutsche Begriff „Heimat“. Beide Begriffe bezeichnen den Geburtsort sowie das Geburtsland. Im Englischen bedeutet „Home“ auch, wo man lebt, entweder alleine oder mit der Familie. Im Persischen muss man ein Wort für das Geburtsland, ein anderes für den Geburtsort und ein drittes Wort für den Wohnort verwenden. Das letztere ist ähnlich wie das deutsche „Hause“ in „zu Hause“. Heimat wie z.B. „Heimatland“, d.h. wo ich herkomme, ist offensichtlich Iran. Sehe ich den Iran als mein „Home“ im Sinne von „zu Hause“? Ja und nein. Ja; ich habe dort Familie und gute Freunde, ich kann mit den Menschen leben, spreche und schreibe ihre Sprache fließend und genieße eine Menge an Dingen, die ich mit ihnen gemeinsam habe. Nein, ich hatte und werde immer tiefgehende kulturelle Differenzen mit einem großen Teil der Bevölkerung haben und wir werden nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Nein, ich hätte jedes Mal Angst, wenn ich etwas sage oder tue, was die Regierung kritisiert. Angst um meine Sicherheit und davor, ins Gefängnis zu kommen, so wie das schon häufig vorgekommen ist. Bin ich in Deutschland / Europa „at home“ (zu Hause)? Ja und nein. Ja; Ich habe hier gute iranische und deutsche Freunde. Ich spreche und schreibe Englisch (und in einem geringeren Maß auch Deutsch) sowie Persisch fließend. Und ich genieße das Leben hier; ich sorge mich nicht um meine Sicherheit und so weiter. Nein; ich bin in der deutschen Öffentlichkeit ein Außenseiter. Ich kann nicht alles so gut ausdrücken wie auf Persisch oder Englisch, manche Dinge kann ich überhaupt nicht in Worte fassen. Da ich seit vielen Jahren international eingestellt und weltoffen bin und mich natürlich auch so verhalte, ist das Leben hier jedoch nicht schwierig.“ Khalil Rostamkhani (Iran)

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What does ‘home’ mean to me? “There is not a simple answer to this question. Home in English is in one sense similar to ´Heimat´ in German. Both mean one’s place of birth as well as one’s country. In English, ‘home’ also means where you live either on your own or with your family. In Persian, there is one word for the country of birth, another for the place of birth and yet a third for the place where you live. The latter is somewhat similar to the German ‘Hause’ as in ‘zu Hause’. Home as ‘homeland’, i.e. where I come from, is obviously Iran. Do I see Iran as my ‘home’ in the sense of ‘zu Hause’? Yes and no. Yes; I have family and good friends there, can live among the people, speak and write their language fluently, and have much in common with them. No; I did have and will have deep cultural differences with a large portion of the population, and we will not come to terms with each other. No; I fear for my safety and worry about going to prison if I say or do something critical of the government, as was the case frequently in the past. Am I at ‘home’ (zu Hause) in Germany/Europe? Yes and no. Yes; I have good Iranian and German friends and family here. I speak and write English (and to a lesser extent German) as well as Persian fluently, I enjoy the life here; I am not anxious about my safety and so on and so forth. No; I am an outsider among the German public. I can’t express many things and everything as well as I can in Persian or English. However, life is not difficult here, because I have been an international/cosmopolitan person for many years and have naturally behaved as one.” Khalil Rostamkhani (Iran)

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Najet Adouani

Bui Thanh Hieu

Foto: Simone Ahrend, Foto: Simone Ahrend, sah-photo sah-photo

Amer Matar

Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Shahla Sultanova

Foto: PEN-Zentrum

Liu Dejun

Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Aktuelle Stipendiaten (Stand: September 2014)

Writers in Exile Die Stipendiatinnen und Stipendiaten 1999-2014

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Erik Arellana Bautista

Foto: privat

Zaza Burchuladze

Foto: Simone Ahrend, sah-photo


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Foto: privat

Abderrahmane Bouguermouh Algerien Abderrahmane Bouguermouh wurde 1936 in Izger Amokrane in Algerien geboren. Er studierte am Pariser Filminstitut und arbeitete von 1962 bis 1963 als Filmregisseur bei der Produktionsfirma R.T. Française. Seine Haltung zu den Berbern brachte ihm Schwierigkeiten mit den staatlichen Stellen in Algerien ein und führte zu seinem Ausschluss aus dem nationalen Film-Zentrum, dessen Mitbegründer er war. Ärger bekam er auch wegen der Realisierung eines Filmprojekts in der Sprache der Berber (1965); die Ausstrahlung des Films wurde verboten. In der Folge wurde Bouguermouh vom allgemeinen Überwachungsdienst beschattet, sein Telefon wurde abgehört. Zwischen 1968 und 1980 war er nicht nur von jeglicher geistig-kreativer Arbeit ausgeschlossen, sondern konnte auch nichts veröffentlichen. Da er keine Ausreisegenehmigung erhielt, dokumentierte er alles, was ihm widerfuhr – es entstand die Idee zu einem Roman. In den folgenden Jahren nahmen die Unruhen im Land zu. Zwar konnte er trotz großer Schwierigkeiten verschiedene Filmprojekte realisieren, doch nachdem er 1997 einen Berberfilm gedreht hatte, wurde er von den Fundamentalisten zum Tode verurteilt und entging nur knapp einem Attentat. 1998 erhielt er von der Heinrich-Böll-Stiftung ein einjähriges Arbeitsstipendium für das Heinrich-Böll-Haus, Langenbroich. Danach wurde ihm im Rahmen des Städte-der-Zuflucht-Programms bis August 2002 ein Stipendium in Graz gewährt, wo auch sein in Paris verlegter Roman Eclipse entstand. Von September 2002 bis September 2003 war Abderrahmane Bouguermouh Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. 2009 erschien sein Roman Anza. Am Ende kehrte Abderrahmane Bouguermouh nach Algerien zurück, wo er am 3.2.2013 verstarb.

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Abderrahmane Bouguermouh Algeria Abderrahmane Bouguermouh was born in 1936 in Izger Amokrane/Algeria. From 1962 to 1963, he studied at the Paris Film Institute and worked as a film director with the R.T. Franรงaise production company. His stance on the Berbers created difficulties for him with government authorities in Algeria and led to his exclusion from the national film center, which he had co-founded. He also got into trouble for producing a film in the Berber language (1965); the showing of the film was prohibited. Subsequently, Bouguermouh was shadowed by state security and his phone was tapped. Between 1968 and 1980, he was not only barred from engaging in any intellectual or creative projects, but was also unable to publish his own work. Since he was denied authorization to leave the country, he documented this process which developed into an idea for a novel. In the following years, unrest in Algeria continued to escalate. With great difficulty, he managed to complete diverse film projects, but after shooting a Berber film in 1997, he was sentenced to death by fundamentalists and narrowly escaped an assassination attempt. In 1998, he received a grant from the Heinrich Bรถll Foundation for one-year stay in the Heinrich-Bรถll-House/ Langenbroich. Soon thereafter, he was awarded a fellowship for the Graz City of Refuge Program until August 2002. During this time he wrote his novel Eclipse, which was published in Paris. For a year, from September 2002-2003, Abderrahmane Bouguermouh was a guest of the PEN Writers in Exile Program. In 2009, his novel Anza was published. In the end, Abderrahmane Bouguermouh returned to Algeria, where he died on 3 February 2013.

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Foto: Christoph Piecha

Hamid Skif Algerien Hamid Skif wurde 1951 in der algerischen Hafenstadt Oran als Mohamed Benmebkhout geboren. Nach einem Stipendiumaufenthalt im Heinrich-Böll-Haus in Langenbroich von 1995-1996 lebte er 1997 für ein Jahr als Gast der Hamburger Stiftung für Verfolgte in der Hansestadt. Später war er der erste Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm und bewohnte von Juli 1999 bis Dezember 2005 das Hamburger Stipendiaten­ domizil des PEN. Als er seine Heimat verließ, tat er es, weil er dort buchstäblich um sein Leben bangen musste. Was ihn gefährdete, waren indes weder seine Prosaarbeiten noch seine Poesie. Er arbeitete zunächst als Journalist, schrieb über die Folter in algerischen Gefängnissen, geriet Anfang der 70er Jahre selbst in Haft und setzte, kaum freigelassen, seine unvoreingenommene, keiner Selbstzensur unterworfene kritische Berichterstattung im Sinne der Menschenrechte fort. Fünfzehn Jahre schrieb er für eine Presseagentur, gründete dann eine eigene Wochenzeitung mit dem Titel Perspectives, verantwortete als Generalsekretär die Tätigkeit der algerischen Journalistenvereinigung und beobachtete für die Liga der Journalisten des Maghreb den Stand der Meinungsfreiheit. Dies trug ihm Mordanschläge ein und brachte auch seine Frau und die vier Kinder in Lebensgefahr. Als Fundamentalisten Bombenanschläge auf sein Haus und seine Redaktion verübten, musste er aus Algerien flüchten. Mit Hilfe von Freunden konnte er sich und seine Familie nach Hamburg retten. Inzwischen erschienen zahlreiche literarische Arbeiten von ihm, Erzählungen, Romane, Gedichte. In deutscher Übersetzung kam zuletzt 2007 im Nautilus-Verlag Hamid Skifs Roman Geografie der Angst heraus, der mit dem Prix de l’association des écrivains de langue française ausgezeichnet wurde. Hamid Skif war Mitbegründer des Vereins Alifma, der sich für die interkulturelle Verständigung zwischen Nordafrika und Deutschland einsetzt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Writers-in-Exile-Programm blieb er in Hamburg, wo er am 18. März 2011 nach schwerer Krankheit verstarb.

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Hamid Skif Algeria Hamid Skif was born 1951 as Mohamed Benmebkhout in the Algerian port city of Oran. After having lived in Langenbroich as guest of the Heinrich Böll House in 1995-96, he held a scholarship from the Hamburg Foundation for the Politically Persecuted in 1997. Later, he became the first participant in the PEN Writers in Exile Program living in the PEN grant holder’s apartment in Hamburg from July 1999 to December 2005. He had left his home country literally fearing for his life. It was not his works of fiction or his poetry that had put him in danger, but his job as a journalist. Writing about torture in Algerian jails led to his own imprisonment in the early 1970s. Once released, he continued to be a vigilant supporter of human rights with his unbiased no-holds-barred critical reporting. For fifteen years, he wrote for a press agency and then founded Perspectives, his own weekly newspaper. He held the position of General Secretary of the Association of Algerian Writers and monitored violations of freedom of speech and press for the League of Journalists in the Maghreb. This prompted death threats and also put his wife and four children in a life-threatening situation. When fundamentalists bombed his house and office, he was forced to flee Algeria. With the help of friends, he was able to escape with his family to Hamburg. Meanwhile, many of his literary works, short stories, novels and poems have been published. A German translation of his book “Geography of Fear” (Geografie der Angst, Nautilus-Verlag, 2007) was awarded the Prix de l’association des écrivains de langue française. Hamid Skif co-founded the Association Alifma, which promotes an intercultural exchange and understanding between North Africa and Germany. After he left the Writers in Exile Program, he remained in Hamburg, where he passed away on 18 March 2011 after a serious illness.

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Foto: PEN-Zentrum

Shahla Sultanova Aserbaidschan Shahla Sultanova, geboren 1980, ist eine aserbaidschanische Journalistin und Medientrainerin. In Aserbai­ dschan studierte Sultanova zunächst Anglistik, danach, durch mehrere Stipendien gefördert, in Georgien und den USA Journalistik und Medienmanagement. Als Radiomoderatorin und Reporterin sah sie ihre Schwer­punkte zunehmend in Themen zu Gesellschaft und Wirtschaft in Aserbaidschan; Fragen zu Menschen­ rechten und Demokratie in der Kaukasusregion wurden für sie immer dringlicher. Es folgten Lehraufträge in den Fächern Journalismus, Kommunikationswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an aserbaidscha­ nischen und amerikanischen Universitäten und Bildungseinrichtungen. Sultanova arbeitete zuletzt als investigative Journalistin zu sicherheitspolitisch sensiblen Themen, etwa über militärische Kooperationen in der Schwarzmeerregion. Damit geriet sie in den Fokus der aserbaidschanischen Sicherheitskräfte. Sie und ihr Kollege wurden bedrängt und eingeschüchtert, man wollte sie zwingen, die Recherchen abzubrechen. Ihr Wohnhaus wurde von Armeeangehörigen durchsucht, sie wurde vehement bedroht, schließlich versuchte man auch ihre Familie einzuschüchtern. Shahla Sultanova ist seit Mai 2014 Elsbeth-Wolffheim-Stipendiatin der Stadt Darmstadt und wird durch den PEN betreut.

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CHECHNYA

Shahla Sultanova Azerbaijan

Shahla Sultanova, born in 1980, is an Azerbaijani journalist and media trainer. In Azerbaijan, Sultanova studied English and, subsequently assisted by several scholarships, she studied journalism and media ORTHERN SUDANmanagement in the Georgian Republic and the USA. As a radio presenter and reporter she placed increasing emphasis on social and economic problems facing Azerbaijan. The issue of human rights and democracy in the Caucasus region grew into a matter of urgency for her. Subsequently, she taught journalism, communication studies and business administration at Azerbaijani and America universities and educational facilities. Recently, Sultanova worked as an investigative reporter touching on sensitive political matters of national security such as military cooperation in the Black Sea region. This made her a target of Azerbaijani security forces. She and her colleagues were harassed and intimidated, with the OUTHERN intent of coercing them into breaking off their research. Her apartment building was searched by army SUDAN officials, she received severe threats, and finally attempts were made to intimidate her family. As of May 2014, Shahla Sultanova has been granted an Elsbeth Wolffheim scholarship from the City of Darmstadt under the auspices of German PEN.

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Foto: Simone Ahrend, sah-photo

„Die Heimat trage ich im Ausland in mir, aus ihr schöpfe ich meine kreative Kraft.“

“Abroad I carry my home within me, from it I derive my creative power.”

Qassim Haddad Bahrain Qassim Haddad wurde 1948 in Muharrak/Bahrain geboren. Schon als Jugendlicher ließ er sich zu nichts zwingen, er hatte Probleme mit Autoritäten, brach die Schule ab und arbeitete auf dem Bau, auch um die Familie finanziell zu unterstützen. Als junger Mann engagierte er sich in der Oppositionsbewegung des Landes, was ihm eine fünfjährige Haftstrafe einbrachte. Wieder in Freiheit hatte er die Möglichkeit in der staatlichen Bibliothek zu arbeiten. Er erkannte die Chance, durch den Job in der Bibliothek seinen Lese- und Bildungshunger zu stillen. Bereits mit 21 gründete er 1969 die erste Schriftstellervereinigung Bahrains (und des arabischen Raums), kurze Zeit später wurde er deren Vorsitzender. Die von der Schriftstellervereinigung herausgegebene Literaturzeitung Kalemat leitete er als Chefredakteur. 1970 wurde sein erster Gedichtband al-bischara (Die frohe Botschaft) veröffentlicht. In seinen Gedichten, die von Phantasie und assoziations­ reicher Sprachgewalt geprägt sind, setzt er sich kritisch mit den politischen Realitäten und den sozialen Spannungen in der arabischen Welt auseinander. Sein anhaltendes Engagement für strukturelle, gesell­ schaft­liche Veränderungen, für Freiheit und soziale wie auch politische Gerechtigkeit, musste er mehrfach mit Verhaftung bezahlen. Qassim Haddad war maßgeblich an der Gründung kultureller und kulturpolitischer Institutionen in Bahrain beteiligt, wie etwa des „Awwal-Theaters“. 1994, als das Internet weder eine Selbst­ verständlichkeit noch für jedermann zugänglich war, gründete er die Internetplattform www.jehat.com, eine der wichtigsten Plattformen der arabischen Lyrik. 2001 erhielt er einen der bedeutendsten Litera­tur­ preise in der arabischen Welt, den Sultan Oweiss Award. Neben einem Werk von etwa 20 Gedichtbänden, veröffentlichte er vorwiegend literaturkritische Essays. Qassim Haddad gilt heute als einer der bedeutendsten Lyriker im arabischen Raum. Nach einem Jahr im Heinrich-Böll-Haus, Langenbroich, war er von November 2013 bis August 2014 Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN und lebte in München.

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Qassim Haddad Bahrain Qassim Haddad was born in 1948 in Muharraq/Bahrain. Even as an adolescent, he resented being coerced. He had problems with authority, dropped out of school and worked on construction sites to support his family financially. As a young man, he became active in the country’s opposition, for which he received a 5-year prison sentence. After his release, he had the opportunity to work in a public library. He realized this as a chance to satisfy his hunger for books and quench his thirst for knowledge. In 1969, at the young age of 21, he founded the first Writers’ Association of Bahrain (and the Gulf region) and soon became its chairmen. As its editor-in-chief, he was in charge of the association’s literary newspaper Kalemat. In 1970, his first volume of poetry al-bischara (Glad Tidings) was released. In his poems, shaped through imagination and a language rich in associations, he is critical of political reality and the social tension in the Arab world. His unwavering dedication to structural and social change, to freedom and social and political justice earned him several arrests. Qassim Haddad played a vital role in the founding of cultural and political institutions in Bahrain such as the “Awwal-Theater”. In 1994, when few had access to the Internet and it was still not as taken for granted as it is today, he founded the Internet platform www.jehat.com, one of the most important sites for Arabic poetry. In 2001 he received one of the most prestigious literary prizes in the Arab world, the Sultan Oweiss Award. In addition to about 20 volumes of poetry, he has published predominantly essays of literary criticism. Qassim Haddad is considered one of the most significant poets in the Gulf region. In 2012 he and his wife lived as guests of the Heinrich-BöllHaus in Langenbroich. From November 2013 to August 2014, he received a grant for the Writers in Exile Program of German PEN and resided in Munich.

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Humayun Azad Bangladesch Humayun Azad wurde 1947 in Bangladesch geboren. Nach dem Linguistikstudium in Dhaka und Edinburgh, wo er promovierte, erhielt er 1986 eine ordentliche Professur für Bengalische Sprache an der Universität Dhaka. Seine Veröffentlichungen umfassen rund sechzig Werke, in denen er sich für die Rechte der Frauen, für Menschenrechte und gegen religiösen Fundamentalismus einsetzte. Sein Buch Gelobt sei das Heilige Land, über kollaborierende religiöse Gruppen in Bangladesch während des Unabhängigkeitskrieges 1971 verstanden islamistische Kreise als verdeckte Kritik an ihren eigenen Aktivitäten. Der Drohung eines islami­ schen Führers und Parlamentsabgeordneten, dass er „schwerwiegende Konsequenzen“ zu erwarten habe, folgten Taten. 2004 wurde er durch Messerstiche schwer verletzt, sein Sohn wurde entführt, die Familie erhielt Morddrohungen. Am 28. Juli wandte sich Amnesty International mit einer Urgent Action an die Öffentlichkeit, woraufhin Humayun Azad am 8. August 2004 in das Writers-in-Exile-Programm des PEN aufgenommen wurde. Am 12. August 2008, nur wenige Tage nach seiner Ankunft in seinem Münchner Exil, starb Humayun Azad an einem Herzinfarkt.

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Humayun Azad Bangladesh Humayun Azad was born in 1947 Bangladesh. After studying linguistics in Dhaka and Edinburgh, where he received his Ph.D., he became a full professor in 1986, teaching Bengali at the University of Dhaka. His publications include about sixty works, in which he campaigned for women's rights, for human rights and against religious fundamentalism. His book Praised Be the Holy Land about collaborating religious groups in Bangladesh during the War of Independence in 1971 was received in Islamist circles as a covert criticism of their own activities. An Islamic leader and members of parliament threatened him, telling him to expect "serious consequences". This was followed by actual deeds. In 2004, he was seriously injured by knife wounds, his son was kidnapped and the family received death threats. On 28 July, Amnesty International turned to the public with an Urgent Action, whereupon Humayun Azad was accepted on 8 August 2004 into the PEN Writers in Exile Program. He died on 12 August 2008 of a heart attack, just days after his arrival in Munich.

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Foto: Simone Ahrend, sah-photo

„Meine Heimat ist China, ich bin dort geboren und meine Familie lebt dort. Meine Eltern, Großeltern und all die anderen wurden von der Kommunistischen Partei sehr schlecht behandelt. Ich fühle den Auftrag in mir, für die Freiheit aller Chinesen zu kämpfen. Aber in China kann ich nichts tun, da mich die Kommunistische Partei sonst ins Gefängnis stecken wird. Dank des Programms „Writers-in-Exile“ des deutschen PEN kann ich wenigstens von Deutschland aus meinen Auftrag weiterführen und so für die Freiheit und Menschenrechte in China meinen Beitrag leisten.“ Liu Dejun (China)

“My homeland is China, I was born there, and my family is there. My grandparents and my parents were treated very badly by the Communist party, as were many others. I need to fight for the freedom of all Chinese people, but now in China my hands are tied, and the Communist Party would imprison me if I attempted anything. Thanks to German PEN, I can live on a grant from the “Writers in Exile” program, and continue working for freedom and human rights for the Chinese people.” Liu Dejun (China)

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Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Liu Dejun China Der chinesische Blogger und Menschenrechtsaktivist Liu Dejun wurde 1976 in der Provinz Hu Bei in China geboren. Nach dem Studium an einer Polizeiuniversität arbeitete er einige Jahre in einem Gefängnis, u.a. als Wärter. Über westliche Radiosendungen erfuhr er von chinesischen Menschenrechtsaktivisten und ihren Problemen, was ihn gleichermaßen beeindruckte und bestürzte. Im Jahr 2000 quittierte er den Dienst und ging nach Peking, um sich mit anderen Dissidenten und Menschenrechtsverteidigern zusammenzuschließen. Im Jahr 2003 begann er in der Arbeiterstadt Guangdong Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, während er selbst in einer der großen Fabriken arbeitete. Fünf Monate später wurde ihm gekündigt. Man warf ihm vor, die in seiner Arbeitsstätte tätigen Wanderarbeiter über ihre Arbeitsrechte aufzuklären. Er wurde mehrfach verwarnt und verhaftet. Im Jahr 2007 gründete er eine NGO mit dem Ziel, Wanderarbeiter durch rechtliche Schulungen vor Willkür und Ausbeutung zu schützen. Erneut wurde er kurzzeitig verhaftet. Nach seiner Freilassung stand er jenen bei, deren Häuser für Großprojekte illegal abgerissen wurden, die fliehen mussten und sich nicht zu helfen wussten. 2010 kam er wieder ins Gefängnis, wurde misshandelt und anschließend in einem Vorort von Peking ausgesetzt. Seine Geschichte wurde von dem Künstler Ai Weiwei eindrucksvoll verfilmt. Misshandlung durch die Polizei und Willkür bei Verfolgung und Verhaftung blieben die Themenschwerpunkte in seinen Blogs. Auf seinen Aufruf hin, dem arabischen Frühling auch in China zu folgen, wurde er erneut verhaftet und misshandelt, seine Blogs berichteten davon. Immer mehr Freunde verschwanden, seine Familie wurde vernommen und drangsaliert. Dank der Organisation „Frontline Defenders“ konnte er 2013 an einem Englischkurs in Irland teilnehmen. Seit November 2013 ist er Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN-Zentrums und lebt in Nürnberg. Im Februar 2014 wurde Liu Dejuns chinesisches Blog zensiert und gelöscht, seitdem berichtet er auf der neu eingerichteten Internetseite www.freeinchina.org über Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat, u.a. auf Deutsch.

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Liu Dejun China The Chinese blogger and human rights activist Liu Dejun was born in 1976 in the province of Hu Bei. After graduating from a police academy, he worked for several years in a prison, i.e. as a guard. From listening to pro-Western radio stations, he learned of human rights activists and the problems they faced; he was both impressed and distraught. In 2000, he quit his job and went to Beijing to unite with other dissidents and human rights activists. In 2003, he began to document human rights violations in the working-class town of Guangdong, while himself working at one of the large factories there. Five months later, he was fired. He was accused of informing the migrant laborers working with him about their working rights. On numerous occasions, he was given warnings and was arrested. In 2007, he founded an NGO with the goal of educating migrant workers on legal matters to protect them from arbitrary acts and exploitation. Again he was taken into custody for a short period. Upon his release, he fought for the rights of people whose homes were illegally torn down to make way for huge housing projects. These home-owners had to flee and were in no position to help themselves. In 2010, he was thrown into jail once more, where he was maltreated and then abandoned in a suburb of Beijing. His story was made into an impressive film by the artist Ai Weiwei. Maltreatment by the police and the use of arbitrary force during pursuit and arrest remain central themes of his blogs. When he appealed that in China, too, people should follow the example of the Arab Spring, he was again arrested and maltreated, as his blogs testify. Increasing numbers of his friends have disappeared, his family has been interrogated and harassed. Thanks to the organization “Frontline Defenders� he was able to go to Ireland and participate in an English course. Since November 2013, he has taken part in the Writers in Exile Program of German PEN and now lives in Nuremberg. Since his Chinese blog was censored and cancelled in February 2014, Liu Dejun went on to report (also in German) about human rights issues in his homeland on the newly established website www.freeinchina.org.

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Foto: Independent Chinese PEN Center

Guobiao Jiao China Guobiao Jiao wurde 1963 in China geboren. Er lehrte bis 2004 als Professor für Journalismus an der Universität in Peking. Vermutlich wegen eines über das Internet weithin verbreiteten Artikels, in dem er die Abschaffung der chinesischen Propagandaabteilung forderte, wurde er von seinem Lehrstuhl suspendiert. Bis November 2006 stand er unter Hausarrest und wurde fast täglich von Mitarbeitern des Staatssicherheits­ ministeriums vernommen. Als ein Gipfeltreffen zwischen China und fünfzig afrikanischen Staaten bevor­ stand, verbannte man ihn aus Peking. Für seinen publizistischen Mut erhielt er 2005 den Wan-RenjieMedienpreis und 2006 in den USA den Menschenrechtspreis der Stiftung Nationale Erziehung Chinas. Nach einem Stipendienaufenthalt im Heinrich-Böll-Haus war er von Januar bis Dezember 2007 Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Guobiao Jiao lebt heute wieder in China. 2012 wurde er erneut inhaftiert, kam nach zwei Wochen wieder frei, wurde jedoch danach streng überwacht und bekam ein Reiseverbot auferlegt.

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Guobiao Jiao China Guobiao Jiao was born in 1963 in China. He taught at Peking University’s College of Journalism and Communications until 2004. Most likely as a result of his widely publicized article on the internet, in which he demanded the abolition of the Chinese propaganda department, he was suspended from his professorship. Until November 2006, he was under house arrest and was interrogated almost daily by employees of the Ministry for State Security. On the eve of a summit between China and fifty African countries, he was banished from Beijing. For courage in journalism he was given the 2005 Wan Renjie Media Award. In 2006, in the United States, he won the Human Rights Award of the National Education Foundation for China. After his scholarship at the Heinrich BÜll House, he participated in the PEN Writers in Exile Program from January to December 2007. Today, Guobiao Jiao lives in China again. In 2012, he was imprisoned for two weeks. Even after he was set free, he continued to be under strict surveillance and was banned from travelling.

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Foto: privat

Zhou Qing China Zhou Qing wurde 1964 in Xian in der Provinz Shaanxi geboren. Er ist Journalist, Sachbuchautor und politi­ scher Berichterstatter, außerdem Spezialist für Oral History. 1989 wurde er wegen Beteiligung an der Demokratiebewegung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Weil er sich weigerte, ein Geständnis abzulegen und außerdem einen Fluchtversuch wagte, wurde die Strafe um weitere acht Monate verlängert. Zhou Qing ist Herausgeber der Zeitschrift Oral Museum und ehemaliger Redaktionsleiter der wöchentlich in China erscheinenden Zeitung Legends & Stories. Sein Buch What Kind of God: A Survey of the Current Safety of China’s Food (Wovon soll sich unser Volk in Zukunft ernähren – Skandale um Lebensmittel) erschien in über zehn Ländern, u.a. in Deutschland, Italien, Japan und wurde zum internationalen Bestseller. 2007 erhielt er von der Australian International Scholar Foundation eine Auszeichnung für die beste politische Reportage. Er ist Mitglied der Chinesischen Gesellschaft für Studien der Volksliteratur und Kunst sowie des Unabhängigen Chinesischen PEN-Zentrums; von letzterem erhielt er 2009 einen Preis für die Freiheit des Schreibens. Zhou Qing befasste sich u.a. mit sozialen Brennpunkten in China, so z.B. in seinen Büchern Krisen des Gesundheitswesens, Exil im Heimatland und in einer Sammlung von Interviews mit Drogenabhängigen. Für sein Buch Wovon soll sich unser Volk in Zukunft ernähren – Skandale um Lebensmittel erhielt er 2006 den Lettre Ulysses Award for the Art of Reportage. Nach einem Jahr Stipendium im Heinrich-Böll-Haus war Zhou Qing von September 2009 bis August 2012 Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN-Zentrums. Im Münchener Exil beschäftigte er sich vor allem mit der Lage der Wanderarbeiter und mit der Todesstrafe in seiner Heimat. Mittlerweile lebt er in Berlin und arbeitet an einem neuen Dokumentar­film über das „anti-hoodlum-movement“ (1983), eine künstlerisch-soziale Bewegung aus Xi‘an/China.

28 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Zhou Qing China Zhou Qing was born in 1964 in Xi’an in Shaanxi province. He is a journalist, nonfiction writer, political reporter, and specializes in oral history. In 1989, he was sentenced to two years in prison for his involvement in the democracy movement. Because he refused to confess and also attempted to escape, his punishment was extended for another eight months. Zhou Qing is the publisher of the magazine Oral Museum and former editor-in-chief of the Chinese weekly Legends & Stories. His book What Kind of God: A Survey of the Current Safety of China’s Food appeared in more than ten countries, including Germany, Italy, Japan, and even became an international bestseller. In 2007, he received an award from the Australian International Scholar Foundation for the best political reporting. He is a member of the Chinese Society for the Study of Folk Literature and Art and Independent Chinese PEN, and from the latter he received the Freedom to Write Award in 2009. Zhou Qing among others addressed controversial social topics in China, for instance in his books Crisis in the Health Care System, Exile in the Homeland and a collection of interviews with drug addicts. For his book What Kind of God: A Survey of the Current Safety of China’s Food he received the 2006 Lettre Ulysses Award for the Art of Reporting. After a one-year grant at the Heinrich Böll House, Zhou Qing took part in the Writers in Exile Program of the German PEN Center from September 2009 to August 2012. While in exile in Munich, he was mainly concerned with the situation of migrant workers and the death penalty in his native China. Currently, he lives in Berlin and is working on documenting the Chinese “anti-hoodlum movement” (1983), an artistic social movement.

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Foto: Simone Ahrend, sah-photo

„Jedes Zuhause ist ein kleiner Mikrokosmos und als Mikro­ kosmos hat jedes davon sein eigenes Zeichensystem. Für einen Außenstehenden sehen diese Systeme oftmals ähnlich aus, aber tief drinnen auf der Molekularebene haben alle ihre eigene Sprache. Deshalb bedeutet für mich der Satz ‘my home is my castle‘ vor allem ‘my home is my language‘, dass die Sprache mein Zuhause ist.“ Zaza Burchuladze (Georgien)

“Every home is a small microcosm, and each has its own system of signs. Certainly, for an outsider these systems often look a bit similar, but deep down at a molecular level they all have their own language. Therefore, the phrase ‘my home is my castle’ to me means, above all, ‘my home is my language’.” Zaza Burchuladze (Georgian Republic)

30 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


CHECHNYA


Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Zaza Burchuladze Georgien Zaza Burchuladze wurde 1973 in Tiflis geboren und beschreibt sich selbst als zeitgenössischen postmoder­nen Autor. Bevor er als Schriftsteller und Übersetzer arbeitete, studierte er Malerei an der staatlichen Kunstakade­ mie Tiflis. Er ist Verfasser mehrerer Romane, Essaysammlungen und Kurzgeschichten. Als freier Journalist schrieb er Beiträge für Radio Free Europe/Radio Liberty. Er übersetzte russische Literatur von Dostojewski, Kharms und Sorokin ins Georgische und lehrte am kaukasischen Medien-Institut Literatur und zeitgenössi­ sche Kunst. Seine Erzählungen schockierten das Publikum, seine provozierenden Themen und sein experi­ menteller Schreibstil führten dazu, dass er lange Zeit von den Kritikern seines Landes mit Nichtachtung gestraft wurde. Trotzdem gehört er seit der Veröffentlichung seiner Romane zu den bedeutendsten Schrift­ stellern der postsowjetischen Ära in Georgien. Mehrere seiner Werke wurden ins Russische, Polnische, Rumänische, Englische und Französische übersetzt, der Roman Adibas erscheint im Herbst 2015 auf Deutsch. Inflatable Angel wurde 2011 als bester georgischer Roman ausgezeichnet. In seinen Romanen greift Zaza Burchuladze immer wieder Themen auf, die in seinem Land als Tabus gelten: Texte über politi­schen Konformismus, Geschichten über Gewalt und Brutalität, weltanschauliche und religiöse Themen und Sexualität. Zusammen mit seinen intellektuellen Freunden stand er immer wieder in der ersten Reihe verschiedener Protestgruppen und lieferte sich harte Wortgefechte mit Zeitungs- und Fernsehjournalisten in der Öffentlichkeit. Wiederholt wurde er in seiner stark religiös geprägten Heimat wegen seiner öffentlich vorgetragenen verbalen Provokationen verfolgt, vehement bedroht und schließlich auf offener Straße niedergeschlagen. Trotz der Anzeige von rund 100 Kollegen wurde bis heute nichts zur Ergreifung des Täters unternommen. Auch der Aufruf des georgischen PEN, dass die Hauptfiguren eines Romans nicht mit dem Autor selbst zu verwechseln sind, blieb erfolglos. Seit Januar 2014, nach einem Jahr als Gast im Böll-Haus Langenbroich, ist Zaza Burchuladze Writers-in-Exile-Stipendiat des PEN und lebt in Berlin.

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Zaza Burchuladze Georgian Republic Zaza Burchuladze was born in Tiflis in 1973 and describes himself as a contemporary postmodern novelist. Before he began to work as a writer and translator, he studied painting at the State Art Academy in Tiflis. He is the author of several novels, collections of essays, and short stories. As a freelance journalist, he wrote for Radio Free Europe/Radio Liberty. He has translated Dostoyevsky, Kharms und Sorokin into Georgian and taught literature and contemporary art at the Caucasian Media Institute. His narratives startle the audience; his provocative subject matter and experimental way of writing is the reason he was chastised and disregarded by critics for a long time. Despite, since the publication of his novels, he is regarded as a major writer of the post-Soviet era in the Georgian Republic. Several of his works were translated into Russian, Polish, Romanian, English and French. His novel Adibas is due to be released in German in the autumn of 2015. Inflatable Angel was honored as the best Georgian novel. In his novels, Zaza Burchuladze again and again takes up themes which in his country are considered taboos: he writes texts about political conformity, stories about violence and brutality, addressing ideological and religious topics as well as sexuality. Together with his intellectual friends, he has often stood in the front line of many protests and exchanged harsh words with newspaper and TV journalists. In his country, characterized by the strong influence of religion, he was often persecuted for his open verbal provocations. Finally, Burchuladze was severely threatened and beaten on the streets of his home town. Even though some 100 of his colleagues reported this incident, nothing has been done to apprehend the culprits. And the appeal by Georgian PEN not to confuse the protagonists of his novel with the author himself has fallen on deaf ears. Since January 2014, after a year’s stay at the Heinrich BÜll House, Zaza Burchuladze has been a guest of the Writers in Exile Program of German PEN living in Berlin.

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Foto: Simone Ahrend, sah-photo

„Jede ferne und nahe Reise endet dort, wo sie angefangen hat. Auf dem Weg zurück wird dir warm ums Herz, beim Gedanken an die Hoffnung, in ein vertrautes, warmes und dauerhaftes Zuhause zurück­zukehren und Menschen wieder­zufinden, die auf deine Geschichten warten. Diese Hoffnung trägt den Namen ‚Heimat‘. Bei der Ankunft lässt du dein Gepäck auf den Boden fallen, erzählst, hörst zu und baust Kraft auf bis zum nächsten Weg und zur nächsten Reise. Dieser Boden hatte den Namen ‚Heimat‘. Es ist die Hoffnung, zum Anfang und Ende jeder Reise zu gelangen. Diese Hoffnung gibt es nicht mehr. Der Ansturm der Gewalt und Unsicherheit hat mir diese Hoffnung gestohlen. Diese gestohlene Hoffnung nennt sich ‚Heimat‘.“ Mansoureh Shojaee (Iran)

“No matter how long or short the journey, it ends where it started. On the way back, your heart glows with the hope of returning NORTH to a familiar, warm and enduring home and seeing the people SUDA waiting to hear your stories. This hope is called ‘home’. When you arrive, you let your bags fall to the ground, talk, listen and build up your strength for the road, for the next journey. This ground is called ‘home’. It is the hope of reaching the beginning and end of each journey. This hope no longer exists. The onslaught of violence and insecurity has stolen this SOUTHER hope from me. This stolen hope is called ‘home’.” SUDAN Mansoureh Shojaee (Iran)

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CHECHNYA

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Roshanak Daryoush Iran Roshanak Daryoush wurde 1951 im Iran geboren. Sie kam als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland, ging hier zur Schule, studierte und engagierte sich in der CISNOU, der Konföderation der iranischen Studenten, und beendete ihr Studium der Politikwissenschaften und der Soziologie in Hannover und München mit Auszeichnung. Nach dem Ende des Schah-Regimes im Februar 1979 kehrte sie nach Teheran zurück, wo sie ihren Namen auf einer Liste von Personen fand, die bei der Einreise in den Iran sofort verhaftet werden sollten. Mit ihrer Freude über die Revolution Ayatollah Khomeinis war es bald vorbei: Vergebens bewarb sie sich an iranischen Universitäten um eine Dozentur, die neuen Machthaber hatten die Aktenbestände des Geheimdienstes SAVAK übernommen. So begann Roshanak Daryoush freiberuflich als literarische Übersetze­ rin zu arbeiten. Manès Sperbers Buch Wie eine Träne im Ozean, das weltweit große Beachtung fand, verbrei­ tete sich dank ihrer Übersetzung sofort auch im Iran. Sie übertrug Texte von Jean-Paul Sartre und Leszek Kolakowski, von Siegfried Lenz, Lion Feuchtwanger und Maurice Merleau-Ponty. 1983 heiratete sie den Journalisten und Übersetzer Khalil Rostamkhani, 1989 wurde ihr Sohn Kaveh geboren. Als sie sich für die Gründung eines iranischen Schriftstellerverbands engagierte, geriet sie massiv unter Druck, wurde von Geheimdiensten überwacht und wiederholt verhaftet. Ende 1997 wurden mehrere ihrer Kollegen entführt und wenig später ermordet. Gegen Roshanak Daryoush wurde ein Haftbefehl erlassen, sie flüchtete nach Deutschland und konnte Anfang 2000 als Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms nach München ziehen. Im April desselben Jahres war sie in Berlin auf einer von der Heinrich-Böll-Stiftung organisierten Konferenz als Dolmetscherin tätig. Als die übrigen Teilnehmer im Anschluss an die Tagung in den Iran zu­ rückkehrten, wurden die meisten von ihnen festgenommen. Auch ihr Mann, Khalil Rostamkhani, der in Teheran die Vorgespräche zur Konferenz gedolmetscht hatte, wurde in seiner Wohnung verhaftet. Ihr Sohn konnte 2001 zu ihr nach Deutschland kommen. Bis November 2002 war Roshanak Daryoush Stipendiatin des PEN-Programms. Am 1. November 2003 erlag sie einer schweren Krankheit.

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Roshanak Daryoush Iran Roshanak Daryoush was born in 1951 in Iran. She moved to Germany with her parents, went to school there, graduated and became involved in the CISNOU, the Confederation of Iranian Students. She finished her studies in political science and sociology in Hanover and Munich, with honors. After the Shah’s regime ended in February 1979, she returned to Tehran only to find her name on a list of persons to be immediately arrested upon arrival. The enchantment with Ayatollah Khomeini’s revolution did not last long. Daryoush applied in vain for a teaching position at Iranian universities, but the new regime had taken over the files of the secret service SAVAK. Thus, Roshanak Daryoush began working freelance as a literary translator. Thanks to Daryoush’s translation, Manès Sperber’s world renowned book Like a Tear in the Ocean, was immediately well received in Iran. She also translated texts by Jean-Paul Sartre and Leszek Kołakowski, Siegfried Lenz, Lion Feuchtwanger and Maurice Merleau-Ponty. In 1983 she married the journalist and translator Khalil Rostamkhani, and, in 1989, their son Kaveh was born. When she became involved in the establishment of an Iranian Writers’ Association, she was put under massive pressure, was watched by intelligence agencies and repeatedly arrested. At the end of 1997, several of her colleagues were abducted and soon thereafter murdered. A warrant was issued for Roshanak Daryoush’s arrest; she fled to Germany and was able to move to Munich in early 2000 due to a fellowship from the Writers in Exile Program. In April of that year, she worked as an interpreter in Berlin at a meeting organized by the Heinrich Böll Foundation. When the other participants returned to Iran after the conference, most of them were detained. Her husband, Khalil Rostamkhani, who had interpreted during the preliminary conference in Tehran, was also arrested in his home. Their son was able to join her in Germany in 2001. Until November 2002, Roshanak Daryoush was a PEN grant recipient. On 1 November 2003, she succumbed to a serious illness.

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Foto: privat

Masoud Ali-Reza Espabod Iran Masoud Ali-Reza Espabod wurde 1951 in Teheran geboren. Er studierte Kunst am College of Fine Arts for Boys sowie an der Academie of Decorative Arts in Teheran und anschließend an der Academy of Arts in London. Seit 1968 hatte er zahlreiche Ausstellungen im Iran, in der Schweiz sowie in London. Von 1990 bis 2000 durfte er im Iran nicht ausstellen. Von ihm erschienen zwei Kunstbücher, Sunny (1978) und Book of Selected Paintings (1995). Im selben Jahr publizierte Der Spiegel sein Interview über die Kunst und ihre politische Rolle in modernen Gesellschaften. Espabod schrieb zahlreiche Kurzgeschichten, die meisten blieben unver­ öffentlicht, er arbeitete in der Werbebranche, entwarf Logos für weltbekannte Marken, ebenso Buchein­ bände für bekannte Dichter. Von ihm stammen die Titelbilder mehrerer Publikationen des deutschen PEN-Zentrums. Er war von August bis September 2005 Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Im Februar 2007 verstarb Masoud Ali-Reza Espabod im Iran.

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Masoud Ali-Reza Espabod Iran Masoud Ali-Reza Espabod was born in Tehran in 1951. He studied Art at the College of Fine Arts for Boys and at the Academy of Decorative Arts in Tehran and then at the Academy of Arts in London. Since 1968, he has had numerous exhibitions in Iran, Switzerland and London. From 1990 to 2000, he was not allowed to display his works in Iran. He has published two art books, Sunny (1978) and Book of Selected Paintings (1995). That same year, his interview on art and its political role in modern societies appeared in the German magazine Der Spiegel. Espabod wrote numerous, mostly unpublished, short stories and created logos for advertising world-renowned brands as well as book covers for well-known poets. He designed the covers of several publications of the German PEN Center. From August to September 2005, he participated in the PEN Writers in Exile Program. In February 2007, Masoud Ali-Reza Espabod passed away in Iran.

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Foto: Kaveh Rostamkhani

Khalil Rostamkhani Iran Khalil Rostamkhani wurde 1953 im Iran geboren. Bereits mit 16 Jahren nahm er an Protesten gegen das Schah-Regime teil. 1972 verließ er den Iran und ging nach Großbritannien, um dort zunächst Mathematik, Physik und Persisch sowie später Sozialwissenschaften zu studieren. In dieser Zeit engagierte er sich in der CISNU, dem stärksten iranischen Studentenverband, der große Solidaritätskampagnen für den Iran organi­ sierte. 1979 kehrte er aus dem Exil zurück – getragen von der Hoffnung auf eine demokratische Wende. 1980 gründete er als Herausgeber den englischsprachigen Nachrichtendienst Akhbaar Ruz und eröffnete ein paar Jahre später gemeinsam mit seiner Frau Roshanak Daryoush ein Übersetzungsbüro. Als renommierter Übersetzer, Journalist und Publizist war er Herausgeber des Iran Yearbook. Als er in den 90er Jahren das erste Mal im Gefängnis saß, übersetzte er Titel von Isabel Allende, Vladimir Nabokov und André Gide. Im Februar 2000 war er in Teheran für die Heinrich-Böll-Stiftung als Organisator und Übersetzer beteiligt an der Vorbe­ reitung der Konferenz „Iran nach den Wahlen 2000“, die im April 2000 in Berlin stattfand. Kurz nach der Konferenz wurde Khalil Rostamkhani in Teheran verhaftet unter dem Vorwurf, seine Konferenzvorbereitung sei anti-islamisch und gegen die Interessen des iranischen Staates gerichtet. Die Strafe fiel mit acht Jahren so hoch aus, weil man ihm Theomachie, „Kampf gegen Gott“, vorwarf. Während dieser Gefängniszeit entstanden die Gedichte der Sammlung Poetry behind Bars, die im Internet in der Online-Zeitung www.iranian.com veröffentlicht wurden. Khalil Rostamkhani ist Ehrenmitglied des kanadischen und des US-amerikanischen PEN. Von Januar 2006 bis Juli 2009 war Khalil Rostamkhani Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Heute lebt er in Berlin und München und arbeitet als Übersetzer, ist Herausgeber politischer Anthologien im Iran und war 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitherausgeber des zweisprachigen englischpersischen Lexikons „A Handbook of Transitional Justice – A to Z“.

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Khalil Rostamkhani Iran Khalil Rostamkhani was born 1953 in Iran. As early as at the age of 16, he protested against the Shah’s regime. In 1972 he left Iran and moved to Great Britain where he studied mathematics, physics, Persian and later social sciences. During this time he joined the CISNU, the largest Iranian students association, which organized major solidarity campaigns for Iran. In 1979, driven by the hope for democratic change, he returned from exile. In 1980, he founded the English-language news service Akhbaar Ruz and a few years later opened a translation agency with his wife Roshanak Daryoush. A prominent translator, journalist and publicist, he was editor of Iran Yearbook. During his first prison term in the 1990s, he translated works by Isabel Allende, Vladimir Nabokov and André Gide. In February 2000, he worked for the Heinrich Böll Foundation as an organizer and translator in Tehran to prepare the conference “Iran After the 2000 Elections” held in Berlin in April 2000. Shortly after the conference, Khalil Rostamkhani was arrested in Tehran allegedly because his work for the conference was anti-Islamic and contrary to the interests of the Islamic State. He was sentenced to eight long years, accused of theomachy—“battling God”. During his time in jail he wrote the collection of poems Poetry Behind Bars, which appeared on the Internet in the online newspaper www.iranian.com. Khalil Rostamkhani is an honorary member of the Canadian and the American PEN associations. From January 2006 to July 2009, Khalil Rostamkhani participated in the PEN Writers in Exile Program. He now lives in Berlin and Munich, working as a translator, and is the publisher of political anthologies in Iran. In 2012, he contributed to and co-published the bilingual English-Persian lexicon A Handbook of Transitional Justice – A to Z.

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Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Faraj Sarkohi Iran Faraj Sarkohi wurde 1947 in Shiraz/Iran geboren. Er studierte Soziologie und persische Literatur in Täbriz und Teheran. Als Student beteiligte er sich an Demonstrationen gegen den Schah und schrieb zahlreiche regimekritische Artikel, 1971 wurde er dafür zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt. 1979 durch die Islamische Revolution aus der Haft befreit, schloss er sich schon bald der Opposition gegen das Mullah-Regime an. 1985 gründete er das Kulturmagazin Adineh, dessen Chefredaktion er für elf Jahre übernahm. 1996 wurde er als der Wortführer einer Schriftstellerinitiative gegen Zensur verhaftet und ein Jahr darauf in einem geheimen Verfahren zum Tode verurteilt. Aufgrund internationaler Proteste mehrerer Menschenrechts­ organisationen und des PEN, aber auch einiger westlicher Regierungen wurde das Urteil revidiert und in eine einjährige Haftstrafe umgewandelt. Weltweite öffentliche Proteste bewogen die iranische Regierung schließlich dazu, Faraj Sarkohi die Ausreisegenehmigung zu erteilen - im Mai 1998 kam er nach Deutschland, wo er zunächst als Gast des Projekts Städte der Zuflucht in Frankfurt Unterkunft fand. Von Mai 2000 bis April 2006 war er Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und wurde mit zahlreichen internationalen Preisen, unter anderem 1998 mit dem Tucholsky-Preis für politisch verfolgte Schriftsteller und 2000 mit dem World Press Freedom Hero ausgezeichnet. Faraj Sarkohi lebt heute in Frankfurt am Main und schreibt u.a. Artikel für DIE ZEIT und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

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Faraj Sarkohi Iran Faraj Sarkohi was born in 1947 in Shiraz, Iran. He studied sociology and Persian literature in Tehran and Tabriz. As a student, he participated in demonstrations against the Shah and wrote numerous articles critical of the regime. In 1971, he was sentenced to a jail term of fifteen years. When released from prison by the Islamic revolution in 1979, he joined the opposition to the Mullahs’ regime. In 1985, he founded the cultural magazine Adineh, and was its editor-in-chief for eleven years. In 1996, he was considered to be one of the spokesmen of a writers’ initiative against censorship. A year later, he was arrested and condemned to death in a secret trial. Due to international protests of several human rights organizations and PEN, but also some Western governments, the verdict was revised and converted into a one-year prison term. Global public protests prompted the Iranian government to finally grant Faraj Sarkohi a travel permit—in May 1998, he moved to Germany where he was a guest writer of the International Cities of Refuge Network (ICORN). From May 2000 to April 2006, he took part in the PEN Writers in Exile Program. He is a member of the German PEN and has won numerous international awards including the 1998 Tucholsky Prize for politically persecuted writers and the 2000 World Press Freedom Hero Award. Faraj Sarkohi now lives in Frankfurt/Main and writes articles for Die Zeit and the Frankfurter Allgemeine Zeitung.

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Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Mansoureh Shojaee Iran Mansoureh Shojaee wurde 1958 in Teheran geboren. Sie gehört seit über 20 Jahren zu den führenden Köpfen der iranischen Frauenrechtsbewegung und ist seit über 30 Jahren politisch engagiert. Sie war 22 Jahre Biblio­ thekarin in der Nationalbibliothek Teheran und arbeitete als Journalistin, freie Autorin und literarische Über­ setzerin aus dem Französischen. Von 1994 bis 2004 arbeitete sie im Rahmen des Children’s Book Council of Iran (IBBYP– International Board on Books for Young People) mit blinden Kindern und ermöglichte ihnen einen Zugang zur Literatur, indem sie ihnen den Umgang mit Hörbüchern beibrachte. Für ihren Einsatz wurde sie 2010 vom IBBYP mit dem Testimonial-Statute-Honors-Preis ausgezeichnet. Daneben wirkte sie gemeinsam mit anderen Organisationen, u.a. mit UNICEF, an der Entwicklung von Wanderbibliotheken für iranische Frauen und Kinder mit. Als enge Vertraute Shirin Ebadis, der im Londoner Exil lebenden iranischen Friedensnobelpreisträge­ rin von 2003, setzte Mansoureh Shojaee sich dafür ein, deren Idee zur Gründung eines iranischen Frauen­ museums zu realisieren. Das Projekt sollte in der Bibliothek Banu in Evaz im Südwesten des Iran gestartet wer­den, wurde jedoch bereits in der Anfangsphase verboten. 2000 gründete Mansoureh Shojaee gemeinsam mit der Journalistin, Frauenrechtlerin und politischen Aktivistin Noushin Ahmadi Khorasani und anderen Gleichgesinnten das Frauenkulturzentrum Markaze farhangi-ye zanab, 2003 eröffnete sie dort die Frauen­ bibliothek Sadige Dolatabadi. Sie ist eine der Initiatorinnen der Kampagne Eine Million Unterschriften für die Gleichberechtigung und Mitbegründerin der Internetseite The Feminist School. Wegen ihres Engagements wurde sie mehrfach verhaftet, zuletzt am 27. Dezember 2009. Nach einem Monat kam sie gegen Zahlung einer hohen Kaution wieder frei und konnte nach Beendigung eines bereits früher verhängten vierjährigen Ausreiseverbots den Iran verlassen, um ins Exil zu gehen. Sie fand zunächst bei der Heinrich-Böll-Stiftung Aufnahme und war dann vom 1. Januar 2011 bis September 2013 Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Ihre Arbeit als Frauenrechtsaktivistin, Schriftstellerin und Journalistin setzt sie auch im Exil fort. Aktuell studiert Mansoureh Shojaee in Den Haag am International Institute of Social Studies der Erasmus Universität Rotterdam den Masterstudiengang Menschenrechte, Gender und Konfliktstudien und forscht zu Cyberfeminismus. 44 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Mansoureh Shojaee Iran Mansoureh Shojaee was born in 1958 in Tehran. For over 20 years, she has been one of the leaders of the Iranian women’s rights movement and her involvement in politics spans 30 years and more. She was a librarian at the National Library in Tehran for 22 years and worked as a journalist, freelance writer and literary translator for French. From 1994 to 2004, as part of the Children’s Book Council of Iran (IBBYP International Board on Books for Young People), she worked with blind children and enabled them to access literature by teaching them the use of audio books. For her efforts, she received the 2010 Testimonial Statute Honors Award from the IBBYP. She also worked with other organizations including UNICEF to develop traveling libraries geared towards Iranian women and children. A close confidant of Shirin Ebadi (the Iranian 2003 Nobel Peace Prize laureate living in exile in London), Mansoureh Shojaee was committed to ​​fulfilling Ebadi’s dream of an Iranian women’s museum. The project was scheduled to start in the “Banu” library in Evaz in the southwest of Iran, but was banned in the early stages. In 2000, Mansoureh Shojaee co-founded (with the journalist, feminist and political activist Noushin Ahmadi Khorasani and other like-minded women) the women’s cultural center Markaze Farhangi-ye zanab, where she opened the Women’s Library Sadige Dolatabadi in 2003. She is one of the initiators of the One Million Signatures Campaign for Equality and co-founder of the website The Feminist School. Because of her dedicated efforts, she was imprisoned several times, most recently on 27 December 2009. After a month, she was released on bail and was free to leave Iran. Having already suffered a four-year travel ban, she promptly went into exile. She was initially received at the Heinrich Böll Foundation and, since 1 January 2011, has been a part of the Writers in Exile Program. She continues to work as a women’s rights activist, writer and journalist while she remains in exile. Currently, Mansoureh Shojaee is studying in The Hague at the International Institute of Social Studies of the Erasmus University of Rotterdam, getting her Masters in Human Rights, Gender & Conflict Studies and doing research on cyber feminism.

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„Heimat ist ein Ort ohne Grenzen. Er liegt nicht auf einer Weltkarte, er ist ein zeitloses Gefühl. Das Gefühl von Heimat kehrt immer wieder zurück. Er kommt immer wieder wie ein bunter Ort, an dem man nicht bleiben kann, aber zu dem fast jeder morgen zurückgehen möchte. Heimat ist wie eine Insel mitten im Meer, eine Oase in der tiefen Wüste. Heimat ist ein sehr wichtiges Ziel vor meinen Augen, in meinem Herzen. Meine Heimat ist voller kämpfe­ rischer Frauen, die jeden Tag und jede Nacht über Gerechtigkeit sprechen. In meiner Heimat leben unterschiedliche Menschen verschiedener Kulturen, die jeden Tag ihre Lieder erklingen lassen, dass ein Leben ohne Krieg bald kommen wird.“ Erik Arellana (Kolumbien)

“Home is a place without borders. It is not on a world map, it is a timeless feeling. The feeling of home keeps returning. It keeps returning like a colourful place, where you can’t stay, but that you’d like to go back to almost every morning. Home is an island in the middle of the sea, an oasis in the deepest desert. Home is a very important goal I have in sight, in my heart. My home is full of feisty women, who talk about justice day and night. My home is populated by various people from different cultures, who sing every day in the hope that they may soon lead a live without war.” Erik Arellana (Columbia)

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Erik Arellana Bautista Kolumbien Erik Arellana Bautista, geboren 1974 in Bogotá, kolumbianischer Menschenrechtsaktivist, Dokumentarfilmer, Journalist und Autor. Er gründete eine Stiftung, die nach seiner Mutter Nydia Erika Bautista benannt ist und arbeitet unermüdlich gegen das Vergessen der im bewaffneten kolumbianischen Konflikt Verschleppten und Verschwundenen. Arellana Bautistas Mutter, die in den achtziger Jahren politisch im Untergrund arbeitete, wurde 1987 durch kolumbianische Paramilitärs entführt und ermordet. Aufgrund seines Engagements wurde auch er verfolgt und bedroht. Von 1997 an lebte er zehn Jahre in Deutschland, hier konnte er Audiovisuelle Kommunikation an den Kunsthochschulen in Kassel und Weimar studieren, begann literarisch zu schreiben und Dokumentarfilme zu drehen. Immer wieder kehrte er zu seinem Hauptthema zurück: Die Verschwunde­ nen und der Schmerz ihrer Angehörigen. „Das Verschwindenlassen löscht die Geschichte jedes einzelnen Menschen aus“, schreibt er. 2006 kehrte er nach Kolumbien zurück, um als Journalist und Universitätsdozent in Bogotá zu arbeiten. Es entstanden mehrere künstlerische Arbeiten, wie das audiovisuelle Projekt „Geomalla“ (2011), das Erinnerungsmodule mit aktuellen Ausdrucksformen urbaner Subkulturen mit­ einander in Beziehung setzt. In seinem Gedichtband Transitos de un hijo al Alba (2011) beschäftigt er sich mit dem eigenen Schicksal als Sohn einer Verschwundenen und erzählt die Geschichte eines Volkes ohne Namen. Arellana Bautista begann damit, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und Erinnerung gegen Vergessen zu setzen, doch zunehmend geriet die Arbeit seiner Stiftung in Kolumbien unter Druck, Büroräume wurden überwacht, Mitarbeiter belästigt und verfolgt. Seine Wohnung wurde im Mai 2013 aufgebrochen und sein PC mit Informationsmaterial über jene Opfer, die von der Stiftung betreut wurden, gestohlen. Seit Juni 2014 ist er Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN und lebt in Hamburg.

48 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Erik Arellana Bautista Colombia Erik Arellana Bautista, born 1974 in Bogotá, is a Columbian human rights activist, documentary filmmaker, journalist and author. He started a foundation named after his mother Nydia Erika Bautista and works relentlessly to preserve the memory of those killed or wounded in the armed Columbian conflict. Arellana Bautista’s mother, an underground political activist in the 1980s, was kidnapped and murdered by Columbian paramilitaries in 1987. Due to his commitment, he was also persecuted and threatened. In 1997, he moved to Germany, where he spent a decade. He studied audio visual communication at the art schools of Kassel and Weimar and began to write literature and shoot documentaries. A recurring theme was the disappearances of loved ones and the pain their families endured: “Vanishing like that extinguishes the history of each individual,” he writes. In 2006, he returned to Columbia to work as a journalist and university lecturer in Bogotá. His many artistic works include the audio-visual project “Geomalla” (2011), a memory module interacting with contemporary forms of expression of urban subculture. In his volume of poetry Transitos de un hijo al Alba (2011), he deals with his own fate as a son of someone who has disappeared and tells the story of a people without names. Arellana Bautista began by documenting human rights violations and trying to confront forgetting with remembering, but soon the work of his foundation in Columbia was jeopardized; offices came under surveillance, employees were harassed, followed and persecuted. In May 2013, his apartment was broken into and his computer, containing information on the victims looked after by the foundation, stolen. In June 2014, he became a fellow of the PEN Writers in Exile Program and now lives in Hamburg.

Writers in Exile | 49


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Eva Durán Kolumbien Eva Durán wurde 1974 in Kolumbien geboren. Sie studierte Kultur-Management und TV-Produktion und war anschließend als Kulturredakteurin in verschiedenen Fernsehanstalten tätig. Als sie 2003 als Leiterin eines Bürgerausschusses die Korruption beim TV-Sender Telecaribe aufdeckte und andere Ausschussmitglieder sich durch lukrative Angebote zum Schweigen überreden ließen, blieb sie als Einzige unbestechlich und brachte diese Machenschaften des Fernsehsenders in einer eigenen Kolumne an die Öffentlichkeit. Ihre schrift­ stellerischen Arbeiten sind in kolumbianischen Literaturzeitschriften erschienen und wurden ins Portugie­ sische übersetzt. 1997 erhielt sie ein Stipendium des Internationalen Poesie-Festivals von Medellin, 1999 und 2003 den Preis der Stadt Cartagena. Als Eva Durán 2004 einen Artikel über den Mord an einem Journalisten veröffentlichte, blieb es nicht mehr bei verbalen Angriffen gegen sie; nun drohte man ihr ganz unverhohlen. Nach ihrem Auftritt auf einem Kongress zum Thema Schriftsteller und Menschenrechte in Cali wurden sie und ihre Mutter verfolgt und massiv bedroht. Sie musste ihr Aussehen vollständig verändern, so dass selbst gute Freunde sie auf der Straße nicht mehr erkannten. Ihre Anträge auf Stipendien in Mexiko und Argentinien wurden abgelehnt, erst die Heinrich-Böll-Stiftung antwortete positiv. Anschließend war Eva Durán von Mai 2006 bis April 2008 Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des PEN in Köln. Ihre Gedichte sind inzwischen ins Deutsche, Portugiesische, Italienische und Französische übersetzt.

50 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Eva Durán Colombia Eva Durán was born in 1974 in Colombia. She studied cultural management and TV production and then worked as an arts editor at various television stations. In 2003, as director of a citizens’ committee investigating corruption at the TV station Telecaribe, when other committee members let themselves be silenced by lucrative offers, only she remained incorruptible and brought these machinations of the TV broadcaster to the public in her independent column. Her literary works have appeared in Columbian literary magazines and have been translated into Portuguese. In 1997, she received a scholarship of the International Poetry Festival of Medellin, in 1999 and 2003, she won the Prize of the City of Cartagena. When Eva Durán published an article in 2004 about the murder of a journalist, the aggression against her was not limited to verbal attacks. Now she was threatened openly. After her appearance at a conference on the subject of authors and human rights in Cali, she and her mother were harassed and seriously threatened. She had to change her appearance completely, so that even good friends no longer recognized her on the street. Her applications for grants in Mexico and Argentina were rejected, only the Heinrich Böll Foundation responded positively. Subsequently, Eva Durán was granted a fellowship from May 2006 to April 2008 from the PEN Writers in Exile Program in Cologne. Her poems have been translated into German, Portuguese, Italian and French.

Writers in Exile | 51


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„Immer schon habe ich mich als Welt­ bürger gefühlt. Heimat ist daher für mich nicht nur der Ort, an dem ich geboren wurde, der Kulturkreis, in dem ich heranwuchs oder die Eigentümlichkeiten meiner Heimatinsel; Heimat, das sind für mich auch die Erfahrungen, die ich sammelte, während ich darum kämpfte, meine Träume zu verwirklichen; die Schmerzen, die ich erlitt, weil ich in der Ferne war oder meine Eltern vermisste; die neuen Gewohnheiten, die ich erwarb, als ich Zugang zu einer anderen Kultur oder zu anderen geographischen Regionen fand; die Schlachten, die ich an der Seite meiner Freunde, meiner Frau und meiner Kinder gewann; die Hoffnung, die ich in jenen anderen Ländern fand, auf deren Boden ich meinen Fuß setzte. In diese Heimat schließe ich auch die literarischen Welten mit ein, die ich mit jedem einzelnen meiner Bücher erschuf und solch persönliche Dinge wie das bezaubernde Lächeln meines Sohnes Lior, der glücklich in einem freien Land heranwächst, fern des geknechteten Landes, in dem ich geboren wurde.“ Amir Valle (Kuba)

“I’ve always felt like a citizen of the world. So for me, home is not only the place where I was born, the cultural milieu I grew up in or the quirks of my native island, home is also the experiences that I gathered while I struggled to realize my dreams, the pain that I suffered because I was so far away or missed my parents; the new customs that I acquired as I approached new cultures or other geographical regions; the battles that I won with my friends, my wife and my children at my side; the hope that I found when I set down my feet on foreign soil. In this notion of home, I also include the literary worlds which I created in every one of my books and personal things like the enchanting smile of my son Lior, who grew up happily in a free country, far from the oppressed country in which I was raised.” Amir Valle (Cuba) 52 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Writers in Exile | 53


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Jorge Luis Arzola Kuba Jorge Luis Arzola wurde 1966 in der kubanischen Kleinstadt Jatibonico geboren. Im Alter von fünf Jahren zog seine Familie in ein Dorf im Zentrum der Insel, das Anfang der sechziger Jahre auf Anordnung Fidel Castros erbaut worden war. Dort absolvierte er die Grundschule. Mit dreizehn kam er auf eine der sogenannten Dorf­schulen, die von der Revolution gefördert wurden. Die dort herrschende strenge, fast militärische Disziplin konnte er nicht ertragen – er lehnte sich dagegen auf und brach noch vor Abschluss der Sekundar­ stufe die Schule ab. Die Folge waren familiäre Spannungen, besonders mit dem Vater, der Mitglied der Kommunistischen Partei war. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre erlebte Kuba eine gewisse Lockerung der ideologischen Spannungen. Jorge Arzola nahm an Zusammenkünften junger Schriftsteller sowie an nationalen Schreibwerkstätten teil, aus denen eine Gruppe moderner kubanischer Erzähler hervorging, die sogenannten Los Novísimos. Arzola lebte in all diesen Jahren in einer Kleinstadt im Inselinneren, immer unter Beobachtung des kubanischen Innenministeriums, das ihn wegen verbotener Äußerungen verfolgte. Anfang der 90er Jahre machte er das Abitur und studierte Englisch. Als Vertreter der Novísimos brach er mit den literarischen Traditionen der 70er Jahre. Auf Kuba erschienen von ihm zwei Erzählbände, El pájaro sin cabeza (1991) und Prisionero en el Círculo del Horizonte (1994). Seine Texte wurden in mehreren nationalen und internationalen Anthologien, Zeitungen und Zeitschriften publiziert. Im Jahr 2000 wurde er für seinen in Kuba veröffentlichten Erzählband La banda infinita mit dem iberoamerikanischen Alejo-Carpentier-Preis ausgezeichnet. Seinen ersten Roman Todos los Buitres, el Tigre, den er noch in Kuba begonnen hatte, musste er bereits in Deutschland fertig stellen, wohin er im August 2002 mit seiner Familie ausreisen konnte. Veröffentlicht wurde der Roman 2006 in Spanien. Von Oktober 2003 bis März 2006 war er Stipendiat des Writers-in-Exile-Programms. In dieser Zeit entstand sein zweiter Roman Los huesos más blancos. Jorge Arzola lebt heute mit seiner Familie in Köln und macht gerade seinen Studienabschluss in Grafik und Webdesign am ILS in Hamburg.

54 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Jorge Luis Arzola Cuba Jorge Luis Arzola was born in 1966 in Jatibonico, a small Cuban town. When he was five, his family moved to a village in the center of the island, which Fidel Castro had ordered built in the early 1960s. He graduated from the local elementary school. At the age of thirteen he entered one of the so-called village schools promoted by the revolution. The strict, almost military discipline there was unbearable—he rebelled against it and even dropped out before completing secondary school. This led to family tensions, particularly with his father, who was a member of the Communist Party. In the second half of the 80s, Cuba experienced a certain easing of ideological pressure. Jorge Arzola attended meetings of young writers and national writers’ workshops, which generated a group of modern Cuban narrators, called Los Novísimos. Arzola spent years in a small town in the interior of the island, always under the watchful eye of the Cuban Interior Ministry, haunted for expressing himself in forbidden ways. In the early 1990s, he graduated from high school and studied English. As a representative of the Novísimos, he broke with the literary traditions of the 1970s. In Cuba he published two volumes of stories, El pájaro sin cabeza (1991) and Prisionero en el Circulo del Horizonte (1994). His articles have been published in several national and international anthologies, newspapers and magazines. In 2000, he was honored with the Ibero-American Alejo Carpentier Prize for his collection of short stories, La banda infinita, published in Cuba. Although he began his first novel, Todos los Buitres, El Tigre, in Cuba, he finished it in Germany, to where he moved with his family in August 2002. The novel was released in Spain in 2006. From October 2003 to March 2006 he participated in the PEN Writers in Exile Program. During this time, he wrote his second novel, Los más huesos blancos. Jorge Arzola now lives with his family in Cologne and is studying graphic arts and web design at the ILS in Hamburg.

Writers in Exile | 55


Foto: privat

Amir Valle Kuba Amir Valle wurde 1967 in Guantánamo auf Kuba geboren. In Santiago de Cuba und in La Habana studierte er Journalismus und Publizistik. Seit dem Ende seines Studiums im Jahr 1989 ist er als Autor, Literaturkritiker und Journalist tätig. Er wurde mit zahlreichen Literaturpreisen geehrt, unter anderem mit dem kubanischen Preis La Llama Doble für erotische Romane und dem Internationalen Rodolfo-Walsh-Preis für sein Buch Jineteras. Seine Kurzgeschichten und Literaturkritiken erschienen in zahlreichen Anthologien und Zeitschriften in Kuba und wurden international publiziert. Er hat über 20 Bücher veröffentlicht, die wie seine Artikel in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Bis zu deren Verbot durch die kubanischen Literaturbehörden war er als Herausgeber der Internet-Zeitschrift Letras en Cuba und des Magazins A título personal - Boletín Internacional de Noticias Literarias tätig und arbeitete danach als Chefkoordinator der Colección Cultura Cubana sowie als Herausgeber der Literaturzeitschrift Cara y Cruz des Verlags Plaza Mayor aus Puerto Rico. Die kubanische Regierung betrachtete seine internationalen Erfolge kritisch und tat alles, um ihm die Arbeit zu erschweren. Als das kubanische Kulturministerium per Eilresolution ein generelles Verbot aussprach, mit Amir Valle zusammenzuarbeiten, waren er und seine Familie in Gefahr. Nachdem seine Studie über Prostitution in Kuba heimlich auf der Insel Verbreitung fand, obwohl Fidel Castro höchstpersönlich das Buch geächtet hatte, wurde seine Lage immer bedrückender. Nach einer Buchpräsentation in Spanien wurde ihm die Rückkehr nach Kuba verweigert. Im März 2006 kam er mit seiner Familie als Gast des Heinrich-Böll-Hauses nach Deutschland und war danach von August 2006 bis Oktober 2009 Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Mehrere seiner Bücher sind in deutscher Übersetzung erschienen, darunter die Romane Die Wörter und die Toten, Die Türen der Nacht, Die Haut und die Nackten oder die Dokumentation Habana Babilonia. Prostitution in Kuba. Im April 2010 kam der Band Abstieg in die Hölle – Zwei Thriller aus Kuba heraus. Amir Valle lebt heute mit seiner Familie als freier Schriftsteller und Journalist für verschiedene deutsche und spanischsprachige Medien in Berlin. Er ist Gründer und Herausgeber der iberoamerikanischen Online-Kulturzeitschrift OtroLunes.com und veröffentlichte zuletzt Romane und Anthologien in Spanien und Italien. 56 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Amir Valle Cuba Amir Valle was born in 1967 in Guantanamo Bay, Cuba. In Santiago de Cuba he studied journalism and in Havana he studied publishing. Since then, he has worked as a writer, literary critic and journalist. He has received numerous literary awards, among those the Cuban La Llama Doble Prize for Erotic Novels and the International Rodolfo Walsh Prize for his book Jineteras. His short stories and literary reviews have appeared in numerous anthologies and magazines in Cuba and have been published internationally. He has released over 20 books, which, like his articles, have been translated into several languages. Until he was banned by the Cuban literary authorities, he served as editor of the online magazine Letras en Cuba and the magazine Boletín Internacional de Noticias Literarias and then worked as chief coordinator of Collecion Cultura Cubana, as well as publisher of the literary magazine Cara y Cruz. The Cuban government monitored his international success critically and did everything to impede his work. When the Cuban Ministry of Culture issued an urgent resolution banning anyone from working with Amir Valle, he and his family were in danger. Especially after his study about prostitution in Cuba was secretly widely distributed throughout the island—though Fidel Castro had personally banned the book—his prospects were grim. After a book presentation in Spain, he could not return home—he was denied entry into Cuba. In March 2006, he came with his family to Germany as a guest of the Heinrich Böll House. From August 2006 to October 2009, he was a guest of the PEN Writers in Exile Program. Several of his books have been published in German translation, including the novels The Words and the Dead, The Doors at Night, The Skin and the Naked, or the documentary Habana Babilonia. Prostitution in Cuba. In April 2010, his book Descent into Hell – Two Thrillers from Cuba was released. Amir Valle currently resides with his family in Berlin, where he works as a freelance writer and journalist for various German and Spanish media/ publications. He is founder and publisher of the Latin American online culture magazine OtroLunes.com and has recently released novels and anthologies in Spain and Italy.

Writers in Exile | 57


Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Ana Lilia Pérez Mexiko Die Schriftstellerin und Journalistin Ana Lilia Pérez wurde 1976 in Mexiko-Stadt geboren. Sie studierte Geschichte, Publizistik, Finanzjournalismus und Kommunikationswissenschaft, bevor sie begann, als Journalistin zu arbeiten. Bald war sie eine der renommiertesten Reporterinnen Mexikos, seit 2003 arbeitete sie für die großen politischen mexikanischen Magazine Contralínea und Fortuna, aber auch für viele wichtige internationale Medien. Bekannt wurde sie durch die Aufsehen erregenden, akribisch und mutig recherchierten Reportagen in den großen mexikanischen Publikationsorganen wie La Jornada, El Financiero, oder Milento und vielen anderen internationalen Zeitschriften. Ihr favorisiertes Thema ist die Korruption im Land, Geldwäsche und Menschenhandel, das organisierte Verbrechen, ganz besonders die heillose Verstrickung von Politikern und Wirtschaftsunternehmen mit der Mafia. Ana Lilia Pérez publizierte mehrere Bücher über das, was ihr bei ihren Recherchen widerfuhr. 2010 erschien Camisas Azules, Manos Negras (Blaue Hemden, schwarze Hände, Random House) und 2011 El Cártel Negro: Cómo el crimen organizado se ha apoderado de Pemex (Random House), in denen sie ihre Nachforschungen über die illegalen Geschäfte des staatlichen Mineralölkonzerns Petróleos Méxicanos (Pemex) dokumentiert und die Vernetzung hoher Staatsbeamter der mexikanischen Regierung mit der Mafia und der organisierten Drogenkriminalität im ganz großen Stil unter Beweis stellt. Ihre abenteuerlichen, mutigen, oft lebensbedrohlichen Recherchen hatten willkürliche Haftbefehle, Verfolgung, Androhungen gerichtlicher Verurteilungen und Morddrohungen zur Folge. Trotz ihrer angespannten Situation in Mexiko blieb sie kämpferisch und beharrte ohne Zugeständnisse auf ihrem Recht auf Meinungsfreiheit. Ana Lilia Pérez sieht es als ihre Pflicht an, die Gesellschaft objektiv und wahrheitsgetreu zu informieren und so zur Entwicklung einer kritischen und frei denkenden Gesellschaft und einer demokratischen Regierung beizutragen. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet, darunter 2012 mit dem „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“ der Leipziger Medienstiftung. Im Juni 2013 verlieh ihr die mexikanische Journalistenvereinigung die Medaille für die Verteidigung der Freiheit. Von Juli 2013 bis Juni 2014 war sie Stipendiatin im Writers-in-ExileProgramm und kehrte anschließend nach Mexiko zurück, um dort ihre Arbeit fortzusetzen. 58 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Ana Lilia Pérez Mexico The writer and journalist Ana Lilia Pérez was born in 1976 in Mexico City. She studied history, journalism, financial journalism and communication studies, before she began to work as a journalist. Soon she became one of the most distinguished reporters in Mexico. Since 2003, she has been working for the largest political magazine in Mexico, Contralínea and Fortuna, as well as for a great number of leading international media. She was recognized for her sensational, meticulous and courageously researched reports in the largest Mexican publications such as La Jornada, El Financiero, or Milento and many other international magazines. Her favorite subject is the corruption in her country and she addresses issues such as money laundering, human trafficking, organized crime and especially the appalling entanglement of politicians and businessmen with the mafia. Ana Lilia Pérez published several books on what really happened to her during her research. In 2010, she published Camisas Azules, Manos Negras (Blue Shirts, Black Hands, Random House) and in 2011 El Cártel Negro: Cómo el crimen organizado se ha apoderado de Pemex (Random House) in which she documents her research into the illegal deals of the mineral oil company Petróleos Méxicanos (Pemex) and sets out to prove, on a grand scale, the connections of highly placed state officials of the Mexican government to the mafia. Her adventurous, brave and often life-endangering research has led to multiple unsubstantiated arrests, persecution, warnings of court convictions and death threats. Despite her precarious situation, she remains a fighter and insists without compromise on her right to freedom of expression. Ana Lilia Pérez sees it as her duty to inform society, in an objective and truthful way, thereby furthering the development of a critical and free-thinking community and contributing to the process of upholding a democratic government. She has received numerous prizes for her work, among them the “Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien” of the Leipzig Media Foundation in 2012. In June 2013, she was honored by the Mexican Writers’ Association with a medal for defending freedom. From July 2013 to June 2014, she received a grant from the German PEN Writers in Exile Program and then returned to Mexico to continue her work there. Writers in Exile | 59


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„Was bedeutet Heimat für mich? Der deutsche Schriftsteller Horst Bienek hat es treffend formuliert, als er einmal über Heimat sagte: „Sie ist in meinem Kopf. Und sie ist in meiner Seele.“ Ich kann nur ergänzen: für den politischen Asylanten ist die Heimat auch der Schmerz und die Hoffnung. Die Hoffnung auf die beste Zukunft in meinem Land.“ Sergej Solovkin (Russland)

CHECHNYA

NORTHERN SUDAN

SOUTHERN SUDAN

“What does home mean to me? The German author Horst Bienek put it very well when he talked about home being “…in my head. And in my soul.” I can only add: for political asylum seekers home is also pain and hope. The hope of the best possible future in my country.” Sergej Solovkin (Russia)

60 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Writers in Exile | 61


Foto: privat

Sergej Zolovkin Russland Sergej Zolovkin wurde 1952 in Dzhambul, Kasachstan geboren. An der Hochschule in Karaganda studierte er Jura und war als juristischer Gutachter im Kriminalkommissariat in Kasachstan tätig. Von 1979 bis 1986 führte er als Korrespondent der Republikanischen Jugendzeitung unabhängige journalistische Recherchen zu verschiedenen Kriminalfällen und zur Korruption in den Organen der Legislativen und der Exekutive durch. Später wurde er Reporter der Nowaja Gazeta, wo er auf Recherchen im Bereich der Korruption spezialisiert war. Im März 2002 entging er wegen seiner kritischen Artikel nur um Haaresbreite einem Mordanschlag. Daraufhin flüchtete er mit seiner Frau nach Deutschland und war hier zunächst Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, bis er im September 2002 in das Writers-in-Exile-Programm aufgenommen werden konnte, dessen Stipendiat er bis März 2004 blieb. Seine journalistische Tätigkeit für die Nowaja Gazeta setzte er im Exil mit unverminderter Intensität fort. 2011 veröffentlichte ein mutiger Verlag im russischen Samara seinen zweibändigen Roman Aus dem Leben der Menschen, die nicht geschossen haben, der in der russischen Presse ein großes Echo fand. Sergej Zolovkin lebt heute in München.

62 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Sergei Zolovkin Russia Sergei Zolovkin was born 1952 in Dzhambul Kazakhstan. At the University of Karaganda, he studied law and worked as a legal consultant for the Crime Commission in Kazakhstan. From 1979 to 1986, as a correspondent of the Republican Youth newspaper, he did independent investigative reporting on crime and corruption in the legislative and executive branches. Later he became a journalist for Novaya Gazeta, where he specialized in uncovering corruption. In March 2002, an attempt was made on his life because of a critical article he had written; he escaped by a hair’s breadth. He then fled to Germany with his wife and was received by the Hamburg Foundation for the Politically Persecuted. He was accepted in September 2002 into the Writers in Exile Program, a fellowship he held until March 2004. In exile, Zolovkin continued his journalistic work for the Novaya Gazeta with unrelenting vigor. In 2011, a daring publishing house in Samara, Russia, released his two-volume novel Out of the Lives of People Who Have Not Shot that resonated widely in the Russian press. Sergei Zolovkin currently lives in Munich.

Writers in Exile | 63


Foto: Stefan Worring (KSTA)

Jovan Nikolić Serbien Jovan Nikolić wurde 1955 in Belgrad geboren und wuchs in einer Romasiedlung bei Cacak in Serbien auf. Seit 1981 veröffentlichte er neben zahlreichen Lyrikbänden auch Theaterstücke und satirische Texte in serbokroatischer Sprache. Als Lyriker, Dramatiker, Kolumnist, Kabarettist und Songtexter – unter anderem für den Film Schwarze Katze, weißer Kater von Emir Kusturica – kam er zu literarischen Ehren und bemerkenswerter Popularität. 1999, nach dem Bombardement der NATO, emigrierte er aus Belgrad und lebt seitdem in Deutschland. Er war Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung, der Akademie der Künste Berlin, des Writers-in-Exile-Programms des deutschen PEN-Zentrums (von April bis Dezember 2000), der Stadt Graz, der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen sowie von KulturKontakt Austria. Im Jahr 2000 wurde sein zusammen mit Ruzdija-Ruso Sejdovic verfasstes Antikriegsstück Kosovo mon amour bei den Ruhrfestspielen uraufgeführt. Seit 2002 ist er Vizepräsident des Internationalen Romani Schriftstellerverbandes (IRWA), außerdem ist er Mitglied im serbischen PEN. In deutscher Übersetzung erschienen 2004 der Lyrik- und Prosaband Zimmer mit Rad, 2006 Weißer Rabe, schwarzes Lamm und 2009 Käfig (Prosa), alle in Klagenfurt. Weißer Rabe, schwarzes Lamm wurde 2011 zum „Buch für die Stadt“ der Stadt Köln gewählt. 2011 erschien sein Roman Seelenfänger, lautlos lärmend. Jovan Nikolić lebt in Köln.

64 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Jovan Nikolić Serbia Jovan Nikolić was born in Belgrade in 1955 and grew up on a Romany settlement near Čačak, Serbia. Since 1981, he has published numerous volumes of poetry as well as plays and satirical texts in SerboCroatian. He has won prizes and attained remarkable popularity as a poet, playwright, columnist, comedian and song writer—he even wrote the lyrics for Emir Kusturica’s film Black Cat, White Cat. In 1999, after the NATO bombing, he emigrated from Belgrade and now lives in Germany. He was supported by the Heinrich Böll Foundation, the Berlin Academy of the Arts, the German PEN Writers in Exile Program (from April to December 2000), the city of Graz, the Schöppingen Arts Village Foundation and KulturKontakt Austria. In 2000, his anti-war piece which he authored together with Ruždija-Ruso Sejdović, Kosovo mon amour, premiered at the Ruhr Festival. Since 2002, he has been Vice President of the International Romany Writers’ Association (IRWA), he is also a member of Serbian PEN. Several of Nikolić’s books were published in Klagenfurt: a German translation of his poetry and prose book Zimmer mit Rad (Room with a Wheel, 2004), Weißer Rabe, schwarzes Lamm (White Raven, Black Lamb, 2006) and Käfig (Cage, 2009). In 2011 White Raven, Black Lamb was voted “Book of the City” in Cologne. His novel Seelenfänger, lautlos lärmend (Soul Snatcher, Soundlessly Noisy) appeared in 2011. Jovan Nikolić resides in Cologne.

Writers in Exile | 65

NORTHERN


Zu Hause ist, wo ich mich schlafen lege. Foto: privat

Home is where I lay my head.

Claudia Anthony Sierra Leone Claudia Anthony wurde 1963 in Freetown, Sierra Leone, geboren. Während ihres Studiums an der Universität Kiew brach in ihrer Heimat im März 1991 ein grausamer Bürgerkrieg aus; bewaffnete Horden massakrierten wahllos Tausende von Frauen, Männern und Kindern. 1992 kontrollierte die mächtigste Rebellengruppe Revolutionäre Vereinigte Front (RUF) den Osten und Süden des Landes. Nachdem Claudia Anthony am Ukrainischen Institut für Internationale Beziehungen den Grad eines Masters im Fach Völkerrecht erworben hatte, kehrte sie 1995 nach Sierra Leone zurück, wo sie ihre journalistische Aufklärungsarbeit fortsetzte. Als sie Verbrechen von Mitgliedern des Obersten Rates des AFRC (Armed Forces Revolutionary Council) nachwies und im Dezember 1998 über ein geplantes Massaker durch die Rebellen schrieb, wurde sie des „unver­ant­ wortlichen Journalismus“ bezichtigt, der „die Staatssicherheit untergraben“ wolle. Am 31. Dezember 1998 brannten Rebellen das Wohnhaus der Familie in Waterloo, Sierra Leone, nieder, seitdem waren sie, ihre zwei Kinder und ihre Mutter Heimatvertriebene im eigenen Land. Am 7. Januar 1999 brannten bewaffnete Männer und Jugendliche das Redaktionsgebäude der Zeitung Tribune of the People, deren Gründerin und geschäftsführende Herausgeberin sie war, vollständig nieder. Noch im November 1999 gründete Claudia Anthony die Alliance for Female Journalists, eine Organisation, die sich für die Belange der wenigen Journalistinnen in Sierra Leone einsetzte. Von September 2000 bis Dezember 2005 war sie Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Während ihres Aufenthalts in Berlin absolvierte sie ein Masterstudium für Intercultural Conflict Management. 2006 kehrte Claudia Anthony zurück nach Sierra Leone, wo sie zunächst als Programmkoordinatorin des United Nations Radio arbeitete. 2010 bekam sie den Auftrag, als leitende Radioproduzentin für die BBC in Sierra Leone das Programm um den Prozess des ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor zu gestalten. Im selben Jahr wurde sie zunächst zur Chefin der Redaktion der aktuellen Nachrichten und wenig später zur Leiterin des BBC Radioprogramms von Sierra Leone berufen. Mittlerweile ist sie als Beraterin für BBC und andere Sender tätig.

66 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Claudia Anthony Sierra Leone Claudia Anthony was born 1963 in Freetown, Sierra Leone. During her studies at the University of Kiev, in March 1991, a brutal civil war broke out in her home country, and armed hordes indiscriminately massacred thousands of men, women and children. In 1992, the most powerful rebel group, the Revolutionary United Front (RUF), controlled the east and south of the country. After Claudia Anthony had acquired a Master’s Degree in International Law at the Ukrainian Institute of International Relations in 1995, she returned to Sierra Leone, where as a journalist she strove to raise public awareness. When she succeeded in proving crimes committed by members of the Supreme Council of the Armed Forces Revolutionary Council (AFRC) and uncovered a planned massacre by the rebels in December 1998, she was accused of “irresponsible journalism” with the intent to “undermine state security”. On 31 December 1998, the rebels set fire to her family’s house in Waterloo, Sierra Leone; making her and her two children, as well as her mother, fugitives in their own country. On 7 January 1999, armed men and youths burned down the editorial offices of the Tribune of the People, the newspaper she had founded and worked at as managing editor. And yet, in November 1999, Claudia Anthony established the Alliance for Female Journalists, an organization devoted to the concerns of the few women journalists in Sierra Leone. From September 2000 to December 2005, she was the recipient of a PEN Writers in Exile Program grant. While in Berlin, she completed her Master’s in Intercultural Conflict Management. In 2006, Claudia Anthony returned to Sierra Leone, where she began to work as program coordinator of United Nations Radio. In 2010, she was commissioned as Senior Producer for the BBC in Sierra Leone to develop the program covering the trial of former Liberian President Charles Taylor. That same year, she supervised the editorial board of the news desk and was later appointed Head of the BBC Radio Program in Sierra Leone. Currently she is a consultant to the BBC and other broadcasting stations in Sierra Leone.

Writers in Exile | 67


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„Vier Jahre lang lebte und arbeitete ich als Gastautor in Europa und diese Zeit war hart. Obwohl ich meistens sehr beschäftigt war, gab es Zeiten, wo ich mich sehr einsam fühlte und ich nur noch den Wunsch hatte, nach Hause zu fliegen. Am Anfang hatte ich keine Freunde. Meine einzigen Begleiter waren der Computer und mein Notizbuch. Obwohl ich so viel Zeit zum Schreiben hatte, war mir nicht klar, wie ich den nächsten Tag überleben sollte. Ohne jemanden zum Reden zu haben, ohne gemeinsam etwas Trinken zu gehen. Zu Hause konnte ich mich in der Redaktion mit vielen Reportern austauschen. Und mit jedem Tag vermisste ich meine traditionellen Speisen, wie Sadza, mehr. Ich fragte mich, ob ich mich jemals daran gewöhnen könnte, ohne diese traditionellen Mahlzeiten auszukommen. Aber ich musste mich meinem neuen Leben anpassen. Und ja, für vier Jahre lebte ich das Leben eines Schriftstellers in einem fernen und fremden Land.” Maxwell Sibanda (Simbabwe)

“LIVING and working in Europe as a guest writer for four years was no laughing matter. (...) Although I was busy most of the time, there were times when I felt so lonely and wanted nothing more than to fly straight home. In the beginning I had no friends. My only companion was the computer and the note book. While I had all the time to myself to write, each day I couldn’t imagine myself surviving another day without someone to talk to, to drink with! Back home I used to work in a newsroom full of reporters. And each day that passed I missed my traditional staple food, sadza. I wondered if I could ever learn to live without my staple food. I had to adjust to my new life. And yes, for four years I lived the life of a writer in a faraway land.” Maxwell Sibanda (Zimbabwe) 68 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Writers in Exile | 69


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Itai Mushekwe Simbabwe Itai Mushekwe wurde 1983 geboren. Er studierte am Christian College of Southern Africa (CCOSA) in Harare, Simbabwe, Kommunikationswissenschaft und Journalismus. Nach dem Studienabschluss arbeitete er bei der führenden unabhängigen Wochenzeitung The Zimbabwe Independent, für die er investigative Artikel über die Misswirtschaft und die menschenverachtende Politik in seinem Land schrieb. Während einer Fortbildung im Oktober 2007 in Berlin erfuhr er, dass sein Name in seiner Heimat auf einer „Schwarzen Liste“ unerwünschter Regimekritiker stand. Das führte zu einer unfreiwilligen Verlängerung seines Aufenthalts in Deutschland. Von Januar bis Mai 2008 hielt er sich mit einem Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung im Böll-Haus auf und war von Juni 2008 bis Mai 2011 Stipendiat des Writers-in-Exile-Programms des deutschen PENZentrums. Itai Mushekwe ist als politischer Berichterstatter für die in London basierte Online-Publikation The Zimbabwe Guardian tätig. Im Dezember 2008 erhielt er den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungsund Pressefreiheit. Er ist als Redakteur für ein afrikanisches Online-Nachrichtenmagazin tätig und schreibt investigative Artikel über Simbabwe für die britischen Zeitungen Daily und Sunday Telegraph. Er lebt weiterhin in Deutschland und arbeitet seit Januar 2014 als Gründungsredakteur an der afrikanischen Nachrichten-Internetseite The Telescope News.

70 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Itai Mushekwe Zimbabwe Itai Mushekwe was born in 1983. He studied communication and journalism at the Christian College of Southern Africa (CCOSA) in Harare, Zimbabwe. After graduating, he worked for the leading independent weekly newspaper The Zimbabwe Independent, where he wrote investigative articles about the mismanagement and inhuman policies in his country. During a professional training session in October 2007 in Berlin, he discovered his name was on a “black list” of undesirable dissidents back home. This led to an involuntary extension of his stay in Germany. From January to May 2008, he had a grant from the Heinrich Böll Foundation at the Böll House not far from Cologne, and participated in the German PEN Writers in Exile Program from June 2008 to May 2011. Itai Mushekwe is a political reporter for the London-based online publication The Zimbabwe Guardian. In December 2008, he won the Johann Philipp Palm Award for Freedom of Speech and the Press. He is the editor of an African online news magazine and writes investigative articles on Zimbabwe for the British newspapers Daily and Sunday Telegraph. He continues to live in Germany and, since January 2014, has been the founding editor of the African news web page The Telescope News.

Writers in Exile | 71


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Maxwell Sibanda Simbabwe Maxwell Sibanda wurde 1968 in Harare in Simbabwe geboren. In seinem Heimatland konnte er nur bis 2004 leben und arbeiten. Die Zäsur in seinem Berufsleben erfolgte mit dem Verbot und der gewaltsamen Schließung der Daily News im September 2003 durch die Regierung Mugabes. Zu diesem Zeitpunkt war er im vierten Jahr Kulturredakteur dieser einzigen privaten Zeitung Simbabwes und schon seit 1994 als Journalist für verschiedene Magazine tätig. Die Journalisten der Daily News wurden vor die AIPPA (staatliche Behörde zur Kontrolle des Zugangs zu Informationen sowie zur Sicherung der Geheimhaltung derselben) geladen, ihnen wurden sämtliche Lizenzen und Akkreditierungen entzogen. Sie wurden auf eine „Schwarze Liste“ gesetzt, was einem Arbeitsverbot gleichkam. Nach seiner Emigration war er zunächst Stipendiat der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und des Internationalen Hauses der Autoren in Graz. In dieser Zeit veröffentlichte er das Buch D’Zimbabwe - Haus aus Stein. Von Januar 2006 bis Januar 2007 war er Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Anschließend erhielt ein Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung. 2007 kehrte Maxwell Sibanda nach Simbabwe zurück und arbeitet dort wieder bei der Tageszeitung Daily News, deren stellvertretender Chefredakteur er mittlerweile ist.

72 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Maxwell Sibanda Zimbabwe Maxwell Sibanda was born in 1968 in Harare, Zimbabwe. He could only live and work in his homeland until 2004. The turning point in his career was the ban and the forcible closure of the Daily News in September 2003 by the Mugabe government. At that time, he was in his fourth year as cultural editor of the only private newspaper in Zimbabwe and had worked as a journalist for several magazines since 1994. The journalists of the Daily News were charged before the AIPPA (state authority to control access to information and to ensure its secrecy). All their licenses and accreditations were revoked. They were placed on a “black list”, which amounted to a work ban. After emigrating, he first became a fellow of the Hamburg Foundation for the Politically Persecuted and the International House of Authors in Graz. During this time he published the book D’Zimbabwe - House Made ​​of Stone. From January 2006 to January 2007, he was a guest of the PEN Writers in Exile Program. He then received a grant from the Heinrich Böll Foundation. In 2007, Maxwell Sibanda returned to Zimbabwe and went back to work for the Daily News; in the meantime he has become its deputy editor-in-chief.

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„Obwohl ich eine Person bin, die von einer grenzenlosen, freien Welt träumt, ist es so, dass ich jetzt, wo ich im Exil bin, die Bedeutung des VATERLANDS ganz anders verstehe und fühle. Bevor ich ins Exil kam, war in meinem Unterbewusstsein diese Klarheit, dass es einen Ort gibt, der als ZU HAUSE betrachtet werden kann, an den ich zurückkommen kann, nachdem ich auf eigenen Wunsch hin den ganzen Planeten bereist habe. Genau diese „innere Sicherheit“ oder das „unterbewusste Wissen“, ein ZU HAUSE zu haben, ist genau das, was ich verloren habe, seitdem ich im Exil bin. Das bewusste Gefühl, das „ZU HAUSE“ zu verlieren, vermehrt ganz klar unsere Angst. Die echte Heraus­ forderung am Leben im Exil liegt darin, weiterzumachen. Weiterzumachen ohne unter dem Gefühl von Verzweiflung und Angst zusammenzubrechen.“ Sanath Balasooriya (Sri Lanka)

“Despite being a person who dreams about a borderless free world, once forced into exile, I too understood and felt the meaning of MOTHERLAND in a totally different sense. Before going into exile, I subconsciously knew that there was a place considered HOME where I could return after roaming the entire planet at my will. That very ‘inner certainty’ or the ‘subconscious knowledge’ of having a HOME is exactly what I lost once forced into exile. The conscious feeling of losing that particular ‘HOME’ inevitably increases one’s anxiety. In fact, the true challenge of the exiled life is to keep going without succumbing to such feelings of despair and anxiety.” Sanath Balasooriya (Sri Lanka)

74 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Writers in Exile | 75


Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Rohitha Bashana Abeywardane Sri Lanka Rohitha Bashana Abeywardane wurde 1972 in Sri Lanka geboren. Er war Mitbegründer und später Chef­ redak­teur der alternativen Wochenzeitschrift Hiru, die in der Selbstverwaltung der Redakteure stand. 2003 organisierte er das Sinhala-Tamil Art Festival. Wegen seiner kritischen Zeitungskolumnen musste er nach massiven Drohungen das Land verlassen. Er veröffentlicht weiterhin in verschiedenen Online-Journalen und ist Koordinator von Journalists for Democracy in Sri Lanka, einer Organisation, die von sri-lankischen ExilJournalisten gegründet wurde. Rohitha Bashana Abeywardane war, im Anschluss an einen Aufenthalt im Heinrich-Böll-Haus, von September 2007 bis August 2010 im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Heute lebt er mit seiner Frau in Bremen.

76 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Rohitha Bashana Abeywardane Sri Lanka Rohitha Bashana Abeywardane was born in 1972 in Sri Lanka. He was a founder and later editor-inchief of the alternative weekly newspaper Hiru, which was managed autonomously by the editors. In 2003, he organized the Sinhala-Tamil Art Festival. As a result of his critical newspaper columns, he had to leave the country after massive threats. He continues to publish in various online journals and is currently coordinator of Journalists for Democracy in Sri Lanka, an organization founded by Sri Lankan journalists in exile. Following a stay in the Heinrich Bรถll House, Langenbroich, Rohitha Bashana Abeywardane took part in the PEN Writers in Exile Program from September 2007 to August 2010. Today, he lives with his wife in Bremen, Germany.

Writers in Exile | 77


Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Sanath Balasooriya Sri Lanka Sanath Balasooriya wurde 1970 in Sri Lanka geboren. Spätestens im Jahr 1991, als er Redakteur des Daily Lankadeepa, einer Tageszeitung in singhalesischer Sprache, wurde, begann sein Leben als Journalist. In den 20 darauf folgenden Jahren machte er viele Erfahrungen u.a. als Redakteur und Mitherausgeber des Sunday Lankadeepa und als Redakteur und Lektor der Dinamina. Sein Studium der Mass Communication and Writership schloss Sanath Balasooriya 1999 an der Universität Jayewardenepura als einer der Besten seines Jahrganges ab. Sechs Jahre nach Abschluss seines Studiums übernahm er den Vorsitz der Dinamina und wurde Mitherausgeber. Im Jahr 2007, in dem er zum Direktor des Sri Lanka Press Institute ernannt wurde, organisierte Sanath Balasooriya einen Protest gegen den Übergriff der Behörden Sri Lankas auf eine Redaktion. Darauf folgten mehrere Morddrohungen, weshalb er sich zunächst im Landesinneren verstecken musste. Nachdem er 2009 sein Heimatland verlassen und nach Südindien fliehen musste, wurde er als Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte nach Deutschland eingeladen, wo er bis Dezember 2010 am Programm der Stiftung teilnahm. Er war von Januar 2011 bis Ende Dezember 2013 Elsbeth-WolffheimStipendiat der Stadt Darmstadt. Mit seiner Frau Devika Wadigamangawa lebt er weiterhin in Darmstadt.

78 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Sanath Balasooriya Sri Lanka Sanath Balasooriya was born in Sri Lanka in 1970. His life as a journalist started in earnest in 1991, when he became the editor of the Daily Lankadeepa, a Sinhalese-language newspaper. In the following 20 years, he gained extensive experience as an editor and co-publisher of the Sunday Lankadeepa and as an editorial journalist and publishing editor for Dinamina. He graduated at the top of his class from the University of Jayewardenepura, with a Major in Mass Communication and Writership. Six years later, he took over as chairman of Dinamina and became a co-publisher. In 2007, when he was appointed director of the Sri Lanka Press Institute, Sanath Balasooriya organized a protest against Sir Lankan officials who tried to take over the control of an editing room. This precipitated several death threats—he had to go into hiding upcountry. In 2009, after he was forced to leave his homeland and flee to South India, he was invited to Germany by the Hamburg Foundation for the Politically Prosecuted, where he stayed till 2010. From January 2011 – December 2013, he held an Elsbeth Wolffheim grant from the City of Darmstadt. He continues to live in Darmstadt, Germany, with his wife Devika Wadigamangawa.

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Amer Matar Syrien Der syrische Journalist und Menschenrechtsaktivist Amer Matar wurde 1987 in Rakka geboren und studierte Journalistik in Damaskus. Er war einer der Mitbegründer der Organisation Al-Schari (Die Straße), die sich für freiheitliche Medien und Entwicklung einsetzt. Al-Schari begann bereits 2010 den Aufstand, der sich in Syrien formierte, anhand von Fernsehinterviews, Berichten und Dokumentationen aus dem Landesinneren filmisch zu dokumentieren. Ausgestrahlt wurden die Sendungen auf Al-Jazeera, Al-Arabiya und France24. Seit 2002 war er für zahlreiche syrische sowie arabische Zeitungen journalistisch tätig. Er verfasste Artikel für das Feuilleton der in Syrien verbotenen libanesischen Zeitung Annahar und war kultureller Berichterstatter für die Zeitung Al-Hayat in Damaskus. Dabei interessierte er sich für den Zusammenhang von Kunst und der aufständischen Bewegung in Syrien, die er als friedliche Revolution bezeichnete. Der im Rahmen von Al-Schari entstandene Dokumentarfilm Azadi (2011), der die täglichen Ereignisse des syrischen Aufstands in kurdischen Gebieten im Norden Syriens begleitet, wurde auf dem Filmfestival Rotterdam ausgezeichnet. Als Ko-Direktor war Amer Matar an der Dokumentation Smuggling 23 Minutes of Revolution beteiligt. Außerdem engagierte er sich als Organisator des Straßenfestivals, das anlässlich des ersten Jahrestags des Aufstands in Syrien gefeiert wurde. 2011 wurde er wegen seiner journalistischen Arbeiten zweimal vom syrischen Geheimdienst festgenommen, verhört und gefoltert. Ihm wurde vorgeworfen, falsche Nachrichten zu verbreiten und damit die Moral der Nation anzugreifen. 2012 konnte er mithilfe der Heinrich-Böll-Stiftung aus Syrien fliehen. Seit Oktober 2012 ist er Writers-in-Exile-Stipendiat des PEN. In seinen Texten setzt er sich mit den jüngsten Ereignissen in Syrien auseinander und reflektiert auf emotionale Weise seine Rolle als Exil-Journalist. In deutscher Übersetzung erschienen seine Texte in den Anthologien Syrien. Der schwierige Weg in die Freiheit (2012) und 2013 in Fremde Heimat. Texte aus dem Exil. 2014 wirkte Amer Matar mit Al-Schari am „Syria Mobile Phone Festival“ mit.

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Amer Matar Syria The Syrian journalist and human rights activist Amer Matar was born in Raqqa in 1987 and studied journalism in Damascus. He co-founded the organization Al-Schari (The Street), which fought for freedom of the press and its development. Already in 2010, Al-Schari began to document the Syrian Uprising on film. The program was broadcast on Al-Jazeera, Al-Arabiya and France24. Since 2002 he has been working as a journalist for numerous Syrian and Arabic newspapers. He was a correspondent for Al-Arabiya, wrote NORTHERN articles forSUDAN the feature pages of the Lebanese newspaper Annahar, forbidden in Syria, and was a cultural correspondent for the newspaper Al-Hayat in Damascus. He has been interested in the relationship between art and the uprising movement in Syria, which he, in the beginning, was still able to call a peaceful revolution. The documentary film Azadi (2011) which was developed within the framework of Al-Schari follows the daily events of the Syrian Uprising in the Kurdish region of northern Syria. It won distinctions at the Rotterdam Film Festival. As co-director, Amer Matar was involved in the making of the documentary Smuggling 23 Minutes of Revolution (2011). In addition to this, he was also an organizer of SOUTHERN the Street Festival, which celebrated the first anniversary of the Syrian Uprising. In 2011, he was twice SUDAN arrested by the Syrian secret police because of his journalistic work; he was interrogated and tortured. He was accused of spreading false news and thereby undermining national morale. With the help of the Heinrich Böll Foundation, he was able to flee Syria in 2012. Since October 2012, he has been a recipient of the PEN Writers in Exile fellowship. In his texts, he deals with the latest incidents in Syria and poignantly reflects on what it’s like being an exiled journalist. His texts have been translated into German in two anthologies: Syrien. Der schwierige Weg in die Freiheit (Syria. The Hard Road to Freedom, 2012) and Fremde Heimat. Texte aus dem Exil (Foreign Homeland. Texts from Exile, 2013). In 2014, Amer Matar worked with Al-Schari at the “Syrian Mobile Phone Festival“.

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Cosmos Akoete Eglo Togo Cosmos Eglo Akoete wurde 1963 in Lomé, der Hauptstadt Togos, geboren. Er ist Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist. Im Zuge einer Hausdurchsuchung vernichteten Soldaten 1992 sein Manuskript zu einem Langgedicht. Er selbst wurde verhaftet, stundenlang verhört, gefoltert und schließlich gezwungen zu schwören, dass er nie wieder etwas Politisches schreiben werde. Als er 1996 auf einer Kundgebung in Lomé mitteilte, einen Roman zu schreiben, in dem er sich kritisch mit dem System in Togo auseinandersetzen wolle, wurde der Druck verschärft. So blieb ihm nur die Flucht ins benachbarte Ghana. Auch dort war er politisch aktiv, gründete ein Amnesty-International-Büro in Hohoe und eine NGO, die sich für das Verbot der rituellen Versklavung junger Mädchen einsetzt. Da die Regierungen Ghanas und Togos freundschaftliche Beziehungen miteinander pflegen, darf ein in Togo Verfolgter in Ghana schwerlich auf Hilfe hoffen. Als Cosmos Eglo Akoete 2003 um Asyl bat, blieb sein Antrag fünf Jahre „unauffindbar“ und als er ihn 2008 erneut stellte, empfahl man ihm, doch einfach mit dem Schreiben aufzuhören, dann könne er getrost nach Togo zurückkehren. Deshalb blieb er weiterhin ohne Pass und Flüchtlingsstatus. Nachdem der PEN im März 2010 seinen Antrag auf ein Writers-in-Exile-Stipendium positiv beschied, wurde er in Ghana noch stärker drangsaliert, und auch die deutschen Behörden wiesen ihn zunächst aufgrund des fehlenden Passes ab. So dauerte es zwei Jahre, bis er sein Stipendium antreten konnte. Von April 2012 bis April 2013 war er Stipendiat des Writers-in-Exile-Programms des PEN.

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Cosmos Akoete Eglo Togo Cosmos Eglo Akoete was born on 6 March 1963 in LomĂŠ, the capital of Togo. He is a writer and human rights activist. While his house was being searched in 1992, soldiers destroyed his manuscript of an epic poem. He was arrested, interrogated, tortured for hours, and finally forced to swear that he would never write anything political again. In 1996, when he announced at a rally in LomĂŠ that he would write a novel in which he wanted to deal critically with the system in Togo, the pressure was intensified. The only remaining option was to flee to the neighboring state of Ghana. There, too, he was politically active; he founded an Amnesty International office in Hohoe and an NGO which campaigns to ban the ritual enslavement of young girls. As the governments of Ghana and Togo cultivate friendly relations with each other, someone who is persecuted in Togo can have little hope for help in Ghana. When Cosmos Eglo Akoete asked for asylum in 2003, his application was "lost" for five years, and when he re-submitted it in 2008, he was advised to simply stop writing, if he ,wanted to return safely to Togo. Thus, he was left without a passport and without refugee status. After PEN approved his application for a Writers in Exile grant in March 2010, he was harassed in Ghana even more, and the German authorities were hesitant to support him at first, because he lacked a passport. It took two years, before he could actually accept the fellowship. From April 2012 to April 2013, he was finally able to participate in the PEN Writers in Exile Program.

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CZECH REPUBLIC

„Wenn die Akazie im Mai anfängt zu blühen, und der Duft sich langsam in der Luft ver­ breitet, fast unbemerkbar, leise und scheu, irgendwo in Wien, oder Berlin, oder Mailand, irgendwo, wo der Mai dich gerade erwischt hat, und du gehst diesem Duft nach, versuchst ihn einzuatmen, festzuhalten, den Baum zu finden, der ihn verbreitet, findest ihn nicht, vielleicht weil du es dir alles eingebildet hast, vielleicht weil du weißt, im Mai ist es so weit, im Mai blüht der Akazienbaum dort, unter deinem Balkon, dort, wo er immer, nach wie vor blüht, der Akazienbaum, wie damals. Das ist es vielleicht, was man Exil nennt. Der Akazienbaum in Grozny, der blüht, und der Duft kommt bis nach Wien, Berlin oder Mailand, dorthin, wo dich der Mai gerade erwischt hat.“ Maynat Kurbanova (Tschetschenien)

“When the acacia begins to bloom in May, and the scent slowly fills the air, barely noticeable, quietly, shyly—somewhere in Vienna or Berlin, or Milan, where May has just reached you, caught you off guard—you follow the scent and try to breathe it in, hold it, find the tree from which it stems; but you can’t locate it, because maybe you’ve imagined it all—maybe because you know it’s May and the time has come, May is when the acacia blooms there, under your balcony, where the acacia always keeps on blossoming, like before. Perhaps this is what you could call exile. The acacia tree in Grozny that blooms and its scent reaches Vienna, Berlin or Milan, wherever May has caught up with you.” Maynat Kurbanova (Chechnya)

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CHECHNYA


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Adam Guzuev Tschetschenien Adam Guzuev wurde 1970 in Tschetschenien geboren. Er entstammt einer dort bekannten Theaterfamilie, sein Onkel, der während eines Feuergefechts im Tschetschenienkrieg getötet wurde, war Vorsitzender des tschetschenischen Rundfunkkomitees. Nach dem Studium der Philologie arbeitete Guzuev als Regisseur und Drehbuchautor beim staatlichen tschetschenischen Fernsehen, schrieb Stücke für das Staatstheater in Grosny und Gedichte, die in tschetschenischen Literaturzeitschriften veröffentlicht wurden. Aufgrund seiner Filme über Kriegsverbrechen während des Tschetschenienkonflikts stand er in seiner Heimat unter großem Druck; er durfte nicht publizieren, musste immer wieder untertauchen und lebte die letzte Zeit vor Antritt seines Stipendiums versteckt in Tschetschenien. Im November 2010 kam Adam Guzuev nach Deutschland und war bis Oktober 2013 Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Hier schreibt er Szenarien, Gedichte und Erzählungen und arbeitet daran, sich seinen Traum zu erfüllen, eines Tages mit einem eigenen Beitrag auf der Berlinale vertreten zu sein. Nach Ende des Stipendiums wohnt Adam Guzuev weiterhin in Berlin.

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Adam Guzuev Chechnya Adam Guzuev was born in 1970 in Chechnya. He comes from a family of theater celebrities. His uncle, who was killed during a firefight in the Chechen war, was chairman of the Chechen broadcasting committee. After studying philology, Guzuev worked as a director and scriptwriter for Chechen state television, wrote pieces for the State Theater in Grozny and poems that were published in Chechen literary magazines. Because of his films about war crimes committed during the Chechen conflict, he faced immense pressure in his homeland. He could not be published and was forced to go into hiding in Chechnya, until he could assume his fellowship. In November 2010, Adam Guzuev came to Germany and was a grant recipient of the PEN Writers in Exile Program till October 2013. During this time, he wrote screenplays, poems and stories working to fulfill his dream of one day seeing his own movie make it to the Berlinale Film Festival. Adam Guzuev continues to live in Berlin.

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Maynat Kurbanova Tschetschenien Maynat Kurbanova wurde 1974 in Grosny geboren. Sie absolvierte die Fakultät für Journalistik an der Tschetschenischen Staatlichen Universität und arbeitete ab 1991 für verschiedene russische Massenmedien. Seit Anfang des zweiten Tschetschenienkrieges war sie als Korrespondentin der Moskauer Zeitung Nowaja Gazeta und für die Radiostation Swoboda im Nordkaukasus, auch in Tschetschenien, tätig. In ihren Reportagen berichtete sie über die Kriegsereignisse, über die unrühmlichen Taten des Militärs und über die Gewalt in der Tschetschenischen Republik. Sie sammelte dabei viele Dokumente über die tatsächliche Lage in dieser Region. Durch die Zusammenarbeit mit der Informationsagentur Francepresse wurden ihre Artikel unter dem Namen Mainat Abdulajewa in deutschen Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. 2003 wurde sie für den Andrej-Sacharow-Preis „Journalistik als Tat“ nominiert. Nach mehreren Drohungen gegen ihre Person verließ sie Russland und war seit November 2004 Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Programm im August 2007 nahm die Stadt Darmstadt Maynat Kurbanova für weitere drei Jahre als Elsbeth-WolffheimStipendiatin auf. 2009 bekam sie den RADIO Journal Rundfunkpreis und 2011 den Sonderpreis Edition Exil „Schreiben zwischen den Kulturen“. Ihre Essays und Erzählungen wurden in Jahrbüchern und Anthologien veröffentlicht. Inzwischen lebt Maynat Kurbanova in Wien und wird von der Interessensgemeinschaft Österreichischer Autorinnen und Autoren als Stipendiatin gefördert. Aktuell studiert sie Islamwissenschaft mit Schwerpunkt Islamische Religionspädagogik.

88 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Maynat Kurbanova Chechnya Maynat Kurbanova was born in 1974 in Grozny. She graduated from the Department of Journalism at the Chechen State University and worked from 1991 for various Russian mass media. Since the beginning of the Second Chechen War, she was a correspondent for the Moscow newspaper Novaya Gazeta and for the radio station Svoboda in the North Caucasus, and also in Chechnya. She gave accounts of the war, described the infamous deeds of the military and provided details of violence in the Chechen Republic. She compiled numerous documents about actual events in this region. By collaborating with the Information Agency France Presse, she was able to publish her articles under the pseudonym Mainat Abdulajewa in German newspapers such as the Frankfurter Allgemeine Zeitung and Süddeutsche Zeitung. In 2003, she was nominated for the Andrei Sakharov Prize “Journalism as an Act”. After several death threats, she left Russia and joined the German PEN Writers in Exile Program in November 2004. After leaving the program in August 2007, Maynat Kurbanova was awarded a three-year Elsbeth Wolffheim grant by the City of Darmstadt. In 2009, she received the RADIO Journal Prize for broadcasting and in 2011 the Special Prize of Edition Exil “Writing between Cultures”. Her essays and short stories have been published in almanacs and anthologies. Now she lives in Vienna, supported by a grant of the Alliance of Austrian Authors (IG Autoren). Currently, she is working on a degree in Islamic Studies, focusing on Islamic religious education.

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„Vielleicht liegt es an meinen beduinischen Wurzeln, dass ich mich immer über die Balkone freue, der einzige Ort, dank dem ich es aushalten kann, in einem Haus zu leben. Für mich ist Zuhause nicht durch Wände begrenzt. Mein Zuhause hat keine Grenzen, mein Zuhause ist immer bei mir, in meiner Tasche, meinem Herzen, in meinen Worten - ein Lied hat keine Grenzen.... Ich liebe Freiheit und Menschlichkeit, weshalb ich ein großes Zuhause ausgewählt habe, mein Land ist, wo die Menschen frei und friedlich und in Liebe und ohne Hass und Brutalität leben können. Aber trotz meiner großen Liebe zur Freiheit habe ich nie aufgehört, an den Garten meiner Mutter zu denken, wo sie in meinem Herzen Blumen eingepflanzt und ein magisches Zuhause der Träume geschaffen hat.“ Najet Adouani (Tunesien)

“Maybe because of my Bedouin roots I find myself always delighted by balconies, the only place I feel truly comfortable in a house. For me home is not limited to walls, my home has no borders, my home is always with me in my bag, in my heart, in my words—a song that has no limits…. I love freedom and humanity—that is why I chose a vast home, my country is where people can live freely in peace and love beyond hatred and bestiality... But despite my great love of freedom I have never stopped thinking of my mother’s garden where she raised flowers in my heart and built a magic home of dreams.” Najet Adouani (Tunisia)

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Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Najet Adouani Tunesien Die tunesische Dichterin, Schriftstellerin und Journalistin Najet Adouani ist eine kritische Autorin, die sich für Freiheit, Frieden und die Rechte von Frauen einsetzt. Sie wurde 1956 im Süden Tunesiens geboren und begann bereits als Kind zu schreiben. Frühe Erfahrungen mit der Gewalt des totalitären, tunesischen Regimes prägten sie und politisierten ihre Arbeit. Sie studierte Journalismus und schrieb während ihres Studiums für verschiedene oppositionelle Zeitungen. Ihre journalistische Arbeit brachte sie immer wieder in Schwierigkeiten und führte dazu, dass sie auf die „Schwarze Liste“ gesetzt wurde. Auch nach der tunesischen Revolution kämpfte sie weiter für Meinungsfreiheit und die Rechte von Frauen, schrieb für verschiedene Zeitungen und ein Radiomagazin. Sie wurde wiederholt bedroht und gezwungen, ihre Arbeit für das Radio einzustellen. Sie durfte nicht mehr veröffentlichen und musste all ihre schriftstellerischen Tätigkeiten aufgeben. Trotzdem wurden Najet Adouani und ihre Familie weiterhin unter Druck gesetzt. Im Oktober 2012 floh sie deshalb ins Exil nach Deutschland, musste allerdings ihre drei erwachsenen Söhne zurücklassen. Sie fand zunächst Aufnahme im Friedl-Dicker-Stipendium des Vereins der Stadt Weimar – Stadt der Zuflucht. Seit April 2013 ist sie Gast des Writers-in-Exile-Programms des PEN-Zentrums Deutschland. Najet Adouani veröffentlichte sechs Lyrikbände und eine Sammlung von Kurzgeschichten auf Arabisch, weitere 15 Manuskripte warten auf Veröffentlichung. Ihre Gedichte wurden ins Englische, Französische, Spanische und Hindi übersetzt. Sie nahm an zahlreichen arabischen und internationalen Lyrikfestivals teil und ist seit 1982 Mitglied der tunesischen Schriftstellervereinigung. 2010 gewann sie den Feminine Poetry Prize. Fünf ihrer Gedichte erschienen in der vom PEN-Zentrum herausgegebenen Anthologie Fremde Heimat – Texte aus dem Exil erstmals in deutscher Übersetzung. Ihre Gedichte setzen sich auf sehr persönliche Weise mit Trauer, Verlust und Gewalterfahrungen auseinander.

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Najet Adouani Tunisia The Tunisian poet, writer and journalist Najet Adouani is a critic and author who actively supports freedom, peace and women’s rights. She was born in southern Tunisia in 1956 and began to write as a child. She was influenced by her early experiences of a violent totalitarian Tunisian regime, which determined the political nature of her subsequent work. While getting her degree in journalism, she wrote for diverse oppositional newspapers. Her work as a reporter kept getting her into hot water, again and again. Soon she was blacklisted. Even after the Tunisian Revolution she still fought for freedom of expression and women’s rights. She wrote for various papers and a radio program. Continually, she was threatened and forced to stop her work for the radio. She was not allowed to publish and had to drop all her writing projects. Still, Najet Adouani and her family were persecuted. In October 2012, she fled to Germany. Unfortunately, she could not take her three adult sons into exile with her. At first she found refuge in Weimar, thanks to a Friedl Dicker fellowship of the City. Since April 2013, she has been involved in the Writers in Exile-Program of the German PEN Center. Najet Adouani has released six volumes of poetry and a collection of short stories in Arabic; 15 more of her manuscripts await publication. Her poems have been translated into English, French, Spanish and Hindi. She has taken part in numerous Arab and international poetry festivals and has been a member of the Tunisian Writers’ Association since 1982. In 2010, she won the Feminine Poetry Prize. Five of her poems have appeared for the first time in German translation in the PEN Center anthology Fremde Heimat – Texte aus dem Exil (Foreign Homeland – Texts from Exile). Her poems deal, in a very personal way, with bereavement, loss and violent experiences.

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Sihem Bensedrine Tunesien Sihem Bensedrine wurde 1950 in Tunis geboren. Ende der 70er Jahre begann sie sich für die Menschenrechte zu engagieren, Anfang der 80er Jahre gehörte sie zu den führenden Persönlichkeiten der tunesischen Frauenbewegung. Von 1985 bis 1994 war sie Vorstandsmitglied der Tunesischen Liga für Menschenrechte. Ende der 90er Jahre gründete sie gemeinsam mit anderen Menschenrechtlern den Nationalen Rat für die Freiheit in Tunesien. Als Galionsfigur des Widerstands gegen die Diktatur Ben Alis war sie vielfältigen Repressionen ausgesetzt. 2001 wurde sie nach Publikationen über Korruption und Folter inhaftiert. 2002 erhielt sie den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit. Nach einem Gaststipendium der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte lebte sie von Januar 2006 bis Dezember 2007 als Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms des PEN in Hamburg. Sie ist Herausgeberin der Online-Zeitung Kalimatunisie (Das Wort Tunesiens), hält Vorträge vor dem EU-Parlament, hilft bei der Ausbildung von Journalisten im Irak und schreibt Bücher über Europa, Tunesien und Irak. 2005 erschien auf Deutsch das gemeinsam mit ihrem Mann verfasste Buch Despoten vor Europas Haustür. Warum der Sicherheitswahn den Extremismus schürt. Nach ihrem Aufenthalt in Hamburg erhielt sie ein Writers-in-Exile-Stipendium der Stadt Graz und lebte dann ab Februar 2010 in Barcelona. Nach der Tunesischen Revolution Anfang 2011 verließ sie ihr Exil und kehrte nach Tunesien zurück, um dort beim Aufbau eines demokratischen Staates mitzuwirken. Im Herbst 2011 erhielt sie den Ibn Rushd Preis für freies Denken, der für Verdienste um die Demokratie und Meinungsfreiheit in der islamischen Welt vergeben wird. Im Februar 2012 erschien im Leykam Verlag ihr neues Buch Der USB-Stick – eine Dokumentation ihrer Reisen, Aktivitäten, Vorwürfe, Ängste und Hoffnungen.

94 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Sihem Bensedrine Tunisia Sihem Bensedrine was born in 1950 in Tunis. At the end of the 1970s, she became active in the fight for human rights, by the early 1980s she had become a prominent figure in the Tunisian feminist movement. From 1985 to 1994, she served as a board member of the Tunisian League for Human Rights. Together with other human rights activists, she founded the National Council for Freedom in Tunisia in the late 1990s. As a figurehead of the resistance against the dictatorship of Ben Ali, she had to endure many forms of repression. In 2001, she published texts on corruption and torture; this led to her arrest. In 2002, she was awarded the Johann Philipp Palm Prize for freedom of speech and press. After a visiting fellowship from the Hamburg Foundation for the Politically Persecuted, she continued to live in Hamburg from January 2006 to December 2007 on a grant from the PEN Writers in Exile Program. She is the editor of the online newspaper Kalimatunisie (The Word of Tunisia), gives speeches at the European Parliament, facilitates the training of journalists in Iraq and writes books about Europe, Tunisia and Iraq. In 2005, she co-authored a book with her husband which was published in German as Despoten vor Europas Haustür: Warum der Sicherheitswahn den Extremismus schürt (Despots at Europe’s doorstep: Why the obsession with security fuels extremism). She left Hamburg, when she received a Writers in Exile scholarship from the city of Graz, Austria, moving to Barcelona in February 2010. After the Tunisian Revolution in early 2011, she returned home from exile to participate in the building a democratic state. In the fall of 2011, she won the Ibn Rushd Prize for Freedom of Thought, which is awarded for contributions to democracy and freedom in the Islamic world. In February 2012, Leykam Publishers released her new book The USB flash drive—a documentary of her travels, activities, complaints, fears and hopes.

Writers in Exile | 95


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„Heimat bedeutet meine Kindheit und nicht ein heiliges Stück Land, für das man freiwillig stirbt und das zwischen sinnlose und künstliche Grenzen eingeengt ist. Im Sommer eine glühende Hitze, ein Ayran mit Eiswürfeln, bis mitternachts Spiele mit Jubel und Geschrei, bei denen man hinfällt und sich die Knie verletzt… Im Winter das Abenteuer auf dem Schulweg mit Schneehöhen weit über unserer Körpergröße, Rutschbahn, Schneebälle, der Kampf um einen Platz am Ofen, um unsere vor Kälte schmerzenden Hände wieder aufzuwärmen… In der Ferne habe ich immer das Gefühl, dass mir etwas fehlt; ganz gleich, was ich mache, immer das Gefühl einer Unzulänglichkeit…Wo ist die Hand zum Festhalten? Der Schoß zum Kuscheln ist wie die Heimat. Und wo ist insbesondere die Menschenwärme?“ Fethiye Cetin (Türkei)

“Home evokes my childhood and not a holy piece of land one is eager to die for and that is confined between senseless and artificial borders. In the summer—a blazing sun, an ayran (yogurt drink) with ice cubes, games of cheering and yelling till midnight and falling down, scraping your knees… In the winter adventures on the way home from school, the snow higher than us, sledging, snow balls, fighting for a place at the stove to warm our hands aching from the cold… From a distance I always sense that something is missing: no matter what I do, always this unsatisfactory feeling… home is like a hand to hold, a lap for cuddling—and above all human warmth.” Fethiye Cetin (Turkey) 96 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


CHECHNYA

NORTHERN SUDAN


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Fethiye Çetin Türkei Fethiye Çetin wurde 1948 in der Türkei geboren. Sie wuchs in Maden in der Provinz Elazig im Osten der Türkei auf und studierte an der Universität Ankara Rechtswissenschaften. Nach dem Militärputsch von 1980 wurde sie verhaftet und nach dem berüchtigten § 141 (Verletzung des Nationalgefühls) zu drei Jahren Haft verurteilt. 1991 wurde dieser Paragraph abgeschafft, das Urteil wurde aufgehoben. Als Rechtsanwältin und Aktivistin ist Fethiye Çetin seit dreißig Jahren eine engagierte Anwältin der Menschenrechte, der Rechte von Minderheiten sowie des Rechts auf freie Meinungsäußerung. So war sie auch Verteidigerin des bekannten armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink, der am 19. Januar 2007 auf offener Straße ermordet wurde – das PEN-Zentrum Deutschland ehrte die von ihm herausgegebene Zeitschrift AGOS 2007 mit dem Hermann-Kesten-Preis. Seit Dinks Tod ist sie die Hauptverteidigerin im Verfahren um seine Ermordung, außerdem vertritt sie Dinks Familie und die Zeitschrift AGOS auch weiterhin vor den türkischen Gerichten und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und ist Justitiarin der Hrant Dink Stiftung. Fethiye Çetin ist überdies Verfasserin zweier Bücher über die Islamisierung der Armenier und ein häufiger Gast sowohl in Fernseh-Talkshows innerhalb und außerhalb der Türkei als auch auf vielen Konferenzen und eine gefragte Interviewpartnerin für die nationale und internationale Presse. In der Öffentlichkeit ist sie gewissermaßen das Gesicht des Prozesses um die Ermordung Hrant Dinks. Das macht sie zum Hassobjekt für jene ultranationalistischen Kräfte, die diesen Mord in Auftrag gaben. Sie erhielt zahllose Morddrohungen und stand seit Herbst 2011 in der Türkei unter massivem Polizeischutz. Dennoch haben ihre Freunde ihr geraten, angesichts der zunehmenden Gefährdung ihres Lebens zumindest für einige Zeit ins Ausland zu gehen. Von Februar 2012 bis Januar 2013 war sie Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms des PEN und lebte in Berlin. Im Anschluss kehrte sie zurück in die Türkei.

98 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Fethiye Çetin Turkey Fethiye Çetin was born in 1948 in Turkey. She grew up in Maden in the province of Elazig in eastern Turkey and studied law at the University of Ankara. After the military coup of 1980, she was arrested and convicted according to the infamous Article 141 (violation of national honor) and sentenced to three years in prison. In 1991 this Article was revoked and the sentence was reversed. As a lawyer and activist, for thirty years, Fethiye Çetin was a committed advocate of human rights, minority rights and the right to free speech. She was also a known defender of the Armenian-Turkish journalist Hrant Dink, who was murdered in broad daylight on 19 January 2007 (in 2007, German PEN honored the magazine AGOS he edited with the Hermann Kesten Prize). Since Dink’s death, she has been the main defender in his murder trial. Furthermore, she also continues to represent Dink’s family and the magazine AGOS before the Turkish courts and before the European Court of Human Rights and is the Legal Officer of the Hrant Dink Foundation. Fethiye Çetin is also author of two books about the Islamization of Armenians and a frequent guest on television talk shows both in Turkey and abroad. She attends many conferences and meetings and is often asked to give interviews in the national and international press. In public, she is, in a sense, the face of the trial of Hrant Dink’s murder. She is also an object of hate for those ultra-nationalist forces responsible for the murder. She has received countless death threats and has been under massive police protection in Turkey since the fall of 2011. Her friends advised her to go abroad, at least for some time, given the increasing risk to her life. From February 2012 – January 2013, she was a fellow of the PEN Writers in Exile Program and lived in Berlin. Then she returned to Turkey.

Writers in Exile | 99


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Mehmet Selim Çürükkaya Türkei Mehmet Selim Çürükkaya wurde 1954 in einem Dorf unweit der anatolischen Stadt Bingöl geboren. Bis 1978 studierte er in Tunceli Pädagogik. Schon an der Hochschule engagierte er sich politisch und gehörte zu den Mitbegründern der Gruppierung Revolutionäre von Kurdistan, die später unter dem Namen PKK bekannt wurde. 1980 wurde er verhaftet und von einem Militärgericht zu 28 Jahren Haft verurteilt. Während er im Gefängnis von Diyarbakir einsaß, verfasste er einen umfangreichen Roman und ein Theaterstück. Nach seiner Freilassung 1991 flüchtete er nach Damaskus, wo er mit Abdullah Öcalan zusammentraf. Schon bald distanzierte er sich von den Machtstrukturen, die dieser innerhalb der PKK aufgebaut hatte, und geriet dadurch zwischen alle Fronten. Seine Ideen zur Reform der kurdischen Bewegung legte er in einem Buch nieder, dessen Originaltitel wörtlich übersetzt Die Verse von Apo lautete und mit dem er sich zum erklärten Feind der PKK machte. Er floh nach Beirut, doch auch dort fühlte er sich bedroht. Mit Unterstützung des deutschen PEN, der IG Medien, des UN-Sekretärs für den Libanon und des Roten Kreuzes gelang es ihm schließlich 1993 gemeinsam mit seiner Ehefrau Aysel nach Deutschland auszureisen. Hier begegnete er Günter Wallraff, der ihm half, sein Buch 1997 unter dem Titel PKK - Die Diktatur des Abdullah Öcalan im Verlag S. Fischer in Frankfurt am Main auf Deutsch herauszubringen. Von September 1999 bis August 2002 war Mehmet Selim Çürükkaya im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Heute ist er deutscher Staatsbürger und lebt mit seiner Familie in Hamburg. Von hier aus publiziert er weiterhin in der Türkei, unter anderem Romane und Essays. Außerdem drehte er den kurdischen Dokumentarfilm We Strane Beje (Sing das Lied). Sein Buch O Türküyü Söyle wird in Kürze unter dem Namen Sing that Song auf Englisch veröffentlicht. Bis heute ist seine Reisefreiheit eingeschränkt, so konnte er 2012 nicht nach Tunesien einreisen, da sein Name auf einer schwarzen Liste der türkischen Regierung stand. 2014 erfuhr Cürükkaya, dass seit 1999 ein immer noch gültiger Haftbefehl gegen ihn existiert, wonach er im Namen der PKK europaweite Organisationen gegründet, Veranstaltungen gegen den türkischen Staat organisiert, gewaltsam Geld eingetrieben und Propaganda gemacht haben soll. 100 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Mehmet Selim Çürükkaya Turkey Mehmet Selim Çürükkaya was born in 1954 in a village not far from the Anatolian city of Bingöl. Until 1978, he studied to be a teacher in Tunceli. Even at college, he was politically active and was one of the founders of the group Revolutionaries of Kurdistan, which later became known under the name PKK. In 1980, he was arrested and sentenced by a military court to 28 years in prison. While he was serving his jail term in Diyarbakir, he wrote a major novel and a play. After his release in 1991, he fled to Damascus, where he met with Abdullah Öcalan. Soon he distanced himself from the power structures that had built up within the PKK and came under attack, caught between the fronts. He set down his concept of a reform of the Kurdish movement in a book (the title literally meaning The Verses of Apo) making him the avowed enemy of the PKK. He fled to Beirut, but even there he felt threatened. With the support of PEN Germany, IG Medien, the UN Secretary for Lebanon and the Red Cross, he was finally in 1993 able to immigrate to Germany with his wife Aysel. Here he met Günter Wallraff, who helped him publish his book titled PKK – Die Diktatur des Abdullah Öcalan (PKK - The Dictatorship of Abdullah Öcalan) with S. Fischer in Frankfurt/Main in German in 1997. From September 1999 to August 2002, Mehmet Selim Çürükkaya took part in the PEN Writers in Exile Program. Today, he is a German citizen and lives with his family in Hamburg. From here, he continues to be published in Turkey, his works include novels and essays. He also shot the Kurdish documentary We Strane Beje (Sing that Song) and is currently working on a new novel. His book Türküyü Söyle is due to be published soon in English, titled Sing that Song. To this day, he faces travel restrictions; hence he could not visit Tunisia in 2012, since his name was blacklisted by the Turkish government. In 2014, Mehmet Selim Çürükkaya discovered that the 1999 warrant for his arrest was still valid; the claim was that he had founded organizations in the name of the PKK (Kurdistan Workers Party) throughout Europe, as well as organized events protesting against the Turkish government, collected money by coercion, and conducted propaganda campaigns.

Writers in Exile | 101


Foto: privat

Ahmet Kahraman Türkei Ahmet Kahraman wurde 1941 in Bingöl in der Türkei geboren. Sein Buch Bir Dönemin Türk Büyükleri (Große Türken unserer Zeit) brachte ihm Strafanzeigen von eben diesen „großen Türken“ ein – von zwei ehemaligen Notstands-Gouverneuren, einem früheren Geheimdienstchef, einem Ex-Armeechef und einem einstmals militanten Faschisten, dem die Verantwortung für zahlreiche politische Morde in der Türkei nachgesagt wird und den er an der Stimme erkannte, als der am Telefon Morddrohungen gegen ihn ausstieß. Nur knapp entging er einem Attentat. 1998 kam er nach Deutschland und wollte eigentlich nur kurz hier bleiben. Doch aus dem geplanten Kurzaufenthalt wurde für den türkisch-kurdischen Journalisten und Autor ein Exil, dessen Ende vorerst nicht abzusehen ist. Im September 1999 erhielt er ein Stipendium des Writers-in-ExileProgramms des PEN. Heute führt er den Dialog mit seinen Leserinnen und Lesern in der Türkei und im europäischen Ausland über das Internet. Von Ahmet Kahraman, dem das Schreiben seit jeher ein politisches und soziales Anliegen ist, sind in der Türkei bisher siebzehn Bücher erschienen, und manches seiner Manuskripte ist dort noch immer unveröffentlicht. Ende August 2002 schied er aus dem Writers-in-ExileProgramm aus. Ahmet Kahraman lebt weiterhin in Deutschland.

102 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Ahmet Kahraman Turkey Ahmet Kahraman was born in 1941 in Bingöl, Turkey. His book Bir Dönemin door Büyükleri (Great Turks of Our Times) earned him denunciations from those same “Great Turks”—two former emergency-governors, a former intelligence chief, a former army chief and a once-militant fascist, who is said to be responsible for numerous political killings in Turkey and whose voice Kahraman recognized on the telephone as death threats were uttered against him. He barely escaped an assassination attempt. In 1998, he moved to Germany and expected to stay here only briefly. But the Turkish-Kurdish journalist and author’s short stay became an exile with no end in sight. In September 1999, he received a grant from the German PEN Writers in Exile Program. Today, he continues the dialogue with his readers in Turkey and Europe via the Internet. Ahmet Kahraman, who always considered writing a political and social endeavor, has released seventeen books in Turkey so far, but many of his manuscripts remain unpublished. At the end of August 2002, he left the Writers in Exile Program. Ahmet Kahraman still lives in Germany.

Writers in Exile | 103


Foto: privat

Pinar Selek Türkei Pinar Selek wurde 1971 in Istanbul geboren. Sie besuchte dort das französische Gymnasium und studierte Soziologie an der Mimar Sinan University. Sie beteiligte sich an der Organisation verschiedener Aktionen der Frauenbewegung und gründete das feministische Netzwerk Amargi, für dessen Magazin sie als Heraus­ geberin tätig ist. In ihren publizistischen Arbeiten beschäftigt sie sich mit Themen wie der Friedens­ bewegung, der Ausgrenzung von Minderheiten sowie den Zusammenhängen zwischen Militarismus und der Entwicklung der Geschlechtsidentität. Ihre soziologische Studie zur Kurdenfrage war manchen Kreisen in der Türkei ein Dorn im Auge. Um sie aus dem Weg zu räumen wurde sie 1998 zu Unrecht beschuldigt einen Anschlag verübt zu haben. Sie kam für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis und wurde schwer gefoltert. Aus der Untersuchungshaft entlassen, verbrachte sie den größten Teil des über zwölf Jahre dauernden Verfahrens auf freiem Fuß und setzte ihre Arbeit fort. Schließlich wurde sie in drei aufeinanderfolgenden Verfahren freigesprochen. Ungeachtet dessen forderte die Staatsanwaltschaft weiterhin die Höchststrafe, „lebens­ länglich unter verschärften Bedingungen“. Seit dem Sommer 2009 lebte sie in Deutschland, von Dezember 2009 bis November 2011 war Pinar Selek Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Sie hat mehrere Sachbücher mit soziologischer Thematik geschrieben und zahllose Artikel in türkischen und kurdischen Zeitungen veröffentlicht. Im Frühjahr 2010 erschien ihr Buch Zum Mann gehätschelt - zum Mann gedrillt und im Dezember 2011 ihr erster Roman Halbierte Hoffnungen. Im Frühjahr 2014 gab das Gericht in Ankara der Berufung endlich statt und der Prozess wird nun noch einmal neu aufgerollt. Seit 2012 lebt Pinar Selek in Straßburg, wo sie kürzlich promovierte.

104 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Pinar Selek Turkey Pinar Selek was born in 1971 in Istanbul, attended a French high school there and studied sociology at the Mimar Sinan University. She helped to organize various protest events for the women’s movement and founded the feminist network Amargi (she is the publisher of its magazine). In her journalistic work, she examines the peace movement, the exclusion of minorities and the relationship between militarism and the development of gender identity. Her sociological study of the Kurdish question was a thorn in the side of some circles in Turkey. To make her less of a threat, in 1998 she was falsely accused of carrying out an attack. She went to prison for two and a half years and was severely tortured. Released from detention before trial, she spent the twelve years of the judicial procedures continuing her work. Eventually, she was acquitted in three consecutive trials. Nevertheless, the state prosecutor still called for the maximum ruling of “a life sentence under stringent conditions”. From the summer of 2009, Pinar Selek lived in Germany and from December 2009 to November 2011, she took part in the PEN Writers in Exile Program. She has written several non-fiction books on sociological issues and published numerous articles in Turkish and Kurdish newspapers and magazines. In the spring of 2010, she published her book Cuddled to Manhood – Drilled to Manhood, and in December 2011, she released her first novel Halved Hopes. In the spring of 2014, the court in Ankara finally accepted her appeal and the proceeding for a new trial are once again in motion. Pinar Selek currently lives in Strasbourg, where she recently obtained her doctorate.

Writers in Exile | 105


Foto: Simone Ahrend, sah-photo

Bui Thanh Hieu Vietnam Bui Thanh Hieu, geboren 1972 in Hanoi/Vietnam, ist einer der bekanntesten Blogger seines Landes. Unter dem Namen „Nguoi Buon Gio“ (Der Windhändler) schreibt er seit 2005 über die politische Entwicklung und gesellschaftliche Themen. 2006 wurde ihm aufgrund seiner Aktivitäten die Lizenz für sein Internetcafé in Hanoi entzogen. Seitdem ist er immer wieder Verhaftungen und Repressalien ausgesetzt. Obwohl die Regierung versucht, den Zugriff zu seinem Blog mit einer Firewall zu verhindern, wird das Blog von vielen Nutzern gelesen (bis zu 15.000 Personen besuchen die Seite täglich). In seinen Blogs dokumentiert er Menschenrechtsverletzungen anhand von Filmen, Fotos und kleinen Texten. 2011 organisierte er Protest­ aktionen vor Haftzentren zur Freilassung von Demonstranten, er betreute die Familien von politisch Verfolgten und vermittelte Rechtsanwälte in politischen Prozessen. Wegen seiner Aktivitäten wurde er mehrfach verhaftet und festgehalten, zuletzt im Januar 2013. Seine Notizen liegen in Auszügen auch in deutscher Sprache vor. In diesen schildert er auf teilweise überraschend humorvolle Weise den Alltag in der Untersuchungshaft. Auch seine Kurzgeschichten sind von Witz, Satire und Ironie getragen. Im Januar 2013 berichtete Bui Thanh Hieu in Vietnam über den Prozess gegen 14 Dissidenten und wurde daraufhin wieder einige Tage in Haft genommen. Auf Einladung der Stadt Weimar konnte er schließlich das Land verlassen. Dort arbeitete er an seinem Buch „Die wundersame Reise von Hanoi nach Weimar“. Seit Oktober 2013 ist er Stipendiat des Writers-in-Exile-Programms des PEN. Seit er sich in Deutschland aufhält, hat er zwei Bücher geschrieben, eines davon wird 2015 in den Niederlanden veröffentlicht.

106 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Bui Thanh Hieu Vietnam Bui Thanh Hieu, born in 1972 in Hanoi/Vietnam, is one of the best known bloggers in his country. He goes by the name “Nguoi Buon Gio“ (The Wind Dealer) and has been commenting on political development and social themes since 2005. Due to his activities, the license for his Internet café in Hanoi was revoked. Since then, he has been arrested repeatedly and subjected to reprisals. Even though the government tries to block access to his site with a firewall, his blog is read by many (up to 15,000 visitors per day). In his blogs he documents human rights violations through films, photos and short texts. In 2011, he organized a protest in front of the detention center to demand the release of demonstrators. He supported the families of those politically prosecuted and provided lawyers for political trials. Because of his commitment, he was arrested and detained on numerous occasions; the last time was in January 2013. Excerpts of his notes on his experience can also be read in German. Here he depicts, in a somewhat surprisingly humorous way, daily life in custody. His short stories are also full of wit, satire and irony. In January 2013, Bui Thanh Hieu reported in Vietnam on the trial against 14 dissidents and was arrested a few days later. Upon invitation of the city of Weimar, he could finally leave the country. There he worked on his book The Wondrous Journey from Hanoi to Weimar. In October 2013, he became a fellow of the Writers in Exile Program of PEN Germany. Since he has been living in Germany, he has written two books, one of which is due to be published in the Netherlands in 2015.

Writers in Exile | 107


Foto: Simone Ahrend, sah-photo

„Ein Leben im Exil ist voller Tristesse. Am Schlimmsten ist die Ferne der Familie, der Ehefrau und des geliebten Sohns. Andererseits bringt es einem im eigenen Land unterdrückten Schriftsteller große Vorteile, dass er das schreiben kann, wozu er Lust hat, an einem neuen Ort, wo Menschlichkeit und Freiheit herrschen. Wenn ich nicht im Exil wäre, würde ich jetzt in meiner Heimat im Gefängnis sitzen, fern der Familie und mir würde jegliche Form des Schreibens verwehrt bleiben. In einer Diktatur ist das Exil der Rettungsanker für literarisches Schaffen für Menschen wie mich. Dafür bin ich sehr dankbar, auch dafür, hier viele meiner Projekte realisieren zu können.“ Bui Thanh Hieu (Vietnam)

“A life in exile is full of sadness. The worst part is the distance to one’s family, wife, and beloved son. Otherwise it has great advantages for a writer who is persecuted in his own country to finally write what he pleases in a new place where humanity and freedom prevail. If I weren’t in exile, I’d be in prison now in my homeland, far from my family and I wouldn’t have any means of writing. In a dictatorship, exile is a lifesaver; it anchors the literary work of people like me. I am very thankful for that, also because here, I can continue my work and realize my projects.” Bui Thanh Hieu (Vietnam)

108 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


CZECH REPUBLIC

CHECHNYA

Writers in Exile | 109


Foto: Maria Kabakowa

Swetlana Alexijewitsch Weißrussland Swetlana Alexijewitsch wurde am 31. Mai 1948 in Iwano-Frankiwsk in der Ukraine geboren. Nach dem Journalistikstudium an der Universität Minsk arbeitete sie als Journalistin und als Lehrerin. Ihre Dokumentar­ prosa wurde in 28 Sprachen übersetzt, teilweise verfilmt und liegt einem Dutzend Theaterstücken zugrunde. Der gegenwärtige Zustand des zerfallenen, einst riesigen Reiches der Sowjetunion ist das Thema der meisten Veröffentlichungen. Wegen ihres 1983 erschienenen Buchs Der Krieg hat kein weibliches Gesicht über das Schicksal der rund eine Million Frauen, die im Zweiten Weltkrieg in der Roten Armee gekämpft haben und dafür nach der Rückkehr von der Front verachtet wurden, erhielt sie eine Anklage und verlor ihre Stellung bei der Zeitschrift Neman, wo sie seit 1976 tätig war. Für ihr Buch Zinkjungen (1989) wurde sie wegen „Verleumdung“ und „Besudelung der Soldatenehre“ angeklagt und stand deshalb zwischen 1992 und 1996 mehrfach vor Gericht. Der Buchtitel spielt auf die vielen gefallenen Soldaten an, die in Zinksärgen aus dem sowjetischen Afghanistan-Feldzug von 1979 bis 1985 heimgekehrt sind. Das Buch wurde in Weißrussland vom Markt genommen, das gleichnamige Theaterstück verboten. Seit dem Machtantritt von Präsident Lukaschenko 1994 können ihre Bücher in Weißrussland nicht mehr erscheinen. Für ihr erfolgreichstes Buch Tschernobyl – Eine Chronik der Zukunft (1997) erhielt sie 2006 den National Book Critics Circle. Swetlana Alexijewitsch war von April 2008 bis März 2010 im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Ihre Bücher wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2013. Sie lebt derzeit in Minsk und veröffentlichte 2013 ihren Roman Second Hand Zeit – Das Ende des roten Menschen.

110 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Svetlana Alexievich Belarus Svetlana Alexievich was born in Ivano-Frankivsk in the Ukraine in 1948. After studying journalism at the University of Minsk, she worked as a reporter and as a teacher. Her documentary prose has been published into 28 languages, was in part made into films and has inspired a dozen of her plays. The current state of the once enormous empire of the Soviet Union now crumbling is the subject of most of her publications. Because of her book The Unwomanly Face of the War (1983) on the fate of the approximately one million women who fought in the Red Army in the Second World War and who were held in contempt after their return from the front, she was also indicted and lost her position at the magazine Neman, where she had been working since 1976. For her book Zinky Boy (1989), she was accused of “defamation” and “desecration of the soldiers’ honor” and was therefore brought to court several times from 1992 - 1996. The book’s title alludes to the many fallen soldiers who had returned home in zinc coffins from the Soviet-Afghan campaign of 1979 - 1985. The book was taken off the market in Belarus and the play of the same title was banned. Since President Lukashenko’s rise to power in Belarus in 1994, her books are no longer permitted to be published. For her most successful book Voices from Chernobyl: The Oral History of a Nuclear Disaster (1997), she won the National Book Critics Circle Award in 2006. Svetlana Alexievich participated in the PEN Writers in Exile Program from April 2008 to March 2010. Her books have earned numerous international prizes, the most recent being the 2013 Peace Prize of the German Book Trade. She currently lives in Minsk. In 2013, she published her novel Second Hand Time - The End of the Red Man.

Writers in Exile | 111


Foto: Yulya Tsimafeyeva

Alhierd Bacharevič Weißrussland Alhierd Bacharevič wurde am 31. Januar 1975 in Minsk geboren. Er studierte weißrussische Philologie und Pädagogik an der Maxim-Tank-Hochschule und arbeitete anschließend als Lehrer und Journalist. Gedichte und Erzählungen wurden seit 1992 in kleineren Zeitschriften und Zeitungen publiziert, nicht aber in den wichtigen staatlichen weißrussischen Zeitungen. So war es für Bacharevič ein großer Erfolg, dass er mit seinem ersten Buch Praktyčny dapamožnik pa rujnavańni haradoū (Praktisches Hilfswerk zur Zerstörung der Städte) den einzigen unabhängigen belarussischen Literaturpreis Hliniany Viales für das beste Buch des Jahres 2002 gewinnen konnte. Sein zweiter Prosaband Naturalnaja afarboūka (Die natürliche Färbung) zählte nach einer Umfrage der Zeitung Naša niva zu den besten Büchern des Jahres 2003 in Weißrussland. 2006 konnte er sein Buch Nijakaj litaści Valancinie H. (Keine Gnade für Valentina H.) in einem unabhängigen Verlag veröffentlichen, 2007 erschien der Roman Praklatyja hości stalicy (Die verdammten Gäste der Hauptstadt). Auch seine anderen Bücher wurden in diesem Verlag publiziert. Einige Erzählungen und Gedichte sind ins Deutsche, ins Tschechische, Ukrainische, Polnische, Bulgarische und Slowenische übersetzt worden. Gemeinsam mit dem Goethe-Institut Minsk arbeitete er an der ersten Übersetzung von Hans Magnus Enzensberger ins Weißrussische, daneben übersetzte er moderne deutsche Lyrik sowie die Märchen der Gebrüder Grimm. Er ist Mitglied im oppositionellen Schriftstellerverband seines Heimatlandes. In Weißrussland unterlag er der Zensur und der Isolation. Nach einem Aufenthalt bei der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte war er von Februar 2008 bis Januar 2011 Writers-in-Exile-Stipendiat des PEN in Hamburg. Im Herbst 2010 erschien sein Buch Die Elster auf dem Galgen im Leipziger Literaturverlag. 2013 kehrte Alhierd Bacharevič zurück nach Minsk.

112 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Alhierd Baharevich Belarus Alhierd Bacharevič was born in Minsk in 1975. He studied philology and Belarusian pedagogy at the Maxim Tank School and then worked as a teacher and journalist. His poems and stories have been published since 1992 in small magazines and newspapers, but not in the important Belarusian national publications. So it was a great success for Bacharevič to win the only independent Belarusian Literature Prize Hliniany Viales for the Best Book of 2002 with his first collection of stories Praktychny dapamozhnik pa rujnavańni haradoū (Practical Tool for the Destruction of Cities). His second volume of prose Naturalnaja afarboūka (Natural Coloration), according to a survey of the newspaper Naša niva, was one of the best books of 2003 in Belarus. In 2006, an independent publishing house released his book Nijakaj litashchi Valancinie H. (No mercy for Valentina H.). In 2007, the novel Praklatiya hochchi stalicy (The Damned Guests of the Capital) was available in print. His other books also had the same publisher. Some stories and poems have been translated into German, Czech, Ukrainian, Polish, Bulgarian and Slovenian. Together with the Goethe Institute Minsk, he worked on the first translation of Hans Magnus Enzensberger into Belarusian, and also translated modern German poetry and fairy tales by the Brothers Grimm. He is a member of the oppositional Writers’ Association in his homeland. There he was subject to censorship and isolation. After being supported by the Hamburg Foundation for the Politically Persecuted, he was the recipient of a PEN Writers in Exile grant from February 2008 to January 2011 in Hamburg. In the fall of 2010, his book Die Elster auf dem Galgen (The Magpie on the Gallows) was published by Leipzig Literaturverlag. Alhierd Bacharevič returned to Minsk in 2013.

Writers in Exile | 113


PEN-Zentrum Deutschland Die internationale Schriftstellervereinigung PEN (Poets, Essayists, Novelists) ist seit vielen Jahrzehnten als wichtige Stimme der verfolgten und unterdr端ckten Schriftsteller in aller Welt und als Anwalt des freien Wortes aktiv. Der Internationale PEN ist beratend f端r die Vereinten Nationen und die UNESCO t辰tig. Weltweit ist der PEN in 端ber 140 Zentren organisiert. Eines davon ist das PEN-Zentrum Deutschland. www.pen-deutschland.de

114 | Stipendiatinnen & Stipendiaten


Der PEN-Förder- und Freundeskreis Seit langem existiert ein Freundeskreis des PEN, in dem sich engagierte Privatpersonen und Organisationen aus Kultur, Politik und Wirtschaft zusammengefunden haben, um die Arbeit des PEN, insbesondere des Writers-in-Prison-Programms, zu unterstützen und zu fördern. Es ist den zahlreichen privaten Geldgebern sowie spendenden Unternehmen zu verdanken, dass in Bedrängnis geratene Schriftstellerinnen und Schriftsteller finanziell unterstützt werden können, z.B. durch Sicher­ stellung der Grundversorgung ihrer Familien. Vieles von dem, was gegeben wird, fließt als Anerkennung und Freundschaft zurück.

Wer kann Mitglied werden? Jede(r) hat die Möglichkeit, dem Förder- und Freundeskreis beizutreten und durch seinen Beitrag den PEN bei der Erfüllung seiner zahlreichen Aufgaben und Unternehmungen zu unterstützen. Freunde und Förderer im PEN können engagierte Privatpersonen, wie auch Institutionen, Stiftungen, Bibliotheken, Buchhandlungen, Verbände, Organisationen, Städte und Gemeinden sein. Die Mitglieder des Freundeskreises unterschreiben ebenfalls die Charta des PEN und erwerben damit – mit Ausnahme des Stimm- und Wahlrechts auf den Jahresversammlungen – alle Rechte eines PEN-Mitglieds. (www.pen-deutschland.de/de/pen-zentrum-deutschland/die-charta-des-internationalen-pen/ )

Welche Vorteile hat der PEN Förder- und Freundeskreis für seine Mitglieder? • Aktuelle Informationen durch Rundbriefe, Newsletter • Teilnahme an den Jahrestagungen • Veranstaltungen, Workshops und Lesungen auf regionaler Ebene • Eintrag im PEN-Autorenlexikon

Spenden an PEN Spendenkonto: Sparkasse Darmstadt IBAN: DE03 5085 0150 0000 7301 14 BIC: HELADEF1DAS

Writers in Exile | 115


Foto: © Jürgen Bauer

„Der PEN wurde gegründet, als die Nationalismen und der Rassenwahn Europa zerstörten. Sein weltweites Engagement für die Freiheit des Wortes und die Völker­ ver­ständigung hat seither zahlreichen Schriftstellern und Intellektuellen Rückhalt gegeben und sie manchmal vor dem Schlimmsten bewahrt. Unter allen PEN-Zentren der Welt nimmt das deutsche PEN-Zentrum eine Vorreiterrolle ein, wenn es darum geht, verfolgten Autoren eine erste sichere Bleibe zu vermitteln. Sie können uns dabei unterstützen.“ Ihr Josef Haslinger Präsident

Ehrenpräsidenten: Günter Grass, Christoph Hein Präsident: Josef Haslinger Generalsekretärin: Regula Venske Schatzmeister: Matthias Biskupek Vizepräsidenten: Sascha Feuchert (Writers in Prison) Franziska Sperr (Writers in Exile) Beisitzer: Sabine Kebir | Tanja Kinkel | Heinrich Peuckmann Thomas Rothschild | Hans Thill Justitiar: Klaus Uebe Geschäftsführerin: Claudia C. Krauße Gestaltung: Christine Kummer, kummerdesign.de

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PLZ, Ort

Straße

Name, Vorname

Absender:

Kasinostr. 3 64293 Darmstadt

PEN-Zentrum Deutschland

für Ihr Engagement!

Danke


Ja, ich will mich für den PEN einsetzen und erkläre hiermit meinen Beitritt zum Förder- und Freundeskreis des PEN-Zentrums Deutschland. Bitte schicken Sie mir die entsprechenden Unterlagen und weitere Informationen zu. Herr F rau Organisation/Firma Name, Vorname: Straße, Hausnummer: PLZ, Wohnort: Land: Telefon: E-Mail: Beitrittsdatum:

Datum, Unterschrift:

Organisationen, Vereine, Firmen

Studenten

Privatpersonen (Selbsteinschätzung des Beitrags, auf Antrag)

Privatpersonen

€ 300,-

€ 25,-

€ 120,-

Ich/Wir zahle/n folgenden Jahresbeitrag:

Ich unterstütze den PEN mit einem höheren Beitrag von jährlich

Schicken Sie mir bitte eine steuerwirksame Spendenquittung zu.

Spendenkonto: Sparkasse Darmstadt IBAN: DE03 5085 0150 0000 7301 14 | BIC: HELADEF1DAS

Ihre persönlichen Daten werden ausschließlich für Vereinszwecke elektronisch erfasst. Eine Weitergabe an Dritte findet nicht statt.



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PEN-ZENTRUM DEUTSCHLAND Kasinostr. 3 64293 Darmstadt Tel. 061 51/2 31 20 Fax 061 51/29 34 14 info@pen-deutschland.de www.pen-deutschland.de


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