Katalog „Brennen für den Glauben. Wien nach Luther“

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Walter Öhlinger

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„Solange die habsburgischen Landesfürsten auf die Geldzuwendungen und Truppenbewilligungen des protestantischen Adels angewiesen waren, unterblieb jeder Versuch einer gewaltsamen Rekatholisierung. Auf diese Weise stärkten die Osmanen die Position der Protestanten in den österreichischen Ländern.“

von Zsitvatorok (der Mündung der Zsitva in die Donau) zwischen den Habsburgern und den Osmanen fixierte im Jahr 1606 diese Verhältnisse: Ungarn blieb dreigeteilt, wobei Siebenbürgen nunmehr den deutlich größten Teil bildete. Seit dem Waffenstillstand von 1547 erhielt die hohe Pforte jährlich 30.000 Dukaten aus Wien, was von den Osmanen als Tributzahlung, von den Habsburgern als „Ehrengeschenk“ interpretiert wurde.18 Der Frieden von Zsitvatorok beendete diese Praxis mit einer abschließenden Zahlung von 200.000 Gulden — ein in Relation zu den Gesamtkosten der „Türkenabwehr“, die um 1600 jährlich schon deutlich mehr als zwei Millionen Gulden ausmachten, nicht allzu hoher Betrag. Gleichzeitig wurde der Kaiser von nun an seitens des Sultans als Roma-i çasar (römischer Kaiser) anerkannt und nicht mehr als Nemçe kıraliı (österreichischer oder deutscher König) oder Beç kıraliı (König von Wien) tituliert.19 Landesfürst und Stände ¶ Die Kriege gegen die Osmanen, insbesondere die horrenden Summen, die zu ihrer Finanzierung aufgebracht werden mussten, hatten tief greifende Auswirkungen auf die politische Situation in den habsburgischen Ländern.20 Bei der Konsolidierung ihrer Macht waren die Habsburger mit den Interessen der städtischen und ländlichen Eliten ihrer Länder, der in den Landständen organisierten „Herren“ (der Hoch­adel, also Grafen und Freiherren), „Ritter“ (der niedere Adel), „Prälaten“ (die grundbesitzenden Klöster) sowie Städte und Märkte, konfrontiert. Gleichzeitig waren sie aber als Landesfürsten, da ihnen noch alle Mechanismen moderner Staaten, vom Verwaltungs­ apparat bis zum stehenden Heer, fehlten, in der Ausübung ihrer Herrschaft auf die Mitwirkung der Stände angewiesen. Der Konflikt erhielt seine religiöse Komponente, als sich die adeligen Stände im Gegensatz zum Landesfürsten überwiegend zum re­formierten Glauben bekannten und sich damit Fragen der Aufteilung der Autorität über Kirche, Justiz und Untertanen in neuer, verschärfter Form stellten.21 In dieser Auseinandersetzung war die Finanzierung der Kriege gegen die Osmanen das am meisten ins Gewicht fallende Machtmittel der Stände. Solange die habsburgischen Landesfürsten auf die Geldzuwendungen und Truppenbewilligungen des protestantischen Adels angewiesen waren, unterblieb jeder

18 Ernst D. Petritsch: Tribut oder Ehrengeschenk? Ein Beitrag zu den habsburgisch-osmanischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Leopold Kammerhofer, Elisabeth Springer (Hg.): Archiv und Forschung. Das Haus-, Hof und Staatsarchiv in seiner Bedeutung für die Geschichte Österreichs und Europas (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 20), Wien/München 1973, S. 49–58. 19 Petritsch, Angst, S. 36. 20 Karl Vocelka: Die inneren Auswirkungen der Auseinandersetzung Österreichs mit den Osmanen, in: Südost-Forschungen 36 (1977), S. 14–27. 21 Karin J. MacHardy: Staats­ bildung in den habsburgischen Ländern in der Frühen Neuzeit. Konzepte zur Überwindung des Absolutismusparadigmas, in: Petr Mat’a, Thomas Winkelbauer (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1620 bis 1740. Leistungen und Grenzen des Absolutismus­ paradigmas (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Bd. 24), Stuttgart 2006, S. 73–98.


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