Homophobie in der Einwanderungsgesellschaft

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Podiumsdiskussion

nötig, um nicht – wenn auch vielleicht unbeabsichtigt – zu diskriminieren. Solche Themen müssen angesprochen werden, auch wenn es weh tut. Hakan Tas (Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen): Homophobie ist ein weltweites Problem zum Beispiel auch in Russland und Polen und nicht nur ein türkisch-arabisches Problem. Die Ursachen für Homophobie sind nicht in einzelnen Ethnien zu suchen. Wir dürfen das Problem nicht ethnisieren. Es ist auch in Berlin ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem wir mit gesamtgesellschaftlichen Initiativen begegnen müssen. Die türkischen Tageszeitungen haben tatsächlich in den frühen 1980er Jahren wenig über Homosexualität berichtet. Das hat sich geändert. Mittlerweile gibt es viele Berichte, und zwar nicht nur über den CSD, nicht nur über Skandale, nicht nur über Transvestiten oder Transsexuelle. Doch damit die türkischen Medien über Homosexualität berichten, sind mutige Menschen nötig, die sich auch bereitwillig den Journalisten stellen. Saideh Saadat-Lendle (LesMigras): Über Homophobie können wir aus zwei Blickwinkeln reden. Wir wissen, dass Homophobie in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen ist ebenso wie in den Migranten-Communities. Wenn wir nicht über homophobe Migranten, sondern Homophobie in den Migranten-Communities sprechen, müssen wir dies zielgruppenspezifisch tun und auch zielgruppenspezifische Gegenmaßnahmen entwickeln. Andererseits gibt es auch eine Verwobenheit von Homophobie und Rassismus, was es uns nicht ermöglicht, von Homophobie ohne Rassismus zu sprechen. Bis vor ungefähr zehn Jahren wurde über Diskriminierungsmechanismen in Migranten-Communities nicht gesprochen. Das war nicht wichtig, weil Migratinnen und Migranten nicht wichtig waren. Jetzt sind sie es plötzlich, die in Deutschland homophob sind. Die homophoben Migranten werden den aufgeklärten Deutschen gegenüber gestellt. Deshalb ist es so schwierig von Homophobie zu sprechen, ohne auch auf Rassismus einzugehen. Die Communities und die Politik haben die Sensibilisierung für das Thema in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Jetzt wird das Problem weggedrückt und auf die Migrantinnen und Migranten geschoben. Die Frage ist aber, wer für die Homophobie in Migrantenfamilien verantwortlich ist. Aus meiner Sicht die Politik, die wenig in diese Bereich investiert hat. Hilmi Kaya Turan (Migrationsrat Berlin-Brandenburg): Was wollen wir denn erreichen? Wollen wir Homophobie bekämpfen oder wollen wir andere Kulturen bekämpfen? Darüber muss man sich erst einmal einigen, damit man

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