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unclesally*s magazine

PLATTEN/OFFENBARUNG

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DIE OFFENBARUNG Broken Bells BROKEN BELLS (Columbia/Sony)

James Mercer und Brian Burton. The Shins und Danger Mouse. „Chutes Too Narrow“ und das „Grey Album“. Grammy-nominierter IndieFeingeist und preisgekrönter DJ-Hipster. Analogie und Digitalität. Pop-Kultur und Pop-Kultur. Dass darauf niemand früher gekommen ist! Die besten Kollaborationen sind so oft die nur auf den ersten Blick ungewöhnlichen. Und was The Shins-Sänger James Mercer und Gnarls BarkleyMastermind und Gorillaz-Produzent Brian Burton da als Broken Bells aufgenommen haben, ist mehr als nur eine neue Spielwiese beider. Es ist die endliche Verschmelzung zweier Genres, die in ihren Ursprüngen schon immer gleich waren,

in ihren Auswüchsen aber zwei Klientel bedienten, die sich in die Weichen und die Harten unterteilen lassen wollten. Aber wer braucht noch Schubladen, wenn Mercer in „Trap Doors“ leise und zu butterwarmen Beats „Gotta clip the lines and move for yourself“ ruft? Unnötig zu erwähnen, dass die beiden Umtriebigen von Orgel bis Tamburin sämtliche Instrumente selbst einspielten. Broken Bells, so heißt es weiter, sei kein zeitlich begrenztes Projekt, sondern eins mit Zukunft. Es passiert ja doch noch was in der Pop-Musik. Text: Fabian Soethof

1 hoffnungslos ** 2 egal ** 3 üben ** 4 bemüht ** 5 kann man machen ** 6 gut ** 7 vorn dabei ** 8 wichtig ** 9 grandios ** 10 klassiker Adolar Schwörende Seen, Ihr Schicksalsjahre

(Unterm Durchschnitt/ Alive) Der Trend geht zum kryptisch verschlüsselten Songtitel. Adolar aus der Altmark (das wo in Sachsen-Anhalt liegt) schenken ihren Fans mit dem zweiten Album derer viele. Ein Beispiel: „Chaise Absurde“, ein Lied über den Blick aus dem Fenster. Ein anderes: „Mitnehmerrippe“, ein Lied über Einsamkeit und das, was davor war. Verpackt hat das schwarzhaarige Quartett seine Weltschmerz getränkten Hymnen aus unerwiderter Liebe, Fernweh oder Magdeburg in Gaffa-verschnürte We don‘t care-Pakete aus Punk, Post-Hardcore und Indie-Pop melancholischer Bauart. Da freut man sich doch, wenn der Briefträger klingelt. 6 Text: Flo Hayler

Alcoholic Faith Mission Let This Be The Last Night We Care

(Pony/Morr Music/Indigo) Ursprünglich tranken und musizierten Thorben Seierø Jensen und Sune Sølund alias Alcoholic Faith Mission zu zweit. Erst in einem Kopenhagener Schlafzimmer, später mit Unterstützung einiger Freunde in einem New Yorker Loft. Die Freunde sind inzwischen fester Bestandteil der Band und aus dem experimentierfreudigen LofiFolktronica des Debüts sind überwältigende Soundlandschaften aus Synths und Samples mit flirrenden Gitarren, Streichern, Posaune und mehrstimmigem Gesang geworden. Schon auf dem Vorgänger war die Nähe zu kanadischen Bandkollektiven wie Broken Social Scene oder The Most Serene Republic unüberhörbar, mit Album Nummer Drei präsentieren sie nun endgültig die skandinavische Referenz, in einer betont nordisch-düsteren Variante. Alles klingt sehnsüchtig, schwermütig und dank Kristine Permilds feenhafter Stimme vor allem eins: märchenhaft verwunschen und bezaubernd. 7 Text: Boris Mischke

Audrey Horne Audrey Horne

(Indie/Soulfood) Auf ihrem dritten Album beweisen die Norweger mit dem geschmackvollen Lynch-Liebhaber-Namen, dass Alternative-Rock längst nicht mehr ausreicht, um sich vom Metal-

Hintergrund der einzelnen Musiker und ihrer Stammbands (Enslaved, Sahg) noch weiter abzuheben. Wo der Vorgänger „Le Fol“ noch stärker Faith No More und Alice In Chains bemühte, gesellt sich nun noch eine pfundige Portion Classic-Rock dazu. Und der steht Audrey Horne äußerst gut zu Gesicht. Vor allem wenn er so gekonnt im kontemporären Kontext durch un-altbackene Song-Ansätze und Arrangements konterkariert wird. Ihr bestes Album soweit, und das ist bei den bisherigen Vorlagen schon eine gehörige Aus- beziehungsweise Ansage. 8 Text: Frank Thießies

Beach House Teen Dream

(Bella Union/Cooperative/Universal) Nach der stellenweise genialen Slowcore-Persiflage „Devotion“, veröffentlichen Beach House mit „Teen Dream“ ihren dritten Longpayer im fünften Bandjahr. An Kontinuität sonst sehr interessiert, verunsichern die neuen Songs jedoch: Was ist geschehen beim Duo aus Baltimore, Maryland? Plötzlich schöpfen Sängerin Victoria Legrand und Gitarrist Alex Scally Hoffnung, erinnern sich an die unbeschwerten Kindertage und dass das Leben nicht nur ein einziger Grauton ist. Musikalisch untermalt mit überraschend flottem PopAppeal ändert „Teen Dream“ die Marschrichtung von Beach House nicht komplett, zeigt aber, zu welch fulminanten Ausflügen dieses hochsensible Songwriter-Gespann fähig ist. Jetzt bitte keine Zeit verschwenden und sofort nachlegen. 7 Text: Marcus Willfroth

The Besnard Lakes The Besnard Lakes Are The Roaring Night

(Jagjaguwar/Cargo) Montreal gilt nun seit weit über einem Jahrzehnt als DIE Adresse für Post-Rock, Dream-Pop und allerlei andere obskure Genres. Erstaunlich ist, dass dort immer noch frische Alben entstehen: Der Hype um Bands wie Godspeed You! Black Emperor oder Arcade Fire scheint sogar die Kreativität zu beflügeln. The Besnard Lakes etwa sind ein um ein Ehepaar geschartes Kollektiv, das bestechend eigen klingt. Das in seiner Härte an Led Zeppelin gemahnende Schlagzeug dient als Boden, auf dem sich raumfüllende Klangflächen mit dominanten Gitarrenriffs duellieren. Man glaubt, sowohl den Größenwahn klassischer Siebziger-Rock-Bands, die zerstörten Klänge des Shoegaze als auch den Entdeckergeist früher Post-Rock-Platten herauszuhören und spätes-

tens nach dem zweiten Durchlauf starrt man ungläubig auf den Plattenspieler. Ein wirklich fantastisches Stück Musik! 7 Text: Volker Bernhard

Bloodlights Simple Pleasures

(Silversonic/H’Art) Captain Poon hat sich nach dem Ende von Gluecifer und dutzenden Live-Shows mit den Bloodlights zwar an seinen neuen Posten als singender Frontmanns gewöhnt, trotzdem ist „Simple Pleasures“ das Album eines Gitarristen geworden: Der norwegische Saitengott vernachlässigte bei all der in komplizierte Soli und Arrangements investierten Mühe offensichtlich die Arbeit an seiner Stimme, die zu wenig Volumen besitzt, um den Stücken den nötigen Druck zu verleihen. Die auf dem Debüt noch spürbare Experimentierfreude und der Mut der Band, auch mal das Hirn auszuknipsen und den einfachen Weg zu nehmen, ist auf „Simple Pleasures“ völlig abhanden gekommen. Dabei kommen die besten Songs doch meistens aus dem Bauch. 3 Text: Michael Harz

Black Rebel MOToRCYCle Club Beat The Devil’s Tattoo

(Abstract Dragon/Cooperative/Universal) Sie blicken zwar noch immer so düster, unscheinbar und distanziert in jede Kamera wie einst, aber irgendwie scheint beim Black Rebel Motorcycle Club aus San Francisco eine fast fröhliche Stimmung zu herrschen. Mit dem Neuzugang Leah Shapiro am Schlagzeug haben sich die B.R.M.C.-Masterminds Peter Hayes und Robert Levon Been eine angenehme Frischzellenkur verpasst, die sich auch in den Songs niederschlägt. Mit mehr Dynamik und spürbarer Experimentiertfreude komponierte der Club 13 neue Stücke, die bandeigene Trademarks wie Fuzz- und Blues-Gitarren genauso umgarnen wie diabolische Psychedelia und flirrende Slide-Gitarren. Das darf ruhig noch ein paar Alben so weitergehen. 6 Text: Michael Harz

Blood Red Shoes Fire Like This

(V2/Cooperative/Universal) Die Redewendung „auf Albumlänge“ ist vom Aussterben bedroht. Zu Zeiten von MP3-Downloads, Streams und minimalen Aufmerksamkeits-

spannen zwingt sich kaum noch jemand eine ganze Platte rein. Der Trend geht zur Supersingle. Mit ihrem zweiten Album wenden sich die Blood Red Shoes jedoch gegen diese Tendenz. „Fire Like This“ ist keine Single-Platte ähnlich dem Debütwerk „Box Of Secrets“ geworden, auf dem die Lücken zwischen den schillernden Hits mit eher mäßigem Song-Beiwerk ausgefüllt wurden. Mit der zweiten Platte strickt sich das englische Duo eine runde Sache zusammen - homogen, doch ohne den großen Ausreißer nach oben. Das ist nicht übel, aber nach dem Hit-Feuerwerk des Debüts auch irgendwie schon wieder unbefriedigend. Der Sound als solcher hat sich dabei nicht verändert. Nach wie vor pendeln die beiden kühn und eigenwillig zwischen Indie-Rock und Punk. 6 Text: Christine Stiller

The Blue Van Man Up

(Iceberg/Intergroove) Der kleine, blaue Bus, der für den Bandnamen Pate stand, befördert in der dänischen Heimat von The Blue Van normalerweise Patienten in die Psychiatrie. Statt in die Klapse schicken die Skandinavier den Hörer viel eher in die Vergangenheit, und das so konsequent wie kaum eine andere Band, die das Prädikat „Retro“ für sich in Anspruch nimmt. The Blue Van verehren ganz offensichtlich die Sechziger und Siebziger, den britischen Pop von Künstlern wie den Beatles oder den Kinks und den Glam von The Sweet. 13 Tracks lang rocken, orgeln und grooven sich die Dänen durch die goldenen Jahre der PopGeschichte, und das durchaus mit songschreiberischer Raffinesse und handwerklichem Können. Ob „Man Up“ so selbst zum Klassiker wird, ist allerdings fraglich. 6 Text: Steffi Erhardt

The Brian Jonestown Massacre Who Killed Sgt. Pepper?

(A Records/Cargo) Ein percussiongetriebener esoterischer Jam, schwerer Stoner-Rock, eine Party-Hymne basierend auf dem Schlachtruf britischer Hools, eine abstrakte sphärische Soundcollage und eine fluffige Manchester Rave-Nummer mit weiblichem Gesang - auf Isländisch. Und das waren erst die ersten fünf Lieder. So klingt es, wenn man wie Anton Newcombe sein eigener Herr ist und sich von keinen


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