Urbane Künste Ruhr Magazin #3

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Rückblick

Review

Money creates taste, Enjoy yourself because you can’t change gefundene Sounds, die den historischen auf Zollverein sianything anyway, oder A man can’t know what it’s like to be cherlich verwandt sind, aber eben nicht von dort stammen. a mother zum Beispiel waren doch eher unerwartete Texte Cokes setzt dieses Grundrauschen, -stampfen, und -rattern auf Postern, die einem so beiläufig in der Lower Eastside in ein produktives Verhältnis mit oral histories von ProtaNew Yorks begegneten. Und natürlich muss die Nutzung gonistinnen aus der Region, die die Grundlage seiner Textdes gigantischen Spectacolor Screens am New Yorker tafeln ausmachen. Es ist dabei weniger wichtig, inwieweit Times Square, auf dem Tag und Nacht massentaugliche diese Geschichten historisch oder kulturwissenschaftlich Werbung über die LEDs flimmerte, für diese Truisms im korrekt sind. Vielmehr tragen sie die Betrachter*innen in Jahre 1982 einen unglaublichen Eindruck gemacht haben. eine ganz besondere Art der Ortsspezifik, wenn plötzlich „Torture is barbaric“, war dort plötzlich zu lesen, oder „Your von den Rockpalast-Nächten, die von 1977 bis 1986 in der oldest fears are the worst ones“. Essener Grugahalle stattfanden und für den Autor prägend Jenny Holzer und auch Barbara Kruger ist es gelungen, waren, die Rede und zu lesen ist. Oder wenn Hattingen als ihre subversiven, erschreckenden, verstörenden, zum Teil Heimatort genannt wird, in dessen Henrichshütte eben erheiternden, verunsichernden Texte, bei Kruger zum Bei- auch der auch in Bochum durch die Skulptur Terminal bespiel die Papiertüte mit der Aufschrift „I shop therefore I kannte Künstler Richard Serra hat arbeiten lassen. Es ist am“, in den Alltag zu transportieren. Sie haben es geschafft, der selbstverständlichen Suggestionskraft von Cokes’ fast omnipräsent zu sein, im Falle von Kruger kann die Schnitt- und Klangfolge geschuldet, dass auch der textliche Sprache auch inklusive, vollkommen einschließende Räu- Hinweis auf Kraftwerk, der prototypischen Ur-Band der me konstruieren, Worte werden hier Architektur. elektronischen Tanzmusik der letzten Jahrzehnte, auf den Cokes’ Billboards sind die Musik, die er nutzt, und die Maschinensound der Arbeit einzahlt und umgekehrt. Art und Weise, in welchem Verhältnis diese zu den Texten Nicht anders als genialisch zu nennen ist die Coda von steht, die er oft in vermeintlicher PowerPoint-Simplizität selected.ruhr.sound.scenes: Man steht in der Mischanlage als eine Abfolge von farbig unterlegten Standbildern orga- und liest, wie sehr Techno doch diese Situation ist. „It just nisiert. Die Musik ist der Verführer und die Texte und ihr looks like Techno“ liest man und hört dazu die weltweit Verhältnis zueinander sind hier der Widerhaken. erfolgreiche Essener Thrash-Metal-Band Kreator mit dem Die Arbeit selected.ruhr.sound.scenes (2019) ist neu für Song Satan is real von ihrem aktuellen Album Gods of Mixing Plant entstanden und basiert auf Recherchen und Violence. In Stille schließt das Video mit der Frage, die das Gesprächen, die Tony Cokes in der Region mit Protagonist* Ruhrgebiert seit 50 Jahren beschäftigt: Wie kann das innen aus der Musikszene geführt hat, auf der Suche nach Ruhrgebiet cool und international sein wie Manchester, dem Sound des Ruhrgebietes. Sie ist auch insofern neu, als Berlin oder Detroit? Hier schließt sich der Kreis und auch Cokes gefundene Geräusche, genauer Variationen der die Verwandtschaft zur Praxis von Dan Graham wird Komposition Struktur und Architektur. Das postindustrielle deutlich, denn: Die Antwort ist in der Arbeit von Tony Kulturerbe Oberschlesiens von Richard Ortmann benutzt. Cokes, er entwirft eine Amateuranthropologie der NeuerOrtmanns Stück ist 2015 für eine gleichnamige Ausstel- findung der Industriegebiete Kontinentaleuropas, eine lung entstanden und organisiert Industriegeräusche und Mixing Plant.