Ran an die Pflege - Bildung und Profil

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Impuls

Die Kraft des Glaubens trägt

Diakonische Unternehmenskultur

Christliche Tradition findet sich in den Perspektiven von Menschenbild und Ethik wieder.  Ist das Diakonische tendenziell nur schmückende Dekoration der  der Arbeit  Arbeit am Menschen?

Als die Diakonie laufen lernte, im 19. Jahrhundert, brachte die Not der Menschen in den Umwälzungen der industriellen Revolution glaubende Menschen zu einer tätigen Antwort.  Der christliche Glaube drängte aus den Kirchenmauern hinaus zu konkreter Hilfe. Schwesternschaften und Bruderschaften, V   ereine und  Anstalten entstanden und engagierten sich in Krankenpflege, Kindererziehung und Fürsorge in sozialen Notlagen. Ein reiches geistliches Leben mit  Andachten, Gottesdiensten, Rüstzeiten, Einsegnungen und Bibellese begleitete die  Arbeit und sorgte dafür, dass die glaubensmäßige Motivation stabil blieb. Im Lauf des 20. Jahrhunderts traten Fragen der religiösenVergewisserung hinter fachliche Qualifikation und berufsspezifische Standards in den helfenden Berufen zurück. Die pflegerische Ausbildung wurde durch Pflegewissenschaften unterstützt. Parallel dazu kam in den letzten Jahrzehnten die Frage nach dem diakonischen Profil auf. In der bruder- und schwesternschaftlichen Tradition identifizierten sich die Gemeinschaften zunehmend mit der  Aufgabe, das spezifisch Diakonische zu gestalten. Dies führte zu einer Verengung der Perspektive.  Als diakonisch galt nun nicht mehr das umfassend Diakonische, das Motivation und Tun, Glaube und Werk umfasst, sondern die Motivations- Ebene. Es ging um das besondere Diakonische im Krankenhaus,  Altenheim etc., um das Mehr, das die Diakonie einbringt, um die diakonische Farbe, das Spezifische unserer Häuser.

Foto: Werner Krüper

Diakonie im  Alltag

Fachleute für das Diakonische Nun braucht es Fachleute für das Diakonische. Das spezifische Element der eigenen Arbeit wird im Glauben identifiziert.  Als Reaktion auf eine rapide Säkularisierung der Gesellschaft konzentriert man sich darauf, Mitarbeitende zu unterstützen, eine Sprache zu finden für ihren Glauben. Konzepte diakonischer Fortbildung werden entwickelt, um Mitarbeitende mit christlicher Tradition vertraut zu machen. Konzeptionell wird dies als Beitrag zu einer identifizierbaren Unternehmenskultur verstanden. In der Regel sind die diakonischen Gemeinschaften in und um die Einrichtungen in diese Prozesse einbezogen (das Programm Diakonie in den Gemeinschaften des Kaiserswerther Verbandes geht darauf zurück). Zu diesem Angebot werden neuerdings auch landeskirchliche  Agenturen eingeschaltet. Aus der Tradition der diakonischen Häuser kann sich eine andere Perspektive ergeben, setzt man noch einmal bei dem anfänglichen V  erständnis von Diakonie an. Dort wurde gerade nicht unterschieden zwischen Glaube und Tun, religiöser Motivation und helfender Tätigkeit. Diakonie, so war man mit der gesamten diakonischen Tradition des 19. Jahrhunderts, aber auch mit wesentlichen Strömen biblischer Tradition und mittelalterlicher Frömmigkeit einig, ist beides, Glaube und T   un, und sichtbar ist das Tun. Diakonie geschieht im   Alltag, dort bewährt sie sich.

Ich vermute: Wir würden unserer diakonischen Tradition und ihren Stärken gerecht, würden wir unser  Augenmerk auf die Wiedergewinnung dieses alltäglichen Diakoniebegriffs richten. Im gelebten Leben zeigt sich Diakonie. Die Kraft des Glaubens trägt – zur Tat, nicht zum Reden zuerst.   Auf diesem Hintergrund sind die Gewichte in der  Arbeit an unserem diakonischen Profil neu zu bedenken. Hat unser Profil nur mit den angeblich spezifisch diakonischen Inhalten zu tun? Geht es uns um Spiritualität in den Formen, die sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet haben? Geht es um das, was in der kirchlichen Praxis der Gegenwart mit der Gewinnung einer Sprachfähigkeit über den christlichen Glauben benannt wird? Die Kultur diakonischer Unternehmen ist gerade im Tun zu finden, auch wenn dies eher wenig mit sprachlichen Auskünften verbunden ist.  Wir tun, was wir sollen, was unser Auftrag ist. Wir tun, was wir können, wozu uns die Kraft gegeben wird.  Wir antworten auf diakonische Herausforderungen, in den  Arbeitsfeldern, in denen wir arbeiten, im Krankenhaus, im  Altenheim etc., mit bestmöglicher Behandlung, Pflege, Betreuung, nach den Standards unserer Zeit, mit der Phantasie und Leidenschaft für die Menschen, die uns begegnen. Das ist Kultur der Pflege, aus diakonischer Sicht, in unserer Tradition. Diakonisches Profil zeigt sich darin, wie Mitarbeitende in unseren Einrichtungen für andere da sind, wie sie ihre  Arbeit tun, wie ihr empfindendes Herz sich in ihrer helfenden Tat zeigt. Oder einfach darin, dass wir unsere  Arbeit gut tun, für die wir angetreten sind, in der wechselseitigen  Angewiesenheit der Professionen, im Miteinander zum Wohl der Menschen. Diakonie geschieht im  Alltag. Zum Weiterlesen: „Spiritualität in sozialen Unternehmen.  Mitarbeiterseelsorge, spirituelle Bildung, spirituelle Unternehmenskultur.“ Stuttgart (Kohlhammer) 2009.

Dr. Werner Schwartz Vorsteher der Diakonissen Speyer-Mannheim Kontakt: werner.schwartz@ diakonissen.de

DEKVthema 05/2012

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