TM Nr. 1 / 2015

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BUCHVORSTELLUNG

Wie aber wird man allein gross? Als Kind misshandelt: Die Geschichte von Trudi L. offenbart Einblicke in ein Stück Schweizer Alltag des vergangenen Jahrhunderts – und in die Abgründe einzelner Charaktere. Trudis Erinnerungen widerspiegeln das Leben vieler, die niemanden hatten, der für sie sprach …

Trudis Geschichte macht ohnmächtig und wütend. Doch sofort wird der Leserin und dem Leser auch klar, dass die Protagonistin, die vergangenen Monat ihren 70. Geburtstag feierte, trotz allem ungebrochen blieb. Dass sie versucht, sich durch das Erzählen ihrer Geschichte, mit dem Schicksal zu versöhnen. Die

Autorin Sonja L. Bauer

Journalistin und Autorin Sonja L. Bauer hat das betroffen machende Leben von Trudi, die in Steffisburg und Bern aufwuchs und heute wieder am Thunersee lebt, aufgezeichnet. Mit der Absicht, den Stellenwert einer in Geborgenheit und Liebe gelebten Kindheit hochzuhalten. Oder, wie die Autorin schreibt: «Behandelt die Kinder behutsam und respektvoll, als wären sie Engel – dann werden sie zu Menschen, die ih-

Ob sie 1944 oder 45 geboren wurde, weiss Gertrud Luise L. nicht.

ren eigenen Charakter entwickeln und ihren eigenen Ideenreich-

Als Neugeborenes wurde sie von ihrer leiblichen Mutter im Wal-

tum unabhängig leben können. Und beinhaltet ein Charakter feine

liser Hotel, in welchem diese arbeitete, splitternackt auf einem

Züge von Eigenschaften, welche dem Kind selbst oder anderen

schmutzigen Stapel Wäsche ausgesetzt – und «vergessen».

schaden könnten, so wird eine liebevolle Erziehung die-

Als jemand das kleine Mädchen fand, war es halb verhungert und

se ausbalancieren und die

krank. Wochenlang blieb es im Spital und kam danach in ein Ber-

Kinder zu reflektierten Er-

ner Kinderheim. Mit drei Jahren schliesslich zu Pflegeeltern nach

wachsenen werden lassen.

Steffisburg. Liebe bekam es dort allerdings nicht. Dafür Schläge,

Eine gesunde, in Gebor-

Missgunst und Hass. «Warum weiss ich nicht», sagt Trudi L., «die

genheit, Verständnis und

Pflegemutter schlug mich täglich: auf den Mund oder mit Vaters

Vertrauen gelebte Kind-

Arbeitsschuh auf den Kopf.» «Zur Strafe» sperrte sie das Kind al-

heit garantiert geliebte,

lein im Zimmer ein. Manchmal tagelang. Trudi begann das Bett zu

herzenskluge Kinder. Sie

nässen – und bekam dafür Schläge. «Ich wusste einfach nicht, wie

sind die einzige sinn-

ich das aushalten sollte. Ich war ganz allein. Wie aber wird man

und seelenvolle Inves-

allein gross?»

tition in die Zukunft, die einzige Möglichkeit, die

Bestellen Sonja L. Bauer, Wie aber wird man allein gross? ISBN 978-3-03818-002-9, CHF 29.–

Welt zu verändern.» Text Sonja L. Bauer

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Der Pflegevater habe weggeschaut. Wie so viele andere. Und weil

Werd & Weber Verlag AG

sie nie erfuhr, was Geborgenheit und Wertschätzung sind, wurde

Gwattstrasse 144, 3645 Thun / Gwatt

Trudi in die klassische Opferrolle gedrückt: Auch ihr Ehemann de-

Tel. 033 336 55 55

mütigte und hinterging sie. Sie wurde alleinerziehende Mutter

Fax 033 336 55 56

dreier Söhne, wobei sie mit dem jüngsten ein inniges Verhältnis

mail@weberag.ch

pflegt.

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