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58 – healtheconomy

Freitag, 15. November 2013

Prävention und Früherkennung Bis zu 645.000 Menschen in Österreich sind von Diabetes betroffen, viele unwissend

Kommentar

Weltdiabetestag: Zahl der Betroffenen wächst stark

Wenn die Krise krank macht

Krankenkassen, Diabetesinitiaitve und MSD machten mit Veranstaltungen auf Problem aufmerksam.

D

ie anhaltende Krise in Europas Volkswirtschaften und der in vielen Ländern in der Folge eingeschlagene Sparkurs bei Gesundheits- und Sozialabgaben haben negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, berichten Experten beim Kongress der WeltPsychiatriegesellschaft kürzlich in Wien. Doch gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten seien Investitionen in Prävention, Früherkennung und Behandlung psychischer Erkrankungen wichtig – und rechnen sich auch. Inzwischen weisen immer mehr Studien nach, welche unmittelbaren negativen Auswirkungen Krise und Sparprogramme auf den psychischen Gesundheitszustand der Menschen haben. So bestätigt sich die Erfahrung, die mit vorangegangenen Krisen gemacht wurde, zum Beispiel in dramatischer Weise beim Thema Suizide. Die Zahl der Selbsttötungen in der Altersgruppe unter 65 Jahren ist seit 2007 EU-weit angestiegen – in Griechenland sogar um 60 Prozent, in Irland von 2010 bis 2011 um sieben Prozent. „Steigt die Arbeitslosenrate um mehr als drei Prozent, steigt die Suizidrate bei Menschen unter 65 Jahren um 4,45 Prozent, die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle steigt um 28 Prozent.“ Zahlen, die die Regierung beachten sollte, wenn sie versucht, das Budgetloch zu stopfen ...

GRAFIK DER WOCHE LEBENSERWARTUNG Durchschnittlich verbleibende Jahre nach Alter, in Jahren männlich

weiblich 78,0

0 Jahre ø 80,7

83,3 63,4

15 Jahre ø 66,1

68,6 48,9

30 Jahre ø 51,5

53,8 34,6

45 Jahre ø 37,0

39,2 21,6

60 Jahre ø 23,6 75 Jahre ø 12,1

25,4 10,8 12,9

90 Jahre ø 4,2

3,8

100 Jahre ø 2,0

1,8

4,3

2,0

ø = Gesamtschnitt Quelle: APA/Stat; Grafik: R. Appl

Wien. Diabetes ist wohl jene Zivilisationskrankheit, die aufgrund der Zunahme älterer Patientinnen und Patienten sowie junger Übergewichtiger in den kommenden Jahren am stärksten zunehmen wird. In Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM) und der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft (ÖDG) hat die Sozialversicherung anlässlich es Weltdiabetestags am 14. November den Diabetes-Pass neu aufgelegt. Der Diabetes-Pass ist ein wichtiges Hilfsmittel für einen effizienten und erfolgreichen Umgang mit dieser Volkskrankheit und unterstützt zudem das Disease Management-Programm „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“. Erst kürzlich präsentierte Gesundheitsminister Alois Stöger den „Österreichischen DiabetesBericht 2013“, wonach die Gruppe der Diabetiker derzeit in Österreich auf 573.000 bis 645.000 Menschen geschätzt wird. Davon sind ungefähr 143.000 bis 215.000 Personen undiagnostiziert. Zudem nimmt die Zahl der Diabetiker stetig zu. Und vor allem: Von der früher salopp als „Alterszucker“ bezeichneten Krankheit sind immer mehr Kinder und Jugendliche betroffen.

Übergewicht ist ein Riskofaktor für Diabetes: Experten fordern gezieltere Maßnahmen zur Prävention und Früherkennung.

hormone, aber auch der Einfluss von Gesellschaft, Kultur und Geschlechterrollen zu beachten. Ein niedriger Sozialstatus und schlechte Bildung sind vor allem bei Frauen mit einem höheren Risiko für Adipositas und Diabetes verbunden. Mit der Awareness-Kampagne „Seven Days for Diabetes“ hat die Initiative in der vergangenen Woche durch verschiedene Aktionen versucht, auf der Problem aufmerksam zu machen. Das Pharmaunternehmen MSD in Österreich widmete dem Thema rund um den Welt-Diabetes-Tag ebenfalls österreichweit eine Reihe von Initiativen, denn: Typ-2-Diabetes mellitus etwa bleibt von den Betroffenen in vielen Fällen lang unbemerkt. Dabei ist es verhältnis-

Sozialstatus macht krank Das Geschlecht beeinflusst zudem die Entwicklung und den Verlauf aller Diabetes-Formen, teilt die Diabetesinitiative Österreich mit. Neben den biologischen Unterschieden spielen psychosoziale Faktoren bei der Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes eine wichtige Rolle. Dabei sind der Einfluss der Gene und Sexual-

mäßig einfach, über eine Messung des „Langzeit-Blutzuckerwerts“, des sogenannten HbA1c-Werts, einen klaren Hinweis auf eine Diabetes-Erkrankung zu erhalten. Wer bei einer solchen Messung einen auffälligen Wert aufweist, sollte sich ehest möglich in ärztliche Behandlung begeben.

Breite Informationen „MSD setzt sich dafür ein, das Wissen in der Bevölkerung zum Thema Diabetes – als besonderen Aspekt der Gesundheitskompetenz – breitestmöglich zu fördern. Uns geht es einerseits darum, die Menschen zu informieren, wie man präventiv gegen Diabetes vorgehen kann. Auf der anderen Seite ist es

von größter Wichtigkeit, dass Diabetes früh erkannt wird, damit die notwendigen Schritte gesetzt werden können“, erklärte Gabriele Grom, Geschäftsführerin von MSD in Österreich. Rund um den 14. November fanden zahlreiche Aktivitäten statt. So gab es neben vielen anderen Aktionen am Weltdiabetestag im Foyer des Euro Plaza Business Parks am Wienerberg HbA1c-Messungen für Interessierte. Weiters fanden Vorträge zum Thema statt. In St. Pölten gab es im Ekazent Traisenpark ebenfalls HbA1c-Messungen. Und in Innsbruck fand in Zusammenarbeit mit Gesundheitslandesrat Herbert Tilg der Tiroler Diabetestag im Congress Innsbruck statt.

Hintergrund Pharmazeut und Nahrungsexperte Norbert Fuchs informierte Apotheker über publizierte Studien

Auch wahre Studien können falsch sein Wien. In regelmäßigen Abständen erschienen während der vergangenen Jahre Publikationen, die den Sinn des therapeutischen Einsatzes von Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen relativierten und gar infrage stellten. Leser von Fach- und Verbrauchermedien glaubten manchmal, ihren Augen und Ohren nicht mehr vertrauen zu können. Berichtete etwa Anfang der 1990er-Jahre eine seriöse wissenschaftliche Publikation darüber, dass die Einnahme einer Kombination aus Beta-Carotin, Vitamin E und Selen bei annähernd 30.000 Chinesen die Gesamtmortalität und Krebsmortalität statistisch signifikant senken konnte, wurde zwei Jahre später eine ebenso große Studie in Finnland abgebrochen, weil sich die Lungenkrebs-Sterblichkeit jener männlichen Versuchspersonen, die Beta-Carotin eingenommen hatten, um 18% erhöht hatte. Sind Vitamine nun Heilsbringer oder Krebsbeschleuniger? „Kein Wunder, dass Medien wie Spiegel, Stern, profil, Krone und Co entsprechend polarisierende Beiträge

bringen, wo sich doch nicht einmal die Fachwelt einig ist in der Bewertung von Vitaminen und anderen Mikronährstoffen“, kritisierte am vergangenen Donnerstag der Deutsche Apotheker Uwe Gröber bei einer Informationsveranstaltung für Apotheker. Zusammen mit dem Pharmazeuten Norbert Fuchs (Ökopharm) trat er erstmals gemeinsam vehement gegen den „Nonsens methodisch falsch an-

gelegter Vitaminstudien“ auf, egal, ob diese nun Pro- oder Contra-Ergebnisse zum Wert dieser Biomoleküle brachten. Der Aussagewert einer Studie hänge nicht von der Anzahl der untersuchten Teilnehmer ab, sondern vom Studienansatz und vom methodischen Design. Dies wurde exemplarisch anhand ausgewählter Studien aufgezeigt. Gerade Vitaminstudien dürften nicht nach

pharmakologischen Parametern angesetzt werden. Fuchs: „Ein Blick in die Lehrbücher der Biochemie genügt, um die gravierenden Unterschiede pharmakologischer und physiologischer Abläufe in unserem Stoffwechsel zu erkennen.“ Man könne einer Person mit Eisenmangel Eisen zuführen und dennoch ändere sich nichts. Der Grund liege dann vielleicht darin, dass die betroffenen Person Eisen nicht verstoffwechseln könne, weil ihr Vitamin C fehle.

Unkritische Medien

© ökopharm

Martin Rümmele

© dpa/David Ebener

Ina Karin SChriebl

Pharmazeut Norbert Fuchs kritisierte undifferenzierte Analysen von Studien.

So effizient und lebensrettend die kurativen Effekte von Pharmaka in unserem medizinischen Alltag sind, so kontraproduktiv und irreführend sei die Beurteilung von Nährstoffen nach pharmakologischen Kriterien. Fuchs und Gröber sprachen sich vehement gegen die Verunsicherung von Patienten durch irreführende Studien und die Berichterstattung darüber aus. Ihr Rat an Journalisten: Studien im Original besorgen und genau hinterfragen. (rüm)


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