Tracks 1 17 (Januar/Februar 2017)

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ausgeschlagen. Da streitet er sich lieber mit Wilson darüber, ob denn nun ABBA oder die Bee Gees die bessere Band sind. „ Ich finde ja die Bee Gees, aber Steven meint ABBA. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, lacht er und steckt sich eine weitere Zigarette an. Wenn er über seine Freundschaft zu dem englischen Genie redet, taut er merklich auf, wirkt weniger beladen von einer schweren Bürde. „Ich habe Steven zu einem extrovertierten Menschen gemacht“, meint er zwischen zwei tiefen Zügen. „Vor zehn Jahren war er noch äußerst schüchtern, blickte kaum auf und sprach nicht mit dem Publikum. Er hingegen hat mich gelehrt, die technische Seite der Musik zu umarmen. Und auch, nicht allzu schmalzig zu werden.Also, nicht ganz so sehr wie Chris de Burgh, um es mal so zu sagen. Wobei wir auf dem neuen Album durchaus auch mal sehr kitschig geworden sind.“ Er überlegt kurz. „Ich mag das einfach.“ Es passt aber auch zur träumerischen, melancholischen Stimmung, die auf „Blackfield V“ durchaus auch mal an Broadway-Momente oder den Soundtrack eines Liebesfilms erinnern. Mut zum Kitsch, Mut zum Pathos hatte Geffen immer. Mit Wilson und Parson in Personalunion wurde daraus ein wunderbar reinigendes Stück Musik. „Ich wollte ein Album, das ein sicherer Hafen in diesen unsteten Zeiten ist, ein Album, bei dem man sich erholen kann“, legt er dar. „Eskapismus wie dieser war schon auf den Alben der Siebziger sehr wichtig. Heute sind es Trump, Putin und der Brexit, doch die Stimmung ist eine ganz ähnliche.“ Da ist sie, die politische Ebene eines an sich unpolitischen Albums. Aber ganz ohne kann er dann doch nicht. Kein Wunder eigentlich bei seinem Stammbaum. „Ich stamme aus der Geffen-Familie, wir sind so was wie die arme Ausgabe der Kennedys. Moshe Dayan war mein Cousin, ich bin das komplette Gegenteil davon. Israel hat kein Recht, das Leben der Palästinenser so zu kontrollieren, zu unterdrücken. Ich möchte meinem Sohn Dylan nicht eines Tages sagen müssen, dass ich all das wusste, aber nichts unternommen habe. Also tue ich, was ich kann.“

BLACKFIELD Blackfield V Kscope/Peaceville bs. In Zeiten wie diesen sind es Künstler wie Aviv Geffen, denen besondere Bewunderung zuteil werden sollte. In seiner Heimat Israel ein polarisierender Star, der sich offen links für die Freiheit Palästinas einsetzt, im Rest der Welt hochgeschätzter Gründer hinter Blackfield. Gemeinsam mit Steven Wilson, mit dem er auch die ersten beiden Blackfield-Alben realisierte, offeriert der 43-Jährige ein wunderbares, ein kostbares Stück musikalischen Eskapismus. Üppig, bisweilen kitschig, bittersüß und strahlend schön ist es geworden, ein Hohelied auf anspruchsvolle, emotionale, leidenschaftliche und umschmeichelnde Pop-Musik. Kein easy listening, dafür ein Manifest der Freundschaft dieser beiden Ausnahmekünstler. Produziert von Legende Alan Parson und umweht von der salzigen Brise des Ozeans, ist „Blackfield V“ das richtige Album, um abzuschalten und sich sanft in diesen Strom aus bittersüßer Melodie gleiten zu lassen. Ein reinigender Prozess, an dessen Ende man sich gestärkt, erholt und beseelt fühlt, ein Album für das eigene Kopfkino mit träumerischem Gesang, schwerelosen Rhythmen und samtweichem Sound. Musikgenießer unter sich eben.


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