Jahresbericht 2014

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XENIA Fachstelle Sexarbeit Jahresbericht 2014


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Inhaltsverzeichnis 04 Editorial 05 Interview mit Helen, Tochter einer Sexarbeiterin 08 Die Finanzen der Fachstelle und des Vereins  11 Einen herzlichen Dank allen SpenderInnen und Gönnern  12 Personal  13  14  19  21

Die Fachstelle: Öffentlichkeitsarbeit Statistische Angaben zu den Beratungen Statistische Angaben zum Gesundheitsförderungsund Aidspräventionsangebot 2014 Cafeteria «Nr. One»

Der Verein:  22 Jubiläumsjahr 2014

«Die Schweiz jedoch, so zeigt sich nun, dürfte einen anderen, liberalen Weg gehen. Eine vom Eidgenössischen Justizdepartement eingesetzte Expertengruppe ist 'einstimmig' zum Schluss gekommen, dass Repression à la Schweden 'nicht zielführend' wäre.» Tagesanzeiger 2.5.2014


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Editorial In diesem Jahresbericht blicken wir auf das 30-jährige Jubiläum zurück. Dieses Jahr war für uns dementsprechend wichtig und es ist uns gelungen, über die Jubiläumsaktivitäten viele Menschen zu erreichen. Vor allem ein Aspekt war uns sehr wichtig: Wir brauchen Ihre Unterstützung. Wir haben sie bereits vom Kanton Bern und von der Aidshilfe Schweiz. Aber es reicht trotzdem nicht. Obwohl XENIA seit 2010 über einen Leistungsvertrag mit dem Kanton Bern verfügt und somit für den gesamten Kanton Bern zuständig ist, sind die subventionierten Stellenprozente gleich hoch geblieben wie beim alten Vertrag mit der Stadt Bern. Die 250 Stellenprozente, die früher für die Stadt Bern zur Verfügung standen, müssen nun für den ganzen Kanton ausreichen. Sie können sich die Herausforderungen vorstellen, die sich aus dieser Situation ergeben. Es ist unmöglich, mit dieser Prozentzahl alle Sexarbeitenden im ganzen Kanton zu erreichen. Deshalb haben wir in diesem Jahr den Schritt gewagt, aus dem Vereinsvermögen eine 40 Prozent -Leitungsstelle zu schaffen. Umso mehr sind wir auf Ihre Spenden angewiesen mit dem Ziel, die neue geschaffene Stelle langfristig zu erhalten. Wir freuen uns sehr, seit dem August 2014 Christa Ammann neu als Stellenleiterin im XENIA-Team zu be­grüssen und sind glücklich, gemeinsam die kommenden Herausforderungen anzu­gehen. Die ehemalige Fachstellenleiterin Martha Wigger bleibt der Fachstelle als Beraterin erhalten. Somit kann XENIA weiterhin von ihrer 18-jährigen Berufserfahrung profitieren. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen Beraterinnen und Mediatorinnen der Fachstelle Sexarbeit XENIA einen grossen Dank auszusprechen für: ihren unermüdlichen Einsatz für die Sexarbeitenden unter oft schwierigen Rahmen­ bedingungen, ihre Professionalität und ihr Herzblut, und für ihren Durchhaltewillen, für immer wieder die gleichen Anliegen zu kämpfen. An dieser Stelle müsste ich eigentlich fast in elf verschiedenen Sprachen «Danke» sagen, denn so viele Sprachen sprechen die Mitarbeiterinnen von XENIA. Das ist ein ganz grosser Vorteil in der Zusammenarbeit mit den Sexarbeitenden. Von den Mitarbeiterinnen haben sechs Teamfrauen Migrationshintergrund und drei stammen aus der Schweiz. Der Vorstand freut sich auf das neue Jahr, beflügelt von der Unterstützung, die wir von vielen Personen in diesem Jubiläumsjahr erhalten haben. Wir danken allen, die uns unterstützten und wünschen eine interessante Lektüre. Claudia Allemann Präsidentin Verein XENIA Fachstelle Sexarbeit

Interview mit helen, tochter einer Sexarbeiterin

Das Interview mit Helen (23) führte Christa Ammann. Sie ist Stellenleiterin von XENIA.

Deine Mutter hat dir, als du fünfzehn warst, erzählt, dass sie Sexarbeiterin ist. Was ging dir dabei durch den Kopf? Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter sich mit mir zu einem Gespräch in einem Café treffen wollte. Ich dachte, es sei wegen der schlechten Mathematik-Noten. Mein Lehrer wollte meine Mutter darüber informieren und ich rechnete damit, dass sie wütend auf mich ist. Als sie mir dann erzählte, dass sie als Sexarbeiterin tätig ist, habe ich zuerst wahrgenommen, dass es ihr schwer fiel darüber zu reden. Ich war schon auch geschockt in diesem Moment, aber meine ersten Gedanken waren nicht «Oh mein Gott, meine Mutter ist Prostituierte», sondern ich sah, dass meine Mutter weinte. Ich habe dann einen ganzen Prozess durchlaufen, ich war sowohl ängstlich, verwirrt, habe meine Mutter dafür gehasst und mich geekelt. Gleichzeitig habe ich mich für meine Gefühle geschämt. Es war ein ziemlicher Gefühlsmix, aber irgendwann begann ich zu akzeptieren, was ist. Das ist aus meiner Sicht etwas vom Wichtigsten. Es ging nicht darum, zu verstehen oder irgendetwas zu verzeihen, sondern zu akzeptieren, dass meine Mutter diese Arbeit machen wollte und dass dies bei mir völlig verschiedene Gefühle auslöste. Von da an konnte ich mit meiner Mutter offener sprechen. Inwiefern hat das Wissen um den Beruf deiner Mutter eure Beziehung verändert? Am Anfang ging ich ziemlich auf Distanz. Meine Mutter hat mir die Zeit gegeben, die Information zu verarbeiten, hat gleichzeitig Gesprächsbereitschaft signalisiert, wenn ich etwas fragen wollte. Das war sehr wichtig für mich. Dass sie bereit war, offen darüber zu sprechen, wenn ich es gewollt hätte. Ich hatte viel Streit mit ihr wegen Kleinigkeiten, hatte Ekelgefühle ihr gegenüber und gegenüber Kleidern, die sie mir geschenkt hatte. Ich war 15 Jahre alt und wie meine Kollegen bezeichnete ich andere als «Schlampe» oder als «Nutte» und hatte die üblichen Vorurteile gegenüber Sexarbeit. Und plötzlich kam ein Mensch, den ich liebte, der sich in diese Schublade drängte. Heute haben wir eine sehr gute und enge Beziehung, wir telefonieren fast täglich. Aber es war kein einfacher Weg dahin. Der Kampf mit mir selber und mit meiner Mutter dauerte mehr als ein Jahr. Am Anfang habe ich den Respekt vor ihr verloren und ich denke, dass es für meine Mutter nicht einfach war, sich diesen Respekt mit Geduld wieder zurückzuholen und mein Gefühlswechselbad auszuhalten. Wichtig war für mich zu hören, dass meine Mutter Sexarbeiterin sein wollte, dass sie sich für diesen Lebensweg entschieden hat, dass sie die Möglichkeit gehabt hätte, als Putzfrau zu arbeiten oder sich andere Hilfe zu holen. Dass es ihr nicht nur um das Geld ging. Da sie ihren Stolz nicht verkaufte, sondern Sexarbeiterin sein wollte, gab mir das die Möglichkeit, stolz auf sie zu sein und sie nicht zu bedauern.


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Manchmal wäre ich aber froh gewesen, wenn ich sie und unsere Familie als Opfer hätte betrachten können. Meine Mutter hat einen grossen Teil unseres Geldes in die Ausbildung von mir und meinem Bruder investiert. Manchmal, wenn kein Geld für neue Kleider da war, fand ich das nicht so lustig, aber jetzt bin ich sehr froh darüber. Viele Arbeitskolleginnen von meiner Mutter haben das auch so gemacht. Danach kam eine Zeit, wo es meiner Mutter sehr schlecht ging, da sie alleine arbeiten musste und nicht mehr in ihrem gewohnten Umfeld war. Da habe ich realisiert, dass es nicht nur um mich geht, sondern dass ich mich um sie kümmern muss und wir uns gegenseitig brauchen. Diese Übernahme von Verantwortung war nicht nur einfach, ich war erst 16-jährig. Dadurch, dass meine Mutter mit mir auch darüber gesprochen hat, was sie als Sexarbeiterin alles macht, dass es oft um viel mehr als nur schnellen Sex geht, dass viele Männer auch andere oder ganz spezifische Bedürfnisse haben, erzählen wollen, Tipps wollen usw., bekam ich auch ein anderes Bild von Sexarbeit. Nachträglich habe ich es sehr zu schätzen gelernt, dass meine Mutter so offen mit mir war. Ich bin an der Auseinandersetzung sehr gereift. Aktuell würde ich die Situation so einschätzen, dass der Prozess sicher nicht abgeschlossen ist, aber dass unsere Beziehung dadurch über alles gesehen positiv beeinflusst wurde. Grundsätzlich erscheint es mir in so einem Prozess hin zur Akzeptanz wichtig, dass man seine Mutter eben als Mutter versucht zu sehen und nicht auf das klischierte Bild einer Sexarbeiterin reduziert und dass eine offene Kommunikation möglich ist. Schlussendlich hat jede Familie irgendein Gepäckstück, das sie mit sich herumträgt, mal grösser, mal kleiner.

Insgesamt habe ich etwa fünf Freunden von mir erzählt, dass meine Mutter Sexarbeiterin ist. Diese haben, vielleicht nach einem ersten Schockmoment, alle gut reagiert, hatten Verständnis und haben sich auch im Umgang mit meiner Mutter nicht verändert. Wenn mich heute jemand darauf ansprechen würde, ob es stimmt, dass meine Mutter Sexarbeiterin war, müsste ich für mich nicht lügen, ich habe kein Problem damit. Aber aus Respekt zu meinem Bruder, der mehr als zehn Jahre jünger ist als ich und noch nicht weiss, dass unsere Mutter Sexarbeiterin war, würde ich der Frage wohl doch ausweichen. Das zögerliche Sprechen darüber hat auch damit zu tun, dass ich bei vielen Menschen den Eindruck habe, dass sie auch nicht bereit sind, diese Information anzunehmen. Weil sie nicht verstehen und in Vorurteilen gefangen sind. Aktuell habe ich auch nicht das Bedürfnis, zu erzählen, «Weisst du, meine Mutter …». Für mich ist es gut so, es gehört zu meinem Leben.

Hast du in deinem Freundeskreis darüber gesprochen? Was für Reaktionen hast du erhalten?

«Das permanente verheimlichen ist mit psychischen Belastungen verbunden, die krank machen können. Will man die Sexarbei­ter­­­­innen stärken, braucht es gesell­schaftliche Anerkennung – keine Prostitutionsverbote.»

Am Anfang war ich mit der Information alleine, ich war nicht bereit, darüber zu sprechen. Weder mit Freunden noch mit meiner Mutter. Ich habe mich auch geschämt, mit meiner Mutter darüber zu sprechen. Ich war mitten in der Pubertät und da ist Sex grundsätzlich nicht unbedingt das, worüber man mit den eigenen Eltern sprechen möchte. Es war wichtig, dass ich mir Zeit nahm darüber nachzudenken, wie ich zu meiner Mutter stehe. Ich habe mich im Internet versucht über Sexarbeit zu informieren, bin aber hauptsächlich auf die Klischees über Sexarbeit gestossen. Rückblickend wäre es für mich gut gewesen, hätte ich gewusst, dass es Fachstellen wie XENIA gibt, wo ich mich informieren kann, was Sexarbeit alles beinhaltet. Wo ich auch ein Gespräch darüber führen kann, was ich als Tochter, Schwester, Freundin, was-auch-immer machen kann, um Akzeptanz zu entwickeln. Ich fühlte mich sehr alleine mit der Situation. Ich habe dann einen Blog geschrieben. Einerseits, um meine Gedanken zu deponieren, andererseits auch aus dem Bedürfnis, dass andere Töchter, welche in derselben Situation sind und im Internet nach Informationen suchen, nicht nur Vorurteile und Negativbeispiele finden. In der Schule habe ich mich am Anfang komplett verstellt, habe so getan, als käme ich aus einer perfekten Familie und habe dann auch gelogen, wenn mich KollegInnen nach dem Beruf meiner Mutter gefragt haben. So mit 17, als ich es langsam zu akzeptieren begann, hatte ich dann das Bedürfnis darüber zu reden, aber ich habe mich nicht getraut.

Natalie Trummer (NZZ 18.10.2014)


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Die Finanzen der Fachstelle und des Vereins Jahresrechnung 2014 in CHF Bilanz Aktiven

31.12.2014

31.12.2013

Flüssige Mittel

122'537.28

106'381.26

7'870.20

3'134.15

Forderungen und Rechnungsabgrenzung Einrichtungen

13'901.00 18'501.00

Total

144'308.48

128'016.41

Bilanz Passiven

31.12.2014

31.12.2013

18'296.39

27'789.80

Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzung Nothilfefonds

1'934.20 2'549.95

Projekt Nr. One

10'107.65

9'450.25

Kapital

88'226.41

100'899.37

Jahresergebnis Total Erfolgsrechnung Subvention Kanton Bern Spenden

25'743.83 -12'672.96 144'308.48 01. – 12.2014 Budget 2014 345'300.00

345'300.00

128'016.41 01. – 12.2013 342'366.00

59'748.10 20'000.00 27'971.55

Mitgliederbeiträge

3'071.80 2'400.00 3'200.00

Vermietungen

4'325.00 3'000.00 2'890.00

Übrige Erträge Personalaufwand Miete Unterhalt, Reparaturen, Ersatz Sachversicherungen Elektrizität Verwaltung und Informatik PR Jubiläum Verein / Fundraising Übriger Aufwand Finanzerfolg Abschreibungen Ausserordentliches Jahresergebnis

3'386.80

600.00

739.00

-307'894.00 -302'985.70 -327'704.50 -15'254.30

-15'000.00

-1'809.56

-2'200.00

-14'842.35 -3'021.91

-519.55 -505.90 -506.00 -1'891.85 -1'200.00 -1'061.40 -27'108.00 -5'931.80

-25'280.00 -6'000.00

-26'617.50 -10'643.10

-25'226.90

-30'000.00

0.00

2.00

0.00

0.00

-296.01 -300.00 -176.20 -4'600.00 -6'940.00 -6'194.45 442.10

0.00 927.90

25'743.83 -19'111.60 -12'672.96


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Engagieren Sie sich für einen guten Zweck Für nur 50 Franken im Jahr treten Sie als weibliche Privatperson und für 100 Franken als juristische Person dem Verein XENIA bei. Interessierten Männern legen wir die Gönnerschaft nahe. Bestimmen Sie ihre Spendensumme selbst. Für jeden Betrag bedanken wir uns herzlich. PC 30-37914-2.

Herzlichen Dank den Spenderinnen und Gönnern im Jubiläumsjahr 2014! Dass der Verein XENIA seine Arbeit so leisten kann, wie er dies heute tut, verdankt er den SpenderInnen und Gönnern. Dafür möchten wir einen grossen Dank aussprechen. Mit Ihrer finanziellen Unterstützung können wir die erfolgte Aufstockung der Stellenprozente kurzfristig finanzieren und haben so auch mehr Zeit für die KlientInnen zur Verfügung. Anbei sind die Spenden über CHF 100 aufgeführt. Kirchgemeinde Burgdorf / Kirchgemeinde Jegenstorf / Kirchgemeinde Kirchberg / Kirchgemeinde Kirchlindach / Kirchgemeinde Köniz / Kirchgemeinde Münsingen Kirchgemeinde Ostermundigen / Kirchgemeinde Vechigen / Kirchgemeinde Wohlen / Evangelisch-Reformierte Kirchgemeinde Bümpliz / Evangelisch-Reformierte Kirchgemeinde Kehrsatz / Evangelisch-Reformierte Kirchgemeinde Thun / Reformierte Kirchgemeinde Münchenbuchsee-Moosseedorf / Petruskirchgemeinde, Bern / Basileia Vineyard, Bern

Anmeldung als Vereinsmitglied XENIA

Aids-Hilfe Schweiz / Bürgi-Willert-Stiftung, Bern / FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration, Rizenbach / Gemeinnütziger Frauenverein Bremgarten / SP Lyss Büro Helbling AG, Bern / Honegger AG, Köniz / Restaurant Mühlirad, Bern / Schweizerische Mobiliar Versicherung, Bern

Weibliche Person

Juristische Person

Institution

Frau. A. Abt, Konolfingen / Frau J. A. Bachmann Gasser, Muri b. Bern / Herr B. Bernet, Biel / K. und S. Bittel, Raron / Herr D. Durrer, Bern / Frau C. Esseiva, Bern / Frau E. Geissmann, Bern / Frau R. Imhof, Bern / Herr A. König, Gümligen / B. Kwanchanouk, Busswil / Frau J. Matter, Bern / Herr F. Müller, Zürich / Herr S. Rapp, Winterthur / Frau C. Spreyermann, Bern / Herr P. Wallimann, Emmen

Name / Vorname

Herzlichen Dank der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern, welche XENIA subventioniert.

Adresse PLZ / Ort Talon ausschneiden und senden an XENIA, Langmauerweg 1, 3011 Bern. Sie können sich auch via Mail anmelden: info@xeniabern.ch. Besten Dank!


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Personal 2014

Öffentlichkeitsarbeit

Vorstand Claudia Allemann, Präsidentin Margreth Schär (Politische Arbeit Kanton), Vizepräsidentin Corinne Seebeck (Aktuarin), Vorstandsfrau Maria Schultheiss (Recht), Vorstandsfrau Miriam Schwarz (Politische Arbeit Stadt), Vorstandsfrau Myriam Stucki (Öffentlichkeitsarbeit), Vorstandsfrau

In diesem Jahr haben die Fachstelle und der Vorstand erneut viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet. In den Medien war das 30-jährige Jubiläum von XENIA mit seinen Veranstaltungen über das ganze Jahr immer wieder präsent, aber auch der Bericht der Kommission für das Prostitutionsgewerbe (KOPG), welcher im Sommer vom Regierungsrat verabschiedet worden ist, der Entscheid des Bundes, dass das Cabaret-Tänzerinnen-Statut abgeschafft wird und schliesslich auch der Leitungswechsel in der Fachstelle und diverse andere Themen führten zu Anfragen von Medienschaffenden. Weiter hat XENIA am Expertenbericht «Schutzmassnahmen für Frauen im Erotikgewerbe» mitgearbeitet. Die Expertengruppe hatte den Auftrag, Schutzmassnahmen für im Erotikbereich tätige Frauen zu erarbeiten und einen Bericht zuhanden des Bundesrates zu erstellen. Die Erarbeitung des Berichtes war zeit­intensiv Öffentlichkeitsarbeit und auch anspruchsvoll, da völlig unterschiedliche Perspektiven und Zu- Studierende, Lernende: 12 gänge zur Sexarbeit in einem Bericht zusammengeführt werden sollten. Behörden, NGO's: 14 So hat beispielsweise ein Migrations- oder Arbeitsamt einen anderen Medien: 25 Zugang zur Sexarbeit als eine Fachstelle für Sexarbeit wie XENIA. PolitikerInnen: 8 Dementsprechend vertreten sie andere Schwerpunkte und Interessen, Referate, Podien: 9 was zu einer anderen Vorstellung von «Schutz» führt. Welche der 26 Privatpersonen: 6 Absagen: 33 Massnahmen, die von der Expertengruppe zum Schutz der Frauen empfohlen werden, dann tatsächlich umgesetzt werden, wird sich erst noch zeigen müssen. Die Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts per 1. Januar 2016 wurde im vergangenen Herbst gegen die Empfehlung von Beratungsstellen für Sexarbeitende definitiv beschlossen. Auch Studierende und Lernende wollen sich in ihren Arbeiten regelmässig mit dem Thema Sexarbeit auseinandersetzen. Erfreulich ist, dass neben der schriftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema durch Medien oder Studierende und Lernende auch regelmässig öffentliche Veran­ staltungen wie Podien und Vorträge stattfinden, zu denen die Fachstelle XENIA eingeladen wird. Die Erfahrung zeigt, dass es hilfreich ist, wenn Rückfragen gestellt werden können, da das Thema vielschichtig und komplex ist.

Mitarbeiterinnen der Fachstelle Christa Ammann (Stellenleiterin ab August 2014) Martha Wigger (Stellenleiterin und Beratung bis August 2014, seit September 2014 Beratung) Jacqueline Suter Radka Pfund Sujaree Junbua Flück Mediatorinnen des Gesundheitsförderungsund Aidspräventionsangebotes Elcidia Bollinger-Barbosa Tatjana Kunz Bernadette Oswald Olga Vasiliuc Cafeteria Nr. ONE Elisabeth Beyeler (bis Februar 2014) Bernadette Oswald (bis Februar 2014) Wadsana Chaudet (März bis Dezember 2014) Raumpflegerin Tukkata Srisomchai

«Wir haben eine Zunahme von Neueinsteigerinnen beobachtet.» Alexander Ott (Der Bund 5.7.2014)

Beratungsstelle


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Statistische Angaben zu den Beratungen Der Vergleich zum Vorjahr zeigt, dass die Zahl der Sexarbeitenden mit Falleröffnung leicht zugenommen und die Anzahl Sexarbeitenden ohne Falleröffnungen leicht abge­nommen hat. Die Abnahme hat damit zu tun, dass im Jahr 2014 die neue Leitungs­stelle ausgeschrieben und besetzt wurde. Dies war ein zeitintensiver Prozess. Dementsprechend blieb etwas weniger Zeit für die Sexarbeitenden. Die Statistik macht deutlich, dass die Ressourcen gefehlt haben, um in allen Verwaltungsregionen aufsuchende Sozialarbeit zu machen. Es konnten zwar im Vergleich zu 2013 mehr Sexarbeitende, welche im Berner Jura arbeiten, beraten werden. Die Anzahl ist jedoch nach wie vor gering. Die Statistik finden Sie auf der nächsten Seite. Im Jahr 2014 betrafen die meisten Anfragen, Probleme und Anliegen der Sexarbeitenden wie auch im letzten Jahr die Themen Arbeit, Finanzen, Gesundheit und Recht, gefolgt von Familie, Wohnen, Polizei, Beziehungen und Sucht.

anzahl kontakte mit falleröffnung (M.F.E.) und ohne (O.F.E.) Sexarbeitende mit Falleröffnung Sexarbeitende ohne Falleröffnung Anzahl Sexarbeitende Sexarbeitende m. F. e. davon neue

2013

121

116

29

26

Anzahl Sexarbeitende

2014

2013

Sexarbeitende o. F. e.

1120

1157

Verwaltungsregionen 2014 2013 Verwaltungsregionen

2014 2013

Bern-Mittelland

84 88 Bern-Mittelland

623 676

Oberland

14 13 Oberland

240 172

Emmental-Oberaargau 3 3 Emmental-Oberaargau Seeland Berner-Jura

«Der Ausdruck Sexarbeit beinhaltet Arbeit und drückt klar und deutlich aus, dass es sich um eine wirtschaft­liche Tätigkeit handelt.»

2014

20 12 Seeland 0 0 Berner-Jura

39 39 209 269 9 1

Alter

Alter

bis 20

0

1

bis 20

1

5

20  – 29

20

16

20  – 29

324

241

30  – 39

36

33

30  – 39

281

383

über 40

55

58

über 40

221

246

unbekannt

10

8 unbekannt

293 282

Nationalität Nationalität CH CH/Osteuropa CH/Afrika CH/Asien

20

19

CH

74

70

2 2 CH/Osteuropa

13 4

5 4 CH/Afrika

29 29

20 26 CH/Asien

CH/Südamerika

4 2 CH/Südamerika

CH/EU

0 1 CH/EU

Ausländerin EU

33

30

Ausländerin EU

Ausländerin*

37 32 Ausländerin*

57 115 49 58 9 9 565

477

324 395

* Sexarbeitende mit einem ausländischen Pass, ohne EU-BürgerInnen

Auszug aus dem XENIA-Kalender, der zum Anlass des Jubiläumsjahrs gestaltet wurde. «Der Kalender soll dazu anregen, offen über Sexarbeit zu reden» (Der Bund 28.2.2014)

Beratungsstelle

Beratungsstelle


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17 ohne Falleröffnung

Verwaltungsregionen 2014

mit Falleröffnung

Nationalität 2014

500

500

300

300

100

100

Anzahl Bern-Mittelland Sexarbeitende

Oberland

EmmentalOberaargau

Seeland

Berner-Jura

Anzahl Sexarbeitende

CH

CH/Afrika CH/Südamerika AusländerIn EU CH/Osteuropa CH/Asien CH/EU AusländerIn *

* Sexarbeitende mit einem ausländischen Pass, ohne EU-BürgerInnen

Alter 2014

300

«Als Feminis­t­innen fordern wir die Entkriminalisierung und Empowerment.»

200

Natalie Trummer (NZZ 18.10.2014) 100

Anzahl bis 20 Sexarbeitende

20 – 29

30 – 39

über 40

unbekannt

Beratungsstelle


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Angaben zum Gesundheitsförderungsund Aidspräventionsangebot 2014 Gesundheitsförderung und Aidsprävention ist nicht nur das Verteilen von Kondomen, sondern auch Förderung von professionellem Arbeiten. Sexarbeit ist eine sexuelle Dienst­leitung gegen Geld. Die Kunden haben unterschiedliche Wünsche und Bedürf­ nisse. Sexarbeitende bieten u.a. Massagen und Rollenspiele an, sind ZuhörerInnen, GesprächspartnerInnen und brauchen viel Fantasie. Um bei der Arbeit gesund bleiben zu können, gilt: Du entscheidest, wo deine Grenzen liegen. Du entscheidest, wozu du bereit bist und wozu nicht! Um sich die eigenen Grenzen bewusst zu machen, muss immer wieder darüber nachgedacht und gesprochen werden. Dazu braucht es auch Vertrauen, es ist ein Reflektieren über die Arbeit und Intimität. Die Arbeit der vier Mediatorinnen von XENIA besteht darin, ein Vertrauensverhältnis zu den Sexarbeitenden aufzubauen. Es geht darum, die Gesundheit am Arbeitsplatz zum Thema zu machen, Gespräche und Ausein­andersetzungen zu führen mit dem Ziel, das Selbstbewusstsein der Sexarbeitenden zu stärken und sie in ihrer Professionalität zu unterstützen. Zugenommen haben die Kontakte zu Personen aus der EU, gesamthaft erreichten die Mediator­innen 222 Sexarbeitende mehr als im Vorjahr. Die Statistik finden Sie auf der nächsten Seite.

«Sexarbeitende haben im Moment mehr Pflichten als Rechte.» Jacqueline Suter (Der Bund 23.07.2014)

Beratungsstelle


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Statistische Angaben zum Gesundheitsförderungs- und Aidspräventionsangebot 2014

Cafeteria «Nr. One»

Herkunft Bern- Oberland Emmental- Seeland Berner- Total Mittelland Oberaargau Jura Osteuropa

237 131

1 61 430

Afrika

347 102

9 148 606

Asien

184 86 13 96 379

LateinAmerika 282 182 16 97

1 578

Brasilien

127 39 51

1 218

EU

409 219 43 197

1 869

Schweiz

3 23 9 35

Andere Total

1 1 1'590 782

82 659

3 3'116

Leider musste die Cafeteria geschlossen werden. Trotz kleineren Anpassungen im Konzept hat sich die Gästezahl nicht erhöht. Um mehr Gäste gewinnen zu können, hätten wir in der Öffentlichkeit und in den Medien mehr Werbung machen müssen. Dies war mit der Bewilligung, die wir für das Nr. One hatten, nicht erlaubt. Aufwand und Ertrag stimmten dementsprechend nicht überein. So haben wir uns schweren Herzens mit der Schlies­sung befasst und beim Kanton beantragt, die Arbeitsstunden vom Nr. One für die Beratung und die aufsuchende Arbeit einzusetzen. Die Stammkundinnen konnten den Entscheid zwar nachvollziehen, finden es aber trotzdem schade, dass der gemeinsame Dienstagabend nun nicht mehr existiert. Essen, trinken, quatschen, geniessen, informieren, zueinander schauen, lachen und Rezepte austauschen – all dies wird fehlen. An dieser Stelle danken wir allen Gästen, die uns jahrelang die Treue gehalten haben. Euch – Anita, Bernadette, Katarina und Radka, Conny und Werner, Luti und Hene, Team Aidshilfe Bern, Pinky und Tuk, Anna und Sami – danken wir herzlich für die wunderbaren Dreigang-Menus, die mit viel Liebe zubereitet wurden.

Arbeitsort Strassenstrich 15 28 43 Salon

1'024 514

Night-Club

30 477

3 2048

409 230 19 86 744

Bar-Sauna-Club 141 10 33 76 260 Privat Umfeld 14 14 Weiter Orte Total

1 6 7

1'590 782

82 659

3 3116

Materialabgabe * 3 38 2 42 1. Kontakt / Neu 705 499

62 395

2 1663

* Anzahl Sexarbeitende, mit denen kein Gespräch stattgefunden hat, die aber Informationsmaterial zu Gesundheitsförderung und Aidsprävention erhalten haben.

«Zwei Grundüberlegungen sind entscheidend: Sexarbeit ist Arbeit, schon lange. Aber erst, wenn Sexarbeit gesellschaftlich, politisch und rechtlich als Arbeit anerkannt ist, lässt sich darüber reden, ob die Arbeit gut oder schlecht ist.» Diskussionspapier Sexarbeit: Fakten, Positionen und Visionen aus feministischer Perspektive (August 2014)

Beratungsstelle

Beratungsstelle


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XENIA hat gefeiert! Der Verein XENIA blickt auf ein ereignisreiches Jubiläumsjahr zurück. Nachdem XENIA seit 30 Jahren Sexarbeitende, Behörden und BetreiberInnen berät, durfte im 2014 auf das Erreichte angestossen werden. Mit verschiedenen Events hat der Verein XENIA die Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit seines Engagements aufmerksam gemacht – und sich nicht zuletzt auch bei den UnterstützerInnen bedankt. Als Kulturagenda und Gedankenanstoss begleitete ein Kalender durch das Jubiläums­ jahr. Täglich fand man darin Wissenswertes, Amüsantes und bisweilen Provokantes zum Thema Sexarbeit. Der Kalender stiess auf reges Interesse und fand guten Absatz. Den Auftakt für das Jubiläumsjahr machte im April der Filmabend im Kino Lichtspiel. Das filmbegeisterte Publikum genoss den Abend in den charmanten Räumlich­keiten im Marziliquartier. Es wurden die beiden Filme «Frau Mercedes – Alt werden auf dem Autostrich» und «Irina Palm» gezeigt und im Anschluss konnte den Erfahrungen der Filmer Simon Jäggi und David Fonjallaz beim Filmdreh zu «Frau Mercedes» gelauscht werden. Die Frauen von XENIA haben die Gelegenheit geschätzt, sich bei einem Glas Wein an der Kinobar mit den interessierten KinobesucherInnen auszutauschen. Im Sommer konnte der Verein XENIA im Kornhausforum während eines Monats Foto­ grafien der jungen KünstlerInnen Johanna Saxen, Andrea Stalder und Thomas Egli zeigen. Die subtilen, atmosphärischen Fotografien aus dem Rotlichtmilieu boten einen intimen Blick hinter die Kulissen einer für die MuseumsgängerInnen sonst oft nicht zugänglichen Lebenswelt. Die Ausstellung stiess auf grosses mediales Interesse, was dem Verein XENIA die Möglichkeit bot, seine Anliegen einem grösseren Publikum zugänglich zu machen. Und schliesslich feierte XENIA ausgelassen an der grossen Benefizgala in der Aula des Progr mit Freunden, UnterstützerInnen, Klientinnen, Kulturinteressierten und NachtschwärmerInnen. Einen klassischen Auftakt zum feierlichen Abend bot die Musik des Kaleidoscope String Quartet, gefolgt von der engagierten Rede von FDP-Politikerin Claudine Esseiva und einer bisweilen hitzigen Podiumsdiskussion zwischen Martha Wigger und dem ehemaligen Regierungsstatthalter aus Biel, Werner Könitzer, über das bernische Gesetz über das Prostitutionsgewerbe. Mit einem fulminanten Konzert des Garage-Trash-Trios The Monofones wurde der wilde Teil des Abends eingeläutet. Die Kummerbuben unterhielten das begeisterte Publikum mit Rumpelrock, Fernwehfolk und Draufgängerpolka. Zur Überraschung der Gäste erschien plötzlich die geheimnisvolle Zora Vipera – faszinierende Feuerkünstlerin und Burlesktänzerin – auf der Bühne und feuerte den Gästen zünftig ein. Spät nachts schliesslich vermochte DJ Dr. Mo das Publikum mit Elektroklängen noch lange auf den Tanzbeinen zu halten. Ein rundum gelungenes Jubiläumsfest!

Impressum Redaktion: Fachstelle und Verein Sexarbeit XENIA Fotos: Johanna Saxen / Gestaltung: Andrea Stebler Verein