Uni:Press #675 (Jänner 2014)

Page 31

UNI & LEBEN

31

© Blue Pylons

„Erdbeeren im Winter, frische Brezen am Abend. Durch den grenzenlosen Zugang haben wir die Wertschätzung für unsere Lebensmittel verloren.“ rung, im Verkauf oder schließlich beim Konsumenten) auf dem globalen Müllberg landen – und dieser wird immer größer. Die aufrüttelnden Zahlen zur Verschwendung von Lebensmitteln wurden 2011 populär, als der Dokumentarfilm „Taste the waste“ mit seinen schockierenden Bildern und Fakten für Furore sorgte; jetzt ist der Nachfolgefilm „Frisch auf den Müll“ erschienen. Der deutsche Filmemacher Valentin Thurn sucht darin nach Antworten auf die Frage, warum in der westlichen Welt so große Mengen an Lebensmitteln unverbraucht entsorgt werden und welche Auswirkungen diese auf Weltklima und -ernährung, auf soziale Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten hat. Politische Pläne folgten prompt: In Österreich will man bis Ende 2016 die Lebensmittelabfälle um 20 Prozent verringern, in Deutschland sollen bis 2020 sogar nur noch halb so viele Nahrungsmittel weggeworfen werden – ein ambitioniertes Vorhaben, dessen gelungene Umsetzung noch fraglich scheint. Doch Bemühungen gibt es: So arbeiten beispielweise in Österreich Lebensministerium und Sozialpartner im Rahmen der Initiative „Lebensmittel sind kostbar!“ daran, dieses Ziel zu erreichen. Neben der 20-prozentigen Reduktion der Lebensmittelabfälle bis 2016 soll die Sensibilität für das Thema „Lebensmittelverschwendung“ in der Gesellschaft geschärft werden, wirtschaftliche Prozesse und Systeme, die zur nachhaltigen Verminderung von Lebensmittel-

abfällen führen, werden unterstützt. Ganz konkret greift man Projekten, die sich um die Weitergabe von nicht mehr benötigten Nahrungsmitteln an soziale Einrichtungen und Bedürftige kümmern, unter die Arme. Die Wiener Tafel rettet auf diese Weise täglich drei Tonnen Lebensmittel vor dem Müll und versorgt gleichzeitig 12.000 Menschen, die im Großraum Wien in Armut leben, mit Nahrungsmittelspenden. Daneben haben sich in den vergangenen Jahren private Initiativen formiert. Die Online-Plattform „foodsharing.at“ biete als Börse den Tausch von Lebensmitteln an, öffentliche Kühlschränke, sogenannte FairTeiler, sind ein neuer Trend, der in Großstädten zu beobachten ist: Lebensmittel, deren Besitzer keine Verwendung mehr für sie haben, stellen sie der Öffentlichkeit zu Verfügung. Es wird getauscht und geteilt, nicht weggeworfen. Doch es sind nicht die Privathaushalte, die den größten Teil der weggeworfenen Nahrungsmittel zu verantworten haben. Ein Großteil wird schon nach der Produktion aussortiert, und das nur, weil er nicht der so genannten Norm entspricht: Gekrümmte Gurken, braune Bananen, kleine Kartoffeln, blassrote Tomaten – sie alle haben keine Chance, sich in Supermarktregalen den Konsument/innen anzubieten. Dieses unreflektierte Wegwerfen von Lebensmittel führt zu ihrer Verknappung und in Folge dessen zur Erhöhung der Preise. Ergebnis davon: Der Hunger in der Welt wächst. Menschen aus Kamerun können sich keine Bananen von Plantagen ihres Landes leisten, weil diese in Europa teuer verkauft werden. Große Lebensmittelkonzerne zerstören die Existenzgrundlage von Kleinbauern aus Südamerika oder Asien. Ganz zu schweigen davon, welche Verschwendung von Umweltressourcen jene von Lebensmitteln mit sich bringt: Regenwald wird gerodet, Düngemittel und Pestizide verseuchen das Wasser und zerstören die Vegetation, Wasser und Energie werden über die Maßen verbraucht – und das alles für Lebensmittel, die danach weggeworfen werden. Und was können nun wir tun? Vielleicht ist es schon ein Anfang, unser Bewusstsein zu schärfen. Wieso nicht mal die eigenen Tomaten auf dem Balkon ziehen, statt sie im nächsten Supermarkt zu kaufen? Vielleicht sind sie nicht so rot und prall, aber die Freude und der Genuss, sie anschließend zu essen, dürften mit Sicherheit größer sein – ganz zu schweigen von ihrem um Längen besseren Geschmack. Wieso nicht eine Essens-Tauschbörse im Kleinen starten, sei es in der WG oder im Freundeskreis? Wieso nicht öfter mal auf den Markt statt in den Supermarkt gehen? Ein Anfang wäre gemacht.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.