Tobias Bauer
orte Leseprobe
OrteWorteMokkatorte
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OrteWorteMokkatorte
Mit Pรถms unterwegs
von Tobias Bauer mit Cartoons von Pfuschi
orte Verlag
Autor und Verlag danken für die Unterstützung:
© 2019 by orte Verlag, CH-9103 Schwellbrunn Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Radio und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten. Umschlaggestaltung: Janine Durot Gesetzt in Minion Pro und Futura Std Satz: Verlagshaus Schwellbrunn ISBN: 978-3-85830-259-5 www.orteverlag.ch
INHALT 7 Mit Pöms unterwegs 9 I VOR DENKMÄLERN 9 Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar 11 Vadian-Denkmal in St. Gallen 12 Rilke-Denkmal in Prag 13 Tell-Denkmal in Altorf 15 Mann-Denkmal in Gmund 16 Bruder-Klaus-Denkmal in Solothurn 18 Le Penseur in Paris 19 Goldener Reiter in Dresden 21 II IN DER PROVINZ 21 Zollibolli 23 Orte rufen 24 Vo Appezeller bis Zürcher 27 Sanggaller Wald 28 Milchmännersterben 30 Fragen eines Ortsunkundigen 31 Gigeli 32 Festhalten 33 III UNTER GOTTESLEUTEN 33 Josef 36 Luther 38 Krummstab 41 IV AUF DEM KLO 42 Auf grauer Wand 43 Gekritzelt und gewitzelt 44 Besserwisser 45 Mut zum Sonett 46 Hell und Schnell 48 Nicht mein Ding 49 Kranzetikette
50 Geracker 51 Macker 52 Knacker 53 Démodé 54 Ausschussstücke 55 Sonettentrott 56 Glanz des Sonetts 57 Sowas von beschissen (Meistersonett) 59 V IM SPRACHLABOR 59 Ödöns Föhn 60 Rhetorikübung 62 Alltag 65 Orte konjugieren 66 Philosophennacht 67 Grammatikübung 68 Reiterdialoge in Blau 69 Theke 71 VI IM STEPUTAT 72 Trallala 73 Annas Gans 74 Täträtä! 76 Kranzbilanz 77 Enzensbergers Exegeten 78 Mannigfaltigkeiten 79 Gittis Hirsch 80 Sims aus Bims 81 Ottos Mops 82 Grottenschlecht 83 Nicht obszön 84 Gudruns Luchs 85 Fuchs, Gnu und Wü 86 Morgenstund 87 Was reimt sich (Meistersonett)
89 VII UNTER TIEREN 89 Der Nordpolbär 91 Der Falter 92 Der Wolf 94 Otter Lotte 96 Höhepunkte des Insektenlebens 98 Weitere Folgen der Trunksucht 100 Das Ürz 102 Die Mücke 103 103 105 108 111
VIII IN DER HÖLLE Prolog Erster Kreis Zweiter Kreis Dritter Kreis
113 113 116 117
IX IM MÄRCHEN Malzkafe Perrückt Geisses Ende
121 121 123 124 126 127 129 130 131
X IM SCHATTEN Überschattet Schattenbräune Beschatten Sommer 2018 Verschatten Schattenpläne Gleichnis Ganz nett
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MIT PÖMS UNTERWEGS Vor zwei Jahren kam im orte Verlag der Bauerkalender heraus, der mit Pöms durchs Jahr führt. Seither habe ich zwischendurch weitere Gedichte geschrieben, die sich sprachspielerisch komischen Aspekten des Alltags widmen – Pöms eben. Im Gegensatz zum Bauerkalender, in dem die Pöms an einzelne Tage des Jahres anknüpfen, beziehen sich die vorliegenden Pöms nun auf einzelne Orte. Dabei ist der Begriff des Ortes – ähnlich wie der des Pöms – weit gefasst und kann beispielsweise vor Denkmälern, im Schatten oder auch im Sprachlabor bedeuten. Gemeinsam ist den Orten, dass immer wieder einmal eine Mokkatorte vorkommt: OrteWorteMokkatorte. Wie in diesem Titel anklingt, kommt dem Reim in den vorliegenden Pöms eine wichtige Rolle zu. Dabei wagen sich die Pöms augenzwinkernd auch in die ganz grossen klassischen Gedichtformen wie Sonettenkranz und Terzinendichtung vor. Wie beim Bauerkalender konnte ich mich für die Illustrationen aus dem reichen Fundus von Heinz «Pfuschi» Pfister bedienen. Vielen Dank. So wird jeder Ort nochmals aus anderer Sicht überraschend und hintersinnig zeichnerisch beleuchtet. Tobias Bauer
N VOR DE
K
I MÄLERN
GOETHE-SCHILLER-DENKMAL IN WEIMAR Die Hand am Lorbeerkranz stehen sie Seit an Seit, und Goethe sagt: «Du, Franz, bist du bereit zum Dichterstreit?» «Zum Dichterstreit bin ich bereit», sagt drauf der Schiller spitz. «Jedoch erblick ich weit und breit gar keinen Franz, ich heisse Fritz! Und darum bitte ich dich jetzt, sag zu mir Fritz, sonst scheint’s, dass du mich willentlich versetzt. Ja, willst du das denn, Heinz?» «Ach, Fritz, das liegt mir wirklich fern», sagt Goethe drauf nun ganz kulant. «Doch hätte ich auch gern, dass du mich nennest Hans.»
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«Ach, Hans, das tue ich doch immer», sagt Schiller ziemlich platt. «Ich habe wirklich keinen Schimmer, warum ich’s grad nicht tat.» «Das, Fritz, ist aber wirklich ganz und gar banal, da sich auf scheint’s viel besser reimet einfach Heinz als mein wahrer Name Hans. Ich hoffe auch, du siehst den Witz: Es reimet sich halt wirklich ganz schlecht nur dieser Lorbeerkranz auf so einen Schiller Fritz.» So sprach Goethe zu Schiller. Dieser wurde stiller und war ihn irgendwie leid, den Dichterstreit.
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VADIAN-DENKMAL IN ST. GALLEN Sonen grosse Huet. Sonen dicke Hals. Sone breiti Bruscht. Sonen lange Säbel. Sonen faltige Rock. Sone schwäärs Buech. Sonen gwaltige Mantel. Und so dünni Beili!
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RILKE-DENKMAL IN PRAG Rilke sprach zu Thomas Mann: «Mann, schau dich mal richtig an, überall noch Essensreste, dicke Sosse auf, der Weste, auf der Hose, rote Grütze Kaffeeflecken an der Mütze. Und dazu mit viel, Geschrei, essen deine Kinder Brei, allerdings, das mit dem Essen kann man eigentlich vergessen mit dem, Essen hat es solo hier am Rand allein der Klaus. Erika, die zieht dem Golo, eben grad die Windeln aus, wirft sie in des Tisches Mitte, Mann o Mann, du sagst nur: Bitte! Monika schreit: Ei, ei, ei und schlägt, ein hartes Ei zu Brei. Das sind, so muss ich konstatieren einfach keine, Tischmanieren!» Drauf sprach Mann: «Mein lieber Rainer, so wie du, so dichtet keiner, punktgenau und äusserst kregel, doch bitte: Lern jetzt endlich mal die Kommaregel!»
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TELL-DENKMAL IN ALTORF Melchtal sprach zu Wilhelm Tell: «Tell, halt mir den Bogen schnell, ich muss unbedingt ins Melchtal, dort befindet sich mein Elchstall.» Gleiches sagte auch der Walter Fürst zu Tell, er sagte: «Alter, bitte nimm es mir nicht krumm, dass ich nicht aufs Rütli kumm.» Und dann sprach auch Stauffacher, welche Lust hab auf Sachertorte er, er geh nach Osten, sich dort eine solche posten. So blieb Tell fast ganz allein, nur das kleine Walterlein, Tellens Stolz und Tellens Glück, blieb mit Tellen noch zurück. «Vater», sprach der kleine Walter, «siehst du dort den kleinen Falter? Dieser Falter ist so klein, ihn zu treffen kann kaum sein.» «Ihn zu treffen ist zwar schwierig, aber du kennst mein Geschick, auch zu treffen kleinstes Stück. Bist du denn darauf begierig?»
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«Ja, ja, ja», rief Walter. Tell schoss blitzesschnell, traf jedoch nicht Falter, sondern nur zufällig vorüberfliegenden roten Apfel, der darauf wie wundersam mit Absicht vielleicht oder reinem Zufall wie auch immer – so oder so, der Apfel fiel nach Brauch voll auf Walters Kopf. Dieser sprach nur: «Gopf, ich sag bloss: Tells Geschoss!» Gessler, der das alles sah, wusste nicht, wie ihm geschah, sprach zu sich: «Mei lieba Vata, dös ist fast wie im Theata!»
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MANN-DENKMAL IN GMUND Am schönen Tegernsee in Gmund schrieb Thomas Mann einst Herr und Hund. Und darum stehn sich Hund und Herr in Bronze nun gegenüber bei Sonnenschein und auch bei Schnee im schönen Gmund am Tegernsee.
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BRUDER-KLAUS-DENKMAL IN SOLOTHURN Als die Eidgenossen den als Bruder Klaus bekannten Niklaus von Flüe (1417–1487) fragten, wie das zu jener Zeit akute Kohlproblem zu lösen sei, gab er in seiner einsilbigen Art folgenden Ratschlag: schnegg in kohl ist nit guot, wil bey fras es knirsch tuot. guot ist zouwn rund um kohl, dann ist euw und kohl wohl. doch passt uff, stekt den zouwn nit zu eng für di frouwn. denn di frouw muss zu kohl, zouwn zu eng: frouw nit wohl! doch wenn zouwn gar zu wyt: frouw lang weg, fras gits nit!
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drum geb ich euw rat mit, dass es nit git vil stryt: stekt den zouwn nit zu eng, stekt den zouwn nit zu wyt, stekt den zouwn in der mitt. und wenn es mitt nit git, schlukt ihr halt schnegg doch mit. In Anlehnung an Robert Gernhardts ÂŤIndianergedichtÂť.