Speculative Artefacts and Design Fiction

Page 10

falscher hase Carolin Schulze

Fast ein Fünftel der globalen Treibhausgase werden durch Viehwirtschaft verursacht. Vierzig Prozent unserer ernährungsbedingten Treibhausemissionen verursachen wir durch tierische Lebensmittel. Ein Drittel dieses Ausstoßes entsteht durch die Abholzung von Regenwäldern in Südamerika. Allein für die Viehwirtschaft. Riesige Mengen von Wasser werden verschwendet. Neben langen Transportwegen ist die ineffiziente Biomasseumsetzung von Säugetieren, Geflügel und Fischen ein ausschlaggebender Punkt für die immer lauter werdende Kritik. Aus 10kg Futtermittel resultieren 5Kg Hähnchen, 3kg Schweinefleisch oder 1kg Rindfleisch. Im Vergleich dazu könnte man aus der selben Futtermenge 9kg Insektenfleisch gewinnen. 1400 Insektenarten, so eine Studie der Welternährungsorganisation, können die Welt ernähren. In Asien laufen derzeit Forschungsprojekte zu verschiedenen und kostengünstigen Futtermethoden von Insekten. Der große Vorteil des Insektenfarmings ist die „einfache“ Haltung von Insekten: Sie mögen es dunkel und brauchen wenig Platz und nahzu kein Wasser. Zudem sind sie Allesfresser und kommen teilweise mit Pappresten und einer Handvoll Küchenabfällen aus. Jeder kann in selbstgebauten Behältern seine Insekten ziehen. In Thailand und Laos ist das heute schon Realität. Zwei LKW-Reifen aufeinanderstapeln, Eierkartons mit Grillen einsetzen, Drahtgitter drüber und eine Handvoll Küchenabfälle hinein. Das funktioniert aber in Europa nicht. Noch können die Menschen ihr Schnitzel, stellvertretend für unterschiedlicche Zubereitungsformen tierischer Proteine, auf Kosten der Umwelt konsumieren. Aber auch mit ruhigem Gewissen genießen? Es ist leicht auszurechnen wie die Umwelt- und Ernährungssituation in 20 und in 40 Jahren aussehen wird. Zukunftsprognosen und gemeinsame ethische Werte fordern uns auf, nicht nur unser aktuelles Konsumverhalten zu überdenken, sondern auch umzusetzen. Menschen in Europa essen keine Insekten, weil die westliche kulturelle Prägung es nicht zulässt. Insekten verbinden die meisten Menschen mit Unreinheit und daraus resultierend Ekel. Nur die wenigsten würden freiwillig ihre Ernährung auf Insekten umstellen. Das Aussehen und die Erscheinung des Schalentieres schreckt sie ab. Wie kann dieses Problem gelöst werden? Indem man dem Insektenfleisch eine neue Form gibt und wir uns durch den „Look“ der Insektenspeise selbst überlisten. Der „falsche Hase“ transportiert historisch betrachtet eine ähnliche Aussage. Als „Falschen Hasen“ bezeichnet man ein Gericht, bestehend aus gekochten Eiern und Hackfleisch, dass in Zeiten knapper Nahrungsmittel stellvertretend für den kostbaren Sonntagsbraten war. Der „falsche Hase“ aus Insektenfleisch ist ein auf diesen Zusammenhängen beruhender Gegenentwurf, der moralisch und ökologisch vertretbar ist. Aktuelle und zukünftige 3D-Druck-Technologien ermöglichen eine freie Formwahl für die verfeinerten Rezepturen aus Insektenproteinen. Es wird durch die Verfügbarkeit in jedem Haushalt möglich sein eigenständig und nach Gusto Nahrung zu drucken. Der 3DDrucker Makerbot heißt ja heute schon Replicator, angelehnt an die automatisierte Essensausgabe auf dem Raumschiff Enterprise.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.