TOP of SALZBURG Ausgabe 2014

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Text Prof. Dr. Karl Heinz Ritschel Illustration Myriam Heinzel

Sorgfältige Nachgrabung ergab ein römisches Mosaik mit einem Schriftband, auf dem auf weißem Grunde die dunkelfarbigen Buchstaben zu lesen waren „Hic habitat … nihil intret mali“. Diesen römischen Sinnspruch zu ergänzen, war nicht schwer, denn es fehlte nur das Wort „felicitas“. In Übersetzung lautet das also „Hier wohnt das Glück, nichts Böses trete ein“. Ausgerechnet dort, wo Mozart geehrt werden sollte, fand sich dieser Spruch, ein glückhafter Zufall, der ebenso gut als Schicksal ausgelegt werden kann.

So wie dieser Sinnspruch aus dem Verborgenen an das Licht trat, so ist Salzburg als Ganzes zu sehen: Es präsentiert sich glückhaft und

Du und ich – wir haben wohl Platz in dieser Stadt, sie unverlierbar in Besitz zu nehmen und, wenn wir wollen, in diesem Wirrwar von Gassen und Plätzen und von abertausenden Menschen, die aus aller Welt zusammenströmen, um sich hier ein Stelldichein zu geben – gerade hier allein zu sein. Nicht einer dahertrottenden Herde zu folgen, sondern allein eine Stadt zu erobern, die trotz der nach außen getragenen Lieblichkeit spröde ist. Sie erschließt sich nur dem, der es versteht, hinter die Fassade zu blicken, der eine Liebe zum Detail besitzt, der jung genug geblieben ist, um offenen Herzens zu schauen, zu staunen, zu erleben. Oh ja, sie schimpfen, sie nörgeln, sie kritisieren, aber wissen im Grunde das Erbe zu schätzen. Die Salzburger selbst wissen das: Es gibt so viele, denen das Staunen ein Leben lang geblieben ist.

SELBSTBEWUSST.

So wie dieser Sinnspruch aus dem Verborgenen an das Licht trat, so ist Salzburg als Ganzes zu sehen: Es präsentiert sich glückhaft und selbstbewusst. Es ist eine Eigenart, die Fürsten- wie Bürgerstadt gemeinsam ist. Nach außen tritt die solide, flächige Gestaltung der Fronten hervor, eine bewusste Schlichtheit, um sich nach innen zu entfalten, wie es die Paläste, Häuser und noch mehr die Höfe zeigen. Faszinierend ist dabei die Parallele zu Venedig am Endpunkt des Handelsweges der NordSüd-Achse. Beide Städte liegen an Ausgangspunkten bedeutender Verkehrswege, sind durch Handel groß geworden, sind durch einen langen schwierigen Weg verbunden und weisen ein Bürgertum auf, ein Patriziertum, das eifersüchtig darüber wachte, nicht weniger zu sein, aber nicht als mehr zu erscheinen als der Nachbar. So wie die venezianischen Palazzi aufgefädelt erscheinen, so galt das, wenngleich in kleinerem Maßstab, auch für die Salzburger Handelsherren, die die Häuser aneinanderreihten. In beiden Städten galt es, nach außen die Einfachheit zu betonen. Während aber in Venedig aus der Schicht der Patrizier die Herrschaftsgruppe herauswuchs, musste sie hier im Schatten eines mächtigen Kirchenherrn und Fürsten leben, dessen Macht sichtbar als Festungsbau über der Stadt drohte. Salzburg ist lebendiger Handelsplatz geblieben, die Stadt und ihre Bewohner sind sozusagen mit beiden Beinen der Wirklichkeit zugetan. Sie leben in keinem Museum, sie betrachten aber Althergebrachtes als kostbaren Besitz, den es zu bewahren gilt.

Prof. Dr. Karl Heinz RITSCHEL 1930 im Riesengebirge (Tschechoslowakei) geboren, kam Ritschel nach dem Zweiten Weltkrieg nach Wien. Er arbeitete bereits während der Schulzeit für diverse Zeitungen. Ab 1950 war er beruflich Journalist. Er studierte als Werkstudent Zeitungswissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte. 1959 wechselte er zu den Salzburger Nachrichten und wurde bereits 1964 Chefredakteur. Mehr als drei Jahrzehnte war er für die journalistische Ausrichtung der Zeitung verantwortlich. Noch heute verfasst er Texte mit großer Leidenschaft. Er ist Autor zahlreicher Bücher.


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