Transa 4-Seasons

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Reise

wiederaufleben. Allmählich funktioniert der wirtschaftliche Kreislauf wieder – ganz ohne dass man die Landschaft mit neuer Infrastruktur verschandeln muss. Es scheint, als haben die Bewohner erkannt, was ihr Kapital ist: eine unverbrauchte Natur. Nicht ganz, sagt Roberto Colombero, der Bürgermeister von Canosio. Aus seinem braun gebrannten, wettergegerbten Gesicht blitzen lebhafte Augen. Sanfter Tourismus ist immer auch eine Gratwanderung. Oben auf der Gardetta, einer traumhaft schönen Hochebene, wo er aufwuchs, kämpft er seit Jahren für ein Autofahrverbot. Regelmässig werden in der fragilen Natur Jeepsafaris abgehalten, weil die alten Militärpisten dazu animieren. Meere von Edelweiss, Kühe, Rinder, Wanderer ersticken dann schier in den aufgewirbelten Staub- und Abgaswolken. Einige meinen, das bringe zahlungskräftige Kundschaft. Andere sagen: Nein, es bleibe nur Abfall. Robertos Vater, Freddo Colombero, kann ein Lied davon singen. Er betreibt mit der Familie das Agriturismo La Meja auf der Gardetta. «Solch ein Jeepkonvoi kehrt nicht mal bei uns ein», stellt er resigniert fest. «Die Fahrer wollen Luxus und suchen sich ein Hotel ausserhalb des Tals.» Das Thema spaltet die Gemeinden. Roberto meint, es könnte helfen, wenn möglichst viele ausländische Gäste Beschwerdebriefe schreiben, um die Gemeinden zu einem klaren Standpunkt zu bewegen.

Wer nett fragt, darf Alpbauer Chiaffredo Colombero in seinen Schatzkeller begleiten.

Gemütlich: das Albergo Ceaglio in Vernetti.

Die Bewohner haben erkannt, was ihr Kapital ist: eine unverbrauchte Natur. «Wer nie über die Gardetta gewandert ist, kennt das Valle Maira nicht», schreiben Ursula Bauer und Jürg Frischknecht in ihrem Buch «Antipasti und alte Wege». Mit diesem etwas anderen Wanderführer über den 1992 eröffneten Talrundwanderweg P.O. («Percorsi Occitani») begann der Aufschwung des Mairatals. Der schönste Zustieg führt auf einem Teilabschnitt des P.O. vom Dörfchen Chialvetta über den Passo della Gardetta zur Hochebene. Steht man auf der Passhöhe, geht einem das Herz auf. Eine weite Fläche aus sanften Wellen und Kuppen, umzingelt von Wüstenbergen. Heraus sticht der «Zuckerhut», der Rocca la Meja, im nordöstlichen >

Rolando Comba von der Osteria della Gardetta in seinem kleinen Privatmuseum in Chialvetta.

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