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Die Mikroskop-Ansichten sind nicht nur farbenfroh, sondern auch sehr aufschlussreich. Links: Farbstoffe machen Zellkern (blau) und Mitochondrien (grün) sichtbar. In der Mitte wurde ein wichtiges Protein im Cytoskelett mit einem grünen Farbstoff markiert. Rechts: Hier verändert ein gekoppelter Farbstoff die Farbe bestimmter Zellkerne in lebenden Zellen. Dabei erscheinen nur solche Zellkerne rosa, die ein bestimmtes DNA-Fragment exprimiert haben

änderungen erkannt werden. Das Problem: Die Zellen müssen fixiert oder anderweitig zerstört werden, um Zugang zu den intrazellulären Targets zu erzielen. In lebenden Zellen ist es bisher unmöglich, die Substanzwirkung über einen längeren Zeitraum zu verfolgen – vorübergehende Effekte werden so leicht übersehen. Anders mit HTRF. „Damit können wir die molekularen Prozesse in lebenden Zellen sichtbar machen“, erklärt die Biologin. So wird es Wirkstoffforschern möglich, den Effekt ihrer Testsubstanzen auf die Interaktion von Proteinen in den Zellen in deren natürlicher Umgebung zu untersuchen. „Ein enormer Vorteil gegenüber Tests in Eiweißlösungen oder zerstörten Zellen“, so Pribilla. Erste Erfolge können die CIS-Forscher schon vorweisen. Etwa ein Testsystem, das der Wechselwirkung von Proteinen auf der Oberfläche lebender Zellen via HTRF auf die Spur kommt. Unterstützt wird Iris Pribilla von einem Team junger, internationaler Wissenschaftler, die mit interdisziplinärer Expertise zum Gelingen des Projekts beitragen. Das eigentliche HTRF-

Herzstück entsteht dabei im Chemielabor. Dort köcheln Chemiker an den Kryptaten, die die CIS-Technologie so besonders machen. Kryptate sind dreidimensionale Käfige, in denen Metall– ionen wie Europium eingeschlossen werden und somit verborgen sind (kryptos: griech. für verborgen). Der Käfig sammelt Licht ein und leitet es zum Europium, das daraufhin lang anhaltend fluoresziert. Kryptat-Struktu-

wurde daraus das HTRF-Testverfahren, das heute unverzichtbar bei der Suche nach der Medizin von morgen ist. Entscheidender Vorteil der Kryptate: Sie leuchten länger als andere Fluoreszenzfarbstoffe, auch wenn eine Millisekunde nicht wirklich lang klingt. Die lange Leuchtdauer ist für HTS-Tests äußerst wichtig, denn viele Testsubstanzen besitzen eine eigene, jedoch kürzere Fluoreszenz. Erst wenn deren Licht erloschen ist, wird daher die von den Kryptaten induzierte Fluoreszenz gemessen. So umgeht man Überlagerungen und erhält ein spezifisches Kryptat-Signal. Kryptate sind Diven, deren Auftritt Geduld verlangt. Zehn bis 15 Syntheseschritte sind nötig – und dauern mehrere Monate. Nur bei CIS entstehen diese komplizierten Strukturen. Ungefähr 30 verschiedene Kryptate haben dort schon das Licht der Welt erblickt. Wenn alles klappt, können Pribilla und ihr Team bereits 2007 einen marktfertigen Test präsentieren. Einige Stolpersteine sind noch aus dem Weg zu räumen. Schon heute machen zellbasierte Screenings mehr als ein Drittel der Wirkstoffsuche per HTS aus, Tendenz steigend. Intrazelluläre Testverfahren passen bestens zu dieser Entwicklung. Auch CIS-Forschungsleiter Dr. Gérard Mathis ist sicher, dass sein innovatives Projekt eine erfolgreiche Zukunft vor sich hat: „Wenn wir die HTRF-Technologie in die lebende Zelle oder eines Tages sogar in den lebenden Organismus bringen, öffnen sich damit neue Horizonte für die Wirkstofffindung. Wir werden die gesamte pharmazeutische Welt überraschen.“ Eva Königsmann

Kryptate sind schwierige Diven, deren Auftritt viel Geduld verlangt ren sind robust, extrem stabil und dadurch für die HTS-Tests besonders gut geeignet. Für die Entdeckung dieser komplexen Leuchtfarbstoffe erhielt Professor Jean Marie Lehn 1987 den Nobelpreis für Chemie. CIS begann schließlich, dessen Pionierarbeit weiterzuentwickeln. In Kombination mit weiteren fluoreszierenden Markern

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