Wien MUseum
DESIGN IN WIEN / DESIGN IN VIENNA
2000 – 2010. DESIGN IN WIEN 365. Sonderausstellung des Wien Museums Wien Museum Karlsplatz 7. Oktober 2010 bis 9. Jänner 2011
Ausstellung
Katalog
Kurator/in: Tulga Beyerle, Peter Stuiber Ausstellungsgestaltung: Robert Rüf, Christof Nardin Designassistenz: Bueronardin — Laurenz Feinig Produktion: Isabelle Exinger Registrar: Katrin Sippel, Andrea Schürz Restaurierung: Karin Maierhofer Übersetzung: Andrew Horsfield Videointerviews (Film & Schnitt): Pavel Cuzuioc, Michael Schindegger Sonstige audiovisuelle Medien: c:a:t x conceptual art technologies Aufbau: Artex Art Services, Werkstätten Wien Museum
Herausgeber/in: Tulga Beyerle, Peter Stuiber Gestaltung: Christof Nardin, Robert Rüf Designassistenz: Bueronardin — Laurenz Feinig Reportagefotos: Didi Sattmann, Eva Engelbert Übersetzung: Andrew Horsfield, Lisa Rosenblatt Lektorat/Korrektorat: Büro Hamtil Umschlag-Collage: Vorne: N.N. „Luftmatratze“ von Soda Designers; FAT von Dejana Kabiljo; Trinkservice No. 281 „Grip“ von Marco Dessí; Polka Pot von POLKA; Satyr von For Use / Numen; Animal Farm von Walking-Chair; Fringerie von dottings; Prater Chair von Marco Dessí. Hinten: Polka Pot von POLKA; Kitchen management von dottings; PRETTYPRETTY von Dejana Kabiljo; You May von Walking-Chair; Together von EOOS; Trinkservice No. 280 „Wiener Gemischter Satz“ von POLK A; FU09 von For Use / Numen. Produzentennachweise siehe Seiten 36–107. Bildnachweise siehe Seite 206. Gedruckt in der EU. © Wien Museum und Metroverlag Wien, 2010 ISBN: 978-3-99300-018-9
WIEN MUSEUM
DESIGN IN WIEN / DESIGN IN VIENNA Herausgegeben von / Edited by Tulga Beyerle, Peter Stuiber Metroverlag
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Vorwort / Preface Wolfgang Kos
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Zur Ausstellung / On the Exhibition Tulga Beyerle, Peter Stuiber
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„Design ist in Wien alltäglich“ / “Design is an everyday affair in vienna” Petra Schmidt
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Zwischen künstlerischem Mythos und wirtschaftlichem Imperativ / Between Artistic Myth and Economic Imperative Doris Rothauer
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Design ist unsichtbar / Design is invisible Vitus Weh
36 Acht Studios aus Wien / Eight Studios from Vienna 38
56 64 72 82 92 100 48
EOOS KabiLJo INC. FOR USE / Numen SODA DESIGNERS WALKING–CHAIR POLKA Dottings Marco Dessí
108 Über Wien / On Vienna
158 Die Neuen / New Faces
Alison Clarke, Ron Arad, 160 Robert Stadler, Martino Gamper, 162 Deyan Sudjic, Boˇ rek Šípek 164 166 168 114 Produktionskultur / 170 Production C ulture 116 118 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140
Porzellanmanufaktur Augarten J. & L. Lobmeyr Backhausen Kohlmaier AKG Schiebel MAM Megumi Ito mCubed JustInCase Tina Lehner WOOM
142 Industriedesign / Industrial Design 144 145 146 147 150 150 152 153 154 155 156 157
24H Design aws designteam element design GP designpartners Labvert Miramondo Peschkedesign podpod Design ro Designment Spirit Design Johannes Scherr Design Valentinitsch Design
breadedEscalope Design Studio DANKLHAMPEL Julia Landsiedl mischer’traxler Patrick Rampelotto Vandasye
172 Initiativen / Initiatives 174 176 178 180 182 184 186
188 193 201 206 207
Künstlerhaus Wien das möbel forum mozartplatz departure Pure Austrian Design designforum Vienna Design Week
Zur Ausstellungsgestaltung / the Exhibition Design DesignerInnen-Register Verzeichnis der in der Ausstellung gezeigten Objekte Bildnachweis, Dank, Leihgeber Biografien der AutorInnen und Gestalter
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Vorwort
Preface
Wolfgang Kos, Direktor Wien Museum
Wolfgang Kos, Director of Wien Museum
Ein Museum, das Kunstschätze aus vielen Epochen und Hunderttausende historische Objekte im Gepäck hat, muss mit beiden Beinen in der Gegenwart stehen. Deshalb ist ständige Luft- und Ideenzirkulation zwischen damals und heute unverzichtbar. Auch bei historischen Ausstellungen versuchen wir, diese von heute aus zu denken. Dafür steht der Slogan: „Neues aus der Vergangenheit“. Manchmal aber muss es auch heißen: „Neues aus der Gegenwart“. Schon allein deshalb ist diese Ausstellung für das Wien Museum ebenso wichtig wie hoffentlich für die zur Zeit so aktive Wiener Designszene. Die Ausstellung und der Katalog „2000 – 2010. Design in Wien“ bieten eine erste Zwischenbilanz eines seit 2000 zu beobachtenden Design-Booms, der längst auch international Beachtung findet. Nachdem Produktgestaltung in Wien lange Zeit ein Schattendasein führte, ist Design plötzlich Gesprächsthema. In den letzten Jahren tauchten neue Namen, Labels und Kommunikations-Plattformen auf – gekoppelt mit zunehmendem Selbstbewusstsein. Das kuratorische Duo, Tulga Beyerle und Peter Stuiber, arbeitet in seiner Einleitung heraus, weshalb es sich nicht um eine Fortschreibung des Vorherigen handelt, sondern um ein Durchstarten der Kulturmetropole Wien. Die Fotos, die Didi Sattmann und Eva Engelbert in den Entwurfsbüros machten, lassen wilde Dynamik ebenso spüren wie professionelle Konzentration. Das Spektrum der jungen Wiener Büros reicht von marktorientierter Praktikabilität bis zu experimentellem Design mit Nähe zur Konzeptkunst, von Manufaktur-Fertigung bis zum fröhlichen Do-it-yourselfEthos. Möbel, die auf den wichtigsten Messen der Welt zu sehen sind, sind ebenso vertreten wie subversive Objekte mit Titeln wie „ineffiziente Vase“ oder „gebrochenes Porzellan“, soziales Design ebenso wie aktionistisches. Erstmals werden nun in einem umfassenden Überblick signifikante Arbeiten aus dem frühen 21. Jahrhundert präsentiert – und damit wohl auch etliche Klassiker von morgen. Die von Beyerle und Stuiber ausgewählten acht Studios und Einzelkämpfer stehen für eine Vielfalt von Haltungen, Arbeitsmethoden und Vertriebsstrategien. Manche haben Starstatus und entwerfen für Weltfirmen, andere sind am Sprung zu internationalem Aufsehen. Dazu kommt eine Vorausschau auf DesignerInnen von morgen. Alle Studios agieren von Wien aus, ohne jedoch ein spezifisches „Wiener Design“ anzustreben. Denn heute kann jeder Ort Zentrum sein. Hans Ulrich Obrist sprach im Hinblick auf die Kunst unlängst von einer „Polyfonie der Zentren“. Es gebe „nicht mehr ein Zentrum, das alles anführt. Heute arbeiten die Künstler vielmehr zwischen diversen Zentren und leben wiederum an anderen Orten“. Da man für Designbüros durchaus „Hardware“ und allerlei Zeug braucht, mag es in dieser Branche nicht ganz so fluid zugehen, aber tendenziell gilt die Beobachtung für alle Kreativbereiche. Auffallend ist, dass
A museum such as ours stocked with the art treasures of many epochs and hundreds of thousands of historical objects must plant itself firmly in the present. For this reason, air and ideas must be allowed to circulate continuously between then and now. We try to devise historical exhibitions from today’s vantage point too. Hence the slogan, “News from the Past”. For this reason alone this exhibition is as important for the Wien Museum as it hopefully is for the currently so vibrant Vienna design scene. The exhibition and catalogue “2000 – 2010. Design in Vienna” offer an interim overview of a boom in design observable since 2000 and long since acknowledged internationally too. Product design in Vienna having been in the shadows for many years, design is suddenly being talked about. In recent years new names, labels and communication platforms have emerged, coupled with rising self-confidence. The two curators, Tulga Beyerle and Peter Stuiber, explain in their introduction why the new design scene represents a clean start for the cultural metropolis of Vienna rather than a perpetuation of what came before. The photographs created by Didi Sattmann and Eva Engelbert in the design studios suggest a blend of untamed dynamism and professional focus. The spectrum of the young Vienna design studios ranges from marketoriented practicability to experimental design that borders on conceptual art, from manufacturing to a cheerful do-it-yourself ethos. Furniture that can be seen at the most important trade fairs in the world is as much represented here as subversive objects with names like “inefficient vase” or “broken porcelain”; social design as much as actionist design. For the first time significant works from the early 21st century are now presented in a comprehensive overview—and so probably a few classics of tomorrow. The eight studios and lone fighters selected by Beyerle and Stuiber epitomise a wide range of attitudes, working methods and distribution strategies. Some have star status and design for global enterprises, others are just beginning to enjoy international recognition. In addition, there is a sneak preview of designers of the future. All the studios operate from Vienna without, however, striving to create a specifically “Viennese design”. For these days any location can be a centre. On the subject of art, Hans Ulbrich Obrist spoke recently of a “polyphony of centres”. There was “no longer one centre that led everything. Today artists work rather between various centres and live in different places in turn“. Given that in design studios one certainly needs “hardware” and all manner of things, it may be that in this field it is not quite so fluid, yet this observation tends to hold true for all creative areas. It is noticeable that many key actors of the Viennese design scene have moved here, whether to study, work or to operate “trans-locally” with this city as their base. This is proof of Vienna’s increasing attractiveness as a hub
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viele ProtagonistInnen der Wiener Designszene zugewandert sind: um hier zu studieren, zu arbeiten oder von hier aus translokal zu agieren. Das ist ein Beleg für die steigende Attraktivität Wiens als Design-Drehscheibe und für jene schwer beschreibbare offene Atmosphäre, in der erst eine Stimmung des Aufbruchs entstehen kann. Es sind also auch die subjektiven Interna, die uns interessierten: die Biografien, der Arbeitsalltag in den Büros, die Probleme des Marktzugangs. Und die so genannten Rahmenfaktoren, die es erst ermöglichten, dass Design sichtbarer wurde. Das sind private und kooperative Initiativen ebenso wie Wiener Traditionsfirmen, die nach langer Absenz wieder junges Design forcieren.
of design and of that open atmosphere that eludes definition, yet must exist for a renaissance to emerge. So our interest lay with the subjective internal details: the biographies, daily life in the studios, problems of accessing the market. And the contextual factors that made it possible for design to become visible in the first place—private and cooperative initiatives as much as traditional Viennese companies, which are now pushing young design after years of passivity. And why this panorama of modern design in the Wien Museum? On the one hand, because design is a firm fixture in our exhibition strategy. Two examples: Two years ago we presented in collaboration with the Neue Galerie New York highlights of the
Warum dieses Design-Gegenwartspanorama im Wien Museum? Einerseits weil Design ein Fixpunkt im Ausstellungsprogramm ist. Zwei Beispiele: Vor zwei Jahren präsentierten wir in Kooperation mit der Neuen Galerie New York unter dem Titel „Glanzstücke“ Highlights der Schmuckkunst der Wiener Werkstätte. Kürzlich erst gab es in der Ausstellung zu Wien um 1930 auch ein Kapitel mit einem Design-Überblick. Die Sammlungen unseres Hauses enthalten auch bedeutende Designkollektionen aus der „Prä-Designzeit“: Wiener Porzellan aus dem Rokoko, Kunstgewerbe und Interieur aus dem Biedermeier, Prachtvolles aus dem Historismus, nicht zuletzt zahlreiche bedeutende Entwürfe der Wiener Werkstätte. 2008 gab es im Wohn- und Kaminzimmer Rauminstallation „Loosgelöst“ von Robert Stadler im originalen Wohn- und Kaminzimmer von Adolf Loos im Wien Museum Karlsplatz, präsentiert während der Vienna Design Week 2008 / Room installation “Loosgelöst” by Robert Stadler in Adolf Loos’ von Adolf Loos, die einst ins original living- and fireplace room in the Wien Museum Karlsplatz, presented during the Vienna Design Week 2008. Museum transferiert wurden, als Beitrag zur Vienna Design Week, eine Intervention des Designers Robert Stadler: Ein dichtes Wiener Werkstätte jewellery art titled “Glanzstücke” [Real Gems]. Feld von hängenden Styroporkugeln brachte den genius loci der Just recently there was also a chapter of the “Vienna around 1930” merkwürdigen muffig gewordenen Privatmöbel von Adolf Loos auf exhibition that reviewed the design of the period. Our museum also höchst poetische Art zum Kippen. Der heute in Paris lebende, owns significant designer collections from the “pre-design era”: international erfolgreiche Österreicher Stadler ging vor 25 Jahren Vienna porcelain from the rococo period, applied art and interiors aus Wien weg, weil ihm die Stadt damals zu eng erschien. Wie from Biedermeier, splendid Historicist pieces, and not least würde sich ein junges Designtalent heute karrierestrategisch numerous important designs of the Wiener Werkstätte. In 2008, as entscheiden? a contribution to the Vienna Design Week, an intervention by Robert Stadler took place in Adolf Loos’ living- and fireplace Auch aus späteren Phasen des 20. Jahrhunderts finden sich rooms, which had been transferred to the museum. In a most wesentliche Möbel, Gläser oder Lampen im Museumsdepot. All poetic manner, a dense field of suspended Styrofoam balls das ist eingebettet in eine bedeutende Kunstsammlung, flandislodged the sense of genius loci from Adolf Loos’s oddly stuffy
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kiert von Architektur und Mode. Im Sinn des eingangs erwähnten Dialogs zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft soll diese Ausstellung frischen Wind nicht nur in die Stadt, sondern auch ins Museum bringen. Denn sie dient auch als Impuls fürs aktive Weitersammeln: Einige Hauptwerke von in Wien lebenden DesignerInnen wurden angekauft, ergänzt durch Schenkungen. International steht das Wien Museum unter anderem für die Marke „Wien um 1900“. Eine Ausstellung mit dem Aufbruchstitel „2000 – 2010“ stellt auch die Frage, wie stark im künftigen Rückblick die Marke „Wien um 2000“ sein wird. Die Idee zu dieser Ausstellung hatte Peter Stuiber, hauptberuflich Pressesprecher des Wien Museums und langjähriger Design-Spezialist. Für Konzept, Recherche und Auswahl tat er sich mit Tulga Beyerle zusammen, die seit vielen Jahren als Autorin, Initiatorin und Organisatorin eine wichtige Akteurin in der Wiener DesignSzene ist. Präziser Innenblick ist unerlässlich, um quasi in real time eine Überblicks-Ausstellung kuratieren zu können, die davon berichtet, was hier und heute passiert und entsteht. Ihnen habe ich ebenso enthusiastisch zu danken wie den beiden Ausstellungsgestaltern Christof Nardin und Robert Rüf, zwei hervorragenden Vertretern der „jungen Kreativen“ in Wien. Ihr eng verwobenes Grafik- und Ausstellungsdesign schafft ein Setting in gestalterischer Augenhöhe zu den gezeigten Produkten. Mein Dank gilt schließlich Isabelle Exinger und dem Produktionsteam für die souveräne organisatorische Betreuung und Umsetzung.
private furniture. Resident today in Paris, the internationally successful Austrian Stadler left Vienna 25 years ago because he found the city too narrow. What career strategy would a young designer talent decide upon today in similar circumstances? Key furniture, glasses or lamps can also be found in the museum’s storage depot that date from later periods of the 20th century. All this is embedded in a significant art collection, flanked by architecture and fashion. In the sense of the afore-mentioned dialogue between past, present and future, this exhibition is also intended to bring a breath of fresh air not just to the city, but to the museum too. For it also serves as an impulse for further collecting: several key works of designers living in Vienna have been purchased, extended by donations. Internationally the Wien Museum symbolizes the brand “Vienna around 1900”. An exhibition with the mould-breaking title “2000 – 2001” also poses the question as to how strong the brand “Vienna around 2000” will be. The idea for this exhibition came from Peter Stuiber, mainly employed at the museum as press spokesperson, and a design expert for many years. For help with the concept, research and selection, he joined forces with Tulga Beyerle, long an important participant on the Vienna design scene as an author, initiator and organiser. Precise in-depth knowledge is essential in order to be able to curate as it were in “real time” a general exhibition of this kind, one that reports on what is happening and growing right here and now. My enthusiastic thanks goes to them, as to the exhibition designers Christof Nardin and Robert Rüf, two outstanding representatives of the “young creative spirits” in Vienna. Their densely woven graphic and exhibition concept creates a setting designed to be at eye level to the products shown. My thanks also to Isabelle Exinger and the production team for their calm organisational support and implementation of the exhibition.
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Zur Ausstellung 2000 – 2010. Design in Wien
On the exhibition 2000 – 2010. Design in Vienna
Tulga Beyerle, Peter Stuiber
Tulga Beyerle, Peter Stuiber
Ausgangspunkt für die Ausstellung „2000 – 2010. Design in Wien“ ist unsere Überzeugung, dass sich aufgrund verschiedener Faktoren in den letzten Jahren in Wien eine Dynamik entwickelt hat, die zur Ausbildung einer kritischen Masse und in Folge zu einer relevanten Designszene geführt hat. Einer Szene, die es wert ist, erstmals umfassend und mit Blick auf entscheidende Faktoren vorgestellt zu werden. Im Zentrum der Ausstellung und des Katalogs steht eine Auswahl von acht Büros, die allesamt international erfolgreich tätig sind und jene Qualität repräsentieren, die Wien in den vergangenen Jahren erhöhte Aufmerksamkeit verschafft hat. Sie bilden nicht nur eine wichtige Basis vor Ort, sondern fungieren mittlerweile selbst als Role Models für den Nachwuchs. Neben der Entscheidung, acht Büros beispielhaft herauszugreifen, die mehrheitlich in einer klassischen Auftragssituation für große produzierende Unternehmen entwerfen, war es auch die Produktionskultur in der Stadt, die uns faszinierte und die wir in ihrer Vielfalt von High-tech-Unternehmen über traditionelle Manufakturen bis zu engagierter Eigenproduktion vorstellen wollten.
The exhibition “2000–2010. Design in Vienna” starts from our conviction that a variety of factors have resulted in dynamic change in design in recent years, which in turn has led to the formation of a critical mass, and so a meaningful design scene. A scene that for the first time merits a comprehensive introduction, with focus on several important factors. At the heart of the exhibition and the catalogue is a selection of eight studios, all of them internationally successful and representative of the quality work that has earned Vienna greater attention in recent years. They now represent not only an important foundation locally, but also function themselves in the meanw hile as role models for young, up-and-coming designers. Besides the decision to choose eight studios as exemplars, most of whom do design in the classic way, i.e. under commission to larger firms, it was the production culture in the city that fascinated us, and which we now wish to present in all its variety, ranging from high-tech firms via traditional manufacturers to dedicated in-house producers.
Der Zeitraum, auf den sich die Ausstellung konzentriert, wurde bewusst als Titel gewählt: Es war um 2000, als jene ProtagonistInnen erstmals in Erscheinung traten, die die Basis für den Design-Boom bilden sollten. Schritt für Schritt folgte eine Professionalisierung und Vernetzung, private wie institutionelle Initiativen sorgten für Schubkraft, Veranstaltungen und Medien für Gesprächsstoff, eine Entwicklung, die auch andere Kreativbereiche wie etwa Mode betraf. Vor zehn Jahren noch von manchem belächelt, ist Design in Wien heute zu einem ernst zu nehmenden Faktor geworden – und wird nicht mehr als Spielwiese für Architekten und Künstler angesehen. Es ist kein Zufall, dass die hier vorgestellten acht Studios allesamt von ausgebildeten ProduktdesignerInnen gegründet wurden: ein Berufsstand, den man hierzulande lange Zeit kaum wahrgenommen hat und dem man allzu oft bloß die gefällige Gestaltung von industriell gefertigter Alltagsware zubilligte.
The period of time on which the exhibition is focused was deliberately chosen as the title. It was 2000 when the key players first emerged on the scene, who were to form the basis for the design boom. Step by step, professionalism and networking followed, with both private and institutional initiatives providing energy, with events and the media providing material for discussion, a development affecting other areas too, such as fashion. Ten years ago still smirked at by some, design in Vienna today demands to be taken seriously, and is no longer just a playground for architects and artists. It is no coincidence that the eight studios presented here were all founded by trained product designers. This is a profession that long was barely noticed in Austria, and if at all then merely condescended to as the facile design of industrially produced, daily products.
Zu Beginn unserer Überlegungen stellte sich die Frage, warum diese Szene jetzt und nicht früher entstanden ist. Was war vorher? Wien war ja immer eine kreative Stadt – oder besser: eine Stadt der Kreativität. Heute würde man sagen: eine Stadt der Kreativen und dabei den in den 90er-Jahren entstandenen Begriff „Creative Industries“ bemühen. Doch auch wenn all diese Schlagworte zu ihrem Vor- wie Nachteil sehr in Mode sind, in den späten 80er-Jahren war letztlich nicht einmal der Begriff Design hierzulande etabliert. Geschweige denn herrschte Einigkeit darüber, was man darunter versteht.
At the outset of our contemplations, the question arose as to why this scene has emerged now and not earlier. What was there before? Vienna has always been a creative city—or better still, a city of creativity. Nowadays one would say: a city of creative workers and talk earnestly of “creative industries”. Although all of these key words are quite fashionable, which has its advantages and disa dvant ages, the reality is that in the 1980s the term “design” had not even become established here, let alone agreement reached on what it means.
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Dabei waren es gerade die 80er-Jahre, in denen Design in ganz Europa einen von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommenen Aufbruch erlebte. Gruppen wie „Memphis“ stellten in einer wilden Mischung aus Banalem und Edlem einen neuen Gestaltungsanspruch vor, ihre Ableger erreichten über Swatch oder Fiorucci die ganze Welt. Philippe Starck war der erste Design-Superstar, dessen Gesicht jeder kannte, dessen Zahnbürsten sich jeder leisten konnte und dessen Zitronenpresse „Juicy Salif“ sich jene, die ihr Designbewusstsein deutlich kommunizieren wollten, als Ikone ins Regal stellten. Alessi durchlief die Metamorphose von einem Hersteller anonymer Zuckerdosen zu einem Designunternehmen, dessen bunte Plastikmännchen als Flaschenstoppel oder -öffner ein beliebtes Mitbringsel zu einem Abendessen darstellten.
Yet it was precisely in the 1980s that design experienced an awakening that was perceived by the broad masses throughout Europe. Groups such as “Memphis” presented a new claim to design in a wild mixture of the banal and refined; their spin-offs have reached the entire world via firms such as Swatch and Fiorucci. Philippe Starck was the first “superstar” designer: everyone knew his face and could afford his toothbrushes, and everyone who wanted to clearly communicate their awareness of design could place his lemon press “Juicy Salif” on their shelf as an icon. Alessi metamorphosed from an anonymous producer of sugar jars to a design firm whose colourful plastic figurine bottle stoppers and bottle openers became popular house gifts to bring to dinner parties.
Diese Entwicklung war durchaus auch in Wien zu spüren. Begeistert von der Energie und der Aufbruchsstimmung in Mailand, gründeten die Architekten Gregor Eichinger und Christian Knechtl, besser bekannt als Eichinger oder Knechtl, 1982 das Musikcafé „Rastlos“ in Müllendorf bei Eisenstadt, dem 1989 die Ausstellung „Rastlos“ im Wiener Möbelgeschäft prodomo 1 folgte, mit einer ansehnlichen Liste von international bekannten Designern wie Massimo Iosa Ghini, Jasper Morrison oder Ron Arad. Die Kunsthistorikerin Gabriele Koller veröffentlichte 1987 das Buch „Die Radikalisierung der Phantasie“, das erste umfassende und fundierte Werk zu Design in Österreich. Koller gelang es 1992, eine kleine Starck-Ausstellung im Heiligenkreuzerhof an der Universität für angewandte Kunst Wien zu zeigen – mit Philippe Starck als Gast in Wien. Peter Noever übernahm 1986 das Museum für angewandte Kunst in Wien und positionierte es unter dem Label „MAK“ völlig neu – nämlich vor allem international, zum Beispiel mit einem damals ebenso ungewöhnlichen wie unverwechselbaren Konzept, die Sammlungen in Zusammenarbeit mit KünstlerInnen völlig anders zu präsentieren. Bereits vor dem Umbau des MAK 1988 bis 1993 zeigte er Bernard Rudofsky, davor als Gastkurator 1984 Achille Castiglioni, zwei ebenso intellektuelle wie sinnliche Konzeptionisten und Gestalter, beide Wegbereiter eines modernen Designverständnisses. Die von Katarina und Peter Noever 1971 gegründete Section N trug sehr früh zu einem erweiterten Designveständnis bei: Ein Geschäft „für Umweltgestaltung“, das mit spannenden Ausstellungen und einem außergewöhnlichen Produktangebot vom Designerstuhl bis zum Tweedhut Szeneleute wie Individualisten magisch anzog und Designerstars wie Achille Castiglioni in Wien bekannt machte. 2
This development could most definitely be felt in Vienna, too. Inspired by the energy and sense of optimism in Milan, the architects Gregor Eichinger and Christian Knechtl, better known as Eichinger oder Knechtl, founded the music café “Rastlos” in Müllendorf near Eisenstadt in 1982; the exhibition “Rastlos” at the Viennese furniture shop prodomo 1 followed in 1989 with a respectable list of internationally renowned designers, such as Massimo Iosa Ghini, Jasper Morrison, and Ron Arad. Art historian Gabriele Koller published Die Radikalisierung der Phantasie in 1987, the first comprehensive and well-founded book on design in Austria. In 1992, Koller succeeded in showing a small Starck exhibition in the Heiligenkreuzerhof at the University of Applied Arts in Vienna—with Philippe Starck as guest in Vienna. Peter Noever took over the Museum of Applied Arts in Vienna in 1986 and completely repositioned it under the label “MAK”—namely, internationally—for example, with a concept that at the time was equally unconventional and unique: presenting the collections in conjunction with artists in an entirely new way. Already before the reconstruction of the MAK from 1988 to 1993, he showed Bernard Rudofsky, and before that, as guest curator in 1984, Achille Castiglioni: both, intellectual and sensual conceptualists and designers in one, and pioneers of a modern understanding of design. Section N, founded by Katarina and Peter Noever in 1971, contributed very early on to a greater awareness of design. This was a shop which, with its blend of exciting exhibitions and an extraordinary product offering ranging from designer chairs to tweed hats, held a bewitching allure for all sorts, whether design types or regular individuals and which drew attention to design stars such as Achille Castiglioni in Vienna. 2
Künstler als Designer 1989 präsentierte Peter Noever im MAK eine Ausstellung mit dem Titel „DESIGN WIEN“. Junge Designstudierende der Universität für angewandte Kunst, unmittelbare Nachbarin des MAK, pilgerten in diese Ausstellung in der Hoffnung, dort endlich zu erfahren, was Design genau sei. Vermutlich haben viele die Schau umso verwirrter verlassen. Denn gezeigt wurden Kunstwerke oder Objekte an der Grenze zwischen Design und Kunst, die Liste der TeilnehmerInnen liest sich vor allem aus heutiger Sicht wie eine reine Künstler-
Artist as designer In 1989, Noever presented a winter exhibition at MAK entitled “Design Wien”. Young design students from the University of Applied Arts, which is directly adjacent to MAK, journeyed to this exhibition in hopes of finally experiencing exactly what design is. Many probably left the show even more confused. Shown were artworks and objects straddling the border of design and art. The list of participants reads like a list of pure artists, especially from
1 1973 von Peter Teichgräber gegründet, war prodomo vor allem in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren ein Katalysator für aktuelle Design-Tendenzen in Wien.
1 Founded by Peter Teichgräber in 1973, prodomo was a catalyst for modern design trends in Vienna mainly in the late 1980s and the early 1990s.
2 Die Section N wurde 1987 geschlossen und befand sich in der Wiener Innenstadt.
2 Section N was closed in 1987 and was located in Vienna’s central district
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liste: Vertreten waren zum Beispiel die Gruppe „Gangart“, Brigitte Kowanz, Erwin Wurm oder Oswald Oberhuber, aber auch Eichinger oder Knechtl sowie Martin Püspöck. Martin Püspöck war damals noch Designstudent, aber seine freien Arbeiten mit einer Vorliebe zu verschweißten vierkantigen Stahlrohren wurden von Anfang an von Kunstgalerien geschätzt. Was hatte zu diesem spezifischen Verständnis von Design geführt? Warum wurde Design in Wien mit Kunst gleichgesetzt, obwohl es sehr wohl eine anders ausgerichtete Designausbildung an der Angewandten gab wie auch damals schon zumindest einige österreichische Unternehmen mit hohem Designanspruch (von Fischer Ski über Rosenbauer bis AKG) existierten? Zum einen war es die persönliche Überzeugung von Peter Noever selbst, einen Designbegriff der Funktionalität, der seriellen Erzeugung, der Produktion von Massenware als nicht relevant oder zumindest als nicht ausstellungswürdig anzusehen und eher Künstler zu diesem Thema zu befragen. 3 Zum anderen muss man festhalten, dass es, wie bereits erwähnt, kaum ein allgemeines Verständnis von Design gab, dass die einzeln agierenden professio nellen Designerinnen und Designer hauptsächlich für heimische Unternehmen tätig waren und dass die internationale Vernetzung meist fehlte. Die in jüngster Zeit wiederentdeckte spezifische Produktionskultur in Wien und über die Stadtgrenzen hinaus wurde von manchen eher als Hemmnis denn als Inspiration gesehen. Der eingangs erwähnte Aufbruch des Designs der 80er-Jahre berührte Wien zwar, inspirierte Einzelpersonen und ließ kurze Blüten in Form von Aktionen, Präsentationen, Raumgestaltungen und kleinen Ausstellungen sprießen, der Humus der Stadt aber war nicht weit genug entwickelt und gepflegt worden, um diese Samen zu einem dichten Strauchwerk wachsen zu lassen. Die einzelnen Pflanzen gingen dann auch wieder ein. Letztlich war das „Vakuum“ Design in Wien traditionell immer schon von Architekten und Künstlern besetzt und bearbeitet worden (siehe Josef Hoffmann, Oswald Haerdtl oder Hans Hollein), es verwundert daher nicht, wenn gerade in Wien KünstlerInnen und ArchitektInnen ein höheres Vertrauen im Umgang mit Design entgegengebracht wurde als den DesignerInnen selbst. 1989 war nicht nur für Europa in seiner Gesamtheit, sondern auch für Wien ein Neuanfang, der von Wien selbst lange Zeit negiert wurde. Viel zu lange hatte sich diese Stadt in Reak-
today’s perspective. Represented were, for example, the group Gangart, Brigitte Kowanz, Erwin Wurm, and Oswald Oberhuber, but also Eichinger oder Knechtl and Martin Püspöck. Martin Püspöck was still a design student at the time, but his free works, with a penchant for square steel pipes, were appreciated right from the start by art galleries. What led to this particular understanding of design? Why was design equated with art in Vienna, although the design education at the University of Applied Arts was most definitely oriented in a different direction, and at the time, there were at least a few Austrian firms that made strong claims to design (including Fischer Ski, Rosenbauer and AKG)? For one, it was Peter Noever’s personal conviction that a concept of design as functionality, serial production, and the production of mass goods was not relevant or at least not worthy of exhibition. Instead, he believed in consulting artists on this theme. 3 Another reason was the already mentioned lack of general understanding of design and the fact that professional designers were mainly working for local firms, and that international networking was, for the most part, absent. The specific culture of production that has been discovered in Vienna and surroundings in recent years was seen by many as more of an obstacle than an inspiration. The awakening of design in the 1980s, mentioned at the start, affected Vienna, inspired individuals, and allowed for a brief blossoming in the form of actions, presentations, interior design, and small exhibitions. But the city’s topsoil was not adequately
Die Universität für angewandte Kunst Wien hat als älteste Ausbildungsstätte für Design in Österreich die Mehrheit der hier vorgestellten DesignerInnen geprägt. Zu sehen ist der „Schwanzer Trakt“ von dem österreichischen Architekten Karl Schwanzer, entworfen und gebaut in den Jahren 1960 – 65 / As the oldest educational institute for design in Austria, the University for Applied Art in Vienna has left its mark on most of the designers presented here. On show is the “Schwanzer Trakt” by the Austrian architect Karl Schwanzer, designed and built from 1960 to 1965.
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tion auf ihre Position am Rande Europas, nahezu in einer Sackgasse gelegen, mit Vorliebe sich selbst gewidmet, fast trotzig seinen Status als Kulturstadt hochhaltend, sich in einem trügerischen Ruhezustand befindend, während sich andere Städte dynamisch und rasant weiterentwickelten. Viel zu lange hatte sich diese Stadt vor allem selbst geliebt, als Zentrum eines nicht mehr vorhandenen Kultur-Europas gesehen, als dass sie in der Lage gewesen wäre, die Entwicklungen im Osten als fruchtbar und bereichernd anzuerkennen. Nicht so einige österreichische Unternehmen, die sich recht bald erfolgreich in den ost- und südosteuropäischen Ländern engagierten. Internationale Netzwerke, einflussreiche Persönlichkeiten Während es gleichzeitig mehr als zehn Jahre dauerte, bis unsere Nachbarn Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien wirtschaftlich wie kulturell prosperierten, kam mit dem Beginn der 90erJahre die nächste große Veränderung auf die Welt zu: der Durchbruch des Internet. Die Mitgliedschaft in der EU „verrückte“ und vernetzte Österreich ab 1995 erneut und half Designstudierenden, über diverse Austauschprogramme Wien zu verlassen und ihren Horizont dauerhaft zu erweitern. All diese Veränderungen hatten eine nachhaltige Wirkung auf Wien selbst. Endlich tatsächlich in Mitteleuropa angekommen, profitiert die Stadt bis heute von seinen dynamischen Nachbarn. In Prag wurde sehr früh ein Designfestival gegründet, bereits 1999 fand der erste „Designblok“ statt, während Wien weitere acht Jahre auf sein Designfestival warten musste. Seit diese Nachbarländer Mitglieder der EU sind, mischen sich die Nationalitäten als Studierende in Wien, auch österreichische Studierende nutzten die Möglichkeit, internationale Netzwerke aufzubauen. Studierende in Wien profitierten auch davon, dass einflussreiche Persönlichkeiten an der Universität für angewandte Kunst tätig waren: Ron Arad, heute weltbekannter Designer und Architekt, und Deyan Sudjic, heute Direktor des Design Museum in London, unterrichteten von 1993 bis 1997 in Wien – auf Betreiben von Paolo Piva, selbst Professor an der Angewandten. Borˇek Šípek folgte Ron Arad bis 2005, Alison Clarke kam nach Deyan Sudjic und leitet heute noch das 1993 gegründete Institut für Theorie und Geschichte des Design an der Angewandten. Bedeutende Designer und Architekten beehrten die Universität auch schon in den 80erJahren, 4 aber erst in den 90er-Jahren half das Zusammentreffen der bereits besprochenen Veränderungen mit dem Engagement der involvierten ProtagonistInnen, ein neues Verständnis
3 „[...] Design ist aber auch der Vorgang, abseits von Gestaltung und Formfindung für Industrieprodukte. Design ist sogesehen ein möglicher Ansatz für eine Strategie, und sei es nur, um damit vorhandene Designstrukturen zu hinterfragen und zu entlarven. Alleine das war Ausgangspunkt und Überlegung zu Thema und Inhalt dieser Ausstellung. Bildende Künstler reagieren, zum Teil mit unwiederholbaren Ereignissen und Arbeiten, auf das Phänomen Design in der Ausstellung DESIGN WIEN.“ Peter Noever: Vorwort zum Katalog DESIGN WIEN, 1989, S. 7. Wenige Monate nach der Ausstellung im MAK fand in der Secession eine von Adolf Krischanitz initiierte Ausstellung mit dem Titel „Wien Möbel“ statt, die einen pragmatischeren Ansatz vertrat: Der Schwerpunkt lag hier auf Entwürfen von Architekten wie Johannes Spalt, Hermann Czech und Luigi Blau (die alle in der großen Tradition von Wiener Architekten stehen, die auch Interieurs entwerfen), aber auch ausgebildete junge Designer wie Christian Steiner und Thomas Exner waren vertreten, weiters Künstler wie Peter Kogler und Gerwald Rockenschaub. Gezeigt wurden ausschließlich Prototypen, deren Ausführung von Firmen wie Franz Wittmann, Gebrüder Thonet Vienna oder Wiesner-Hager auf eigene Kosten übernommen wurde. Die Einzelstücke wurden im Rahmen einer Benefizauktion zugunsten der Secession versteigert. Siehe Wien Möbel, Katalog zur Ausstellung, Hg. Wiener Secession, Eigenverlag, 1989. 4 So z. B. Mario Bellini, Alessandro Mendini, Richard Sapper und Ettore Sottsass.
well-developed or cultivated to allow these seeds to grow to dense shrubs. The individual plants thus also died. The “vacuum” of design had traditionally always been occupied and worked out in the end by architects and artists. It therefore came as no surprise when artists and architects were trusted more than the designers themselves in dealing with design in Vienna. A new beginning came in 1989, not only for Europe as a whole, but also for Vienna; something the city denied for many years. For much too long, Vienna had been located on a virtual dead end street as a reaction to its position on the margins of Europe; preferring to attend to itself, almost defiantly upholding its status as a city of culture in an illusory retirement, while other cities went through rapid and dynamic developments. Rather than being in a situation to recognize the developments in the East as fruitful and enriching , for much too long this primarily narcissistic city saw itself as the centre of a no-longer existing cultural Europe—unlike many Austrian companies, which quite quickly became successfully involved in Eastern and Southeastern European countries. International Networks, influential personalities While it took more than ten years at the same time for our neighbours, the Czech Republic, Slovakia, Hungary, and Slovenia to prosper economically and culturally, the next great transformation for the world occurred in the early 1990s: the breakthrough of the Internet. Membership in the EU “shifted” and networked Austria once again, and it helped design students leave Vienna and permanently expand their horizons via diverse exchange programs. All of these changes had an enduring effect on the city. Finally having actually arrived in Central Europe, Vienna continues to profit until today from its dynamic neighbours. In Prague a design festival was founded quite early on; the first Designblok took place in 1999, whereas Vienna had to wait another eight years for its design festival. Ever since these neighbouring countries became members in the EU, the nationalities have mingled as students in Vienna, and as already mentioned, Austrian students also took the opportunity to develop international networks. Students in Vienna likewise profited from influential personalities active at the University of Applied Arts: Ron Arad, today world renowned designer and architect, and Deyan Sudjic, now director of the Design Museum in London, taught from 1993 to 1997 in Vienna—on the instigation of Paolo Piva, himself Professor at the University of Applied Arts. Borˇek Šípek succeeded Ron Arad until 2005, Alison Clarke succeeded Deyan Sudjic and today still runs the Institute of Theory
3 “... But design is also the process apart from giving shape and form to industrial products. Seen from this perspective design may provide a basic approach to a strategy even if only to question and unmask existing modes of design. This idea however was the starting point for the subject of this exhibition. To some extent the participating artists react with irretrievable events and works to the phenomena of design in the exhibition DESIGN WIEN. Peter Noever: Foreword to the catalogue DESIGN WIEN, 1989, p. 7. A few months after the exhibition in the MAK, an exhibition initiated by Adolf Krischanitz titled “Vienna Furniture” took place in the Secession, which took a pragmatic approach. The focus was on designs by architects such as Johannes Spalt, Hermann Czech, Luigi Blau, all of whom belong to the great tradition of Viennese architects, who also design interiors, but also trained young designers like Christian Steiner and Thomas Exner, and artists like Peter Kogler and Gerwald Rockenschaub. Only prototypes were on show, with the costs of making the pieces borne by such companies as Franz Wittmann, Gebrüder Thonet Vienna or Wiesner-Hager. The single items were auctioned off as part of a charitable event for the benefit of the Secession. See Wien Möbel, Exhibition Catalogue, published in-house by the Vienna Secession, 1989.
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von Design als Disziplin der Zukunft zu etablieren. So wurde eine neue Generation von Designerinnen und Designern ausgebildet, die mit Selbstverständnis wie Selbstbewusstsein ihrer Profession nachging. Noch einige Jahre zuvor hatte es die Tendenz gegeben, Wien zu verlassen. Der Wiener Robert Stadler etwa, heute international anerkannter Designer mit Lebensmittelpunkt in Paris, unternahm in den frühen 80er-Jahren nicht einmal den Versuch, in Wien zu studieren, sondern ging direkt nach Mailand, anschließend nach Paris. Erst seine Zeit als Assistent von Ron Arad führte ihn zurück nach Wien, um Jahre später zugleich mit Ron Arad die Stadt wieder zu verlassen. Der Südtiroler Martino Gamper kam nach Wien, weil die Ausbildung hier wesentlich attraktiver schien als an der Universität in Bologna, wo er zunächst studieren wollte. Doch die Stadt war nicht attraktiv genug, um diesen hoch talentierten und mittlerweile höchst erfolgreichen Designer zu halten. Gamper übersiedelte nach London – eine Entscheidung, die sich für ihn in jeder Hinsicht gelohnt hat. Für eine andere Institution in Wien kam der Veränderungsprozess zu spät. Das ÖIF, das Österreichische Institut für Formgebung, wurde 1958 als Verein gegründet, um Industriedesign als Wirtschaftsfaktor zu etablieren. Die Initiative dazu kam von Karl Schwanzer, später wurde das ÖIF von Carl Auböck junior weiterentwickelt. Jahrelang war das ÖIF für die Auslobung und Betreuung des Staatspreises für Design zuständig und bemühte sich als Mitglied der ICSID (International Council of Societies of Industrial Design) um die Internationalisierung österreichischen Designs. Doch wegen mangelnder finanzieller Unterstützung und Differenzen zwischen Wirtschaftskammer und Kulturministerium musste das konventionell agierende, „angestaubte“ ÖIF 1998 schließen. War ein nationales Designverständnis in einer sich rasant globalisierenden Welt nicht mehr zeitgemäß? Oder war der innerösterreichische Konflikt, ob Design tendenziell als Wirtschaftsfaktor (und damit eher einem konservativen Politikverständnis zuzuordnen) oder als Kulturfaktor (und damit traditionell eher in der Sozialdemokratie verankert) zu verstehen ist, dafür verantwortlich? Das ÖIF ist tot, es lebe das möbel 1998 kann man rückblickend als „Wendejahr“ für Design in Wien bezeichnen. Nach Schließung des ÖIF stand die einzige Plattform für die Vermittlung und Vernetzung von Produkt- und Industriedesign nicht mehr zur Verfügung. Doch nur wenige Meter von der am Ulrichsplatz in Wien-Neubau angesiedelten Institution öffnete das Café „das möbel“, das für die Entwicklung des österreichischen Designs und der Wiener Designszene eine bedeutende Katalysatorrolle spielen sollte. Das von Lothar Trierenberg, Markus Luger und Justus Lück gegründete Lokal in der Burggasse 10 war kein gewöhnliches Café, sondern ein frühes Beispiel der so genannten Concept Stores, 5 die sich um das Jahr 2000 in Wien auszubreiten begannen. Die Sitzmöbel, Tische oder Lampen im Café waren nicht nur Teil der Einrichtung, sondern zugleich Ausstellungsobjekte, die man kaufen konnte (und bis heute kann). Mehrere Faktoren waren für das möbel in seiner Anfangsphase kennzeichnend: 6 Die Initiatoren hatten zunächst so gut wie keinen Kontakt zu Designerinnen und Designern, sondern stellten hauptsächlich Entwürfe von jüngeren, oft befreundeten Bildhauern, Tischlern und anderen
and History of Design founded in 1993 at the University of Applied Arts in Vienna. Important designers and architects already graced the University with their presence in the 1980s, 4 but only in the 1990s did the meeting of the already discussed changes help with the engagement of involved protagonists to establish a new understanding of design as a discipline of the future. In this way, a new generation of designers was educated which pursues the profession with self-understanding and also self confidence. Several years before, the tendency to leave Vienna had still prevailed. Robert Stadler, for example, now an internationally recognized designer based in Paris, did not even attempt to study in Vienna in the early 1980s, but instead, went directly to Milan, and subsequently to Paris. His time as an assistant to Ron Arad first took him back to Vienna, which he then left again, together with Ron Arad years later. The South Tyrolean Martino Gamper came to Vienna as the education here seemed much more attractive than the University of Bologna, where he initially wanted to study. But the city was not attractive enough to keep this highly talented and meanwhile highly successful designer. Gamper moved to London—a decision that paid off for him in all respects. For one institute in Vienna, the transformation process at the end of the 1990s came too late. The ÖIF, the Österreichische Institut für Formgebung, was founded in1958 as an organization for the establishment of industrial design as an economic factor. Karl Schwanzer provided the initiative and Carl Auböck junior later developed it further. For years the ÖIF was responsible for awarding and supervising the Staatspreis für Design and as member of the ICSID (International Council of Societies of Industrial Design) endeavoured to internationalize Austrian design, but due to a lack of financial support and differences between the Austrian Federal Economic Chamber and the Ministry of Culture, the conventionally acting, “antiquated” ÖIF was forced to close in 1998. Was a national understanding of design no longer up-to-date in a rapidly globalizing world? Or did the responsibility lie in the inner-Austrian conflict over whether the tendency should be to understand design as an economic factor (and thereby more in a conservative political camp) or as a cultural factor (and thereby, traditionally based more in social democracy)? The ÖIF is dead, long live das möbel Retrospectively, 1998 can be defined as a watershed year for design in Vienna. After the closing of ÖIF, the sole platform for the mediation and networking of products and industrial design was no longer available. Yet just a few hundred metres from the institution located on Ulrichsplatz in Vienna’s Neubau neighbourhood, the café das möbel opened, which would play a crucial role as catalyst in the development of Austrian design in general, and the Viennese design scene in particular. The café located on Burggasse 10, opened by Lothar Trierenberg, Markus Luger, and Justus Lück was not just an ordinary café, but an early example of the so-called “Concept Stores”, 5 which began to spread in Vienna in 2000. The chairs, tables, and lamps in the Café were not only a part of the furnishings, but also, at the same time, exhibition objects that
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one could purchase (and still can, to the present day). Several factors were definitive of “das möbel das café” in its early phase: 6 At first, the initiators had practically no contact to designers, but instead ex hibited designs from young, often befriended sculptors, carpenters, and other craftspersons. 7 While the café business ran well right from the start due to the unusual interior, almost no furniture was sold as this was, for the most part, produced only on commission, and was out of the price range of the young clientele. Nonetheless, the furniture was exchanged quarterly to provide variety—an entirely work-intensive rhythm that was held for several years and ultimately abandoned in favour of longer “exhibition Eine Keimzelle des aktuelle Design-Booms: das möbel, Café und Testlabor für Möbel in einem / A nucleus of the current design boom: das möbel, café and testing lab for furniture all in one. times”. 8 In return, designers living in Vienna, Handwerkern aus. 7 Während der Café-Betrieb auch aufgrund many graduates of or students at the University of Applied Arts, des ungewöhnlichen Interieurs von Beginn an gut lief, wurden used the new informal platform to present their own creations to kaum Möbel verkauft, da diese meist nur auf Auftrag gefertigt what was initially still a small audience. 9 wurden und letztlich zu teuer für das junge Publikum waren. The media also soon recognized the activities of das möbel and Dennoch wurden die Möbel vierteljährlich ausgetauscht, um für the young design scene; mainly in “Rondo”, the Friday insert in Abwechslung zu sorgen – ein überaus arbeitsintensiver Rhyththe daily paper “Der Standard”. The reporting in “Rondo” and in mus, der einige Jahre durchgehalten und schließlich zugunsten other local media that jumped on this trend played an important längerer „Ausstellungszeiten“ aufgegeben wurde. 8 Umgehend nutzten auch die in Wien lebenden Designerinnen und Designer, part in developing self-confidence among those active in Vienna’s meist Absolventen oder Studenten der Universität für angewandte design scene, and also the professionalization of their own public Kunst, die neue informelle Plattform, um eigene Kreationen einer relations: designer suddenly became personalities, presented zunächst noch kleinen Öffentlichkeit zu präsentieren. 9 Schon equally like young vintners ore trendy musicians. The media’s bald wurden die Aktivitäten des möbel und der jungen Designszene 4 For example, Mario Bellini, Alessandro Mendini, Richard Sapper, and Ettore Sottsass. 5 Unter einem Concept Store versteht man ein Geschäft oder Lokal, das sich mit einem unkonventionellen Warenmix aus unterschiedlichen Branchen (Bücher, Wein, CDs, Mode, Frisör etc.) an ein bestimmtes Zielpublikum wendet, etwa an Design- oder Kunstinteressierte, Kreative, Musikliebhaber usw. Das früheste Beispiel für einen Concept Store in Wien war die bereits erwähnte Section N, 1971 gegründet von Katarina und Peter Noever.
5 A Concept Store, a shop with an unconventional mix of goods of various branches (books, wine, CDs, fashion, hairdressing, etc.), is devoted to a certain target audience, such as one interested in design or art, creative persons, or music lovers, etc. The earliest example of a Concept Store was the above-mentioned Section N, founded in 1971 by Katharina and Peter Noever.
6 Gespräch mit das möbel-Gründer Lothar Trierenberg im Februar 2010.
6 Interview with das möbel founder Lothar Trierenberg in February 2010.
7 Die erste Ausstellung im Jahr 1999 präsentierte Entwürfe der Tischler Werner Dauter (später: Nussbaumer) und Dieter Gorjanz, des Metallmöbelbauers Wolfgang Ure sowie von Peter Kohlmaier, dem Eigentümer eines Wiener Polsterei-Betriebes (siehe Abschnitt Produktionskultur).
7 The first exhibition in 1999 presented designs by the cabinet maker Werner Dauter (later: Nussbaumer) and Dieter Gorjanz, the metal furniture maker Wolfgang Ure as well as by Peter Kohlmaier, owner of a Viennese upholstering firm (see section: Production Culture).
8 Bis 2006 wurde die Möblierung 25-mal komplett ausgetauscht.
8 Up to 2006, the furnishings were completely changed 25 times.
9 In den das möbel-Katalogen 3 und 4 (1999/2000) finden sich etwa Karl Emilio Pircher (gründete 2002 mit Fidel Peugeot das Studio Walking-Chair), Harald Guggenbichler, Tina Lehner und Herbert Klamminger (gründete 2004 gemeinsam mit Katharina Bruckner und Stefan Moritsch das Studio bkm).
9 In the das möbel catalogues 3 and 4 (1999/2000), for example, are Karl Emilio Pircher (founded the Studio Walking-Chair with Fidel Peugeot in 2002), Harald Guggenbichler, Tina Lehner, and Herbert Klamminger (founded the Studio bkm in 2004 together with Katharina Bruckner and Stefan Moritsch).
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auch medial wahrgenommen, allen voran in der Freitagbeilage „Rondo“ der Tageszeitung „Der Standard“. Die Berichterstattung im „Rondo“ und in anderen Medien, die auf diesen Trend aufsprangen, leistete einen erheblichen Anteil daran, dass die in Wien tätige Designszene Selbstbewusstsein entwickelte und auch die Professionalisierung in der eigenen Öffentlichkeitsarbeit vorantrieb: DesignerInnen waren plötzlich Personalities, die so schick präsentiert wurden wie JungwinzerInnen oder SzenemusikerInnen. Der erste mediale Eyecatcher für die junge Wiener Designszene wurde ein Produkt, das die Firma Lobmeyr als Vorreiter bei der Zusammenarbeit mit NachwuchsgestalterInnen positionierte: Die Trinkschale „Liquid Skin“ von Barbara Ambrosz (die später mit Karin Stiglmair Aus privater Initiative entstanden: Ausstellung „GD2D+PD3D Fresh AIR by PureAustrianDesign“ in Hong Kong 2009 / Created through personal initiative: Exhibition “GD2D+PD3D Fresh AIR by PureAustrianDesign” in Hong Kong 2009 das Büro LUCY.D gründete) schaffte es in unzählige Publifirst eye-catcher for the young Viennese design scene was a kationen und in die Sammlung des Museum of Modern Art in New product that the firm Lobmeyr positioned as forerunner in the York – nicht nur eine Anerkennung der Qualität, sondern zugleich cooperation with emerging designers: the drinking cup “Liquid ein Ansporn für andere EntwerferInnen und Unternehmen. Eine Skin” by Barbara Ambrosz (who would later found the office weitere Initiative lenkte den Blick auf ausgewählte Beispiele LUCY.D with Karin Stiglmair) appeared in numerous publications österreichischen Designs nach 1945: Die von der Kultursektion des and in the collection of the Museum of Modern Art in New Außenministeriums finanzierte Ausstellung „Design now. Austria“, York—not only a recognition of its quality, but at the same time, kuratiert von Gregor Eichinger und Christian Knechtl, ging von an incentive for other designers and firms. One further initiative 1998 bis 2002 auf Tour und machte unter anderem in Lissabon, directed attention at select examples of post-1945 Austrian London und Tokio Station. Vertreten waren neben Avantgardedesign: the exhibition “Design now. Austria” financed by the Klassikern wie Coop Himmelb(l)au und Hans Hollein auch einige cultural department of the Austrian Foreign Ministry and Protagonisten des jüngsten Generation, unter ihnen Walkingcurated by Gregor Eichinger and Christian Knechtl, was on tour Chair, Soda Designers und EOOS. from 1998 to 2002 and, among other stops, was shown in Lisbon, London, and Tokyo. In addition to avant-garde classics, such Wien entdeckt seine „Creative Industries“ as Coop Himmelb(l)au and Hans Hollein, represented were also Parallel zur boomenden Entwicklung im Produktdesign erlebseveral protagonists of the younger generation, including ten auch andere Bereiche der Kreativwirtschaft einen kräftigen Walking-Chair, Soda Designers, and EOOS. Schub. Früher als im Produktdesign erkannte die Stadt Wien die Kraft des heimischen Modedesigns und beauftragte 2000 Vienna discovers its “Creative Industries” „Unit F büro für mode“ mit der Vergabe von Förderungen und Parallel to the booming development in product design, also other Preisen. Seit 2005 veranstaltet dieses Büro auch ein Modefestiareas of the creative industries experienced a major surge. The city val, andere Veranstalter folgten mit dem „Modepalast“, später of Vienna recognized the power of local fashion design earlier than die „Vienna Fashion Week“. that of product design, and in 2000 commissioned “Unit F büro für mode” with the awarding of grants and prizes. Beginning in Spätestens seit der amerikanische Wissenschaftler und Publizist 2005, the office has also organized a fashion festival, and other Richard Florida 10 zu Beginn des neuen Jahrzehnts den Siegeszug und die wirtschaftliche Bedeutung der so genannten „Creative organisers followed with the “Modepalast”, and later the Vienna Industries“ postulierte, war die Zeit für eine institutionelle ForcieFashion Week. Since the start of the new millennium, at the latest,
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rung des Themas gekommen. 2003 rief die Stadt Wien die Förderstelle „departure wirtschaft, kunst und kultur GmbH“ ins Leben, die neben Design auch Mode, Musik, Audiovision, Multimedia, Verlagswesen, Kunstmarkt und Architektur fördert. departure stellte von 2004 bis 2009 über 15 Millionen Euro für Projekte zur Verfügung, die ihrerseits über 60 Millionen Euro an weiteren Investitionen ausgelöst haben sollen – 11 eine Initiative, die in Europa kein vergleichbares Modell findet. Ergänzt wird das Förderungsprogramm seit 2004 von „Impulse“, dem Kreativwirtschaftlichen Förderungsprogramm des Austria Wirtschaftsservice. 12 Auch vonseiten der Wirtschaft folgten Initiativen. Seit 2005 agiert der vom Wirtschaftsbund initiierte Verein forum mozartplatz als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Kunst/Kultur mit eigenem Veranstaltungsort und der Zeitschrift „crea:m“ (creative economy magazine). Im Rahmen der schon 1995 von der Wirtschaftskammer Wien ins Leben gerufenen „Wien Products“ wurden immer wieder fruchtbare Kooperationen zwischen DesignerInnen und Wiener Unternehmen mit hohem Qualitätsstandard vorgestellt und vermarktet. 2006 eröffnete im Wiener Museumsquartier das designforum, das zu gleichen Teilen von der Interessensvertretung design austria und der Österreichischen Designstiftung ins Leben gerufen wurde. Die Aktivitäten des designforums umfassen neben Ausstellungen 13 vor allem Vorträge und Diskussionen sowie Publikationen.
when U.S. scholar and publicist Richard Florida 10 postulated the victory march and economic significance of the so-called “Creative Industries,” the time had come for an institutional promotion of the theme. In 2003, the city of Vienna called to life the funding agency “departure wirtschaft, kunst und kultur GmbH”, which along with design, also promotes fashion, music, audiovisual work, multimedia, publishing, the art market, and architecture. Between 2004 and 2009, departure made available more than 15 million euros for projects, which for their part, apparently stimulated more than 60 million in further investments— 11 an initiative for which there is no comparable model in Europe. The funding program has been supplemented since 2004 by Impulse, the Austria Wirtschaftsservice (AWS)’s funding program. 12 Initiatives also followed on the part of industry. Since 2005, the organization forum mozartplatz, initiated by the Wirtschaftsbund, has acted as an interface between economy and art/culture with its own venue and the magazine crea:m (creative economy magazine). In the context of “Wien Products”, called to life already in 1995 by the Austrian Federal Economic Chamber, fruitful, high quality collaborations between designers and Viennese businesses have been presented and marketed. In 2006, designforum opened in Vienna’s Museumsquartier, an initiative by design austria and the Österreichischen Designstiftung. In addition to exhibitions, the activities of the designforum comprise primarily lectures and discussions as well as publications. 13
Private Initiativen sorgten für weitere Schubkraft. In den Jahren 2002 und 2003 wurde auf der Messe H.O.M.E.-Depot, 14 die seit 2001 jährlich internationale Marken in Wien präsentiert, den heimischen JungdesignerInnen ein eigener Bereich gewidmet. Viele von ihnen sind in diesem Katalog vertreten, wie Barbara Ambrosz und Karin Stiglmair vom Studio LUCY.D, Marie Rahm, Adam Wehsely-Swiczinski, element design oder Karl Emilio Pircher von Walking-Chair. 2004 fand zum ersten Mal die Blickfang-Designmesse 15 im Wiener MAK statt. Diese erste Wiener Ausgabe der Messe wurde in der Szene als Aufbruchssignal gesehen und erwies sich als Ventil für die lang aufgestaute kreative Energie. Allerdings rechnete sich die Endverbrauchermesse für Möbeldesigner nicht, sodass sich die folgenden Ausgaben eher auf Modedesign und Accessoires sowie Kunsthandwerk konzentrierten. Einen publizistischen Überblick über die Produktdesign-Szene bot erstmals das Kompendium „Pure Austrian Design“, das 2005 von
Private initiatives have provided further stimulus. In 2002 and 2003, a unique area was allotted to young Austrian designers at the H.O.M.E. Depot Trade Fair, 14 which has annually presented international brands in Vienna since 2001. Many of them are re presented in this catalogue, such as Barbara Ambrosz and Karin Stiglmair (jointly LUCY.D), Marie Rahm, Adam Wehsely-Swiczinski, element design or Karl Emilio Pircher (Walking-Chair). In 2004, the first Blickfang-Designmesse 15 took place at Vienna’s Museum of Applied Arts. This premiere Viennese edition of the convention was seen within the scene as a breakthrough in a new direction and proved to be a valve for long pent-up creative energy. However, the consumer exposition did not pay off for furniture designers, so that the following editions concentrated more on fashion design and accessories along with handicrafts.
10 U. a. mit den Publikationen “The Rise of the Creative Class” (New York 2002) und “Cities and the Creative Class” ( New York-London 2004).
10 Among others, with the publications The Rise of the Creative Class (New York 2002) and Cities and the Creative Class ( New York-London 2004).
11 Departure Look/Book 2009, Nürnberg 2009, S. 3 f.
11 Departure Look/Book 2009, Nürnberg, 2009, p. 3 ff.
12 Die Finanzierung erfolgte zunächst über die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung. Seit 2008 wird Impulse vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend finanziert.
12 Financing was originally provided by the Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung. Since 2008, impulse has been financed by the Federal Ministry for Economy, Family, and Youth.
13 Von der Eröffnungsausstellung zur Zusammenarbeit zwischen dem Motorradhersteller KTM und dem Salzburger Designbüro Kiska über Food Design bis hin zu länderspezifischen Ausstellungen (Tschechische Republik, Belgien).
13 Ranging from the opening exhibition to cooperation between motorcycle manufacturer KTM and the Salzburg design firm Kiska through to food design and country-specific exhibitions (Czech Republic, Belgium).
14 AHEAD MEDIABERATUNGS GMBH, gegründet 1995, ist Herausgeber von H.O.M.E.. Thomas Machhörndl, Mitbegründer, veranstaltet seit 2001 die H.O.M.E.-Depot-Messe im Semperdepot und initiierte die Einladung an die JungdesignerInnen 2002/2003.
14 AHEAD MEDIABERATUNGS GMBH, founded 1995, is the publisher of H.O.M.E. Thomas Machhörndl, co-founder, has organised the H.O.M.E. Depot in the Semperdepot since 2001, and initiated the invitation to the young designers in 2002 and 2003.
15 Die Messe findet seit 1993 in Stuttgart statt. Weitere Stationen: Zürich (seit 1997), Wien (seit 2004), Tokio (seit 2006) und Basel (seit 2010).
15 The fair has taken place in Stuttgart since 1993. Further locations are: Zurich (since 1997), Vienna (since 2004), Tokyo (since 2006), and Basel (since 2010).
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JULAND BarcelonaV ienna 16 herausgegeben wurde und auf über 400 Seiten österreichische Firmen und DesignerInnen präsentierte. Dieses mit viel Elan vorangetriebene Projekt war der Startschuss für eine Reihe von Präsentationen heimischen Designs, u. a. in Barcelona, London, Tokio und New York. 17 2006 erschien das Buch „Designlandschaft Österreich“, 18 ein Lexikon und Handbuch zur österreichischen Designgeschichte von 1900 bis 2005, dessen Finanzierung noch acht Jahre zuvor gescheitert war. Was Wien gefehlt hat: ein Designfestival Was allerdings bislang noch fehlte, war ein Festival, das Design in konzentrierter Form einer breiten Öffentlichkeit näherbrachte, wie dies in manch anderen europäischen Städten bereits damals üblich war, so etwa in Prag (seit 1999) oder der „Designmai“ in Berlin (von 2002 bis 2008), seit 2008 „DMY International Design Festival Berlin“. 2006 startete die „Neigungsgruppe Design“ 19 in Wien mit den so genannten „Passionswegen“, die zum Kernstück der Vienna Design Week wurden, die seit 2007 im Oktober stattfindet. Dass heute arrivierte internationale Designstudios im Rahmen der Vienna Design Week präsentieren wollen, darf als Hinweis für ein unverwechselbares Angebot einer Stadt gelten, das sich aus einer Verflechtung einer immer noch bestehenden Produktionskultur, der Förderungslandschaft und der engagierten Initiativen ergibt. Eine Mischung, auf die manche mit Neid blicken. Langsam und Schritt für Schritt wuchsen die einzelnen Pflanzen zu einer dichten Hecke zusammen, vernetzten sich die Protagonisten, und es entstand die notwendige kritische Masse, damit man überhaupt von einer Designszene sprechen konnte. Diesem Prozess kam auch die Tatsache entgegen, dass Generationswechsel bei Unternehmen wie Lobmeyr neue Energien freisetzten, was zur Folge hatte, dass man sich intensiver mit Design auseinandersetzt, nicht zuletzt in Hinblick auf eine internationale Positionierung. Einige der jungen Designerteams in Wien profitierten von dieser Entwicklung, manche gingen über längere Zeit eine gegenseitig befruchtende Zusammenarbeit ein, so etwa Monica Singer, die einige Jahre halbtags bei Lobmeyr arbeitete und 2004 mit Marie Rahm das Büro POLKA gründete. Letztlich durchlief
The compendium “Pure Austrian Design” published by JULAND BarcelonaVienna 16 in 2005 offered an initial media overview of the product design scene, presenting Austrian firms and designers on more than 400 pages. This project, promoted with great zeal, was the starting signal for a series of pre sentations of local Austrian designs, among other places, in Barcelona, London, Tokyo, and New York. 17 In 2006 came publication of the book A Century of Austrian Design, 18 a dictionary and handbook on Austrian design history from 1900 to 2005, which had failed to receive financing just eight years earlier. Missing in Vienna: A design festival Yet what was still missing was a festival that brought design to a wider public in concentrated form, as was already common at the time in some other European cities, for example, in Prague (since 1999), or in Berlin the Designmai (from 2002 to 2008), since 2008 the DMY International Design Festival Berlin. In 2006, the “Neigungsgruppe Design” 19 began the so-called “Passions wege”, which became a core element of the Vienna Design Week, held since 2007. Established international design firms want to present themselves within the framework of the Vienna Design Week, which can be seen as evidence of a distinct offering from a city resulting from the integration of a stillpresent production culture, a wide array of support, and involved initiatives. A mixture viewed with envy by some.
Design wird verstärkt wahrgenommen: Detailaufnahme der Ausstellung „Vienna Design Week Debüt 2009“. Zu sehen ist „Dentris“, ein Modell einer mobilen Zahnarztpraxis von Clemens Auer / More and more people notice design: Detailed view of the exhibition “Vienna Design Week Debut 2009”. On display is “Dentris”, a model of a mobile dental practice by Clemens Auer.
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die Disziplin Design selbst eine Professionalisierung. Ein neues Verständnis, was Design alles leisten kann und soll, etablierte sich. Heute ist Design längst nicht mehr reduziert auf die Entwicklung funktionaler Objekte und hat auch die Phase des teuren schmückenden, manchmal auch absurden Gegenstandes hinter sich gelassen. Design erfüllt heute unterschiedlichste Aufgaben, dabei kann es sich um eine strategische Entwicklung genauso handeln wie um die Optimierung von Services zum Beispiel der öffentlichen Hand. Design mit sozialer Verantwortung war einst von dem gebürtigen Wiener Victor Papanek 20 ausgerufen worden und ist heute aktueller denn je, aber vor allem ist Design eine Gestaltungsaufgabe, die es Unternehmen ermöglicht, unverwechselbar aufzutreten und sich gegen Konkurrenz durchzusetzen. Keine Designstadt, aber eine Stadt mit einer Designszene Es wäre vermessen zu behaupten, Wien sei heute eine Designstadt, und immer noch wird man im Ausland ungläubig gefragt: Österreichisches Design, gibt es das überhaupt? Ja, es gibt österreichisches Design, es gibt eine Wiener Designszene, und diese Szene ist sehr aktiv und lebendig. Auch wenn heute im internationalen Designgeschäft nationale Ordnungssysteme keinerlei Relevanz mehr haben, so tut es jeder Stadt gut, ihr kreatives Potenzial zu unterstützen und zu bewerben, denn auch hier ergeben sich Möglichkeiten einer Unverwechselbarkeit, die in Zeiten des kurzen Stadturlaubs nicht unwichtig sind. 21
The individual plants (to return to the initial image) slowly grew to a thick hedge and the protagonists networked, thus giving rise to the necessary critical mass allowing one to even speak of a design scene. This process also coincided with the fact that the generational change at enterprises such as Lobmeyr released new energies and resulted in a more intensive confrontation with design, not least with regard to international positioning. Several of the young design teams in Vienna profited from this development, and some entered into long-term mutually enriching collaborations, for example, Monica Singer, who for several years worked part time at Lobmeyr, and founded the firm POLKA together with Marie Rahm in 2004. In the end, the discipline of design went through its own professionalisation process. A new understanding of all that design can and should achieve is no longer reduced to the development of functional objects and also leaves behind the phase of expensive ornament, as well as the absurd objects. Today, design fulfils various tasks that have just as much to do with strategic development as optimisation of services, for example, for the public hand. Design with social responsibility was once called for by Viennese-born Victor Papanek, 20 and is now more current than ever, but central is that design is a task of shaping that enables firms to assume a distinct appearance—and allows them to assert themselves against the competition. Not a design city, but a city with a design scene It would be presumptious to claim that today, Vienna is a design city, and when abroad, one is still constantly asked by incredulous foreigners: Austrian design, does such a thing exist? Yes, Austrian design does exist, there is a Viennese design scene, and very active and vibrant it is, too. Even though national arrangements no longer have relevance in the international design world, it benefits every city to support and promote its creative potential, as this, too, re sults in possibilities to distinguish oneself, of no small importance in today’s era of short city breaks. 21
Für uns war die besagte Lebendigkeit Anlass, diese Ausstellung zu entwickeln. Zugleich brachten uns erste Recherchen die Erkenntnis, dass viele der hier lebenden Designerinnen und Designer ursprünglich nicht aus Wien sind. Marco Dessí stammt aus Italien, wenn auch aus dem von österreichischer Seite gerne vereinnahmten Südtirol, ebenso Karl Emilio Pircher. Monica Singer kam aus Salzburg, Marie Rahm aus München. Dejana Kabiljo verschlug es aus privaten Gründen von Split bzw. Belgrad nach Wien, der Schweizer Fidel Peugeot blieb fast unwillig hängen – und gerät heute ins Schwärmen, wenn er von Wien spricht. Martin Bergmann kam aus Osttirol, Gernot Bohmann aus der Steiermark. Die meisten kamen wegen des Studiums, wobei interessanterweise die wenigsten eine Vorstellung davon hatten, was Design eigentlich ist bzw. was sie in Wien und an der Angewandten erwarten würde. Historisch gesehen machte Wien
For us, this vibrancy was an occasion to develop an exhibition on the theme. At the same time, initial research made us realize that many of the designers living here are not originally from Vienna!
16 Gegründet von Andrés Fredes und Julia Taubinger. Unterstützt wurden sie bei dem Projekt von Stefan Lechner.
16 Founded by Andrés Fredes and Julia Taubinger, with support from Stefan Lechner.
17 Finanziert wurden diese Auftritte, neben anderen Sponsoren, u. a. von der Österreichischen Möbelindustrie und dem Wien Tourismus.
17 This appearance was financed, among other sponsors, by the Austrian Furniture Industry and the Vienna Tourist Board.
18 Tulga Beyerle, Karin Hirschberger: Designlandschaft Österreich. 1900-2005. Basel-BostonBerlin 2006.
18 Tulga Beyerle, Karin Hirschberger, A Century of Austrian Design. 1900-2005, Basel-BostonBerlin 2006.
19 Tulga Beyerle, Thomas Geisler, Lilli Hollein.
19 Tulga Beyerle, Thomas Geisler, Lilli Hollein.
20 Victor Papanek wurde 1923 in Wien geboren und floh vor den Nationalsozialisten in die USA, wo er später zu einem der wichtigsten Vorreiter von sozial und ökologisch verträglichem Design wurde. Zu einem Bestseller wurde sein Buch „Design for the real world“, das kürzlich in neuer deutscher Übersetzung im Springer Verlag erschienen ist (herausgegeben von Gerald Bast, Martina Fineder, Thomas Geisler und Florian Pumhösl).
20 Victor Papanek was born in Vienna in 1923 and fled from National Socialist persecution to the U.S. where he later became one of the most important forerunners of social and ecologically compatible design. His book Design for the Real World became a bestseller and was recently published in German translation by Springer Verlag, edited by Gerald Bast, Martina Fineder, Thomas Geisler and Florian Pumhösl.
21 Es ist kein Zufall, dass WienTourismus unter ihrem Geschäftsführer Norbert Kettner jüngst verstärkt auf Design setzt, unter anderem im Zusammenhang mit der jungen Winzer-Szene der Stadt. Vor seiner Tätigkeit für den WienTourismus war Kettner Geschäftsführer der Förderstelle departure.
21 It is no coincidence that Wien Tourismus under the management of Norbert Kettner has recently relied more intensely on design, among other ways, in connection with the city’s young vintner scene. Before his work for Wien Tourismus, Kettner was head of the funding agency departure.
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immer die Mischung aus vielen Kulturen aus. Ganz prinzipiell zieht eine lebendige Metropole Menschen an, erst die Mischung bringt sie zum Leben – nur war es im Wien der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts so lange ganz anders gewesen. Zehn Jahre, die viel verändert haben Viele der bereits erwähnten Punkte erklären, warum wir uns ganz bewusst für eine Designausstellung über die letzten zehn Jahre entschieden haben: Die notwendige Dichte entstand erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Wie sehr der richtige Zeitpunkt eine Rolle spielt, sei durch folgende Anekdote verdeutlicht: Zeitgleich mit der privaten Initiative das möbel gab es ein sehr wesentliches institutionelles Engagement: Von 1997 bis 2002 war Doris Roth auer die Direktorin des Künstlerhauses, damit verantwortlich für einen Ausstellungsreigen, immer disziplinübergreifend und themenbezogen. 22 Erwähnt sei an dieser Stelle, dass nach heutiger Überzeugung von Doris Rothauer die erste von ihr initiierte Ausstellung „Ghost Story – Nachbilder des Kinos“, kuratiert von Alexander Horvath und Bert Rebhandl 1998, für die Wahrnehmung und Anerkennung durch die Öffentlichkeit schlicht zu früh dran war – zur großen Enttäuschung der beiden Kuratoren. Bereits ein Jahr später hingegen wurde die Ausstellung „fast forward – Mode in den Medien der 90er-Jahre“ ein großer Erfolg beim Publikum wie bei den Medien. Nicht zuletzt führte diese Ausstellung zur Gründung von Unit F. büro für mode.
Both Marco Dessí and Karl Emilio Pircher are from Italy, albeit from South Tyrol, which Austria likes to claim as its own; Monica Singer is from Salzburg, and Marie Rahm from Munich. Dejana Kabiljo moved from Split, then from Belgrade, to Vienna for personal reasons; Fidel Peugeot from Switzerland got stuck in Vienna almost against his will—and now goes into raptures when talking of the city. Martin Bergmann came from East Tyrol and Gernot Bohmann from Styria. Most came because of their studies, whereby interestingly only a few had any idea of what design actually is, or what to expect in Vienna at the University of Applied Arts. Looked at historically, Vienna has always been composed of many cultures. In principle, a dynamic metropolis attracts people and it is the mix that first brings it to life. Yet in Vienna of the second half of the twentieth century, the situation was different for so long.
Neben den acht Studios und traditionsreichen Unternehmen wie Lobmeyr, Augarten und Backhausen werden in der Ausstellung „2000 – 2010. Die Jungen sorgen für frischen Schwung: Standdetail für „Shakin’ Products“, eine neue Produktserie von breadedEscalope 2010 / The young designers bring fresh impetus: Stand detail for “Shakin’ Products”, a new product series from breadedEscalope 2010. Design in Wien“ auch einige Unternehmen präsentiert, bei denen Designerinnen und Designer aus verschiedenen Gründen Ten years which have changed a great deal selbst zu ProduzentInnen wurden – ebenfalls ein Phänomen des Much of what has already been mentioned explains why we quite vergangenen Jahrzehnts, das sich allerdings in ganz Europa beconsciously decided on a design exhibition about the last ten years: obachten und durch die aktuellen Kommunikationsmöglichkeiten the necessary level of design activity was first achieved towards erklären lässt (noch nie war es etwa so einfach, 3-D-Daten rund the end of the twentieth century. How greatly timing plays a role um die Welt zu schicken und einen Prototypen geliefert zu bekomis made clear by the following anecdote. Concurrent to the private men). Ein weiterer wichtiger Themenbereich ist der Nachwuchs. initiative das möbel, there was a very important institutional Nachdem lange Zeit talentierte Designerinnen und Designer eher engagement: from 1997 to 2002, Doris Rothauer was director of the dazu tendierten, die Stadt zu verlassen, einige glücklicherweise Künstlerhaus, thereby responsible for an array of exhibitions that aber die Lebensqualität und niedrigen Mietpreise zu schätzen were always cross-disciplinary and thematically related. 22 As Doris Rothauer now believes, “Ghost Story – Nachbilder des wussten und nach dem Studium blieben, erleben wir jetzt ein
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neues Phänomen: Dass junge Designerinnen und Designer nach ihrem Studium im Ausland nach Wien ziehen, um hier zu leben und zu arbeiten. Zugegeben, es handelt sich (noch) immer „nur“ um ÖsterreicherInnen, aber es war nicht immer so, dass man sich zum Beispiel nach dem Studium in Eindhoven – in den Niederlanden, wo Design wie in kaum einem anderen Land gefördert und geliebt wird – entschließt, nach Wien zu ziehen, wie es Katharina Mischer und Thomas Traxler gemacht haben. Oder breadedEscalope, drei Jungs aus Kärnten, die an der Kingston University in London studiert hatten und dann nach Wien zogen. Der Erfolg von Walking-Chair, die laufend zu internationalen Designfestivals eingeladen werden, könnte auch Motivation für breadedEscalope gewesen sein, nach Wien zu kommen. Ihnen ist – wie allen anderen Büros, die hier vorgestellt werden – ein ebenso selbstbewusstes wie selbstverständliches Bewegen auf internationalem Parkett eigen. Wien wird als Basis geschätzt und genutzt, aber gleichzeitig nutzen diese jungen Teams ihr internationales Netzwerk, um sich in ganz Europa zu präsentieren. Wien ist heute lebendiger und vielfältiger denn je, etwas, das auch in dieser Ausstellung deutlich wird. In diesem Sinne ergibt sich auch kein homogenes Bild von Wiener Design, sondern Design aus Wien. Um unsere Bestandsaufnahme abzurunden, haben wir ganz bewusst eine Reihe von Protagonisten der Designszene eingeladen, über ihre Wahrnehmung von Design in Wien zu reden: von Ron Arad über Robert Stadler und Martino Gamper bis hin zu Alison Clarke. Ihre Statements sind in der Ausstellung als Video zu sehen, im Katalog sind Zitate daraus zu lesen. Alle haben sie einen Bezug zur Stadt, kommen aus Wien oder kamen nach Wien, haben hier gelehrt, lehren immer noch. Nicht alle sind große Liebhaber der Stadt, aber gerade diese kritische, dennoch respektvolle Beurteilung tut uns wie der Ausstellung gut.
Kinos”, the first exhibition that she initiated, curated by Alexander Horvath and Bert Rebhandl in 1998, was simply too early for public perception and recognition—which was greatly disappointing for the two curators. Yet just one year later, the exhibition “fast forward – Mode in den Medien der 90er-Jahre” was a great success among both audience and media. And, not least, this exhibition led to the founding of Unit F. büro für mode. Besides the eight studios and such traditional companies as Lobmeyr, Augarten and Backhausen, some companies are presented at “2000–2010. Design in Vienna” at which designers have for various reasons turned into producers. This is likewise a phenomenon of the past decade, which is observable throughout Europe and can be explained by current communication possibilities (it has never been so easy to send 3-D data around the world and to have a prototype delivered). A further important theme of the exhibition “2000–2010. Design in Vienna” is the following generation. Following a long period when talented designers tended to leave the city, while luckily a few appreciated the quality of life and low rents, and so remained here after their studies, we are now experiencing a new phenomenon: young designers are moving to Vienna to live and work here after their studies abroad. Admittedly, we are (still) talking “only” about Austrians, but it has not always been the case that after, say, studying in Eindhoven—in the Netherlands, where design is supported and cherished more so than elsewhere—designers decide to move to Vienna, as Katharina Mischer and Thomas Traxler have, or breadedEscalope, three young men from Carinthia who studied at Kingston University in London and then moved to Vienna. The success of Walking-Chair, for example, which is coninuously invited to international design festivals, could have provided a motivation for breadedEscalope to bring to Vienna. Integral to them—like all other offices introduced here—is a presence that is equally self-assured and self-evident on the international stage. Vienna is valued and used as a base, and also appreciated, yet at the same time these young teams exploit their networks to present themselves in all Europe. Vienna is livelier and more varied than ever, something that becomes apparent in this exhibition. In this sense, there is no one homogenous image of Viennese design, rather design from Vienna. To round off our picture, we have quite consciously invited a series of protagonists to speak about their perception of design in Vienna, from Ron Arad to Robert Stadler and Martino Gamper through to Alison Clarke. Their statements can be seen as a video in the exhibition, and quotes from them can be read in the catalogue. All have a relation to the city, come from or came to Vienna, taught or still teach here. Not all are great fans of the city, but precisely this critical yet respectful opinion is good for us, as it is for the exhibition.
22 Siehe den Beitrag von Vitus Weh in diesem Katalog und Abschnitt „Initiativen“.
22 See the contribution by Vitus Weh in this catalogue and chapter “initiatives”.
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„Design ist in Wien alltäglich“ Eine Stadtbesichtigung aus deutscher Sicht Petra Schmidt Zu klein, zu ruhig, keine Industrie. Die Antworten auf meine Frage, ob Wien eine Designstadt ist, sind einhellig. Alle GestalterInnen, die ich auf einer Tour durch Wiens Studios frage, sind der gleichen Meinung. Wien sei weit davon entfernt, ein Zentrum für Design zu werden. Auch der Hinweis, dass es um einen Artikel über Wiener Design gehen soll, wird kritisch gesehen. Harald Gründl von dem Designbüro EOOS, das die elegante b2-Küche für bulthaup entwarf und so renommierte Namen wie Adidas oder Alessi auf der Kundenliste führt, findet das besonders fragwürdig: „Ich mag diese Vereinnahmungsstrategien nicht. Wir lassen uns auch nicht vor der Secession fotografieren. Wir leben hier, aber unsere Arbeit hat nichts mit Wien zu tun. Wir haben hier kaum Kunden. Skifahrer treten unter der österreichischen Fahne an, Designer nicht.“
“Design is an Everyday Affair in Vienna” A Tour of the City from a German Perspective Petra Schmidt Too small, too calm, no industry: The answers to my questions whether Vienna is a design city are unanimous. All of the designers that I ask on a tour through Vienna’s studios share the same opinion. Vienna is far from being a centre for design. Even the information that I’m writing an article on Viennese design was viewed critically. Harald Gründl from EOOS, which designed the b2 kitchen for bulthaup and has such renowned clients as Adidas and Alessi, found it especially dubious: “I don’t like these appropriation strategies. We also do not let people photograph us in front of the Secession. We live here, but our work has nothing to do with Vienna. We have almost no clients here. Skiers make their appearance under the Austrian flag, not designers.”
Wien ist keine Designhauptstadt Also gut. Wien ist keine „Capitale del Design“, wie etwa Mailand es so gerne von sich behauptet. Die norditalienische Großstadt verfügt mit der internationalen Möbelmesse nicht nur über den weltweit bedeutendsten Handelsplatz für Designmöbel, sondern auch über einen breiten Industriegürtel, in dem viele Einrichtungsgegenstände, aber auch Mode und Autos gefertigt werden. GestalterInnen, die etwas auf sich halten, betreten die Stadt mehrmals im Jahr, um ihre Auftraggeber oder auch die Messe zu besuchen. Die Messe ist der gemeinsame Nenner, auf den sich die internationale Designszene geeinigt hat, wenn es darum geht, sich zu sozialisieren. Längst werden hier nicht mehr nur Möbel gezeigt, auch Sony oder BMW möchten hier Kompetenz in Sachen Design unter Beweis stellen. Da kann Wien natürlich nicht mithalten. Die Stadt ist auch keiner dieser typischen Anlaufpunkte für die „kreative Klasse“ wie etwa London oder Berlin, die als cool und schick gelten und vorwiegend durch Musik und Mode geprägt sind. Doch Wien ist ja bekanntlich anders, zumindest behauptet das die Touristenwerbung seit Jahren.
Vienna is no design capital Okay. Vienna is no “Capitale del Design“, as Milan so enjoys claiming of itself. The north Italian metropolis not only has an international furniture fair that is the world’s most important emporium for designer furniture, but also a broad industrial belt in which a number of furnishings, and also fashion and automobiles are manufactured. Designers who look after their reputation come to the city several times a year to visit clients and the trade show. When it comes time to socialize, the trade show is the common denominator that the design scene has agreed upon. More than just furniture has been shown here for quite some time now; Sony and BMW also want to demonstrate their abilities in matters of design. Vienna can, of course, not compete with this. It is also not one of those typical gathering places for the “creative classes“, such as London or Berlin, which are considered cool and chic and are primarily marked by creating trends in music and fashion. But Vienna is, after all, different as everyone knows, or at least that is what the tourism office has been claiming for years.
Aber für mich ist Wien eine „Designstadt“. Wenn man diese beiden Worte überhaupt so einfach miteinander kombinieren darf, dann wohl in Wien. Als ich Mitte der 90er-Jahre für eine Recherche in die Stadt kam, war Kaffeekultur noch Österreichern und Italienern vorbehalten, und die Kaffeekette Starbucks startete erst im weit entfernten Amerika. In Wien verstand man nicht nur etwas von hochwertigem Kaffee, sondern das öffentliche Leben im Kaffeehaus als Teil der Kultur. Spätestens seit Adolf Loos 1899 das
But for me, Vienna is a “design city“. That is, if one can so simply combine these words, then certainly in Vienna. When I came to the city to do research in the mid-1990s, café culture was still reserved for Austrians and Italians, and the coffee chain Starbucks was still just getting going in the far flung U.S. In Vienna, not only was there an appreciation of high quality coffee, but also of public life in the café as a part of culture. At the latest since Adolf Loos furnished the legendary “Café Museum” in 1899, and wellknown artists and literary figures, such as Gustav Klimt, Oskar
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legendäre „Café Museum“ einrichtete und sich dort so bekannte Künstler und Literaten wie Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Robert Musil und Egon Schiele trafen, beziehungsweise im Jahr 1908 seine American Bar nahe der Kärntner Straße folgen ließ, war die Gestaltung von Interieurs Aufgabe von renommierten GestalterInnen, meist ArchitektInnen. In den 90er-Jahren entwarfen Gestalter wie Eichinger oder Knechtl wegweisende Interieurs, die typische Stilelemente der Zeit vorwegnahmen, wie etwa das Weinhaus „Unger und Klein“ mit seinen braunen Holzverschalungen und einem Waschbecken aus Beton. Hermann Czechs Thonet-Stühle standen noch im „MAK Café“ (heute Restaurant „Österreicher“, umgebaut von Eichinger oder Knechtl) und stellten mit ihrer weißen Lackierung und den klar lackierten Füßen, die das Holz durchscheinen ließen, eine gelungene Reverenz an Otto Wagners Thonet-Modelle dar. Wagner hatte schon bei den Thonetfauteuils im Effektensaal der Postsparkasse die Stühle teilweise weiß lackiert, aber die Füße ausgespart, um sie gegen Wischwasser und die alltäglichen Kratzer robust zu halten.
Kokoschka, Robert Musil, and Egon Schiele met there, or in 1908, when he designed the American Bar close to Kärntner Straße, the design of interiors had become a task of renowned designers, usually architects. In the 1990s, designers such as Eichinger oder Knechtl created pioneering interiors, which anticipated typical contemporary stylistic elements, for example, the brown wood cladding and bathroom sink of concrete at Weinhaus “Unger und Klein”. Hermann Czech’s Thonet chairs were still standing in the “MAK Café” (today, Restaurant “Österreicher”, rebuilt by Eichinger oder Knechtl) and successfully paid reverence to Otto Wagner’s Thonet models with their white paint and clear varnished feet that allow the wood to shine through. For the Thonet
Dies zeigt, wie sehr Wien von seiner Gestaltungstradition lebt. Hier gab es schon Design, als das Wort dafür noch gar nicht gefunden war – vor dem Bauhaus und vor dem bunten Nachkriegsdesign aus Italien. Natürlich kann man den Beginn der Moderne nicht räumlich oder zeitlich festlegen, aber Wien hatte sich um 1900 zu einem Knotenpunkt der Entwicklungen in WissenDesign ist in Wien allgegenwärtig: Eingangsportal der Postsparkasse von Otto Wagner, eines wegweisenden Gebäudes der architektonischen Moderne (1904–1906, 1910–1912), das heute noch eine Bank beherbergt / Design is everywhere in Vienna: entrance portal of the Postsparkasse by Otto Wagner, schaft, Technik und Architeka pioneering building of architectural modernism (1904–1906, 1910–1912), which today houses a bank. tur entwickelt. Hier produzierten die Gebrüder Thonet ihre armchairs at the headquarters of the Postsparkasse (Post Office Bugholzmöbel, die gerne als Startpunkt für die Entstehung des Savings Bank), Wagner had already partially painted the chairs modernen Designs herangezogen werden. Und nach dem Vorwhite, leaving out the feet, to keep their resistance to the cleaning bild des britischen Arts and Crafts Movement gründeten Josef water and everyday scrapes. Hoffmann und Koloman Moser ihre Wiener Werkstätte, Gegenspieler Adolf Loos propagierte als Journalist und Gestalter This shows how greatly Vienna lives from its design tradition. seinen Ansatz vom dekorfreien Gebrauchsgegenstand. Design has been here even before the word for it had been invented—before Bauhaus and before colourful postwar design Doch während in Deutschland ähnliche Monumente dieser Zeit from Italy. While the onset of the modern era can, of course, den Bomben des Zweiten Weltkriegs oder auch nur den Abrissbirnot be established in terms of place or time, around 1900 Vienna nen fortschrittsgläubiger UnternehmerInnen zum Opfer fielen, had evolved into an intersection of developments in science, blieben hier architektonische Zeugen einer Wiener Moderne und technology, and architecture. The Thonet brothers produced their auch einige Interieurs erhalten beziehungsweise wurden rekon bentwood furniture here, which is often called up as the starting struiert (wie etwa die Loos-Bar).
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