Prolog Jänner 2015 | Wiener Staatsoper

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UNSERE ENSEMBLEMITGLIEDER

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per: Das war zunächst etwas Fremdes, Unbekanntes, ja fast Unvorstellbares. In einem kleinen Vorort in Virginia, USA, aufgewachsen, verband Ryan Speedo Green mit Oper am ehesten noch herkömmliche Klischees: die berühmte umfangreiche Wagner-Heroine, mit einem Hörnerhelm am Kopf und schriller, lauter Stimme. Opernsänger werden? Nein, das war nicht einmal im Ansatz ein vorgezeichneter Lebensweg. Denn im Gegensatz zu manch anderem Sänger entstammte er keiner Künstlerfamilie, hatte also keine „Vorbelastung“, sondern lernte klassische Musik erst – und mehr zufällig als geplant – an der Highschool kennen, als er im dortigen Chor mitsang. Doch wenn es sein muss, muss es sein: Eine Lehrerin entdeckte seine vielversprechende Stimme und schon fand er sich bei einer Audition der Governors School for the Arts in Norfolk in Virginia wieder, einer Talenteschmiede also. Aus vielen hundert Kandidaten wurden die zwölf Besten ausgewählt, unter ihnen Ryan Speedo Green, der nun erstmals wirklich mit dem Musiktheater in Kontakt kam. Um ihm die Nebulosität der Opernwelt zu nehmen, lud ihn ein Freund in eine Met-Vorstellung ein, ein anderer lieh ihm einen Anzug: und dort erlebte der Teenager mit einer Carmen-Vorstellung nun sein erstes Opern-Erlebnis. Das tatsächlich zum Erlebnis wurde. „Ich lachte, weinte, war wütend, glücklich, fasziniert, also alles, was man in einer Aufführung durchleben kann. Es war einfach fantastisch!“, erzählt er im Rückblick. „Dazu kam, dass Denyse Graves die Titelfigur sang und ich sie nach der Vorstellung backstage treffen konnte. Für mich war sie eine Ikone. Denn hätte mir jemand zuvor gesagt, dass ein Afro-Amerikaner aus einem kleinen Ort in Virginia Oper in New York City oder

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