Qualitätssicherung in der Kulturellen Bildung

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Lernziel: „konstruktive Ideen zur Verbesserung des ­Vorgespielten und zum weiteren Verfahren“/ „konstruktive Kritik üben“

kann. Sie spielt ihre Rolle als Hausmeisterfrau berlinernd weiter und integriert den Dialekt in ihre Rolle (vgl. Beobachtungsprotokoll des Kurses DS-B vom 20. Juni 2007, S. 22, Z. 36 –57).

Laut Berliner Rahmenlehrplan ist ein zentrales Ziel des Fachs Darstellendes Spiel „die Entwicklung der Kritik- und Urteilsfähigkeit im Umgang mit den darstellenden Künsten und mit theatralen Situationen. [...] Im gemeinsamen Entscheidungsund Gestaltungsprozess lernen sie [die Schüler/innen, R.D.], Kritik situations- und sachangemessen zu formulieren, zu argumentieren und mit Kritik umzugehen“ (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin 2006, S. 11). Die Schüler/innen sollen beim Theaterspielen konstruktive Kritik üben, das eigene Spiel während seiner Entwicklung und Erarbeitung kritisch reflektieren, sachliche Kritik annehmen, diese verarbeiten und damit konstruktiv umgehen (vgl. ebd., S. 17f. und 22). Sie

Hendrik und Claudia setzten sich als Zuschauende mit der Darstellung der Figur des Hausmeisters auseinander. Claudia hatte die Idee, dass der Hausmeister einen Akzent haben könnte. Hendrik gab dies als konkrete Aufgabe an Malte weiter („er solle berlinern“). Das Berlinern wurde für Malte aber offenbar anstrengend und umständlich. Claudia bemerkte, dass seine Sprache nicht mehr flüssig war und nicht mehr zur Figur passte. Die bemüht veränderte Aussprache trug eher zur Heiterkeit der Zuschauer/innen als zur Glaubhaftigkeit von Maltes Hausmeister-Figur bei. Daraufhin fragte Claudia sehr einfühlsam, ob Malte einen anderen Dialekt beherrsche (sie denkt hier geradezu theaterpädagogisch!), damit die Figur von ihm besser dargestellt werden könnte. Auch Magnus kommentierte Maltes Versuche und beschrieb, wie sie auf ihn wirkten. Als Konsequenz daraus schlug er Malte vor, dass er lieber „normal“ weiter sprechen solle. Gleichzeitig hatte er die Idee, dass Manuela statt Malte berlinern könnte. Sie integrierte diesen von ihr beherrschten Dialekt in ihre Rolle. Damit war eine ganze Gruppe von Spielenden und Zuschauenden im gegenseitigen Wechselspiel zwischen Spielen und Zuschauen an der Erarbeitung dieser beiden Figuren beteiligt (vgl. Hoffmann 2007, S., S. 182).

>> „begreifen, reflektieren und evaluieren theater­ästhetische Prozesse und Produkte als kommunikative Akte – in Bezug auf das Publikum und die Wirkung, >> erkennen Reflexion und Kritik in einer Gruppe als ­Bereicherung und Erweiterung ihrer Handlungs­möglichkeiten [...]“ (Ebd., S. 15). In den beobachteten Theaterstunden hatte die Rückmeldung der zuschauenden Spieler/innen für die Akteure auf der Bühne eine besondere Bedeutung. Durch das Feedback erfuhren sie, wie das von ihnen Dargestellte wirkte, welche Effekte sie damit beim Publikum erzeugten und welchen Eindruck sie in ihrer Rolle erweckten.10 In diesen Auseinandersetzungen mit dem Gesehenen und den damit verbundenen Einschätzungen trainierten die Theaterspieler/innen ihre ästhetische Urteilsfähigkeit. Indem (Mit-)Spielende auch als Zuschauende fungierten, konnte in der Szenenentwicklung die Perspektive des Publikums wesentliche Berücksichtigung finden. Die optimale für das Publikum verständlichste Darstellung wurde häufig in Zusammenarbeit mit anderen Spielern/innen gefunden, die die Funktion der Zuschauer/innen in einem begrenzten Rahmen übernahmen und eine Rückmeldung über das, was sie gesehen hatten, gaben. Sie übten konstruktive Kritik. Durch diese Rückmeldungen trugen die Jugendlichen in den Theatergruppen zur besseren Darstellung von Figuren und Szenen bei. Manuela und Malte spielen ihren Mitspielern ihre Szene vor. Malte spielt einen Hausmeister, Manuela seine Frau. Hendrik und Claudia sitzen auf den Zuschauerstühlen und unterhalten sich leise. Claudia sagt, der Hausmeister bräuchte einen Akzent. Hendrik ruft nach vorn, dass Malte berlinern solle. Malte versteht nicht, wie das gehen soll. Er bemüht sich zu berlinern und wird von den anderen Zuschauern mehrfach verbessert. Wie er jetzt spricht, klingt sehr umständlich und langsam. Claudia fragt ihn, ob er einen anderen Dialekt beherrscht. Malte bemüht sich, beim Wort „Staubsaugerbeutel“ zu berlinern. Die anderen lachen laut und ausgiebig. Magnus sagt: „Wie ein Ami!“, er solle normal weiter machen. Er fragt, ob Manuela berlinern

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Rückmeldungen der zuschauenden Mitspieler/innen in den beobachteten Theaterstunden zahlreiche Anregungen für die Darstellung und das Spiel auf der Bühne gaben. „Wir haben einfach irgend’was gespielt und dann ist uns einmal nichts mehr eingefallen und dann ham aber auch die anderen Mitschüler gesagt: ‚Ja, macht das doch so!’ und: ‚Versucht das doch ’mal so zu machen!’ und irgendwann standen dann die Rollen fest“ (Claudia im Interview vom 27. Juni 2007, S. 17, Z. 39 – 42). Claudia machte im Interview deutlich, dass die Anregungen ihrer Mitschüler/innen im Prozess der Erarbeitung ihrer Szene eine wichtige Rolle gespielt haben. Als die Spieler/innen nicht mehr weiter wussten, machten die zuschauenden Jugendlichen ihnen neue Gestaltungsvorschläge. Claudia erwähnte dies im Zusammenhang mit der Rollenfindung. Es ist anzunehmen, dass die Ideen der Mitspieler/innen also auch Einfluss auf die Entwicklung der Rollen hatten. Damit Schüler/innen sich in dieser Weise aktiv in den ästhetischen Prozess einbringen konnten, musste ihnen von den Lehrerinnen die Möglichkeit und der Raum dazu gegeben werden. In einigen Theaterkursen war gleich zu Beginn eingeführt worden, Rückmeldungen zu gezeigten Szenen zu äußern. Die Spieler/innen mussten sich also eine Meinung über die Inszenierungen anderer bilden. Diese Ausbildung ästhetischer Urteilsfähigkeit ist als Bestandteil ästhetischer Kompetenz zu sehen. Außerdem lernten die Theater spielenden Jugendlichen konstruktives Feedback zu geben. Die Reflexion von Darge-

10 „Es ist der andere, der Blick des anderen, der uns definiert und formt. Ohne den Blick und die Antwort des anderen können wir nicht begreifen, wer wir sind [...]“ (Eco 2000). „Um sich selbst betrachten zu können, muss sich der Mensch noch einmal sehen“ (Hoffmann 2007, S. 181). Aus dieser dem Menschen eigenen ­M öglichkeit und Notwendigkeit, zugleich sich bzw. einem anderen gegenüber zu treten, „um ein Bild von sich [...] zu entwerfen, das er mit den Augen eines anderen reflektiert bzw. in den Augen eines anderen reflektiert sieht“, ergibt sich die anthropologische Grundlage des Theaterspielens (vgl. Fischer-Lichte 1997, S. 985)


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