Sym 1 2014 finale web

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sind wir enkelfähig?

Wie zukunftsfähig ist die Demokratie? Bei der Tagung „Ändern ist leicht, bessern ist schwer – die Reformation der Gesellschaft neu denken“ von 7.-9. März werden Prof. Gary S. Schaal und Prof. Dr. Dr. h.c. Otfried Höffe in Bad Boll über die Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie referieren. Prof. Gary S. Schaal hat uns bereits vorab einen Beitrag zum Thema geschrieben. Von Prof. Dr. Gary S. Schaal Die Demokratie war in der Moderne außerordentlich erfolgreich. In mehreren Wellen sind im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend mehr Staaten Demokratien geworden. Ihr Erfolg basiert dabei einerseits auf ihrer institutionellen Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche gesellschaftliche und ökonomische Kontexte. Andererseits besitzt Demokratie den Charakter eines Perpetuum Mobile, da sie die Energie und Kraft, die sie für ihre eigene Entwicklung benötigt, gleichsam aus sich selbst heraus generieren kann. Beide bisherigen Garanten des Erfolges stehen in den letzten Jahren jedoch unter Vorbehalt. Zum einen stagniert die Zahl der Demokratien in globaler Perspektive und ein neuer Regimetypus, das hybride System (Wolfgang Merkel), ist auf der weltpolitischen Bühne aufgetaucht, um dort zu verweilen. Hybride Systeme sind keine autoritären Staaten mehr, aber auch (noch) keine Demokratien. Und Sym 1/2014

allen Erwartungen zum Trotz sind diese Regime stabil. Legt man die aktuellen Daten von Freedom House (www.freedomhouse.org) zu Grunde, so waren im Jahr 2012 nur 61 Prozent aller Staaten auf der Welt „electoral Democracies“ und es ist unwahrscheinlich, dass sich ihre Zahl in den nächsten Jahrzehnten, ähnlich der Entwicklung nach 1990, noch einmal signifikant vergrößert. Demokratie in ihrer gegenwärtigen Ausprägung ist immer weniger in der Lage, neue Herausforderungen zu bewältigen. Der demokratische Dreiklang Aus europäischer Sicht wird das historische Projekt der Demokratie häufig mit einem historischen Dreiklang gleichgesetzt: Demokratie, Rechtsstaat und sozialstaatlich eingehegte Marktwirtschaft. Dieser Dreiklang charakterisiert jedoch einen europäischen Sonderweg, der seine Anziehungskraft für neue Demokratien eingebüßt hat. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass er auch in Europa sukzessive schlechter

zu realisieren sein wird. Denn es existieren etliche Prozesse, die die Demokratie in den nächsten 20-30 Jahren an die normativen und funktionalen Grenzen ihrer Transformationsfähigkeit bringen werden. Diese müssen beachtet werden, wenn die Zukunft der Demokratie in den Blick kommt. Demokratie als Generator von Problemen In der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit dominiert die Einschätzung, dass Probleme durch die Intensivierung der Demokratie gelöst werden können. Dabei geht jedoch häufig verloren, dass Demokratie nicht nur problemlösend ist, sondern selbst Probleme generiert oder zumindest zur Lösung langfristiger politischer Fragen systematisch nur wenig beitragen kann. Dazu zählen etwa das Rentenproblem und in globaler Perspektive – der Klimawandel. Denn letztere werden in der Gegenwart vernachlässigt und deren Kosten werden in die Zukunft externalisiert. Die kausalen Mechanismen hierfür sind die Zyklizität von Wahlen und das Wiederwahlinteresse der PolitikerInnen. Daher besitzen Probleme, deren Lösungen kostspielig und langfristig sind, sich aber nicht in einen Wahlerfolg bei der nächsten Wahl transformieren lassen, politisch nur geringe Priorität. Für

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