MDZ – Das Magazin zum Markt der Zukunft

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FOTO FRANZ NAHRADA

„Ich versuche, den ländlichen Raum zu reparieren” TEXT CHRISTINA HARRICH & ERIK DERK

Franz Nahrada möchte mit der DorfUni Bildungsmöglichkeiten am Land schaffen. Damit sollen Dörfer wiederbelebt werden und neue Gemeinschaften entstehen. „Ich habe extreme Fälle von ländlichem Niedergang in Griechenland erlebt, darunter habe ich sehr gelitten.” In den 1980er Jahren sah Franz Nahrada, wie alte Menschen in griechischen Dörfern alleine in verfallenen Häusern leben mussten, weil fast alle Jungen abgewandert waren. Diese Zeit in den griechischen Bergdörfern auf der Insel Samos prägte ihn stark. Damals fragte Nahrada sich zum ersten Mal, welche Mittel gegen Landflucht helfen, wie der ländliche Raum gerettet werden könnte. Diese Fragen beschäftigen den Zukunftsforscher bis heute. „Das ist jetzt meine Lebensaufgabe: Ich versuche, den ländlichen Raum zu reparieren”, erklärt Nahrada, der 2017 nach Bad Radkersburg gezogen ist. Aufgrund der Klimakrise hat sich die Dringlichkeit dieser Fragen noch verschärft: „Wir müssen schauen, dass wir das, was wir haben – lebendige Landschaften, Kreisläufe, Naturzusammenhänge, die Landwirtschaft, das Handwerk – dass wir dem wieder Auftrieb geben.”

Diese Worte nahm Franz Nahrada mit auf den Weg und legt sie auch auf den Markt der Zukunft um: „Wenn wir jetzt von ‚Reparatur der Zukunft’ sprechen, dann heißt das auch, dass wir unter Umständen die Zukunft ein bisschen neu erfinden können.” In den letzten Monaten hat der Zukunftsforscher bemerkt, dass Menschen auf einmal viel aufgeschlossener auf seine Ideen reagierten. Corona sei eine wichtige Lektion, es finde eine massenhafte erzwungene Auseinandersetzung mit den Themen Home-Office und virtueller Bildung statt, meint Nahrada. Außerdem sieht er eine 180-GradWende von globalisierten Märkten hin zu lokaler Kreislaufwirtschaft. „Es findet gerade eine gesellschaftliche Wendung hin zum Lokalen und zu ländlichen Räumen statt. Wir konzentrieren uns mehr auf die Kreisläufe um uns herum, hier sehe ich großes Potenzial.”

Nach vielen Überlegungen, Gesprächen und Veranstaltungen kam Franz Nahrada zu der Erkenntnis, dass Bildung der Schlüssel zur Rettung des Dorfes ist. „Es geht um ein interkommunales und personalisiertes Bildungssystem, das neben Wissen auch Beziehungen vermittelt. Wenn wir eine kooperative Kette bilden, dann werden alle Tätigkeiten ineinander greifen”, sagt Nahrada. Aus diesem Gedanken heraus entstand die DorfUni – eine virtuelle Akademie, wo Interessierte über Video mit neuen Denkansätzen in Berührung kommen. Dabei ist das gemeinsame Lernen ein wichtiger Aspekt, um die Dorfgemeinschaft zu fördern und Synergien zu nutzen. Franz Nahrada entdeckte Ende der 1980er Jahre seine Computeraffinität und reiste in die USA. „Ich bin losgefahren als jemand, der eigentlich gar kein Techniker ist und sich den Computer autodidaktisch angeeignet hat”, erzählt Nahrada. Zu Recherchezwecken verschlug es ihn in das Silicon Valley. Dort traf er zufällig auf Douglas Engelbart, den amerikanischen Computerpionier, der unter anderem die Maus erfand. Engelbart sagte zu Nahrada, dass es in unserer Hand liegen würde, die Zukunft neu zu erfinden – auch in sozialer Hinsicht. Technische Verbesserungen alleine hätten niemals Fortschritt gebracht.

DorfUni

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gegründet 2016 / Wien Gründer Mission

Franz Nahrada Gemeinschaft anstiften

Als interkommunale „freiwillige Bildungsfeuerwehr“ vernetzt DorfUni Gemeinden und Expert*innen, um Regionalentwicklung und Gemeinschaft zu stärken.

www.dorfuni.at

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ZUKUNFT BAUEN


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