Xaver 07|18

Page 12

12

Literatur

BUCHTIPP Sieben gegen einen

In Aidan Truhens „Fuck you very much“ sieht sich ein Drogendealer einer Killerschwadron gegenüber

Ein gereckter Mittelfinger im Buchformat ist dieser Pulp-Krimi, der das schmutzige Genre wie auf Hochglanz poliert aussehen lässt. Nicht nur außen, sondern auch und gerade innen. Denn die Geschichte des supersmarten Drogendealers Jack Price funktioniert nach dem Prinzip der gestaffelten Zumutungen: Wenn man denkt, dass es nicht krasser kommen könnte, packt der unter Pseudonym veröffentlichende Autor noch einen drauf. Alles richtig gemacht hat Suhrkamp deshalb auch dabei, den unübersetzbaren Originaltitel „The price you pay“ durch eine klare Kampfansage zu ersetzen. Kann sich also niemand beschweren, es nicht gewusst zu haben. Jack Price, Drogendealer der Generation 2.0, unterstützt von Hackern und Darknet-Experten, sieht sich darin nach einem Mord an einer älteren Dame in seinem Apartmentkomplex unerwartet im Visier der fiesesten Killerschwadron des Planeten: Irgendjemand muss die „Seven Demons“ auf ihn angesetzt haben. Mit sieben Verfolgern an der Backe taucht er ab und wird selbst zum gnadenlosen Jäger. Schließlich hat er nichts zu verlieren: „Ich muss nichts und niemanden schützen außer mich selbst. Ich bin ein Businessplan auf zwei Beinen und Ausdruck dieses

Jahrhunderts.“ So Hollywood-verwaschen und hundertmal durchgenudelt der Plot auch sein mag: Truhen schafft es, mit dem völlig hohldrehenden Ich-Erzähler-Sound des Großmauls Price ein zwischen Cyber-Kriminalität und good-old-fashioned Gemetzel (unter anderem kommen Kürbiskanonen und flüssiger Stickstoff bei der Verbrecherabwehr zum Einsatz) pendelndes Szenario zu entwerfen. Der nicht uneitle Price selbst moderiert sein irres und von erheblichen Kollateralschäden begleitetes Treiben wie in einem Ego-Shooter und macht diesen heftigen Thriller zu einem so kompromisslosen wie ultrakomischen Ding.

Fuck you very much Aidan Truhen aus dem Englischen von Sven Koch und Andrea Stumpf 350 Seiten, Suhrkamp 14,95 Euro, E-Book 12,99 Euro

Bücher Problemlöser

Stimmenfänger

Schreibverweigerer

Der schwarze Gürtel

Das Feld

Friedinger

Eduardo Rabasa aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein 399 Seiten, Kunstmann 24 Euro, E-Book 19,99 Euro

Robert Seethaler 256 Seiten, Hanser Berlin 22 Euro, E-Book 16,99 Euro

Stefan Kutzenberger 256 Seiten, Deuticke 22 Euro, 16,99 Euro

29 Stimmen aus dem Jenseits erteilt Robert Seethaler in seinem Totenbuch „Das Feld“ das Wort. Was sie zusammenhält: Sie alle – Spielsüchtige, Blumenhändlerinnen, Automechaniker, Bürgermeister und sogar eine Frau mit 67 Liebhabern – lebten und litten in Paulstadt, irgendwo in der österreichischen Provinz, und liegen jetzt auf dem städtischen Friedhof. Mit nüchternem und in den Charakteren gar nicht so unterschiedlichem Ton verknotet Seethaler nach und nach einzelne Lebensgeschichten zu einem Kleinstadt-Ensemble, das anrührend, traurig, aber auch enorm lebensprall ist. Was komisch klingt, denn schließlich sind ja alle tot.

Drei unfertige Romane hat Kutzenberger in der Schublade liegen, aber voran geht nichts bei dem Uni-Angestellten. Richten soll es ein Geschenk seiner Frau: Ein Schreiburlaub auf Kreta, der den familiären Niedergang des Literatur-Prokrastinierers einläutet. Denn auf Kreta wartet mitnichten die literarische Muße, sondern die enorm verlockende Französin Clelia – und mit Friedinger ein Nachbar aus Linz, dessen vogelwilde Lebenserzählungen dann doch noch Drive ins literarische Schaffen bringen. Zwischen Wahrheit und Dichtung zelebriert der echte Autor Stefan Kutzenberger das Spiel mit seinem Protagonisten Kutzenberger in diesem autofiktionalen Roman, der sich selbst nicht zu ernst nimmt.

Wie bringt man einen zum Buddhismus konvertierten Boxer wieder in den Ring? Welchen Weg muss ein Autor einschlagen, um endlich einen Bestseller zu schreiben? Fernando Retencio weiß das. Denn er ist Berater bei der Consultingfirma „Soluciones“ – und die liefert Lösungen, so wie es der Name verspricht. Jedoch zu einem hohen Preis. In Eduardo Rabasas satirischer Firmen-Dystopie ist dieser Retencio nämlich ein Karrierist sondergleichen, der mit allen Mitteln den „Schwarzen Gürtel“ als ranghöchster Berater erjagen will. Ein menschenverachtendes Arbeitsumfeld und ein zynischer Charakter auf dem Weg nach oben: Bitterböse wäre dieser sich mit flachen Figuren und allzu eindimensionalen Feindbildern begnügende Roman vielleicht, wenn all das nicht schon längst gängige Praxis wäre.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.