Schlossallee Münster 4 2011

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Region Erlebnis | Seite 46

Luis und Benjamin Haverkamp bei der Arbeit. Der Jagdhund springt eifrig durch das Senffeld, etwas langsamer und immer hellwach bahnt sich Haverkamp seinen Weg.

Senf ohne Ende

Am Ende der Jagd wird mit Jagdhörnern die „Strecke verblasen“.

Luft getrieben – die ersten Schüsse fallen. Alles geht ganz schnell. Auch Frank Pohlmann schießt einmal. Sein Gewehr qualmt, es riecht nach Metall. Dann ist wieder Ruhe. Einige Enten sind davon gekommen, neun haben es nicht geschafft. Sie werden von den Jagdhunden aufgespürt und apportiert. Sechs Hunde sind an diesem Tag im Einsatz. Sie gehören zu jenen Jägern, die auch gleich in einer Reihe durch die Felder ziehen werden: die Durchgehschützen. „Zu einem echten Jäger gehört auch ein Jagdhund, finde ich“, sagt Pohlmann, der aber selbst keinen Hund besitzt. Und das ist kein Hinderungsgrund, an einer Jagd teilzunehmen. Auf einem Jagdwagen werden wir vom Trecker-Fahrer Thomas zum ersten Feld gefahren. Andreas Geßmann gibt ihm vom Wagen aus über Walkie-Talkie Anweisungen, wo er anhalten soll. Die Stimmung ist locker, aber noch wortkarg. Eine gewisse Anspannung ist jetzt allen anzumerken. Wie wird die Jagd verlaufen? Wer wird was und wie viel schießen? Zum ersten Treiben geht es in ein Senf-Feld. Mannshoch steht der Senf zum Teil, so dass lediglich die Jagdmützen, mit neonfarbenem Hutband markiert, und die Gewehrspitzen herausragen. Ich bin in der Gruppe der Durchgehschützen. Zu ihnen gehören Schützen mit und ohne Hund. Neben und zwischen ihnen gehen die Treiber, die ohne Gewähr durch das Feld laufen. Ich bin quasi ein Treiber. Am Ende des Feldes postieren sich die Vorstehschützen in der Reihe. „Die Gewehre werden immer ‚offen‘, also aufgeklappt, getragen“, hat mir Frank Pohlmann erklärt, „die Sicherheit steht immer im Vordergrund.“ Wenn geschossen wird, dann nicht zu flach, um andere Jäger nicht zu gefährden. Im Zweifelsfall verzichtet man auf den Schuss. Und dass man dem Nachbarn nicht das Wild vor der Nase wegschießt, das gehört mindestens zum guten Ton. Die Regeln sind streng, zu Recht.

Im ersten Feld lässt Benjamin Haverkamp noch Gnade walten und mich an seiner Seite in der Schneise laufen. „Sonst wird’s mit dem Fotografieren schwierig“, sagt er. Später werde auch ich durch das dicht bewachsene Grün wandern müssen – und merken, wie anstrengend Jagen sein kann. Josef Geßmann und Haverkamp haben Schützen und Treiber gleichmäßig über die Breite des Senf-Feldes in einer Reihe verteilt. Die Aufgabe heißt, möglichst viel Wild aufzuschrecken und so in Bewegung zu bringen. Fasane und Hasen „drücken“ sich gerne, erklärt mir Haverkamp, sie verharren dann regungslos, so dass die Jäger auch mal schnell an ihnen vorbei laufen, ohne sie zu bemerken. Schritt für Schritt geht’s nun durch den Senf. „Hop! Hop! Hop!“ ruft jeder in der Reihe. Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Am Anfang kostet das auch echt Überwindung, aber wenn man’s nicht macht, wird man gleich vom Nachbarn schief angeguckt und angesprochen, warum man so still ist“, erzählt Patrick Süß aus Stuttgart, einer der ersten Jagdschein-Absolventen aus der Teutoburger Jagdschule. Die Hunde sind nun von der Leine. Kreuz und quer stöbern sie durch den Senf, springen, schnüffeln. So wie Luis, der Jagdhund von Benjamin Haverkamp. Der dirigiert Luis immer wieder zu sich, er darf nicht zu weit laufen. Die drei Millimeter kleinen Schrotkugeln in den Patronen verlieren nach 30 bis 35 Meter ihre Wirkung, dann würden sie am Gefieder oder Fell abprallen und wie Hagelkörner zu Erde gehen. „Schnepfe!“, schreit einer aus der Reihe, sie kommt aus meiner Richtung. Kurz darauf läuft mir ein Hase beinahe über die Füße. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Hoffentlich sieht jeder, dass ich hier bin, hoffentlich schießt keiner, hoffentlich kennen alle den Sicherheitsgedanken, von dem mir Frank Pohlmann die ganze Zeit erzählt hat. Geschossen hat keiner. Und die Tiere ahnen wohl, dass sie bei der Presse sicher aufgehoben sind. „Henne auf links!“, schreit wieder einer. Kein Schuss. Meist werden Hähne geschossen, um ein bestimmtes Geschlechterverhältnis unter den Fasanen zu erhalten. „An der Färbung und an der Fluglinie erkennt man Henne und Hahn“, erklärt Pohlmann. Was einfach klingt, ist erst mit einiger Jagderfahrung möglich – im Zweifelsfall wird besser nicht geschossen. Es ist nur eine kleine Beute, die die Mannschaft in diesem ersten Feld machen konnte. Im Nachbarfeld scheint mehr los gewesen zu sein, dem


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