WIR TUN WAS Ausgabe 08

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AUSGABE 04/2023

MEHR BIODIVERSITÄT DURCH MEHR ZUSAMMENARBEIT

Gemeinsam ist es einfacher! LESEN SIE MEHR AB SEITE 3.

Ein Postbote mit Wildblumen

MEHR AUF SEITE 14.

© Wildblumenwiesenverein St. Ulrich

© General Directorate of Roads and Highways in Poland

Schwimmender Brutplatz für Flussseeschwalben

Dieses Projekt wird durch den Biodiversitätsfonds des Bundes­ ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­ vation und Technologie gefördert.

In den letzten vier Jahren ist St. Ulrich aufgeblüht. Den Grundstein dafür hat ein pensionierter Postbote mit einer raffinierten Idee gesetzt. LESEN SIE MEHR AB SEITE 8.


WIRTUNWAS

© Herbert Tanner

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Liebe Leserinnen und Leser! Kreativität ist der vielleicht wich­ tigste Motor zur Lösung eines Problems. Oft entsteht eine interes­ sante Lösung erst dann, wenn man auf gewohnten Wegen nicht mehr weiterkommt. In Polen muss ein Autobahnbe­ treiber in der Weichsel eine neue Sandbank für die Flussseeschwalbe herstellen. Das ist in einem Fluss unmöglich. Er baut ein Sandschiff und verankert es. In St. Ulrich will Johann Kimberger möglichst viele Menschen zur Anlage einer wilden Ecke in ihrem Garten bewegen. Er ist pensionierter Briefträger. Er besorgt einen großen Sack Wildblumen­ samen, füllt sie in kleine Brieflein und verteilt sie. In der Steiermark sind dem passionierten Bergsteiger Herbert Tanner die alten Baumriesen ein Anliegen. Er arbeitet in einem großen Unternehmen und motiviert seinen Betrieb, sich an Baumpa­ tenschaften für diese großartigen Naturjuwele zu beteiligen. Mindestens so interessant wie diese Ergebnisse sind die Handlungen, die „backstage“ stattgefunden haben. In allen Beiträgen, die wir heute mit dieser Ausgabe bringen, tauchen wir in den Hintergrund der Geschichte ein. Und eines zieht sich dabei durch: Der Schutz der Biodiversität ist ein Thema, das viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen ver­ bindet. Daraus können großartige Projekte entstehen. Viel Freude an dieser Ausgabe!

Wolfgang Suske Landschaftsökologe & Herausgeber

Bergsteiger und Baumpate Herbert Tanner MEHR AUF SEITE 18

PODCAST

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Wir sind auch auf Instagram! @wir_tun_was Impressum Herausgeber: Suske Consulting, Hollandstraße 20/11, 1020 Wien Redaktion: Kathrin Horvath, Wolfgang Suske, Barbara Rems-Hildebrandt, Julia Schuster Layout: agenturschreibeis.at Druck: Druckerei Sandler, Marbach/Donau Auflage: 15.000 Stück · Erscheinungsdatum: Dezember 2023

redaktion@wirtunwas.net 202223031

Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, Johann Sandler GesmbH & Co KG, UW-Nr. 750


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WIE KANN MAN ZU MEHR EINSATZ FÜR DIE BIODIVERSITÄT MOTIVIEREN?

Geschichten anderer Menschen, um eigene Wege finden

TUWAS-TIPP

auch der Mut, andere für ein gemeinsames Ziel zu gewinnen.

rungsberichte: Sie sind eine Quelle der Inspiration und des Lernens.

Die gesamte Ausgabe widmet sich Menschen, die diese Hürden über­ wunden haben. Sie zeigen uns, wie man Menschen, Gemeinden und Firmen erfolgreich dazu motivieren kann, sich für biodiversitätsfördern­ de Maßnahmen einzusetzen. Diese Geschichten sind mehr als nur Erfah­

Der Austausch von Erfahrungen und unterschiedlichen Herangehenswei­ sen hilft uns allen, neue Perspektiven zu gewinnen und eigene Wege zu finden, um aktiv zu werden. Wir möchten mit diesen Geschichten ermutigen und inspirieren, eigene Wege zu finden und zu gehen.

TUWAS-TIPP

© Adobe Stock/hydebrink

1 Starte eine Kooperation mit anderen Vereinen wie z.B. Verschönerungsvereinen, den Naturfreunden, dem Alpenverein oder den Pfadfindern.

Denk besonders auch an Vereine, die keinen Fokus auf Natur haben, wie z.B. Musik­ vereine oder Feuerwehren. So kommst du zu neuen Leuten!

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Stell dich und deinen Verein auf Messen und in Regional­ medien vor. Sei präsent, zeige dich in der Öffentlichkeit.

Mehr ab Seite 6.

TUWAS-TIPP

EN UM UNTERNEHMEN ZU GEWINN

© Adobe Stock/Gina Sanders

IM UMGANG MIT GEMEINDEN

FÜR VEREINE

1 Bereite dein Projekt so einfach

wie möglich für Gemeindemitar­ beiter:innen auf, so dass deren Arbeitsaufwand zur Beteiligung am Projekt sehr gering ist.

2 Knüpfe dein Projekt an

Probleme, die der Gemeinde auf den Nägeln brennen.

3 Biete deine Hilfe den Gemeindemitarbeiter:innen, Bauhofmit­ arbeiter:innen und Gemeinde­ gärtner:innen vor Ort an und frage immer wieder nach, ob Hilfe oder Informationen gebraucht werden.

Mehr ab Seite 16.

© Adobe Stock/ mojo_cp

Das Bewusstsein für die Bedeutung einer vielfältigen und gesunden Umwelt wächst stetig. Trotz des Wunsches, aktiv zu werden, stoßen viele von uns auf Hürden bei der Umsetzung ihrer Ideen. Oftmals scheitert es nicht an der Idee selbst, sondern an der Herausforderung, diese in die Tat umzusetzen. Manchmal gibt es keine helfenden Händen, es fehlt die finanzielle Unterstützung oder aber

1 Überlege dir im Vorfeld, warum

das Unternehmen Interesse am Schutz der Natur haben könnte. Denke dabei auch an die Kund:innen des Unternehmens.

2 Projekte, deren Wirkung auf

der Fläche ganz konkret sicht­ bar sind, eignen sich besonders gut, weil der Erfolg sichtbar und besser vermarktbar ist.

3 Biete Projekte an, die eine lange

Laufzeit haben und keine einma­ lige Aktion sind. Dadurch kannst du das Unternehmen länger an dich binden und gemeinsam das Projekt weiterentwickeln.

Mehr ab Seite 18.


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WIRTUNWAS

DEN WALD ERLEBBAR MACHEN

Die Erfahrungen während der Corona-Pandemie haben verdeut­ licht, welche Bedeutung Wälder für uns Menschen haben. Nicht nur als Holzlieferant und Arbeitsplatz für rund 300.000 Menschen, sondern auch als Ort der Erholung und des Ausgleichs. Unser Wald steht allerdings zunehmend vor großen

Herausforderungen. Dazu gehören steigende Temperaturen, die nicht nur heimische Arten bedrohen, son­ dern auch das Aufkommen gebiets­ fremder Arten begünstigen. Auch das verbreitete Ideal eines aufge­ räumten Waldes, in dem Elemente wie liegendes Totholz häufig als Unordnung wahrgenommen werden, trägt vielerorts zur Strukturarmut bei. Doch es sind die zahlreichen Waldbewirtschafter:innen, die der Biodiversitäts- und Klimakrise aktiv gegensteuern. Die Online-Plattform waldgeschichten.com rückt sie ins Rampenlicht und bietet Einblicke in die vielfältigen Aktivitäten im Wald.

Aaand action! Die Österreichischen Familienwald­ betriebe haben gemeinsam mit dem Österreichischen Forstverein die Waldgeschichten ins Leben gerufen. „Für uns ist wichtig, dass wir zeigen,

was viele Menschen in unserem Wald für die Biodiversität und einen zukünftig klimafitten Wald machen, aber auch, dass die breite Öffent­ lichkeit wissenschaftlich fundiertes Wissen über den Wald erhält“ sagt Thomas Leitner, Forstwirt und Betreuer der Waldgeschichten. Die Themen sind vielfältig: von der Waldbewirtschaftung über Pilze sammeln bis zur Erholung im Wald. Besonders ist, dass die Protago­ nist:innen in Kurzvideos ihre Arbeit selbst vorstellen, was ein virtuelles Eintauchen in den Wald direkt vom Wohnzimmer aus ermöglicht. So kann man beispielsweise bei

Waldrandgestaltung

© waldgeschichten.com

Altholzentnahme

Thomas Leitner, Forstwirt und Betreuer der Waldgeschichten

© waldgeschichten.com

Wenn man durch den Wald geht, verstecken sich in alten, liegenden Baumstämmen wahre Schätze der Biodiversität, die man manchmal gar nicht als solche wahrnimmt. Zahlreiche Waldbewirtschafter:innen leisten tagtäglich wichtige biodiversitätsfördernde Maßnahmen für unsere Wälder, die der Gesellschaft oft verborgen bleiben. Die Plattform Waldgeschichten gibt Einblicke in die vielfältigen Aktivitäten im Wald. Das Besondere: Jeder und jede kann mitmachen!

© waldgeschichten.com

„An jeder Ecke wartet eine Geschichte“


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Digital geteilte Waldmomente Leitners Augen erblickten jedes der bisher rund 250 hochgeladenen Videos. „Jede Person, die im Wald etwas Schönes sieht, etwas erlebt, zeigen möchte oder macht, kann ein Video hochladen. Bei den Wald­ geschichten geht es eben auch um Geschichten und die können von jedem erzählt werden“ so Leitner. Zur Unterstützung der Geschichten­ erzähler:innen wurde eine eigene Waldgeschichten-App entwickelt, die beim Videodreh unterstützt. „Wenn man durch den Wald geht, braucht man nur die Augen aufmachen und an jeder Ecke wartet eine Geschichte. Sei es ein Ameisenhaufen, ein liegen­ der Baumstamm, der sich im fort­ geschrittenen Zersetzungsstadium befindet oder einfach nur eine schöne Kirschblüte. Mit der App lassen sich solche Momente einfach und schnell

festhalten und einem breiten Publikum präsentieren“.

Aus Erfahrungen anderer lernen Neben den Videos werden auch Artikel zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und vertiefende Infor­ mationen zur Waldbiodiversität und dem Klimawandel angeboten. Wem das nicht reicht, kann auch über die Webseite Fragen an waldgeschich­ ten.com richten. „Wir schauen drauf, dass wir Fragen zeitnah beantwor­ ten. Wir scheuen auch den Diskurs bei unterschiedlichen Sichtweisen nicht.“ betont Leitner. Es sei wich­ tig zu verstehen, dass Wälder zwar ohne menschliche Bewirtschaftung auskommen können, wir Menschen jedoch auf die Ressourcen und Funk­ tionen des Waldes angewiesen sind – und das schließt die Bewirtschaf­ tung mit ein. „Wenn wir den Wald nicht mehr bewirtschaften, dann wird sich das Waldbild verändern und die Funktionen des Waldes, die für uns so wichtig sind, auch teilweise verloren gehen. Aber auch bewusstes Nichts­ tun kann ein Teil der Bewirtschaftung sein, das darf man nicht vergessen.“ Bei Waldgeschichten geht es um das wechselseitige Lernen aus den Erfahrungen vieler Waldbewirtschaf­ ter:innen.

Setze dich und deine Waldgeschichte in Szene. Mehr Infos unter

www.waldgeschichten.com Die Waldgeschichten-App kann kostenlos heruntergeladen werden.

Liegendes Totholz als Lebensraum

© waldgeschichten.com

Formschnitt beim Laubholz

TUWAS-TIPP

© waldgeschichten.com

Pflegemaßnahmen, Aufforstungen oder bei Baumfällungen hautnah da­ bei sein. „Die Leute können so vonei­ nander lernen, denn der eine macht es so, der andere macht es anders. Wir schauen natürlich darauf, dass zum Beispiel bei Arbeiten mit Mo­ torsägen Sicherheitsstandards und arbeitsrechtliche Bestimmungen eingehalten werden“.

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EIN LANDSCHAFTSPFLEGEVEREIN ALS REGIONALES ERFOLGSKONZEPT

Hier sind Leidenschaft und Engagement zu Hause

Der Landschaftspflegeverein Thermen­linie-Wienerwald-Wiener Becken widmet sich mit zahlreichen Aktionen dem Erhalt der biologischen Vielfalt. Durch ihre Zusammenarbeit mit interessierten Menschen, Schulen, Vereinen, Unternehmen, Landwirt:innen und Gemeinden wächst ihr Netz-

An einem windgepeitschten und kalten Samstag Mitte November versammelt sich kurz nach acht Uhr morgens eine Traube von Menschen am Eingang des Lainzer Tiergartens im 13. Wiener Gemeindebezirk. Mit ihren Köpfen un­ ter Kapuzen versteckt und mit dicken Schals eingehüllt, sind sie bestens gewappnet für einen langen Tag in der Kälte, bereit für die Exkursion des Landschaftspflege­vereins Thermen­ linie-Wienerwald-Wiener Becken. „Ich darf euch heute im Rahmen des internationalen Projekts Bioregional Weaving Labs ganz herzlich begrü­ ßen“, sagt Irene Drozdowski, Obfrau und Gründerin des Landschaftspfle­

© LPV L. Strobl

© Kathrin Horvath

© LPV L. Strobl

werk auf eine beachtliche Größe von etwa 180 Fußballfeldern Naturfläche. Wie gelingt dieser Erfolg?

Alexander Mrkvicka und Bianca Sabek informieren eindrucksvoll über die Rinderbeweidung im Lainzer Tiergarten.

gevereins. Das in Kooperation mit Ashoka und Blühendes Österreich durchgeführte internationale Projekt Bioregional Weaving Labs zielt darauf ab mit naturbasierten Lösungen dem

Die Biologin Bianca Sabek hat während ihres Studiums ein mehrmonatiges Praktikum im Landschafts­ pflegeverein Thermenlinie-Wienerwald-Wiener Becken absolviert.

Be­stätigung, dass man das, was man auf der Uni in der Theorie lernt, mit dem Verein in der Praxis umsetzen kann und das hat mich letztendlich in meiner Berufswahl bestätigt.

Warum hast du dich für ein Praktikum beim Landschaftspflegeverein entschieden?

Was hast du während deines Praktikums gemacht?

Das Praktikum ist unter meinen Studienkollegen besonders beliebt, weil man sich das Praktikum sehr flexibel einteilen kann. Das bedeutet, man muss es nicht am Stück machen, sondern kann es über mehrere Monate hinweg aufteilen. Was für mich aber noch viel wertvoller war, ist die

Ich war beim Ziesel-Monitoring auf der Perchtoldsdorfer Heide dabei und bin bei ganz vielen Pflegeinsätzen mitgegangen und habe bei einer Um­ weltbaustelle mitgemacht. Ich habe Sträucher entfernt, Schilf gemäht und das Schnittgut zusammengerecht und zum Abtransport vorbereitet. Es gab aber auch Arbeiten, die ich im Büro

gemacht habe, wie zum Beispiel Daten von Pflegeaktionen auswerten. Was mir besonders Spaß ge­ macht hat, ist, dass man in verschiedene Tätigkeiten miteinbezogen wird und Kontakt zu vielen Menschen hat.

Was nimmst du sonst noch von deinem Praktikum mit?

Eine sehr gute Vernetzung im Natur­ schutzbereich und die Erfahrung, dass man mit einer Gemeinschaft, Arbeit und viel Mühe viel im Naturschutz schaffen kann.

© LPV

„Mein Praktikum beim Verein hat mich in meiner Berufswahl bestätigt.“


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Vernetzung mit Freude Alexander Mrkvicka vom Klima, Forstund Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien und Biologin Bianca Sabek erklären anschaulich mit Miniaturwei­ detieren und Datenauswertungen den positiven Einfluss, den die Wildrinder im Lainzer Tiergarten für die biolo­ gische Vielfalt leisten. So finden z.B. Raritäten wie der seltene Dungkäfe durch die Beweidung auf den Weide­ flächen einen Lebensraum. Gespannte Gesichter, gebannte Ohren und immer

© LPV L. Strobl

Bio­diversitätsverlust und Klimawandel in verschiedenen europäischen Regionen entgegenzuwirken. Eine Schlüsselmaßnahme dabei ist die ex­ tensive Beweidung, die in der Region Thermenlinie-Wiener Becken prakti­ ziert wird. „Wir möchten heute in das Thema extensive Beweidung eintau­ chen und uns vier erfolgreiche Projek­ te anschauen, die uns den vielfältigen Mehrwert extensiver Beweidung für Natur und Mensch aufzeigen“. wieder lautes Lachen. Die Exkursion ist ein voller Erfolg. Ist das immer so? Ein kurzer Blick auf die Webseite und die Berichte über vergangene Veran­ staltungen lassen keinen Zweifel: Hier sind Leidenschaft und Engagement zu Hause. In 25 Gemeinden Niederöster­ reichs und zwei Wiener Bezirken hat der Verein seine Spuren hinterlassen. Mit seinem Team, zu dem auch Prakti­ kant:innen und Naturvermittler:innen gehören, und unzähligen freiwilligen helfenden Händen erhalten sie

stolze 1.287.000 Quadratmeter Natur­ fläche. Das ist nicht nur beeindruckend, sondern zeigt auch, wie ernst es ihnen mit ihrem Anliegen ist.

MITMACH-TIPP Wenn du bei einem Pflegeeinsatz mithelfen oder ein Praktikum machen möchtest, schau auf www.landschaftspflegeverein.at

„Wir wollen den Leuten zeigen, was man trotz Krisen tun kann.“

Was macht euer Verein?

Unser Vereinsschwerpunkt ist die Erhaltung der biologischen Vielfalt von besonderen Biodiversitätsflä­ chen und diese auch wieder zu ver­ netzen. Was man dafür braucht, sind ganz viele Menschen, die mitmachen. Einerseits bei der Umsetzung von Maßnahmen, andererseits bei der Bereitstellung von Flächen. Wir be­ sitzen nämlich keine einzige Fläche. Die Flächen gehören Gemeinden oder Privatpersonen im kleineren Rahmen. Uns ist wichtig, dass wir den Leuten zeigen, was man trotz Krisen tun kann. Da wir mittlerweile viele Men­ schen sind und viel umsetzen können,

sieht man auch einen Effekt und das motiviert.

Wie holt ihr diese Personen ins Boot?

Es gibt Gemeinden, die ein bisschen skeptischer sind, wenn es um Natur­ schutz geht. Aber da kann man zu Beginn mit Naturbildungsprojekten einsteigen, wo man den Kindern zum Beispiel die Natur in ihrem eigenen Ort zeigt, wodurch auch die Identifikation gestärkt wird. Über die Schulklassen erreichen wir dann auch die Eltern und die Gemeinde. Und so entstehen dann weitere Projekte wie zum Beispiel Pflegeeinsätze auf wertvollen Flä­ chen und falls keine solche Flächen vorhanden sind, legen wir welche gemeinsam an. Wir machen aber auch sehr viel Kommunikationsarbeit. All unsere Aktionen sind begleitet von Öffentlichkeitsarbeit, auch für die Gemeinden. Wir stellen ihnen Texte

und Fotos für ihre Gemeinde­ zeitung und Sozialen Medien zur Verfügung. Wir arbeiten aber auch mit regionalen Medien zu­ sammen. Die Leute kommen zu uns über Gemeindemedien, Regionalme­ dien, wir waren aber auch auf Messen und haben so neue Leute ins Boot ge­ holt. Was wir aber auch immer wieder machen: wir docken bei bestehenden Vereinen wie beispielsweise Ver­ schönerungsvereinen, Naturfreun­ den, Alpenverein, Pfadfindern und Vereinen, die geflüchtete Menschen betreuen, an. Wir gehen unterschied­ liche Richtungen, weil ein einziger Weg nicht genügt, um viele Menschen zu erreichen. © LPV

Die Biologin Irene Drozdowski ist Obfrau des Landschaftspflegevereins Thermenlinie-Wienerwald-Wiener Becken, den sie 2017 mit Kolleg:innen gründete.


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Vom Briefträger zum Wildblumenverteiler In den letzten 4 Jahren hat sich in St. Ulrich vieles verändert. Wo früher eintönige Böschungen und Gärten das Gemeindebild prägten, dürfen jetzt bunte Blumen wachsen. Der Wildblumenwiesenverein St. Ulrich hat es in kürzester Zeit geschafft, viele Menschen für die Biodiversität zu begeistern. Ihre Vereinsplakette steht als Symbol dafür, wie es einer Gemeinschaft gelingen kann, die Vielfalt in der Natur wiederherzustellen. Fast überall droht verwelkten Bal­ konblumen dasselbe Schicksal. Sind sie nicht mehr bunt, werden sie acht­ los weggeworfen und durch saftige Stauden aus dem Großhandel er­ setzt. Genau so hat das auch Johann Kimberger, Gründer und Obmann des Wiesenblumenvereins St. Ulrich, jah­ relang praktiziert. Kimberger hatte immer schon eine große Leidenschaft für Blumen und die Natur, aber wenig über ihren Kreislauf nachgedacht. Eine Gartensendung über nachhaltige

Blühpflanzen hat ihn 2019 wach­ gerüttelt. „Mir ist plötzlich bewusst geworden, wie blödsinnig es ist, ständig irgendwelche Balkonpflan­ zen zu kaufen und sie dann wieder wegzuwerfen.“ In der Sendung erfuhr er, dass 70 Prozent der heimischen Wildblumen und Insektenbestände bedroht sind. „Das hat mich damals so schockiert, dass ich sofort etwas dagegen unternehmen wollte.“, er­ innert sich Kimberger. Er begab sich intensiv auf die Suche nach Infor­ mationen über Wiesenblumen und Wildblumensaatgut und besuchte schließlich ein Wildblumenseminar in Niederösterreich. „Nach der Teil­ nahme war für mich klar, dass ich bei uns im Ort etwas auf die Beine stellen will.“ Gesagt, getan. Kimberger be­ gann zu Hause Ideen zu schmieden, wie er dieses wichtige Thema unter die Leute bringen kann. Wie viel Begeisterung seine Ideen in der Ge­ meinde auslösen würden, bescherte ihm eine unverhoffte Überraschung.

© Wildblumenwiesenverein St. Ulrich

DER WILDBLUMENWIESENVEREIN ST. ULRICH ZEIGT, WIE ES GEHT

Johann Kimberger, Gründer und Obmann des Wiesenblumenvereins St. Ulrich

Wildblumensamen für Alle Je mehr Kimberger über Wiesen­ blumen in Erfahrung bringen konnte, desto mehr wuchs in ihm das Bedürf­ nis in seinem Heimatort heimische Wildblume auszusäen. Seine Vision war klar: Möglichst viele Menschen zur Anlage einer „Wilden Ecke“ in ihren Gärten zu begeistern. Um seine Idee so rasch wie möglich in die Tat umzusetzen, besorgte er sich einen Sack voll Wildblumensaagut, füllte kleine Briefchen für jeweils zehn oder zwanzig Quadratmeter ab und be­ schriftete sie mit den darin enthalte­ nen Arten. „Menschen zu finden, die mitmachen würden, war im Endeffekt leichter als gedacht. Als ehemaliger Briefträger und langjähriges Mitglied im Sport- und Musikverein kenne ich sehr viele Leute. Da ich selbst gerne helfe, wo ich kann, konnten mir die Leute meinen Wunsch nur schwer ausschlagen.“, schmunzelt Kimber­ ger und erinnert sich: „Es war sehr schön zu sehen, wie groß das Inter­ esse für Wiesenblumen in der Bevöl­ kerung ist. Ich bin sogar bei allen, die Hilfe benötigten, persönlich vorbei­ gefahren und habe ihnen Tipps für die Aussaat und Auswahl des richtigen Standortes gegeben.“

© Roland Christen

4,5 ha Starthilfe

Vereinsmitglieder beim gemeinsamen Heuen der gepachteten Flächen.

Dass aus seinem Engagement irgend­ wann ein Verein entstehen würde, hätte Kimberger anfangs nicht ge­ dacht. Ein Gespräch mit dem Wirt Christian Mayr brachte das Ganze schließlich ins Rollen. „Christian sagte mir, dass er 4,5 Hektar Wiese


Mittlerweile sind fünf Jahre vergan­ gen und jeden Sommer werden die Wiesen vom Wiesenblumenverein St. Ulrich geheut. Die Vereinsmitglieder sind sehr stolz darauf, zur Förderung

Johann Kimberger gemeinsam mit der Volkschule St. Ulrich bei der Einsaat einer Wildblumenwiese

© Roland Christen

an jemanden verpachtet hat, der mit der Bewirtschaftung aufhört.“, er­ zählt Kimberger. Im Gespräch stelle sich dann heraus, dass die Flächen sehr steil sind und auch einige Obst­ bäume dort stehen. Das Interesse der Bauernschaft sie zu pachten war daher sehr gering. „Ich habe Christian spontan gefragt, ob nicht ich das in Zukunft für ihn übernehmen könnte“, erzählt Kimberger und kann sich noch sehr gut an die hocherfreute Reaktion des Wirts erinnern. Bald bestand zwi­ schen den beiden ein neuer Pachtver­ trag. Kimberger war aber schnell klar, dass er die Bewirtschaftung allein nicht bewältigen kann. Er machte sich erneut auf die Suche nach helfenden Händen und wurde abermals rasch fündig: „Jeder, dem ich meine Idee vorgestellt habe, hat sofort zugesagt und wollte mitmachen. Wir haben uns dann dazu entschlossen gemeinsam einen Verein zu gründen.“

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© Roland Christen

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Rund um die Vereinshütte wurde ein Lehrpfad als Inspiration für den eigenen Garten angelegt.

der Biodiversität in St. Ulrich beizutragen. Die eigens ange­ fertigte Vereinsplakette ziert bereits zahlreiche Gärten und es ist unschwer zu erkennen, mit wie viel Leidenschaft die Menschen dabei sind.

© Roland Christen

Mit Glück zum Lehrpfad

Die Vereinsplakette des Wildblumenwiesenvereins St. Ulrich ziert mittlerweile zahlreiche Gärten.

Im Entstehungsprozess des Vereins waren viele Zufälle und eine große Portion Glück im Spiel. „Seit wir im Ort aktiv sind, passieren so viele schöne Dinge, ich kann es manchmal kaum glauben“, erzählt Kimberger. „Unsere Vereinshütte zum Beispiel wurde uns einfach so geschenkt. Ebenso waren unsere Vereins T-Shirts aus hochwertiger Alpaka­ wolle eine großzügige Spende und es gibt noch viele weitere Dinge, die

einfach so zu uns gefunden haben.“ Der Verein tut aber auch einiges für sein Glück. Auf den angelegten Lehr­ pfad rund um ihre Vereinshütte sind die Mitglieder besonders stolz. Hier wachsen viele verschiedene Blumen und Sträucher, alle mit selbst kreier­ ten Schildern beschriftet. Auch für Vögel, Säugetiere und In­ sekten werden zahlreiche Beispiele als Inspiration für die Bevölkerung präsentiert. Auch die junge Bevölke­ rung ist dem Verein ein ganz beson­ deres Anliegen, es wurden bereits einige Aktivitäten mit und für Kinder umgesetzt. Sowohl die örtliche Schu­ le als auch die Gemeinde sind vom Engagement des Vereins begeistert und möchten die Zusammenarbeit zukünftig fortsetzen.


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WERDEN HÖFE AUFGEGEBEN, SO VERÄNDERT DAS UNSERE KULTURLANDSCHAFT

Frischer Wind in alten Höfen

und wurden fündig: Christina Proßeg­ ger und Johannes Schullern haben den Hof übernommen. Die „alten“ und die „neuen“ Bewirtschafter:innen lernten sich im Sommer 2021 kennen. Danach ging alles schnell: Christina und Jo­ hannes arbeiteten mit am Hof, lernten den Betrieb kennen. Knapp ein Jahr später übernahmen die beiden offiziell den Betrieb, die Krenns gingen in Pen­ sion und zogen in das Haus gegenüber dem Stammhaus.

„Wir sind beide nicht auf einer Land­ wirtschaft aufgewachsen. Ich habe den landwirtschaftlichen Facharbei­ ter gemacht, da war natürlich Wissen da, aber nicht allzu viel Praxis. Wir haben zu Beginn ungefähr ein Jahr lang die Abläufe am Ferdlhof genauso übernommen, wie sie waren, um alles kennenzulernen. Schließlich hat das seit 40 Jahren gut funktioniert.“, sagt Proßegger. Nach und nach haben die Hofübernehmenden dann ihre eige­ nen Ideen eingebracht. So wurde aus der Rinder- eine Ziegenbewirtschaf­ tung. „Johannes arbeitete bereits auf der Uni mit Ziegen und hatte da ein wenig Erfahrung. In der Umgebung haben wir uns dann einige Ziegenbe­ triebe angeschaut und sie gefielen uns gut. Mittlerweile haben wir einen neu­ en Stall mit vielen Außenflächen ge­ baut, um die Tiere biologisch halten zu können“. Knapp hundert gemsfarbige Gebirgsziegen, eine alte Nutztierras­ se, sind am Hof, die Herde soll um die 150 Tiere groß werden. Die Milch wird von einer Molkerei abgenommen. Ge­ rade für schwer zu bewirtschaftende Flächen, die oft naturschutzfachlich

© Perspektive Landwirtschaft

Viele Schätze in unserer Kulturland­ schaft gibt es nur, weil sie Jahr für Jahr von Bäuerinnen und Bauern ge­ pflegt und genutzt werden. Wenn ein Betrieb aufgibt, bedeutet das oft auch die Aufgabe der Pflege dieser Flächen. Die Frage der Betriebsnachfolge ist deshalb auch für die Entwicklung unserer Kulturlandschaft eine enorm wichtige Frage. Bauernhöfe werden meist schon seit vielen Generationen innerfamiliär bewirtschaftet. Tradi­ tionell wird ein Hof in der Familie an die Kinder übergeben. Doch das ist nicht immer möglich. Und dann wird oft händeringend nach einer Nach­ folge gesucht. So auch am Ferdlhof im oberösterreichischen Mühlviertel, der bereits in der dritten Generation von Josef und Margit Krenn geführt wur­ de. Als dann das Pensionsalter näher rückte, war es den beiden ein Anliegen, dass der Betrieb weitergeführt wird. Für ihre Tochter war die Hofübernah­ me keine Option. So suchten die beiden über die Plattform „Perspektive Land­ wirtschaft“ eine passende Nachfolge

Vom Rinderhof zur Ziegensensation

© Perspektive Landwirtschaft

Das Bild unserer Kulturlandschaft ist durch gemähte Wiesen, gepflegte Obstbäume oder bunte Äcker geprägt. Aber diese gibt es nur, wenn dahinter Betriebe stehen, die diese Flächen bewirtschaften. Das bedeutet auch, sich um Tiere zu kümmern, Wissen aufzubauen, Handwerk zu pflegen und natürlich Lebensmittel zu erzeugen. Spätestens wenn sich die Betriebsleiter:innen dem Pensionsalter nähern, rückt das Thema Hofnachfolge immer mehr in den Fokus. Nicht immer ist eine Nachfolge in der eigenen Familie vorhanden. Außerfamiliäre Betriebsübernahmen bieten deshalb neue Chancen.

Die Vorbesitzer Josef und Margit Krenn waren bei der Hofübernahme wichtige Stützen.


sehr wertvoll sind, sind Ziegen bes­ tens geeignet.

„Wir wollten das.“ Unterstützung bei der Hofüber­ nahme haben die bei nicht nur von Familie und Freund:innen erhalten, sondern auch von den Hofüber­ gebenden. Das sei gerade in der Anfangsphase eine sehr wichtige Stütze für die beiden gewesen. Eine außerfamiliäre Betriebsübernah­

11 me bietet Chancen für Menschen, die keinen Hof erben oder nicht auf einem Hof aufgewachsen sind, aber gerne in der Landwirtschaft tätig sein möchten. „Wir haben uns aktiv für die Landwirtschaft entschieden. Das war kein vorgegebener Weg, sondern eine bewusste Entschei­ dung. Wir wollten das. Wir brachten bei der Hofübernahme viel Motiva­ tion mit, was wahrscheinlich auch zu unserem Erfolg geführt hat.“

© Perspektive Landwirtschaft

WIRTUNWAS

Die Hofübernahme brachte auch einen neuen Stall.

INTERV IE W … mit Florian Jungreithmeier und Vanessa Kaiser vom Verein Perspektive Landwirtschaft

„Da gibt es eine Verbundenheit und den Wunsch, dass es weitergeht.“

Wie finden sich eure Mitglieder?

„Unsere Mitglieder finden sich selbst­ ständig über unsere Plattform. Zirka 10 bis 15 Betriebe finden sich pro Jahr über unsere Plattform und starten den Übergabeprozess. Es ist wichtig sich im Vorhinein gut zu informieren und beraten zu lassen. Wir bieten einen kostenlosen Selbstcheck auf unserer Homepage an. Dort können Hofsuchende und Hofübergebende sich einen Überblick verschaffen, welche Motivation und Voraussetzun­ gen sie mitbringen. Manchmal gibt es diese idyllische, romantische Vor­ stellung vom Leben am Bauernhof. Aber Landwirtschaft ist viel Arbeit, da muss man viel investieren, persönlich und auch finanziell.“

Was ist eure Rolle?

„Wir sind eine Anlaufstelle, an die man sich im Laufe des Kennenlernprozess wenden kann. Wir haben ein großes Netzwerk von Ansprechpersonen, die Erfahrung haben, die wir weiteremp­ fehlen. Die Hofübergabe ist kein fixes Datum und dann war’s das, sondern es ist ein längerer Zeitraum. Da sind wir gerne Begleiter und unterstützen bei Bedarf. Der Prozess ist auch mit Emotionen verbunden, es geht viel ums Loslassen, speziell bei den Über­ gebenden. Aber auch Hoffnung geben ist eine unserer Stärken. Gerade bei unseren Veranstaltungen passiert es immer wieder, dass ältere Menschen junge, motivierte Leute kennenlernen, die in die Landwirtschaft einsteigen möchten. Mehr Höfe bedeutet mehr Strukturen in den Regionen und das macht die Vielfalt aus.“

Was macht euch als Verein aus?

„Unsere große Stärke als Verein ist es, dass wir so viele unterschiedliche Köpfe haben, wir haben Mitglieder von der Landjugend, Personen von der ÖBV, Biobetriebe, konventionelle Betriebe. Und einen großartigen ehrenamtlichen Vorstand. Da kommt Wissen von ganz vielen unterschied­ lichen Bereichen zusammen. Wichtig ist uns, dass es weitergeht. Wir setzen uns für umweltverträg­ liche Landwirtschaft ein, machen da Projekte – aber wir wollen niemanden ausschließen. Das Thema Hofnach­ folge steht über allem. Da sind wir sehr offen, das ist eine Riesenstärke.“

Mehr Infos: www.perspektive-landwirtschaft.at

© Perspektive Landwirtschaft

Vor über zehn Jahren begannen BOKU-Student:innen aus dem Bereich Agrarwissenschaften, sich mit der außerfamiliären Hofnachfolge zu be­ fassen, ein Thema, das sie in wissen­ schaftlichen Arbeiten vertieften. Das Ergebnis: etwa ein Drittel der österrei­ chischen Betriebe hatte damals keine gesicherte Nachfolge. 2013 gründeten sie einen Verein, bauten Netzwerke auf und arbeiteten mit Organisationen wie der ÖBV Via Campesina und der Landjugend zusammen. Seit 2017 be­ treiben sie die „Perspektivensuche“, eine Plattform, die Hofübergebende mit Hofsuchenden verbindet.

Florian Jungreithmeier (1. von links) und Vanessa Kaiser (2. von links) mit dem restlichen Team von Perspektive Landwirtschaft


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IM GESPRÄCH MIT ALFRED SCHWENDINGER, INITIATOR DER REGIONALWERT-AG NÖ/WIEN

Aktiengemeinschaft unterstützt ökologisches Wirtschaften Die Regionalwert-AG Niederösterreich Wien ist eine Bürger:innenAktiengemeinschaft, die 2021 gegründet wurde und inzwischen über 200 Aktionär:innen und 33 Partnerbetriebe umfasst. Fred Schwendinger ist Impulsgeber und einer der insgesamt 50 Gründer: innen, pensionierter Biolandwirt und Bioladenbesitzer in Krems. Er bringt schon lange Betriebe und Konsument:innen entlang der gesamten Bio-Wertschöpfungskette zusammen.

Ich kenne die Regionalwert-AGs schon sehr lange aus Deutschland. 2015 gab es dann einen ersten Ver­ such, mit einer Gruppe das Konzept in unserer Region umsetzen. Das ist aber aus einer Reihe von verschiede­

© KhFessl

Wie kam es zur Gründung der Regionalwert-AG NÖ/Wien?

nen Gründen nicht aufgegangen. Als ich Anfang 2020 pensioniert wurde, wollte ich nochmals probieren eine

Was ist eine Regionalwert-AG? Regionalwert AGs sind als Aktiengesellschaft organisiert. Sie möchten Betriebe, die ökologisch wirtschaften, über die gesamte Werschöpfungskette von Lebens­ mittelerzeugung bis zum Handel und zur Gastronomie finanzieren. Kern der Idee ist die Subsistenzwirt­ schaft: Alle benötigten Güter sollten möglichst selbst produziert werden können. Diese Idee wird auf ganze Regionen übertragen, die für die ei­ gene Versorgung mit Lebensmitteln Sorge tragen. Das Ziel ist, diejenigen, die produzieren, mit jenen, die konsumieren, auf verschiedenen

Stufen der Wertschöpfungskette zusammenzubringen. Es gibt mitt­ lerweile 8 Regionalwert-AGs in Deutschland und eine in Österreich. Weitere sind im Aufbau, unter ande­ rem in Luxemburg. Mehr Infos zur Regionalwert-AG NÖ/Wien:

www.regionalwert-ag.at

Bürger:innenaktiengesellschaft aufzubauen. Und wenn es nicht hätte sein soll, dann eben nicht. Im Nu hatten wir dann 50 Leute beisam­ men, das dauerte keine 2 Monate. Die Gründungsphase war, rein rechtlich, eine sehr mühsame Geschichte. Und dann kam ja auch noch Corona. Kon­ takte konnten nicht gepflegt werden, Treffen waren schwierig und auch die Umstellung, Treffen digital zu organisieren, dauerte. Das war eine schwierige Zeit. Von den 50 Personen sind da zwei abgesprungen, aber tat­ sächlich kam immer gleich am selben Tag noch eine Anfrage, ob wir noch jemanden aufnehmen. Die 50 haben wir als Grenze für die Zahl an Grün­ der:innen festgesetzt. Heute würde ich sagen, je mehr Menschen, desto besser in der Gründungsphase, da ist der meiste Schwung drin.


Woher kamen die Menschen? Es waren Bekannte und Freund:innen, auch Kund:innen meines Bioladens, die die Idee weitergetragen haben. Am Anfang mussten wir aufpassen, dass wir nicht zu männlich dominiert und auch kein reiner Pensionisten­ verein werden. Inzwischen sind wir eine sehr vielfältige Gruppe, jung, alt, Männer und Frauen. Und das ist eine coole Gschicht, wenn’s auch oft nicht leicht ist zum Handhaben, weil so vie­ le verschiedene Wertevorstellungen dann zusammenkommen.

„Vertrauens- und Vernetzungsarbeit muss passieren, das entsteht nicht von allein.“ Was sind eure Ziele?

Fokus liegt auf Ökologie, Sozialem und Regionalwirtschaft. Unsere Betriebe müssen biologisch wirtschaften bzw., wenn möglich, den Großteil der Wa­ ren aus biologischer Landwirtschaft beziehen. Bis jetzt haben wir 7 Klein­ projekte finanziert, z.B. halten wir als AG Genossenschaftsanteile beim Milchkandl, einer gemeinwohlorien­ tierten Kleinmolkerei im südlichen Weinviertel. Oder wir investieren in eine Getreidereinigungs- und Dinkelentspelzungsanlage direkt auf einem Hof, um hier die Wege in der Region möglichst kurz zu halten.

Was motiviert eure Aktionär:innen und Partnerbetriebe mitzumachen? Ganz unterschiedlich. Einerseits gesunde Lebensmittel für sich selbst zu haben und eine gesunde Umwelt zu schaffen, die Vielfalt des Ansat­ zes. Anderen gefällt vor allem das Soziale. Wieder andere sagen, da ist ein bisschen ein Geld, das möchte ich sinnvoll für mich investieren und es ist nicht so wichtig, ob da eine Rendi­ te rausschaut. Sicher teilweise auch

© Kurt Fahrer

Wir wollen eine Vernetzung schaffen, vom „Acker bis zum Teller“, d.h. nicht nur produzierende Betriebe wie Bauernhöfe, sondern auch verarbei­ tende Betriebe aus Gastronomie und Handel sind Teil des Netzwerks. Und natürlich die Konsument:innen. Unser

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Alfred Schwendinger initiierte ein innovatives Finanzierungsmodell, mit dem ökologisch produzierende Betriebe und verarbeitende Betriebe aus Gastronomie und Handel sowie Konsumenti:innen vernetzt werden.

© AdobeStock/Andreas Gruhl

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mein Einsatz – ich war 40 Jahre lang Bio-Landwirt, ich habe einen Laden mitaufgebaut, die Leute kennen mich und sehen, was da geschaffen wurde. Da gibt es viel Vertrauen.

Wie kann man die Motivation hochhalten? Indem man die Menschen schätzt, andere Leute dazu bewegt, dass man sie unterstützt und probiert, ins Blickfeld der Konsument:innen zu kommen, auch medial. Und indem man aus Landwirtschaft und Ver­ marktung Erfahrungen in die Gruppe einbringt. Es braucht Wertschätzung für die bäuerliche Arbeit. Gerade bei Tierbetrieben leisten die Menschen viel, müssen immer vor Ort sein, oft 365 Tage im Jahr und zweimal am Tag. Auch das Knowhow muss man sich aneignen, da braucht es viel Zeit und Erfahrung. Vertrauens- und Ver­ netzungsarbeit muss auch passieren, das entsteht nicht von allein. Von den 33 Partner-Betrieben war ich heuer bei 28 Betrieben, da bin ich fast jede Woche irgendwo, bei manchen auch öfters. Es gibt auch Treffen, wo die Betriebe sich untereinander treffen, das muss organisiert werden. Es gibt Hauptversammlungen und Stammti­ sche, das muss jemand machen. Eine Person ist mit 30h angestellt. Ich bin ehrenamtlich. Auch der Aufsichtsrat ist ehrenamtlich an der Ausführung von Veranstaltungen beteiligt. Es ist viel zu tun. Wir werden wahrschein­ lich noch einige rüstige Pensionistin­ nen und Pensionisten suchen, die uns da unterstützen können.


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EXPERT:INNEN AUS TECHNIK UND ÖKOLOGIE KREIEREN EINFALLSREICHE MASSNAHME

Ein Sand-Kahn für die Flussseeschwalbe

Die Weichsel ist der längste Fluss Polens. Ihr weiträumiges Fluss­ system bietet mit unzähligen Sand­ bänken vielen Wasservögeln einen sehr attraktiven Brutplatz. Sowohl die Zwergseeschwalbe als auch die Flussseeschwalbe nisten gerne auf diesen Sandbänken, weil sie ideale Plätze für die Brut und Aufzucht von Nachwuchs sind. Die Gründe dafür sind simpel: Erstens liegen Sandbänke oft fern von Raubtieren und anderen Störungen und zweitens ist es nur ein kurzer Weg zur Nahrung. Rundum kann sehr einfach gefischt werden, um die Jungen satt zu bekommen. Doch beide Arten sind bekannt dafür, dass sie sehr empfindlich auf unge­ wohnte Störungen reagieren. Plötz­ licher Lärm, der durch menschliche Aktivitäten wie Bootsfahrten oder Bauarbeiten entsteht, kann sie so stark stressen, dass sie ihre Nistplätze verlassen oder weniger er­ folgreich bei der Aufzucht ihrer Jungen sind.

Baulärm gegen Flussseeschwalbe Der dreijährige Baulärm einer ge­ planten großen Brücke bei der Stadt Kwidzyn hätte der lokalen Popula­ tion der beiden streng geschützten Schwalbenarten ein großes Problem bereitet. Von dieser Störung wären 210 Flussseeschwalbenpaare und 30 Paare der Zwergseeschwalbe an nahe zur Brücke gelegenen Sandbänken betroffen gewesen. Ewa Paderewska, Leiterin der Umweltschutzabteilung im Zentrum für EU-Verkehrsprojekte in Polen, dazu: „Das hätte bedeutet, dass in diesem Bereich der Weichsel vom Baugeschehen etwa 12 Prozent der Flussseeschwalbenpopulation und etwa 17 Prozent der Zwerg­ seeschwalbenpopulation betroffen gewesen wären. In Zusammenarbeit mit Umweltexperten musste der

Projektwerber viel Arbeit investieren, um eine Lösung für dieses Problem zu finden.“ Man brauchte also während der Bauzeit zusätzliche störungsfreie Sandbanken für die beiden Arten.

Ökologie trifft Technik Ökolog:innen und Techniker:innen haben sich daraufhin zusammenge­ setzt und mögliche Lösungen be­ sprochen. Das Problem: Natürliche Sandbänke sind unmöglich zu planen, denn sie kommen und gehen mit dem Hochwasser. „Und so ist gemeinsam die Idee verankerter Sand-Kähne

Fotos: General Directorate of Roads and Highways in Poland – Report from environmental monitoring

Der Neubau einer Brücke über die Weichsel war in Polen der Anlass für einen kreativen Planungsprozess. Denn der dreijährige Baulärm stellte ein Hindernis für die in der Nähe auf Sandbänken brütenden Flussseeschwalben dar. Expert: innen der Ökologie und der Technik fanden eine einfache, innovative Lösung, um diese Störung zu verhindern. Und sie halfen mit dieser Idee der geschützten Flussseeschwalbe sogar mehr als ursprünglich vorgesehen.

Die Seitenwände des Kahns schützen die Jungvögel vor dem Amerikanischen Nerz – und sie verhindern, dass die Kleinen ins Wasser purzeln.


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entstanden. Also eine künstliche Sandinsel auf einem Schiff mitten in der Weichsel. Natürlich gab es dann noch viele Details über die Ausgestal­ tung dieser Sand-Kähne zu entschei­ den. In dieser Zusammenarbeit haben die Ökologen viel von den Technikern gelernt und umgekehrt.“ erzählt Ewa Paderewska vom Planungsprozess. Die zwei Kähne sollten ca. 40 m lang und 7 m breit sein und in einer Ent­ fernung von 2,5 Kilometern von der Brücke in der Nähe einer natürlich vorkommenden Insel verankert werden. Sie wurden mit einer ca. 50 cm dicken Schicht Sand gefüllt. Eine Außenwand sollte verhindern, dass die Küken ins Wasser fallen. „Diese Wand hatte allerdings einen weiteren positiven Effekt. Die Nes­ ter und vor allem die Jungvögel der Fluss- und Zwergseeschwalben sind auf den natürlichen Sandbänken nämlich seit Jahren durch den ein­ geschleppten amerikanischen Nerz gefährdet. Die Wände des Sandkahns machen es aber dem Nerz unmög­ lich, auf diese künstliche Sandinsel zu gelangen.“ schildet Paderewska den zusätzlichen Nutzen dieser einfachen Begrenzung zur Wasserlinie. „Und um die Nester auch gegen fliegende

Raubtiere zu schützen, wurden auf der Sandfläche herausragende Hölzer und Wurzeln platziert.“ Da die Fluss­ seeschwalbe manchmal schon Mitte April aus dem Winterquartier zurück­ kehrt und Nistplätze sucht, wurde beschlossen, dass die Sandkähne bereits Ende März funktionsfähig sein müssen.

Nicht nur der Sand wurde von der Flussseeschwalbe als Brutplatz auserkoren.

Expert:innen der Ökologie und der Technik tüfteln an der Idee der Sand-Kähne

Sandkahn wurde zur Arche Noah So lagen die neu geschaffenen Sand­ inseln jedes Jahr etwa sechs Monate lang vor Anker – von Ende März bis Ende September. Und das nicht nur für die dreijährige Bauzeit, sondern auch noch drei Jahre nach Abschluss des Projekts. Während und nach der Umsetzung wurde gemeinsam mit zahlreichen Expert:innen ein Natur­ monitoring durchgeführt. Der Erfolg war unerwartet groß. „Die in den Brutsaisonen durchgeführten Über­ wachungskontrollen zeigten einen deutlichen Anstieg der Arten und der Individuen, einen signifikanten Schlupferfolg der Küken und eine sehr geringe Sterblichkeit. Die be­ sondere Ausgestaltung dieser Inseln hat dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet.“ Außerdem standen diese Sandlebensräume auch während der

Hochwasserzeiten zu Verfügung. Piotr Michalski von der Generaldirek­ tion für Nationalstraßen und Auto­ bahnen in Polen hat den Prozess von der bautechnischen Seite geleitet. Er ist sehr stolz auf die neu geschaffenen Lebensräume. „Wir haben diese Käh­ ne „Noahs Kähne“ genannt, sie waren in dieser Zeit der einzige Ort, an dem Seeschwalben ihre Eier legten und ihren Nachwuchs auf dem gesamten Abschnitt der Unteren Weichsel auf­ ziehen konnten.“ Und Ewa Paderewska betont: „Eine gute Kommunikation zwischen Technikern und Ökologen ist so wichtig. Beide können von­ einander viel lernen. Das detaillierte Wissen, wie eine Tierart lebt, von was sie abhängt, was sie gefährdet, ver­ bunden mit dem Wissen der Techniker bringt wertvolle Kreativität für gute und innovative Lösungen.“


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ZWEI DRITTEL DER STEIRISCHEN GEMEINDEN MACHEN MIT

© Land Steiermark/Purgstaller;

Gemeinsam aufblühen

Mit einem Teilnahmerekord verwandelt die „Aktion Wildblumen“ steirische Gemeindeflächen in artenreiche Blühflächen. Dieses Jahr pflanzten 202 Gemeinden liebevoll vorgezogene heimische Wildblumen und schufen durch Wiesenansaaten neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Christine Podlipnig ist Projektleiterin und mit allen Gemeinden in Kontakt. Wenn zwei Drittel der steirischen Gemeinden sich an einem Projekt zur Schaffung und Wiederherstellung von heimischen artenreichen Wild­ blumenwiesen beteiligen, zeugt das von einer Erfolgsgeschichte. Christine Podlipnig spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie sorgt dafür, dass die Ge­ meinden mit Pflanzen, Informationen und praktischem Wissen versorgt

werden. Die „Aktion Wildblumen – Blühende und Summende Steiermark“, ist eine bewusstseinsbildende In­ itiative, die vom Land Steiermark unterstützt wird. Es stellt ein in Österreich noch einzigartiges und zur Nachahmung empfohlenes Projekt dar. „Unser Verein Blühen&Summen ist Projektträger. Unsere Mission ist ein dichtes Netzwerk an artenreichen Wiesenbiotopen, um so ökologisch wertvolle Lebensträume und Rück­ zugsorte zu schaffen und unsere Kulturlandschaft wieder aufblühen zu lassen“. Der Verein unterstützt die Gemeinden bei der Anlage von Wild­ blumenwiesen, übernimmt aber auch die weitere Pflege, wenn das von der Gemeinde gewünscht wird. „Heuer haben wir Leitfäden über die richtige Pflege und über den naturschutzfach­ lichen Wert von Wildblumenwiesen

herausgebracht. Unser Ziel ist die dauerhafte Erhaltung dieser extensiv genutzten Wiesen. Das reicht von der kleinen Blühinsel bis zur ackergroßen Wildblumenwiese“, erklärt Podlipnig.

40 Fußballfelder Wildblumenwiesen Ob klein oder groß – wichtig ist, dass die Flächen öffentlich zugänglich sind. Diese Flächen können vielfältig

TUWAS-TIPP Der „Leitfaden Blühen und Summen“ kann auf der Projektwebseite bestellt werden:

www.aktionwildblumen.at


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Auf größeren Flächen bringt Podlipnig eigenes „Aktion Wildblumen“-Saatgut aus.

© Christine Podlipnig

© Christine Podlipnig

WIR TUN WAS AT Z M ARKTPL

Du interessierst dich für Wildblumen und hast ein Talent für digitale Kommunikation? Dann bist du bei uns genau richtig! Wir suchen jemanden, der unsere „Aktion Wildblumen“ in sozialen Netzwerken zum Blühen bringt und unsere Website lebendig hält. Mehr Infos unter

christine@aktionwildblumen.at

© Adobe Stock/ Pixel-Shot

Podlipnig auch nach der Pflanzphase sein, wie Böschungen, Wegränder, mit den Gemeinden in Kontakt. Brachen, Parkanlagen oder Areale „Ich rufe an und erkundige mich, ob bei Altenheimen und Schulen, aber bereits gemäht wurde oder wie die auch bisher intensiv genutzte Wiese aussieht. Du musst schon Grünflächen. Podlipnig erklärt: lästig sein und darfst nicht zimperlich „Wenn Gemeinden beginnen, Blüh­ sein“. Oder die Gemeindemitarbei­ flächen anzulegen, dann sind unsere ter:innen fragen an, ob ihre Wiesen selbstgezogenen Wildblumen, wie bereits zum Mähen sind. „Wir können Wiesen-Margerite oder Lichtnelke, meist die Initialzündung dafür. Mit der in einem Jahr nicht in alle Gemeinden fahren und uns die Wiesen vor Ort an­ Zeit wachsen dann die Flächen, weil schauen, das schaffen wir logistisch sich die Pflanzen ausbreiten, Ge­ nicht. Wir helfen uns dann mit Fotos meinden daran Gefallen finden und jedes Jahr weitere Flächen zur Verfü­ aus und das funktioniert gut.“ Neben diesem Service betont Podlipnig, gung stellen“. Seit dem Projektstart dass ein Geheimnis ihres Erfolges im Jahr 2019 bis 2023 haben sich so auch der bereits bekannte Ablauf der in der gesamten Steiermark 30 Hek­ Aktion bzw. der Anmeldung ist. tar Gemeindeflächen, was etwa 40 Fußballfeldern entspricht, zu bunten Wiesen entwickelt. Dabei kommt eine Sichtbar machen eigens für die Aktion Wildblumen Alljährlich erhalten alle 286 steiri­ zusammengesetzte herkunftszertifi­ schen Gemeinden ein „Starter-Paket“ zierte Wildblumen-Saatgutmischung per Post zugeschickt. Dieses enthält zur Anwendung. Hinweistafeln kenn­ ein Anmeldeformular, das so kon­ zeichnen diese Flächen. zipiert ist, dass die Anmeldung mit minimalem Aufwand erfolgen kann, wodurch die Teilnahmebereitschaft Nicht zimperlich sein gefördert wird. Neben dem Anmel­ Podlipnig und ihr Kollege packen deformular liegt dem Paket auch aber auch gerne selbst mit an: „Wir eine Broschüre mit in den Vorjahren helfen natürlich, wo wir können. Wir umgesetzten Wiesen-Aktionen bei. sind sozusagen im Dauereinsatz“, schmunzelt sie. Darüber hinaus bleibt „Das spornt Gemeinden auch an, wenn

man sieht, was da alles umgesetzt wurde. Es ist für Gemeinden wichtig, dass in der Öffentlichkeit sichtbar gemacht wird, dass biodiversitäts­ fördernde Maßnahmen gesetzt werden. „Eine gute Vernetzung ist wichtig. Mittlerweile kenne ich schon viele Gemeindevertreter, vom Bür­ germeister, über Sekretärinnen bis zu den Bauhofmitarbeitern, die für die richtige Pflege eine zentrale Rolle spielen. Jede einzelne Gemeinde ist wertvolle Stütze der Aktion und trägt somit zum Erfolg bei“. Die steirische „Aktion Wildblumen“ ist ein leuchten­ des Beispiel dafür, wie engagierte Zusammenarbeit die Landschaft wieder zum Blühen bringen und das Gemeinwohl stärken kann.


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BAUMPATENSCHAFTEN: WURZELN SCHLAGEN FÜR EINE NACHHALTIGE ZUKUNFT

Grüne Hebel in der Unternehmenswelt setzen

© Siemens

In der Steiermark, die auch als die grüne Lunge Österreichs bezeich­ net wird und für ihre dichten Wälder bekannt ist, ragen zahlreiche Gipfel empor, die den passionierten Berg­ steiger Herbert Tanner anziehen. Seine Mission: alle 2000er-Berggipfel und Bergübergänge der Steiermark­ zu erklimmen. „Dadurch lerne ich die Natur der Steiermark richtig gut kennen“, sagt Tanner. Veränderun­ gen in der Landschaft und im Wetter bekommt er so spürbar und hautnah mit. „Ob extreme Trockenheit, Nieder­ schlag oder Schneefall, Windbruch oder Lawinen, die Änderungen sind

Tanner spricht seine Mitarbeiter:innen an, Verantwortung für Biodiversität und Klima zu übernehmen.

© Herbert Tanner

Herbert Tanner ist leidenschaftlicher Bergsteiger und Standortleiter bei Siemens in Graz. In den letzten Jahren hat er bei seinen Bergtouren nicht nur Veränderungen in der Landschaft, sondern auch im Wetter beobachtet. Mit einer Baumpatenschaft zielt er darauf ab, nicht nur alten Baumriesen zu helfen, sondern auch das Bewusstsein der Mitarbeiter:innen für Nachhaltigkeit und Biodiversität zu schärfen.

sichtbar. Und es deprimiert mich, dass wir prinzipiell die Möglichkeit hatten und haben dagegen zu steuern, es aber verabsäumen. Betrachten wir die Bodenversiegelung in der Steiermark, wird deutlich: Die Rückzugsräume für die Natur schrumpfen zunehmend“.

Verantwortung übernehmen Tanner ist seit 2020 Leiter der Siemens Niederlassungen Graz und Klagenfurt sowie Leiter einer inno­ vativen Software-Entwicklungsab­ teilung bei Siemens Digital Industries. Für ihn sind Themen rund um Nachhal­ tigkeit und CO2-Bilanz eine Herzens­ angelegenheit. „Meine Zielsetzung ist zu zeigen, dass wir als Unternehmen an einem großen Hebel sitzen und etwas tun können.“, so Tanner. Seit kurzem hat das Unternehmen eine Baumpatenschaft über das steirische Projekt BaumNaturDenkmale abge­

schlossen und leistet so einen Beitrag zur Erhaltung und Pflege von über 600 steirischen Altbäumen. Ein alter Baum bietet nicht nur zahlreichen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum, sondern trägt auch erheblich zur CO2-Speiche­ rung bei. Eine ausgewachsene Buche etwa bindet jährlich mehr als 6 Tonnen CO2. Mit der Baumpatenschaft werden die Kosten für die teils aufwendigen Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen gedeckt. Für Tanner symbolisiert ein Baum auch eine tiefere Bedeutung: „Ein Baum passt als sichtbares Zei­ chen für mich sehr gut zu dem Ge­ danken, dass man zuerst bei sich und in seinem eigenen Umfeld beginnen muss, aktiv etwas für die Biodiversi­ tät und das Klima zu tun, wodurch ich auch unsere Mitarbeiterinnen und Mit­ arbeiter ansprechen möchte, Verant­ wortung zu übernehmen und in ihrem Wirkungsbereich aktiv zu werden.“


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© Petair /AdobeStock

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Keine Ausreden Aktiv zu werden bedeutet für Tanner aber auch, sich auf langfristige Projekte zu konzentrieren und Maß­ nahmen mit dauerhafter Wirkung zu ergreifen, anstatt sich ausschließ­ lich auf kurzlebige Einzelaktionen zu beschränken. Es gäbe viele Möglich­

ein Projekt einen regionalen Bezug hat und klar definierte Ziele verfolgt. „Wichtig ist mir aber auch, dass man ins Tun kommt und tatsächlich etwas passiert. Ein Baum ist etwas Kon­ kretes. Wenn wir dabei helfen, alte Bäume zu erhalten, dann erhalten wir damit etwas für die Natur und unsere Gesellschaft. Es nützt nichts, auf die anderen zu verweisen und zu sagen, man hätte selbst keine Möglichkei­ ten, aktiv zu werden: Man hat immer eine Chance etwas zu tun, egal wie groß oder klein der Beitrag ist.“

TUWAS-TIPP

keiten, Projekte zu unterstützen: „Wir bekommen eine Menge an Anfragen. Zwangsweise müssen wir die meis­ ten davon aussortieren. Es gibt aber immer wieder Projekte wie die Baum­ patenschaft, bei denen uns sofort klar ist, dass wir uns beteiligen möchten.“ Entscheidend für die Auswahl ist, dass

Jede:r kann Baumpat:in werden. Mehr Infos unter

www.baumnaturdenkmal.at

Der Schutz alter Bäume spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewah­ rung der biologischen Vielfalt. Die Pflege dieser alten und geschützten Bäume ist komplex und oft kostspie­ lig. Sie erfordert regelmäßige War­ tungsarbeiten, um Gesundheit und Sicherheit der Bäume zu gewährleis­ ten. Bei Bedarf kommen technische Hilfsmittel zum Einsatz, um die Bäu­ me zu stützen. Hierzu zählen Seilzug­ systeme, Stützpfähle oder spezielle Bänder, die die Stabilität des Baumes bei starkem Wind oder Gewichtsver­ lagerungen sichern.

Im Jahr 2022 haben sich die Steier­ märkische Berg- und Naturwacht, das Land Steiermark und der Naturschutz­ bund Steiermark zusammengeschlos­ sen, um diese einzigartigen Bäume durch die Initiative ‚BaumNaturDenk­ male‘ zu erhalten und zu pflegen. Ehrenamtliche Berg- und Naturwäch­ ter:innen übernehmen die jährliche Kontrolle der Bäume. Für spezielle Pflegemaßnahmen, wie die Kronen­ reduktion oder Sicherungsarbeiten, werden Baumpflege-Expert:innen hinzugezogen. Ein zentrales Anliegen ist es, Totholz möglichst lange am Baum zu belassen, um dieses wichtige Mikrohabitat für zahlreiche Insekten­ arten zu bewahren. Jeder und jede kann im Rahmen dieser Aktion eine Patenschaft für einen Baumriesen übernehmen und so direkt zur Erhaltung dieser beson­ deren Naturdenkmale beitragen. Eine

der ersten Patenschaften übernahm die Steiermärkische Sparkasse. „Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen ist für die Steiermärkische Sparkasse gelebte Praxis. Seit Jahren wird ein Teil der wirtschaftlichen Gewinne in Projekte für die Allgemeinheit investiert. Die Baum-Naturdenkmale fügen sich gut in unsere Nachhaltigkeitsstrategie ein, mit der wir die Balance zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Zielen erreichen wollen“, erklärt Vorstandsvorsitzender Gerhard Fabisch. © Werner Krug

© Alek Kawka

BaumNaturDenkmale – Unterstützung für alte Baumriesen


Illustration: Geert Gratama

Die Schwalbe Noah

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