Von Juden und Christen in Holzminden 1557-1945

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Begräbnisstelle und Friedhof

war. Der Magistrat „vergönnte“ den Bau einer „kleinen Mauer“, und zwar auf einem Platz, der nunmehr mit einer Länge von 4 und einer Breite von 2 3/4 Ruten vermessen wurde. 219 Das machte jetzt 228,5 m2, zwei Fünftel dessen, was heute noch dort in jüdischem Grundbesitz steht. Auch in dieser Erweiterung des Totenackers spiegelt sich das Anwachsen der jüdischen Gemeinde. Den späten Bau der Mauer bestätigt auch eine Notiz aus dem Jahre 1785; ihr zufolge hat „die Holtzmindische Judenschaft auch erst lange nach 1754 ihren Todten Acker mit einer hohen [?] Mauer umgeben lassen, die über 200 rth. gekostet haben soll.“ 220 Weiteres Land erwarb die Judenschaft im Jahre 1806 unter ihren Vorstehern Bendix Abraham und Falck Isaac (Philipp Isaac Falke). Ackermann Georg Busch verkaufte ihnen „zur Erweiterung des an der Fahrenbreite belegenen Juden Kirchhofes“ „15 Ruten“ oder, anders gesagt, „1/8 Morgen“ seines an seine dortige Wiese stoßenden Gartens für 90 rt. 221 Aus beiden alten Maßen errechnen sich rund 312 m2. Damit hatte sich die Größe des Friedhofs an die heutige weiter angenähert; eine Zeichnung aus dem Jahre 1933 weist rund 550 m2 aus. Der Kauf von 1806 war übrigens nur „namens“ des regierenden Herzogs vom Magistrat „confirmiret“, also auch als jüdischer Landkauf nicht unmittelbar herzoglich genehmigt. Seit 1933 geht die Straße Beukampsborn schräg über eine Ecke des alten Friedhofs hinweg. Ersatzweise wurde dem jüdischen Landesverband ein kleines Stück Land links vor dem Toreingang zugeschlagen.222 Der alte jüdische Friedhof in Holzminden muß bis etwa 1935 mit einer Fülle von Grabdenkmälern ein kulturhistorisches Monument hohen Ranges gewesen sein. Wie im Kapitel über die NS-Zeit auszuführen sein wird, erfolgte kurz vor der Verschleppung der meisten Grabsteine von kundiger jüdischer Seite ein Vorstoß zu ihrer Erhaltung. Nach der Logik des Irrsinns jener Zeit mußte er erfolglos bleiben. Heute ist nicht einer der Steine des 18. Jahrhunderts mehr erhalten. Lediglich eine Grabplatte und der größere Teil einer weiteren Platte aus der Zeit um 1820 sind in der Holzmindener Feldmark wiedergefunden worden.

3.3.2 1754 — erste eigenständige Synagogengemeinde Die wenigen Holzmindener Juden der Jahre vor 1750 hatten zum einen, wie dargestellt, wegen der Verteilung der Friedhofskosten eine gemeindeähnliche Struktur zu entwickeln. Sie besaßen zum anderen aber auch als Judenschaft einen Vertrag mit den corveyischen Juden aus dem Dorf Stahle. Dieser Vertrag machte es den beiden von ihrer jeweiligen Zahl her für einen jüdischen Gottesdienst zu kleinen Gruppen möglich, sich in einer gemeinsamen „Schul“ zu treffen. Es war verabredet, sich abwechselnd („wechselweise“) diesseits oder jenseits der Weser zu treffen, anscheinend unter Einschluß der Juden in Albaxen. Die für die Gottesdienste benötigten Räume gehörten zum privaten Wohnbereich; die soziale Lage der Betroffenen wie auch die Rechtslage lassen andere Überlegungen nicht zu. Die in dieser Weise relativ verbindlich geformte, grenzüberschreitende Synagogengemeinschaft hat anscheinend hauptsächlich zu den Festen funktioniert. Der früheste Hinweis auf diesen Sachverhalt führt in das Jahr 1736. Der damalige Gerichtsschultheiß Hantelmann war verunsichert, 99


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