Edith Kammer – Diese Brücke war mein Schicksal

Page 29

Allmählich bekam Danielle wieder Farbe im Gesicht und wurde zusehends schwerer, und aus alten Kleidern nähte Mama ihr viele neue Kleider. Die drei Monate, die sie bei uns bleiben durfte, waren viel zu schnell vorbei. Auch für uns war es gut gewesen, denn wir konnten die französische Sprache wieder auffrischen. Beim Abschiednehmen gab es auf beiden Seiten sehr viel Tränen. Danielle hatte ihre zwei Koffer voll mit Kleidern gestopft, dazu noch vieles zum Naschen. Als sie ankam, hatte sie in den Koffern nichts als drei Hüte. Auch einen Brief an ihre Mutter, mit der Bitte, sich doch zu melden, hatte Papa geschrieben. Der lag mit im Koffer. Aber leider hörten wir nie mehr etwas von ihnen. Ein Erlebnis besonderer Art hatten wir zu dieser Zeit auch. Eines Morgens, als wir in die Schule kamen, fehlten zwei Buben, sie waren Brüder. Der Lehrer klärte uns darüber auf, dass keines von uns auf den Theiler-Hof gehen dürfe. Dort herrsche zur Zeit Maul- und Klauenseuche. Wir hatten natürlich keine Ahnung, was das sein sollte. Aber als Fisu und ich am Abend in die Käserei mussten, sahen wir unterwegs, dass der Theiler-Hof grossräumig abgezäunt war. Zudem stand ein Mann der Feuerwehr Wache, so dass niemand zum Hof gehen konnte. Also musste die ganze Sache doch sehr schwer­ wiegend sein. Auf jeden Fall beeindruckte dieser Vorfall uns beide sehr. Obwohl wir nicht auf Rosen gebettet waren, durfte ich nach Thun in die Musikschule Notter gehen, um das Handharmonikaspielen zu erlernen. Und jedes Mal gab Mama mir fünfzig Rappen mit auf den Weg, damit ich mir irgendetwas kaufen konnte. Beim Bahnhof Thun führten zwei ältere Frauen einen Kiosk. Dort ergriff ich ein Päckli Tutti-Frutti für vierzig Rappen, stellte mich vor die Kasse und wollte bezahlen, aber die Frauen 27


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.