Vangardist Mag #38

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Cure, und was für ein Idiot der Typ in dem Song ist, nur weil er ein Mann sein muss, wissen wir alle. Aber auch in diesem Fall identifizieren wir das mit einem Männerbild, das nicht dem der Gegenwart entspricht. Männer dürfen ja mittlerweile weinen, und wenn das erlaubt ist, kann es auch nicht als allzu große Heldentat wirken, wenn man es sich trotzdem eisern verkneift. Es scheint also, als hätten wir Männer dank unseres zunehmend fortschrittlichen Lebensstils dem Hartsein die Grundlagen genommen: im Krieg andere Leute um die Ecke bringen müssen wir nicht mehr, Fleisch kann man im Supermarkt kaufen und um die Ehre brauchen wir uns auch nicht mehr duellieren, weil wir sie abgeschafft haben. Alle, die so tun, als ob sie jederzeit bereit wären, solche Dinge über sich ergehen zu lassen, wirken wie Sly Stallone in Rambo III – nicht hart, sondern lächerlich.

Integrity rulez

Damit wären wir beim Kern des Problems, das man als progressiver Mann mit der Toughness hat: Unsere allgemeine Vorstellung davon (die wir doch vor allem aus Actionfilmen haben) bezieht sich auf Umstände, die schlicht nicht unserer Lebensrealität entsprechen. Unsere Welt verändert sich permanent, weil wir sie gestalten, und mit ihr all die Dinge, die es zu erkämpfen und ertragen gilt. Und weil wir Jungs uns spät, aber doch – nach den Frauen – ebenfalls emanzipiert haben, gilt das auch für das Harte im Mann. Es geht nicht mehr um das Demonstrieren körperlicher Stärke – dicke Muckis und rote Stirnbänder sind selbstverständlich out –, sondern ganz allgemein um die Aura, die demjenigen anhaftet, der schon einmal unter den widrigsten Umständen seinen Mann stehen musste. Das hat ganz und gar nichts mit Schroffheit, Stumpfsinn und Gefühlsarmut zu tun. Es bedeutet nichts weiter als eine cha-


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