XAVER - Februar '11

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Nachgefragt

Froh dabei zu sein Von Herbert Grönemeyer entdeckt und unter Vertrag genommen zu werden, ist ja schon mal kein schlechter Start für eine Künstlerkarriere. Von Herbert hat Philipp Poisel auch gleich das Nuscheln und nicht gar so deutlich zu verstehende Singen übernommen. Und auch wenn der Ludwigsburger gar nicht so sehr nach Star aussieht, das zweite Album stieg sehr hoch in die Charts ein, hielt sich dort auch richtig lange und die anstehende Tour ist vielerorts längst ausverkauft und/oder in größere Hallen verlegt worden. Er spielt mit Hubert von Goisern, überzeugt im Fernsehen, covert Peter Fox und Hannes Wader - dem Mann gelingt zurzeit fast alles. In seinen Songs kommt er zwar recht melancholisch und einsam rüber, im Gespräch ist er dann aber recht beschwingt und locker.

XAVER: Philipp, das aktuelle Album heißt „Bis nach Toulouse“, was steckt hinter dem Titel? Philipp Poisel: Die CD ist inspiriert von meinen Erlebnissen der letzten zwei Jahre, also der Zeit, die seit dem letzten Album vergangen ist. Und da habe ich schon einige freie Zeit in Frankreich verbracht und auch eine komplette Rundreise gemacht, weil ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich lieber ans Mittelmeer oder an den Atlantik will. Das hat schon so eine Romantik, wenn man da unterwegs ist, diese ganzen Städtenamen sieht, auf der Autobahn fährt und die Sonne aufoder untergeht. Und dann sieht man die Felder und die Landschaft und das ist es natürlich, was einen inspiriert und auch Gefühle von Sehnsucht und so in einem hervorruft. Toulouse steht da schon als Sinnbild. Für eben so ein Stück Freiheit oder eine Welt, in der alles gut ist. Ein Ort, an dem alles gut ist. Ich habe mit meinen Eltern früher viele Urlaube in Frankreich verbracht und daher auch noch viele Erinnerungen an eine gute, unbeschwerte Zeit. Dadurch hat sich dieses Bild in mir gefestigt, dass in Frankreich irgend-

wie diese gute Zeit liegt und das somit auch ein Ort ist, an den man sich wünscht, wenn einem hier alles zuviel wird. Und tatsächlich ist es auch so, dass ich gerne nach Frankreich fahre und im Auto dorthin unterwegs bin. X: Aber Du warst selbst noch nie in Toulouse? PP: Nein, aber ich hätte nur von der Autobahn abfahren müssen, man sieht die Abfahrt auch auf dem Cover der CD! X: In der Info zum Album steht, dass Du Dich dieses Mal weiter aus dem Fenster gelehnt hast als je zuvor - was meinst Du damit? PP: Damit meine ich, dass ich mich diesmal getraut habe, auch bei Arrangements in Richtungen zu gehen, die einer Band bedürfen. Weil einfach klar war: Es gibt eine Band. Und diesmal war klar, man kann auch mal Songs wagen, die man z.B. alleine auf der Gitarre nicht so gut interpretieren kann. Insofern habe ich mich weiter aus dem Fenster gelehnt und in einer Banddimension gedacht und nicht nur an Akustikgitarre mit so ein bisschen was drum herum. Ich war

dann freier, einfach das zu machen, von dem ich denke, dass es gut klingt. X: Reisen ist für Dich als Mensch und Musiker sehr wichtig, oder? PP: Es war mir immer total wichtig und auch eine große Leidenschaft oder etwas, was meinem Leben Bedeutung gegeben hat. Also dieser Wunsch danach unterwegs zu sein, der ist immer noch da. Das ist jetzt durch die aktuelle Situation ein bisschen in den Hintergrund getreten. Ich bin eigentlich so frei wie nie zuvor in dem, was ich mache, aber auf der anderen Seite ist man dann seinem eigenen Projekt irgendwie verpflichtet. Oder man will alles so gut machen, dass man sich für die anderen Sachen keinen Freiraum mehr lässt. Es ist für mich auch eines der größten Gefühle, wenn man im Auto sitzt und weiß, man fährt Richtung Süden. Dann kann ich wirklich allen Ballast abwerfen und fühle mich als freier Mensch. Ich habe auch mal versucht, mich mit der Gitarre durchzuschlagen. Das war eine großartige Form von Freiheit, weil einem keiner sagt, was man zu machen hat. Man ist auf der Straße auch abhängig, aber man hat es immer genau in dem Moment selbst in der Hand, was man macht. Ob man jetzt spielt, ob ein paar Münzen reinkommen oder ob man sich an den Strand legt oder weiter trampt. Es gibt einem ein großartiges Gefühl frei zu sein. Auf der anderen Seite ist man natürlich auch total beschränkt, weil man ja kein Bett hat und ständig Stress und gucken muss, wo man die nächste Nacht verbringt, was man isst und wie man weiter kommt.

Philipp Poisel

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