Saison 03/2011

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8 STORYTELLING SAiSoN

Storytelling: Die Kunst des Erzählens Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Doch damit einer überhaupt eine Reise tut, muss man ihm erst was erzählen. Die Marketingtechnik des Storytellings wird auch im Tourismus immer wichtiger. VON S TEFFEN AROR A

D

ie brandneue imagekampagne der Tirol Werbung zeigt, wie es geht: Zwei Frauen im Dirndl stehen vor dem Eingang einer Tankstelle, in der Hand je einen Becher. So weit die information, die das Bild dem Betrachter tatsächlich gibt. Doch wir nehmen nicht allein die information auf, die unsere Augen liefern. Unser Gehirn denkt weiter. So auch in diesem Fall. Beim Betrachten des Bildes wird sofort unsere Phantasie

men die beiden Frauen vielleicht eben erst von der Arbeit? Vielleicht wurde es wieder einmal später, es war schon hell draußen, als die letzten Gäste das Fest verlassen haben. Nun noch ein gemeinsamer Tee am Weg nach Hause, bevor es endlich in die wohlverdienten Federn geht. Wir wissen es nicht. Aber wir würden es gerne wissen. Das Bild erzählt uns eine Geschichte, die wir nur zu gern erfahren würden. Das Bild löst Gefühle in uns aus. Es spricht uns auf der emotionalen

© DiETER HERBST

„Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung. Das ist sehr tief in unserem Gehirn verankert.“ DiETER HERBST, PR-EXPERTE MiT SCHWERPUNKT SToRYTElliNG

angeregt. Unweigerlich denkt man sich in die Situation hinein, denkt sie weiter. Es ist wohl frühmorgens, lässt das licht vermuten. Es scheint noch etwas frisch zu sein, sagt uns die Körperhaltung der beiden Frauen. Beide umklammern ihren Becher, der sie zu wärmen scheint. Wahrscheinlich trinken sie Kaffee, das passt zur Tageszeit. Sie genießen wohl die Ruhe vor dem morgendlichen Ansturm aufs Frühstücksbuffet in dem Hotel, in dem sie arbeiten. Warum sollten sie sonst Dirndl tragen? oder kom-

Ebene an und das ist jene Ebene, die uns weitaus mehr berührt als die rein rationale. Würde die Tirol Werbung ein Plakat affichieren, auf dem sie die Entwicklung der Nächtigungszahlen der vergangenen zehn Jahre zusammenfasst, würden wir es betrachten und postwendend vergessen. Die Zahlen mögen beeindruckend sein, aber sie berühren den Betrachter nicht. Es sind eben nur nüchterne Fakten. Und genau diesen Umstand, dass Menschen auf der Gefühlsebene viel eher zugänglich

und empfänglich für informationen sind, nutzt die Technik des Storytelling, was frei übersetzt nichts anderes heißt, als Geschichten erzählen.

Ideales Vehikel. Diese Technik gewinnt in der modernen PR immer mehr an Bedeutung. Das kommt nicht von ungefähr. Es war im Jahr 1996, als am renommierten Massachusetts institute of Technology (MiT) in den USA Wissenschaftler, Journalisten und Manager darüber berieten, wie man lernprozesse innerhalb eines Unternehmens so dokumentieren könnte, dass sie das gesamte Unternehmen nutzen kann. Die Antwort war ebenso einfach wie wirkungsvoll: Geschichten sind das ideale Vehikel dazu. Der deutsche PR-Experte und Universitätsprofessor Dieter Herbst hat die Technik des Storytellings in seinem gleichnamigen Buch umfassend vorgestellt und zählt mittlerweile zu den gefragtesten Unternehmensberatern in Sachen PR im deutschen Sprachraum. Für Herbst ist der durchschlagende Erfolg dieser Technik keine Überraschung. immerhin sei das Erzählen von Geschichten so alt wie die Sprache selbst. Und die Menschen haben seit jeher ihr Wissen über das Medium der mündlichen Überlieferung weitergegeben, sie haben es weiterzählt. „Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung. Das ist sehr tief in unserem Gehirn verankert“, sagt Herbst. Die Bibel ist für den Experten ein Paradebeispiel für das erfolgreiche Storytelling. letztlich beruhe der durchschlagende und zeitlose


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